<html>
<body>
Lieber Michael,<br><br>
ich stimme Dir zwar zu, dass bei der Arbeitslosenversicherung und stärker
noch der Rentenversicherung heute immer wieder und von (fast) allen
Seiten der (Privat-)Versicherungscharakter mit der
Beitrags-Leistungsäquivalenz als zentralem Prinzip betont wird. Das ist
aber weder notwendig: Stimmt diese eingeschränkte Ausdeutung doch zum
Beispiel überhaupt nicht mit den weiteren in der RV zentral verankerten
Prinzipien (Koppelung am Lohnniveau zum Zeitpunkt der Auszahlung,
Familienernährerprinzip, Demographiefaktor) überein und diese Prinzipien
wollen die Vertreter des Versicherungsprinzips eigentümlicherweise auch
gar nicht abschaffen. Zudem war das auch nicht immer so: Die Ausdeutung
der Sozialversicherung als (Privat-)Versicherung ist erst in den letzten
Jahrzehnten gewachsen und ist weit davon entfernt, immer schon dominant
gewesen zu sein. <br>
Deswegen bin ich (etwas) optimistischer, dass an dieser Front auch ohne
Deine Grundeinkommensversicherung Bewegung möglich ist.<br><br>
Ich denke das wesentlich größere Problem, und damit sage ich nichts
neues, ist die festgefahrene Auffassung: "Surfers should <b>not
</b>be fed", also jemand, der nicht arbeitet nur ein Anrecht auf
staatliche Existenzsicherung hat, wenn er seine (Selbst-)Hilfelosigkeit
und Bedürftigkeit nachweisen kann. Das ist das Haupthindernis für die
Einführung von Grundeinkommensmodellen jeglicher Art. <br>
Deswegen müßte man nach meiner Auffassung darauf setzen, durch kleinere
Einstiegsmodelle an dieser Stelle einen gesellschaftlichen Lernprozess in
Gang zu setzen. Die, nun wirklich sehr beschränkte,
Durchsetzungswahrscheinlichkeit müßte zudem dadurch gesteigert werden,
indem man die (vorhandenen!) positiven wirtschafts- und
arbeitsmarktpolitischen Effekte in den Vordergrund bei der Begründung der
Einstiegsmodelle stellt. Ein Beispiel ist sicherlich die Begründung für
den dem Grundeinkommen nahe verwandte Vorschlag des Basiskapitals mit der
notwendigen Kapitalbereitstellung für Bildungsinvestitionen (Offe,
Grözinger, Maschke).<br><br>
Herzliche Grüße,<br>
Dirk Jacobi<br><br>
<br>
At 20:55 19.06.2006, Michael Opielka wrote:<br><br>
<blockquote type=cite class=cite cite="">Lieber Manuel, liebe
Freunde,<br><br>
euer Vorschlag ist interessant und gegenüber dem Vorentwurf eleganter,
der<br>
mit einem Einkommenssteuersatz von 50% plus (!) Arbeitgebersteuer von
22%<br>
plus erhöhte Verbrauchssteuern einen überskandinavischen Eingriff<br>
beinhaltete ­ und daher wenig realistisch schien. <br><br>
Interessant ist auch das darin enthaltene Teil-Grundeinkommen (partial
basic<br>
income), das ihr als bedingungslosen "Sockel"
bezeichnet.<br><br>
Grundproblem eures Ansatzes ist aus meiner Sicht, dass ihr sowohl<br>
Geldtransfers wie Sachtransfers (Krankenversicherung) aus
Steuermitteln<br>
aufbringen wollt, was angesichts einer Steuerquote von ca. 18-19% im<br>
obersten Quintil der Einkommenssteuerzahler (Stand 2004, Angaben BMF)
zu<br>
einem Aufschrei und zu "von oben" gesteuerten Steuerprotesten
führen würde.<br>
Wir sind hier nicht in Skandinavien - und auch dort gab es<br>
Steuerprotestparteien.<br><br>
Theoretisch steht hinter diesem "Grundproblem", dass ihr die
Sozialpolitik<br>
unter die allgemeine Steuerpolitik, also die - historisch betrachtet
-<br>
Polizeifunktion des Staates subsumiert. Das ist (wenig
reflektierter)<br>
Mainstream der Ökonomie, aber politisch-historisch fragwürdig. <br>
<br>
Wenn dieses Prinzip in der Krankenversicherung durchschlagen würde,
dann<br>
droht bei den anstehenden "Rationierungen" im Gesundheitswesen,
dass die<br>
Verteilungskampflogik die Solidarlogik überlagert. <br><br>
Mir erscheint es in der deutschen und kontinentaleuropäischen
Tradition<br>
ratsamer, die Idee der Grundsicherung in einer
"Grundeinkommensversicherung"<br>
zu realisieren (dazu u.a. mein Buch "Sozialpolitik", rowohlt
enzyklopädie,<br>
2004) und die Krankenversicherung - daran anschließend - nach<br>
österreichischem Vorbild als Bürgerversicherung zu gestalten.<br><br>
Das wäre eine Synthese von Sozialversicherung und Steuer, mit<br>
"Sozialsteuern" als Abgaben, eigenständigen, vom
Bundeshaushalt<br>
abgekoppelten Körperschaften (wie bisher) und dem "Gefühl",
dass wer mehr<br>
einzahlt auch mehr bekommt - aber keine "Beitragsäquivalenz"
wie bisher mit<br>
Eigentumsfiktion, sondern eine Teilhabeäquivalenz wie in der
Schweizer<br>
Rentenversicherung: die höchste Leistung ist das Doppelte des<br>
Grundeinkommens.<br><br>
Schöne Grüße<br>
Michael Opielka <br><br>
__________________________________________<br><br>
prof. dr. michael opielka<br>
fachhochschule jena - fachbereich sozialwesen <br>
<a href="http://www.sw.fh-jena.de/people/michael.opielka/download" eudora="autourl">
http://www.sw.fh-jena.de/people/michael.opielka/download</a> <br><br>
<br>
-----Ursprüngliche Nachricht-----<br>
Von: debatte.bag.wirtschaft-bounces@gruene.de<br>
[<a href="mailto:debatte.bag.wirtschaft-bounces@gruene.de" eudora="autourl">
mailto:debatte.bag.wirtschaft-bounces@gruene.de</a>] Im Auftrag von
Manuel<br>
Emmler<br>
Gesendet: Mittwoch, 7. Juni 2006 18:22<br>
An: Verborgene_Empfaenger:<br>
Betreff: [Debatte.bag.wirtschaft] Diskussionsentwurf"Grüne
Grundsicherung"<br><br>
Liebe Befürworter/innen einer Grundsicherung,<br>
Liebe Gegner/innen,<br><br>
der unten stehende Link führt zu einer aktualisierten Version eines <br>
Diskussionsentwurfs zur Grünen Grundsicherung. Wenn ihr wollt, könnt ihr
<br>
euch auf der Seite als Unterstützer/innen eintragen. Siehe:<br><br>
<a href="http://www.grundsicherung.org/" eudora="autourl">
http://www.grundsicherung.org</a> <br><br>
Viele Grüße<br>
Thomas Porski und Manuel Emmler<br>
-- <br><br>
Manuel Emmler<br>
Brüsseler Str. 16<br><br>
13353 Berlin<br><br>
Tel.: 030-45310435<br>
Mobil: 0177-3237445<br><br>
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