[Debatte-Grundeinkommen] bGE jetzt, weil Hartz4 Mord ist

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Di Jan 13 14:59:14 CET 2015


Hi,

meine Frau hatte heute mal wieder einen ihrer obligatorischen und völlig 
sinnfreien Jobcenter-Termine. Sinnfrei, weil sie gerade in einem 
Fernstudium steckt und auߟerdem aus gesundheitlichlichen Gründen eh 
nicht im Ernst dem Arbeitsmarkt zur Verfügung steht, das Jobcenter da 
eigentlich nur routinemäßig mal hören will, ob auch alles seinen Gang 
geht. Meine Frau berichtete von dem Termin Folgendes: Da gerade ein 
anderer Besucher den Büro-Trakt verlieߟ, der durch eine nur von innen 
zu öffnende Tür vom frei zugänglichen Bereich des Gebäudes abgetrennt 
ist, konnte sie diese Tür von auߟen kommend passieren - und wurde von 
etwas abseits stehenden Sicherheitsleuten angefahren und kontrolliert. 
Nur noch mit Erlaubnis der Sicherheitskräfte sei das Betreten des 
Büro-Trakts gestattet. Offenbar herrschte angespannte Nervosität. Ihr 
sehr freundlicher Vermittler klärte sie dann darüber auf, dass in einer 
anderen Bremer Jobcenter-Filiale wohl gerade ein Mitarbeiter von einem 
Kunden erstochen worden sei. Eine schweigsame Gedenkminute sei für alle 
MitarbeiterInnen heute anberaumt worden. Die Sicherheitsmaßnahmen seien 
hausintern verschärft worden. Die KollegInnen in den 
Leistungsabteilungen seien wohl ohnehin immer wieder sehr brenzligen 
Situationen ausgesetzt, weil sie die Sanktionsmechanismen für 
Fehlverhalten gegenüber dem teilweise sehr hilflosen, eigentlich auf 
sozialpsychologische Hilfestellungen angewiesenen Klientel vertreten 
müssten, das sich eben manchmal nur noch mit Gewalt zu reagieren in der 
Lage sehe.

Ich habe gegoogelt, mir die Pressemitteilungen des Jobcenters Bremen und 
die Nachrichten bei Radio Bremen im Netz reingezogen - nichts. Kein 
Hinweis auf ein solches Geschehen. Wäre ja nun nicht der erste Tote, der 
in dem Zusammenhang zu beklagen ist. Vielleicht sind die zuständigen 
Stellen unterdessen dazu übergegangen, solche Informationen lieber nicht 
zu veröffentlichen. Man will ja keine Trittbrettfahrer oder gar eine 
gesellschaftliche Debatte darüber, wie verzweifelt so manche Leute im 
Angesicht von Hartz4 sind. Der deutsche Arbeitsmarkt ist ja gerade so 
hübsch in Fahrt, weil man die Kosten der Ware Arbeitskraft hierzulande 
seit der Wende hat drastisch drücken können (vgl. 
http://www.das-kapital.eu/lohnentwicklung.html ) und ansonsten in der 
Lage war, ökonomische Probleme im großen Stil nach Südeuropa zu 
exportieren (vgl. vielleicht dies: 
http://www.flassbeck-economics.de/warum-es-so-schwer-zu-verstehen-ist-dass-in-einer-wahrungsunion-die-reallohne-immer-der-produktivitat-folgen-mussen/ 
und dies: 
http://de.wikipedia.org/wiki/Eurokrise#Institutionelle_Eigenschaften_der_Eurozone 
). Vielleicht ist es auch eine Fehlinfo, ist ja alles nur Hörensagen vom 
Vermittler meiner Frau. Vielleicht lesen die ja heimlich hier den 
Verteiler mit und wollen bloß mal wieder in meinen Texten Erwähnung 
finden. Tja, keine Ahnung. So oder so, wegen früherer und gut 
dokumentierter Fälle: Hartz4 ist Mord. Würden die hilflos ausrastenden 
Hartz4ler wenigstens Gerhard Schröder oder sonstwen abstechen, der 
damals in Bundestag und Bundesrat diesen Scheiß zum Gesetz adelte, wäre 
das zwar noch immer nicht schön, aber man könnte sich zumindest damit 
trösten, dass diejenigen, die gesät haben, auch die Ernte einführen. So 
aber trifft es Leute, die ja auch bloß ihren nicht sooo sonderlich 
attraktiven Job machen, sich ans Gesetz halten müssen, dabei vielleicht 
persönlich auch Arschlöcher sind, aber dennoch nicht verantwortlich für 
die arschige Gesetzeslage selbst.

Tja, die Arbeiterbewegung in Deutschland ist ja ohnehin so verrottet. Zu 
Andreas' Text etwa würde ich anmerken, dass die Kommunisten hierzulande 
ja immer vor dem Problem standen, dass dem objektiven Klassencharakter 
im Kapitalismus kein auch nur annähernd adäquates subjektives 
Klassenbewusstsein entsprach. Die nationalistische Zukleisterung des 
Klassengegensatzes blieb zumeist in den Köpfen gewichtiger - und 
ansonsten wurden die Kommunisten in den vergangenen eineinhalb 
Jahrhunderten ja auch ohnehin mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln 
gemobbt, ermordet, verleumdet. Wäre ich als Gewerkschafter zuständig für 
die Angestellten in den Jobcentern, würde ich bei nächstbester 
Tarifauseinandersetzungsgelegenheit angesichts der Lebensgefahr, die 
dieser Job mit sich bringt, die streikbereiten Angestellten davon zu 
überzeugen suchen, eine Gefahrenzulage in völlig irrealer Höhe (bspw. 
eine Milliarde pro Monat, weil: wer kann ein Menschenleben in Geld 
aufwiegen?) so lange zu fordern, bis die Sanktionsmechanismen 
abgeschafft wären. Aber tut die Gewerkschaft irgendwas in der Art? Nö, 
lieber gelegentlich mal Mörder und Ermordete als Bauernopfer des Systems 
ertragen, eine Schweigeminute einlegen und fröhlich weiter mit dem 
Scheiß. Ey.

Folglich biete ich mal diesen Slogan an: bGE schützt Leben.

Liebe Grüße,

Bert



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