From jochentittel at web.de Mon Sep 8 12:40:46 2014 From: jochentittel at web.de (Jochen Tittel) Date: Mon, 08 Sep 2014 12:40:46 +0200 Subject: [Debatte-Grundeinkommen] zum Beitrag von Bert Grashoff Message-ID: <540D87AE.5040909@web.de> Liebe MitstreiterInnen Ich hatte meine Antwort auf die Diskussionen zu Berts Äußerungen am 27.8. schonmal abgeschickt, aber wohl die falsche Adresse erwischt; deshalb hier nochmal der Text, ohne aufdringlich sein zu wollen. Lieber Bert und liebe Mitdebattierer, ich gehöre mal wieder zu den - hoffentlich zahlreichen - stillen Mitlesern Eurer Auseinandersetzung und ich freue mich über den frischen Wind, den Berts Beitrag hat aufkommen lassen. Von den vielen Aspekten, die im Zusammenhang mit dem bedingungslosen Grundeinkommen innerhalb der BGE-Bewegung noch weiterer Klärung bedürfen, hat Bert die meisten und wichtigsten angesprochen, denke ich. Bevor ich auf einige dieser Aspekte eingehe will ich aber zunächst (wieder) etwas zur Form der Debatte sagen. Wie mir scheint, ist Willi ein Heißsporn; er hat bei jeder Debatte Kritik und Urteile und absolute Wahrheiten bereit, mit denen er uns traktiert. Jedesmal ist meine Befürchtung, daß jetzt ein verbales Gemetzel losgehen könnte. Aber erfreulicherweise reagieren die Angegriffenen sehr friedlich und freundlich und das führt in der Regel dazu, daß auch Willi erkennt, daß dieser Austausch hier nur zu etwas positivem führt, wenn wir uns gegenseitig zunächst mal anerkennen, so wie wir hier auftreten und niemandem Böswilligkeit oder Dummheit unterstellen. Ich denke, ich verstehe, woher Willis heftige Reaktionen kommen. Aus den Orten, die er als Absender angibt, schließe ich, daß er sich in Südamerika herumtreibt und aus seinen Äußerungen, daß er nicht bei der reichen Oberschicht zu Besuch ist. Was die einheimische Bevölkerung in den letzten Jahrzehnten - nein: in den letzten Jahrhunderten - an Demütigungen und Leid und Not ertragen mußte, das macht für mich verständlich, wie es zu einer Radikalisierung kommen kann, in der dann auch bewußt und unbewußt Gewalt als Mittel der Veränderung eine Rolle spielt. Ich bin aber der Meinung - natürlich nicht ich alleine - , daß Gewalt nur in einem einzigen Fall nützlich und zu rechtfertigen ist: wenn es darum geht andere Gewalt durch Gegengewalt zu stoppen. Für alles andere, was darüber hinaus geht, ist Gewalt ein untaugliches Mittel. Ich lebe in Deutschland auf dem in mancher Hinsicht ziemlich idyllischen Land und meine Kenntnis von den politischen Entwicklungen in Südamerika ist sicher sehr lückenhaft, aber ich habe den Eindruck, daß zumindest große Teile der "Befreiungsbewegungen" (ich habe das jetzt in Anführungszeichen gesetzt, weil es eine sehr pauschale Bezeichnung ist), die Untauglichkeit der Gewalt für eine andere Vergesellschaftung erkannt haben. Das also wollte ich voranschicken, um zu sagen: ich habe Verständnis für Willis impulsive Äußerungen. Da ich gerade bei Südamerika bin, will ich Bert auch gleich darauf hinweisen, daß die BGE-Debatte in Deutschland und Europa durchaus nicht blind für die Verhältnisse im großen Rest der Welt ist. Es gibt Überlegungen darüber, daß die Einführung eines Grundeinkommens auf keinen Fall auf das relativ wohlhabende Deutschland oder Europa beschränkt werden kann, daß es eher sinnvoll wäre, damit in den ärmsten Regionen der Welt zu beginnen. Als einen prominenten Vertreter dieser Haltung nenne ich Werner Rätz; er ist aber nicht alleine. Welche Auswirkungen ein BGE nur für Europa für die Migrationsbewegungen auf unserem Globus nach sich ziehen würde, kann sich jeder ausmalen. Zur Berechnung von BGE-Finanzierungsmodellen Ich bin wie viele andere auch der Meinung, daß solche Modelle keine Prognosen liefern können, wie die Wirtschaft mit einem BGE künftig laufen wird, deshalb schenke ich diesen Modellen keine große Aufmerksamkeit. Dennoch sind sie wohl unter den gegenwärtigen Umständen unverzichtbar, denn solange wir in bürgerlich-kapitalistischen Gesellschaften leben, ist ohne berechnete Modelle eine politische Durchsetzung im parlamentarischen Verfahren aussichtslos. Ich bin nicht der Meinung, daß der Grundgedanke des BGE an die Geldform gebunden ist, im Gegenteil läßt er sich geldlos sehr einfach erklären. Aber solange wir uns zentral über das Geld vergesellschafteten, müssen auch BGE-Verfechter sich die Mühe machen, über Geld nachzudenken. Was ist eigentlich Geld? Wie entsteht es? Was kann es und was nicht? Oder besser: Was können wir über das Geld erreichen und was nicht? Diese Fragen treiben mich schon länger um, als die BGE-Frage und sie scheinen mir noch sehr unterbelichtet in den BGE-Kreisen. Da in dieser Debatte hier schon der Name Brodbeck gefallen ist, möchte ich darauf hinweisen, daß Karl-Heinz Brodbeck ein äußerst aufklärendes Buch mit dem Titel "Die Herrschaft des Geldes ..." geschrieben hat, das für mein Verständnis an Bedeutung dem Marxschen "Kapital" gleichkommt und mit dem er zentrale Fragen, die bei Marx offen geblieben sind beantwortet. Unter anderem kann man nach der Lektüre dieses Buches auch verstehen, warum es mit der Abschaffung des Geldes bisher immer gründlich schief gegangen ist. Geld ist eine unserer Vergesellschaftungsformen (neben der Sprache u.a.) und die Abschaffung des Geldes würde die Abschaffung unserer Vergesellschaftung bedeuten, wenn wir nicht andere Formen finden, welche die Aufgaben übernehmen (und besser machen), die wir bis jetzt über das Geld lösen. Willi ist der Meinung, daß es ganz einfach ist, wenn wir alles lokal und vielleicht noch regional Organisieren und ich bin auch ein Anhänger und Mittäter in dieser Sache. Aber wie Bert bin ich auch überzeugt, daß der Zustand der Menschheit gegenwärtig nicht einfach umgestellt werden kann. Wenn wir nicht mit den gleichen totalitären Wahnvorstellungen wie die großen Diktatoren des letzten Jahrhunderts über Leichen gehen wollen, müssen wir uns überlegen, wie eine Umkehr menschlich machbar ist. Ob und wie dann die Menschen in der Zukunft ihre Existenz lokal, regional oder auch global (wahrscheinlich auf allen drei Ebenen) organisieren, darüber müssen wir uns nicht den Kopf zerbrechen; das ist nicht unsere Aufgabe. Unsere Aufgabe ist, einen verträglichen Übergang in eine gerechtere und friedlichere Form der Vergesellschaftung zu ermöglichen. Untrennbar mit dem Verständnis des Geldes ist der Wertbegriff. Was Bert dazu schreibt kann ich unterstützen. Zu Willis Wertbegriff will ich nur etwas relativierendes anmerken. Der Gedanke, daß meine Arbeitstätigkeit an der Zeit gemessen und entsprechend vergolten wird, ist doch gebunden an die Vorstellung, daß Arbeit nur als Mühe, als Quälerei betrachtet wird, die ich nur mache, weil ich dazu irgendwie gezwungen bin. Unter Herrschaftsverhältnissen ist das die Regel, deshalb scheint diese Denkweise so selbstverständlich. Wenn ich eine Tätigkeit aber ausführe, weil ich daran Freude habe und/oder einsehe, daß es irgendwie wichtig und sinnvoll ist, denke ich gar nicht oder jedenfalls viel weniger darüber nach, ob mir das jemand bezahlt oder sonstwie mich entschädigt; weil es keinen Schaden gibt. Also ist "Wert" in diesem Falle überflüssig, zumindest als berechenbare Größe. Wertschätzung meiner (nützlichen) Tätigkeit durch andere Menschen wird zwar mit dem abstrakten Wert in der Geldform in Zusammenhang gebracht, ist aber eine ganz andere Sache. Aus dieser Perspektive könnte Geld also in einer herrschaftsfreien Gesellschaft schon verschwinden. Aber Geld hat eben noch andere Funktionen in den Massengesellschaften, in denen wir leben: die Vermittlung der Vielzahl verschiedener Bedürfnisse der Individuen mit der Vielzahl der produktiven Fähigkeiten. In kleinen Gemeinschaften kann diese Vermittlung durch direkte Kommunikation erfolgen. Aber wir leben heute größtenteils nicht mehr in kleinen Gemeinschaften und es ist auch nicht möglich, daran so schnell etwas zu ändern (sofern das auch gewollt wäre), daß nicht zwischendurch die meisten verhungern oder sonstwie zugrundegehen müssten. Das Mittel zur Abwendung einer Katastrophe bei Abschaffung des Geldes ist noch nicht gefunden. Auch Berts geäußerter Wunsch nach einer Planwirtschaft 2.0 ist da nicht ohne weiteres erfüllbar, denn bisher basiert jeder Wirtschaftsplan genauso auf dem zweifelhaften Wertbegriff wie eine Geldwirtschaft und droht daher mit unberechenbaren Risiken und Nebenwirkungen für die es eben noch keinen Arzt oder Apotheker gibt. Trotzdem bin ich aber auch der Meinung, daß Wirtschaften irgendwie ein planvolles Handeln sein sollte und (mit Sicht auf die "Realsozialismen") nicht identisch mit Kommandowirtschaft sein muß. So, wie ich ein bedingungsloses Grundeinkommen für einen genial einfachen Schritt in diese Richtung halte, sehe ich auch den Gesellschen Geldreformgedanken als eine geniale Übergangslösung an, beides sind Möglichkeiten, die uns Freiraum verschaffen können, um dann gründlich über alles Weitere nachzudenken. Ich weiß, daß die Vorstellungen zu einer Geldreform umstritten sind und beobachte seit Jahren, wie durch gegenseitige Ignoranz und Unterstellungen Fronten aufgebaut bzw. zementiert werden. Eine vorurteilsfreie Auseinandersetzung würde manche geistige Verkrampfung lösen können und Wege eröffnen zu freundlicheren Entwicklungen. Was das BGE betrifft, entscheidet sich das "für" oder "gegen" letztlich an dem Bild, das ein Mensch von sich und von den anderen Menschen hat. Deshalb ist für mich eine der entscheidendsten Fragen, zu klären, woher das (nach meiner Überzeugung) falsche Menschenbild der BGE-Gegner kommt. Für mich ist nach langem und gründlichem (?) Nachforschen klar geworden, daß dieses Menschenbild zusammen mit der Herrschaftsgesellschaft entstanden ist. In meinen Augen ist das eine Fehlentwicklung (ein Bruch in der vorherigen Entwicklung) der Menschheit, der vor ca. 7000 bis 8000 Jahren begonnen hat und seitdem ins Verderben führt. Inzwischen ist es höchste Zeit diesen falschen Weg zu verlassen, also zu einer Umkehr. Deshalb lese ich solche Äußerungen wie: "Wir wollen doch nicht zurück in die Steinzeit" immer mit gemischten Gefühlen. Das Bild, welches wir uns von vergangenen Gesellschaften machen, ist in der Regel verzerrt von ideologischen Absichten. Genau wie der "real existiert habende Sozialismus" versucht auch der "real existierende Kapitalismus" seine Existenz durch eine entsprechende Umfärbung der Geschichte zu rechtfertigen. Sowohl vergangene wie auch zukünftige gesellschaftliche Zustände sind nur Konstruktionen in unserem Bewußtsein, im Grunde hat es nie eine Vergangenheit gegeben und wird es nie eine Zukunft geben, da alles was geschieht hier und jetzt geschieht, in der Gegenwart. Alle Gedankenkonstruktionen über Zukünftiges und Vergangenes haben nur Sinn als Hilfsmittel zur Gestaltung unserer Gegenwart. (Ich bin versucht, noch anzufügen: in Ewigkeit amen.) Vielleicht habe ich mich jetzt etwas vergaloppiert, aber ich lasse das trotzdem stehen. Zur Auseinandersetzung mit keynesianischen BGE-Gegnern (also Flassbeck usw.) Keynesianische oder neokeynesianische Literatur zur jüngsten Wirtschaftsgeschichte kann sehr Aufschlussreich sein, was die Mechanismen der verrückt gewordenen Finanzmärkte betrifft. Allerdings scheint ihre Perspektive für die Zukunft (!?) einzig darin zu bestehen die Beute (den Profit) etwas "gerechter" zu verteilen (Vollbeschäftigung bei hohen Löhnen) und ansonsten so weiter zu machen,wie bisher: ewiges Wachstum. Die Plünderung des Planeten und (unausgesprochen) der "Dritten Welt" bzw. der kapitalistischen Peripherie wird verdrängt. Und mir scheint, daß sich bei den Keynesianern bestätigt, was ich gerade über das Menschenbild gesagt habe: Keynesianer können sich offensichtlich nicht vorstellen, daß Menschen menschlich vernünftig Handeln, ohne unter Druck gesetzt zu werden. Sachzwänge sind da immer schnell gefunden. Ich habe mich bisschen von Berts flottem Stil anstecken lassen, wenn diese Debatte ganz öffentlich wäre, würde ich das alles (in den letzten Sätzen) moderater formulieren. Keynes selbst hatte ja durchaus auch das Ende des Kapitalismus in seinem Horizont; er erhoffte sich dieses Ende, wenn der Kapitalismus so viel Reichtum geschaffen hat, daß "der Rentier in einem Meer von Kapital ersäuft", also in etwa das, was Marx mit dem tendenziellen Fall der Profitrate zu beschreiben versuchte. Mit der Einführung seines Begriffs der Erwartungen hatte Keynes den Schlüssel zur Erkenntnis in der Hand, daß menschliches Wirtschaften kein mechanischer Automatismus ist, der quasi Naturgesetzlich abläuft. Er hat diesen Schritt nicht getan, genau so wie Marx aufgrund seiner materialistischen Überzeugung nicht von dieser Vorstellung eines gesetzmäßigen Verlaufs der Wirtschaft und der ganzen Geschichte loskommen konnte (und wollte). Aber Wirtschaft wie auch menschliche Geschichte sind von Menschen gemacht, also nicht naturgesetzlich; die neueste Hinterhältigkeit menschlicher Kreativität im Dienste der Herrschaftsverhältnisse ist die Erfindung des "green new deal", womit die notwendige Reparatur der ökologischen Schäden profitabel umgelenkt wurde. Auf diesem Wege eröffnet sich eine wahrhaft unendliche Möglichkeit der Vollbeschäftigung. Kein Naturgesetz hilft uns aus dieser Misere heraus; es hängt wirklich alles nur an unserer Entscheidung, endlich damit aufzuhören. Manfred Bartl macht einige Bemerkungen über den Zusammenhang von BGE und Inflation. Im großen ganzen kann ich ihm beistimmen, allerdings nicht bei der Behauptung, steigende Preise seien keine Inflation, solange die Kaufkraft gleich schnell steigt. Das kann sie ja nur, indem die für Konsumtion verausgabte Geldmenge im selben Tempo steigt. Würde das wirklich gleichzeitig mit der Preissteigerung geschehen, würden zwar die Folgen der Preissteigerung kompensiert, aber Inflation bleibt es trotzdem. Und in der Regel hinkt die Lohnsteigerung hinter der Preissteigerung hinterher und folglich entstehen auf der Lohnseite immer Verluste. Auch den Gedanken, das BGE einfach durch Gelddrucken zu finanzieren halte ich für keine gute Idee. Was das für Entwicklungen auslöst sollte vielleicht mal detaillierter ausgemalt werden, ich fürchte das ist dann nicht mehr steuerbar. Schließlich will ich noch ein paar Worte zu der Debatte über den Staat sagen. Genau wie die Rolle des Geldes ist die Rolle des Staates eine zwiespältige. Einmal ist er Herrschaftsinstrument oder Machtinstrument der herrschenden Klasse (so haben wir es in der DDR in der Schule gelernt und das ist nicht falsch), andererseits erfüllt er aber eine Vielzahl von Aufgaben, die wir nicht einfach liegenlassen können (obwohl ich durchaus auch sehe, daß es zahlreiche Aufgaben bzw. Funktionen gibt, die erst durch die Existenz eines Herrschaftsstaats erzeugt werden). Aus unserer gegenwärtigen Wirklichkeit heraus können wir also "den Staat" genauso wenig abschaffen, wie das Geld. Aber in der Gestaltung eines anderen Staatsgebildes sind der menschlichen Kreativität keine grenzen gesetzt; und natürlich können wir das auch anders nennen. Herzlichen Gruß an alle Beteiligten. Jochen Tittel From wube at gmx.net Mon Sep 8 21:13:18 2014 From: wube at gmx.net (willi uebelherr) Date: Mon, 08 Sep 2014 14:13:18 -0500 Subject: [Debatte-Grundeinkommen] zum Beitrag von Bert Grashoff In-Reply-To: <540D87AE.5040909@web.de> References: <540D87AE.5040909@web.de> Message-ID: <540DFFCE.3080102@gmx.net> Lieber Jochen, dass ist gut, dass du dir den flotten Schreibstil von Bert angewoehnt hast. Ich danke dir fuer die Muehe zu deinem Text. Diese Liste entwickelt sich wirklich grossartig. Ich will hier einen Satz eines argentinischen Philosophen zitieren, den auch Hugo Chavez oft verwendet hat. "Die Einheit in der Vielfalt". Ich sehe, wir sind auf diesem Weg. In den Kernfragen sind wir uns einig, in den vielen abgeleiteten Bereichen herrscht die Vielfalt. Und ohne diese Vielfalt gibt es keine Entwicklung. Mit einigen deiner Standpunkten will ich mich deutlicher beschaeftigen. 1. Lokale Oekonomie und Austauschmechanismen Wenn wir politisch und gesellschaftlich frei agieren wollen, dass heisst frei in der Akzeptanz der Wirklichkeit, frei im Suchen nach der Wahrheit, dann geht dies nur ueber die oekonomische Unabhaengigkeit. Das bedeutet, all jenes selbst und souveraen herstellen zu koennen, was wir brauchen oder meinen, zu brauchen. An dieser oekonomischen Unabhaengigkeit fuehrt kein Weg vorbei. Oekonomisch abhaengig bedeutet Sklaverei, materiell wie auch ideell. Die oekonomische Unabhaengigkeit ruht auf lokal unabhaengigen technischen Infrastrukturen. Und diese ruhen auf der Unabhaengigkeit in der Anwendung der Technologie, der Materialisation der Wissenschaften der Natur. Oder kurz; den inneren Gesetzen der Natur. Das ist nicht neu. Unsere Vorfahren haben dies ebenso verstanden und angewandt. Der Bruch geschah vor etwa 7-8000 Jahren. Das sehe ich wie du. Es war die Zeit der Herausbildung elitaerer Strukturen. Und diese benoetigen den Staat und das Geldsystem. 2. Geld, bGE und Staat Die Form, wie wir es diskutieren, bezieht sich auf ein Geldsystem. Der philosophische und ethische Inhalt ist frei davon. Das sehe ich genauso wie du und viele in dieser Liste. Aber: in der Oekonomie existert kein Geld. Nur in der Distributionssphaere. Wenn wir uns also mit der Oekonomie beschaeftigen, die Grundlage fuer ein bedingunsloses Existenz- und Lebensrecht aul dem allgemeinen Niveau, dann beschaeftigen wir uns eigentlich nicht mit Geld und Geldmengen, sondern mit den Strukturen unseres gesellschaftlichen Seins. Aus unseren formulierten Vostellungen und Perspektiven entwickeln wir jene inner-regionalen Relationen, die wir brauchen und die uns nuetzlich sind. du schreibst: "Auch den Gedanken, das BGE einfach durch Gelddrucken zu finanzieren halte ich für keine gute Idee. Was das für Entwicklungen auslöst sollte vielleicht mal detaillierter ausgemalt werden, ich fürchte das ist dann nicht mehr steuerbar." Gemaess deinem noch bestehenden Wunsch nach Erhaltung eines Staates eroeffnet sich hier ein gewaltiger Widerspruch. Alle Staaten finanzieren sich ueber "einfaches Gelddrucken". Die USA mit mindestens 85 Millareden Dollar/Monat ueber die FED. Nicht eingerechnet die vielen dunklen und verdeckten Kanaele. Alle Staaten sind Instrumente der Finanzsysteme. Und alle Staatssysteme sind parasitaer. Sie verbrauchen nur, ohne etwas zu erschaffen. Ausser vielleicht die Zerstoerung. 3. Austausch, Wert und Zeit Du hast etwas die Details ueberlesen. Die Zeit, also unsere Lebenszeit, ist das einzige, was wir in die Sphaere der Oekonomie einbringen. Wir muessen nur dafuer sorgen, dass unsere Zeit fuer wirklich notwendiges und sinnvolles verwendet wird. Wir koennen auch nur ein Minimum grob abschaetzen, was jedE aufbringen muss, sofern gesundheitlich oder sonstwie in der Lage. Unsere Lebenszeit ist die einzige objektive Grundlage fuer einen wertaequivalenten Tausch. Geldsysteme sind spekulative Wertabstraktionen mit immanenter Speicherfunktion. Silvio Gesell hat sich dieser inneren Speicherfunktion zugewandt. Wenn wir also ueber bedruckte Papierschnipsel oder Kontenzahlen tauschen wollen, dann muessen wir fuer 2 Grundfragen die Antwort suchen. a) die Wertbestimmung b) die Speicherfunktion Wenn die Speicherfunktion aufgeloest ist und die Wertbildung objektiv bestimmbar, dann koennen wir unbedenklich auch ein Geldsystem verwenden. Weil dann ist das Tauschaequivalent tatsaechlich die Zeit. Die Umlaufmenge ergibt sich aus den geschaffenen Werten, basierend auf der verdinglichten Zeit, und den Zeitmengen, die sich fuer die Herstellung materieller Instanzen zur Verfuegung stellen. Deswegen erhalten auch nur jene das Geld in ihrer Funktion als Eingangstor in das Tauschnetzwerk, die dieses brauchen und zur Herstellung der materiellen Grundlagen beitragen. Und das sind immer die Kommunen bzw.die lokalen Lebensgemeinschaften. Es gaebe noch mehr an Details zu diskutieren. Aber ich denke, dass ich hiermit die wesentlichen und substanziellen Themen angeschnitten habe. mit Dank fuer deinen Beitrag und lieben Gruessen an alle, willi Esperanza, Ibarra, Ecuador From unversoehnt at gmx.de Tue Sep 9 14:59:50 2014 From: unversoehnt at gmx.de (unversoehnt) Date: Tue, 09 Sep 2014 14:59:50 +0200 Subject: [Debatte-Grundeinkommen] zum Beitrag von Bert Grashoff In-Reply-To: <540D87AE.5040909@web.de> References: <540D87AE.5040909@web.de> Message-ID: <540EF9C6.90609@gmx.de> Hallo lieber Jochen, ich habe mich über die Bauchpinselei und auch sonst über deinen Beitrag gefreut. :o) Als Hartz4ler wird man ja strukturell nicht häufig gebauchpinselt ... und überhaupt zielt nicht sonderlich viel in der deutschen Kultur auf Ermutigung ab. Von daher sehr nett. :o) Da ich gerade andere Foki habe, möchte ich nur ein paar kleinere Anmerkungen zu deinen Ausführungen machen. "Für mich ist nach langem und gründlichem (?) Nachforschen klar geworden, daß dieses Menschenbild zusammen mit der Herrschaftsgesellschaft entstanden ist. In meinen Augen ist das eine Fehlentwicklung (ein Bruch in der vorherigen Entwicklung) der Menschheit, der vor ca. 7000 bis 8000 Jahren begonnen hat und seitdem ins Verderben führt." Ideologietaktisch finde ich es offenkundig, dass wir innerhalb eines christlichen Kulturkontextes frontal die alttestamentarische Erbsündenvorstellung angreifen müssen, die sich bis zur Paulus-Aussage im neuen Testament durchzieht: "Wer nicht arbeiten will, der soll auch nicht essen." (Thessalonicher 3,10) Zwar halte ich das Christentum in wesentlichen und vor allem in seinen reaktionären Ausprägungen für kaum mehr als Heuchelei, als kulturgeschichtliche Tatsache aber wieder für einen so manifesten Fetisch, dass man solche Sachen nicht ignorieren kann, auch nicht mit 4. Feuerbachthese von Marx. Im Rahmen immanenter Kritik lässt sich m. E. zudem schlicht Nächsten- und Feindesliebe Jesu gegen die Herrscher- und Rachegott-Vorstellungen im Christentum ausspielen. Dürfte keine allzu schwierige Übung sein, aber eine, die aus bGE-Sicht m. E. notwendig ist. "Deshalb lese ich solche Äußerungen wie: "Wir wollen doch nicht zurück in die Steinzeit" immer mit gemischten Gefühlen." Och menno. Ich hatte doch schon in Auseinandersetzung mit Willi darauf hingewiesen, dass ich das selber als polemische Bemerkung kenntlich gemacht hatte. Außerdem ist eh klar, dass es kein Zurück zu früheren historischen Stadien geben wird. Sieht man mal von so Leuten wie den amish-people ab, wollen die meisten lokalen Autarkie-Bewegungen m. W. ja auf dem Niveau heutigen technologischen Verständnisses in eine Unmittelbarkeit von Natur und kleiner Gemeinschaft zurück. Mir ging's ohnehin um einen werttheoretischen Zusammenhang und nicht um's Eso-Öko-Bashing, das mir zwar geläufig ist, aber auch nicht so sonderlich sympathisch - und so wie du das zitierst, hatte ich es wirklich nicht geschrieben. Und klar, ich kann mir ohnehin keine hinreichende Vorstellung davon machen, wie steinzeitliches Leben sich so angefühlt hat. Liegt mir einfach zu fern. "Sowohl vergangene wie auch zukünftige gesellschaftliche Zustände sind nur Konstruktionen in unserem Bewußtsein, im Grunde hat es nie eine Vergangenheit gegeben und wird es nie eine Zukunft geben, da alles was geschieht hier und jetzt geschieht, in der Gegenwart. Alle Gedankenkonstruktionen über Zukünftiges und Vergangenes haben nur Sinn als Hilfsmittel zur Gestaltung unserer Gegenwart. (Ich bin versucht, noch anzufügen: in Ewigkeit amen.) " Völlig d'accord, aber zu bedenken geben möchte ich in dem Zusammenhang: "Der Konstellation gewahr werden, in der die Sache steht, heißt soviel wie diejenige entziffern, die es als Gewordenes in sich trägt." (Adorno, Negative Dialektik, GS6, S. 165) Gegenwart resultiert vielfältig aus Vergangenem, über dessen Aufklärung Gegenwärtiges wiederum bestimmt wird. Menschen sind geschichtliche und geschichtsbewusste Wesen ... und selbstverständlich auch sehr geschichtsunbewusste Wesen. Kleine Anekdote aus meiner Spätpubertät dazu ... Jochi: "Wir schreiben alle in jedem Augenblick Geschichte." Jan: "Kommt drauf an, wie schnell man schreiben kann." So viel widersprüchliche Wahrheit in so kurzer Zeit war in meinem Leben selten. :o) "Ich habe mich bisschen von Berts flottem Stil anstecken lassen, wenn diese Debatte ganz öffentlich wäre, würde ich das alles (in den letzten Sätzen) moderater formulieren. " Ich bin mir nicht sicher, was du mit "ganz öffentlich" meinst. Da aber mehr als www-öffentlich m. E. kaum geht, irrst du dich. Deinen Beitrag findest du hier: https://listi.jpberlin.de/pipermail/debatte-grundeinkommen/2014-September/003964.html Inhaltlich sehe ich aber kein Problem ... wollte dich nur drauf hinweisen. "Mit der Einführung seines Begriffs der Erwartungen hatte Keynes den Schlüssel zur Erkenntnis in der Hand, daß menschliches Wirtschaften kein mechanischer Automatismus ist, der quasi Naturgesetzlich abläuft. Er hat diesen Schritt nicht getan, genau so wie Marx aufgrund seiner materialistischen Überzeugung nicht von dieser Vorstellung eines gesetzmäßigen Verlaufs der Wirtschaft und der ganzen Geschichte loskommen konnte (und wollte). Aber Wirtschaft wie auch menschliche Geschichte sind von Menschen gemacht, also nicht naturgesetzlich;" In Bezug auf Marx halte ich das für falsch. Große Teile des Marxismus im 19. und 20. Jahrhundert haben einfach komplett die theoretische Sprengkraft des Fetischbegriffs ignoriert und damit auch die Marxschen Frühschriften. Es verhält sich bei Marx grundlegend ziemlich exakt so, wie ich es mit Bezug auf die 28. Fußnote in seinem Kapital Willi gegenüber ausführte: Die fetischisierten Verhältnisse sind mit der materiellen Wirklichkeit der Menschen verwachsen und daher von naturgesetzlichem Charakter. Weil sie aber als Fetisch erkannt und potentiell verändert werden können, sind sie auch nicht-naturgesetzlichen Charakters. Weder das eine noch das andere, sondern sowohl als auch. Dialektik halt. Die ganze Diskussion um den über Hegel tradierten Begriff zweiter Natur spielt da eine entscheidende Rolle. Vgl. z. B. wieder Teddy: "Die Hegelsche Wendung fußt auf Montesquieus Polemik gegen die altertümlich geschichtsfremden gängigen Staatsvertragstheorien: die staatsrechtlichen Institutionen wurden von keinem bewußten Willensakt der Subjekte geschaffen. Geist als zweite Natur jedoch ist die Negation des Geistes, und zwar desto gründlicher, je mehr sein Selbstbewußtsein gegen seine Naturwüchsigkeit sich abblendet. Das vollstreckt sich an Hegel. Sein Weltgeist ist die Ideologie der Naturgeschichte. Weltgeist heißt sie ihm kraft ihrer Gewalt. Herrschaft wird absolut, projiziert aufs Sein selber, das da Geist sei. Geschichte aber, die Explikation von etwas, das sie immer schon soll gewesen sein, erwirbt die Qualität des Geschichtslosen. Hegel schlägt sich inmitten der Geschichte auf die Seite ihres Unwandelbaren, der Immergleichheit, Identität des Prozesses, deren Totalität heil sei. So unmetaphorisch ist er der Geschichtsmythologie zu zeihen." (Adorno, Negative Dialektik, GS6, S. 350) Liebe Grüße, Bert Am 08.09.2014 12:40, schrieb Jochen Tittel: > Liebe MitstreiterInnen > Ich hatte meine Antwort auf die Diskussionen zu Berts Äußerungen am > 27.8. schonmal abgeschickt, aber wohl die falsche Adresse erwischt; > deshalb hier nochmal der Text, ohne aufdringlich sein zu wollen. > > Lieber Bert und liebe Mitdebattierer, > ich gehöre mal wieder zu den - hoffentlich zahlreichen - stillen > Mitlesern Eurer Auseinandersetzung und ich freue mich über den > frischen Wind, den Berts Beitrag hat aufkommen lassen. Von den vielen > Aspekten, die im Zusammenhang mit dem bedingungslosen Grundeinkommen > innerhalb der BGE-Bewegung noch weiterer Klärung bedürfen, hat Bert > die meisten und wichtigsten angesprochen, denke ich. Bevor ich auf > einige dieser Aspekte eingehe will ich aber zunächst (wieder) etwas > zur Form der Debatte sagen. > Wie mir scheint, ist Willi ein Heißsporn; er hat bei jeder Debatte > Kritik und Urteile und absolute Wahrheiten bereit, mit denen er uns > traktiert. Jedesmal ist meine Befürchtung, daß jetzt ein verbales > Gemetzel losgehen könnte. Aber erfreulicherweise reagieren die > Angegriffenen sehr friedlich und freundlich und das führt in der Regel > dazu, daß auch Willi erkennt, daß dieser Austausch hier nur zu etwas > positivem führt, wenn wir uns gegenseitig zunächst mal anerkennen, so > wie wir hier auftreten und niemandem Böswilligkeit oder Dummheit > unterstellen. > Ich denke, ich verstehe, woher Willis heftige Reaktionen kommen. Aus > den Orten, die er als Absender angibt, schließe ich, daß er sich in > Südamerika herumtreibt und aus seinen Äußerungen, daß er nicht bei der > reichen Oberschicht zu Besuch ist. Was die einheimische Bevölkerung in > den letzten Jahrzehnten - nein: in den letzten Jahrhunderten - an > Demütigungen und Leid und Not ertragen mußte, das macht für mich > verständlich, wie es zu einer Radikalisierung kommen kann, in der dann > auch bewußt und unbewußt Gewalt als Mittel der Veränderung eine Rolle > spielt. Ich bin aber der Meinung - natürlich nicht ich alleine - , daß > Gewalt nur in einem einzigen Fall nützlich und zu rechtfertigen ist: > wenn es darum geht andere Gewalt durch Gegengewalt zu stoppen. Für > alles andere, was darüber hinaus geht, ist Gewalt ein untaugliches > Mittel. > Ich lebe in Deutschland auf dem in mancher Hinsicht ziemlich > idyllischen Land und meine Kenntnis von den politischen Entwicklungen > in Südamerika ist sicher sehr lückenhaft, aber ich habe den Eindruck, > daß zumindest große Teile der "Befreiungsbewegungen" (ich habe das > jetzt in Anführungszeichen gesetzt, weil es eine sehr pauschale > Bezeichnung ist), die Untauglichkeit der Gewalt für eine andere > Vergesellschaftung erkannt haben. > Das also wollte ich voranschicken, um zu sagen: ich habe Verständnis > für Willis impulsive Äußerungen. > Da ich gerade bei Südamerika bin, will ich Bert auch gleich darauf > hinweisen, daß die BGE-Debatte in Deutschland und Europa durchaus > nicht blind für die Verhältnisse im großen Rest der Welt ist. Es gibt > Überlegungen darüber, daß die Einführung eines Grundeinkommens auf > keinen Fall auf das relativ wohlhabende Deutschland oder Europa > beschränkt werden kann, daß es eher sinnvoll wäre, damit in den > ärmsten Regionen der Welt zu beginnen. Als einen prominenten Vertreter > dieser Haltung nenne ich Werner Rätz; er ist aber nicht alleine. > Welche Auswirkungen ein BGE nur für Europa für die > Migrationsbewegungen auf unserem Globus nach sich ziehen würde, kann > sich jeder ausmalen. > Zur Berechnung von BGE-Finanzierungsmodellen > Ich bin wie viele andere auch der Meinung, daß solche Modelle keine > Prognosen liefern können, wie die Wirtschaft mit einem BGE künftig > laufen wird, deshalb schenke ich diesen Modellen keine große > Aufmerksamkeit. Dennoch sind sie wohl unter den gegenwärtigen > Umständen unverzichtbar, denn solange wir in > bürgerlich-kapitalistischen Gesellschaften leben, ist ohne berechnete > Modelle eine politische Durchsetzung im parlamentarischen Verfahren > aussichtslos. Ich bin nicht der Meinung, daß der Grundgedanke des BGE > an die Geldform gebunden ist, im Gegenteil läßt er sich geldlos sehr > einfach erklären. Aber solange wir uns zentral über das Geld > vergesellschafteten, müssen auch BGE-Verfechter sich die Mühe machen, > über Geld nachzudenken. Was ist eigentlich Geld? Wie entsteht es? Was > kann es und was nicht? Oder besser: Was können wir über das Geld > erreichen und was nicht? Diese Fragen treiben mich schon länger um, > als die BGE-Frage und sie scheinen mir noch sehr unterbelichtet in den > BGE-Kreisen. Da in dieser Debatte hier schon der Name Brodbeck > gefallen ist, möchte ich darauf hinweisen, daß Karl-Heinz Brodbeck ein > äußerst aufklärendes Buch mit dem Titel "Die Herrschaft des Geldes > ..." geschrieben hat, das für mein Verständnis an Bedeutung dem > Marxschen "Kapital" gleichkommt und mit dem er zentrale Fragen, die > bei Marx offen geblieben sind beantwortet. > Unter anderem kann man nach der Lektüre dieses Buches auch verstehen, > warum es mit der Abschaffung des Geldes bisher immer gründlich schief > gegangen ist. Geld ist eine unserer Vergesellschaftungsformen (neben > der Sprache u.a.) und die Abschaffung des Geldes würde die Abschaffung > unserer Vergesellschaftung bedeuten, wenn wir nicht andere Formen > finden, welche die Aufgaben übernehmen (und besser machen), die wir > bis jetzt über das Geld lösen. > Willi ist der Meinung, daß es ganz einfach ist, wenn wir alles lokal > und vielleicht noch regional Organisieren und ich bin auch ein > Anhänger und Mittäter in dieser Sache. Aber wie Bert bin ich auch > überzeugt, daß der Zustand der Menschheit gegenwärtig nicht einfach > umgestellt werden kann. Wenn wir nicht mit den gleichen totalitären > Wahnvorstellungen wie die großen Diktatoren des letzten Jahrhunderts > über Leichen gehen wollen, müssen wir uns überlegen, wie eine Umkehr > menschlich machbar ist. Ob und wie dann die Menschen in der Zukunft > ihre Existenz lokal, regional oder auch global (wahrscheinlich auf > allen drei Ebenen) organisieren, darüber müssen wir uns nicht den Kopf > zerbrechen; das ist nicht unsere Aufgabe. Unsere Aufgabe ist, einen > verträglichen Übergang in eine gerechtere und friedlichere Form der > Vergesellschaftung zu ermöglichen. > Untrennbar mit dem Verständnis des Geldes ist der Wertbegriff. Was > Bert dazu schreibt kann ich unterstützen. Zu Willis Wertbegriff will > ich nur etwas relativierendes anmerken. Der Gedanke, daß meine > Arbeitstätigkeit an der Zeit gemessen und entsprechend vergolten wird, > ist doch gebunden an die Vorstellung, daß Arbeit nur als Mühe, als > Quälerei betrachtet wird, die ich nur mache, weil ich dazu irgendwie > gezwungen bin. Unter Herrschaftsverhältnissen ist das die Regel, > deshalb scheint diese Denkweise so selbstverständlich. Wenn ich eine > Tätigkeit aber ausführe, weil ich daran Freude habe und/oder einsehe, > daß es irgendwie wichtig und sinnvoll ist, denke ich gar nicht oder > jedenfalls viel weniger darüber nach, ob mir das jemand bezahlt oder > sonstwie mich entschädigt; weil es keinen Schaden gibt. Also ist > "Wert" in diesem Falle überflüssig, zumindest als berechenbare Größe. > Wertschätzung meiner (nützlichen) Tätigkeit durch andere Menschen wird > zwar mit dem abstrakten Wert in der Geldform in Zusammenhang gebracht, > ist aber eine ganz andere Sache. > Aus dieser Perspektive könnte Geld also in einer herrschaftsfreien > Gesellschaft schon verschwinden. Aber Geld hat eben noch andere > Funktionen in den Massengesellschaften, in denen wir leben: die > Vermittlung der Vielzahl verschiedener Bedürfnisse der Individuen mit > der Vielzahl der produktiven Fähigkeiten. In kleinen Gemeinschaften > kann diese Vermittlung durch direkte Kommunikation erfolgen. Aber wir > leben heute größtenteils nicht mehr in kleinen Gemeinschaften und es > ist auch nicht möglich, daran so schnell etwas zu ändern (sofern das > auch gewollt wäre), daß nicht zwischendurch die meisten verhungern > oder sonstwie zugrundegehen müssten. Das Mittel zur Abwendung einer > Katastrophe bei Abschaffung des Geldes ist noch nicht gefunden. Auch > Berts geäußerter Wunsch nach einer Planwirtschaft 2.0 ist da nicht > ohne weiteres erfüllbar, denn bisher basiert jeder Wirtschaftsplan > genauso auf dem zweifelhaften Wertbegriff wie eine Geldwirtschaft und > droht daher mit unberechenbaren Risiken und Nebenwirkungen für die es > eben noch keinen Arzt oder Apotheker gibt. Trotzdem bin ich aber auch > der Meinung, daß Wirtschaften irgendwie ein planvolles Handeln sein > sollte und (mit Sicht auf die "Realsozialismen") nicht identisch mit > Kommandowirtschaft sein muß. > So, wie ich ein bedingungsloses Grundeinkommen für einen genial > einfachen Schritt in diese Richtung halte, sehe ich auch den > Gesellschen Geldreformgedanken als eine geniale Übergangslösung an, > beides sind Möglichkeiten, die uns Freiraum verschaffen können, um > dann gründlich über alles Weitere nachzudenken. Ich weiß, daß die > Vorstellungen zu einer Geldreform umstritten sind und beobachte seit > Jahren, wie durch gegenseitige Ignoranz und Unterstellungen Fronten > aufgebaut bzw. zementiert werden. Eine vorurteilsfreie > Auseinandersetzung würde manche geistige Verkrampfung lösen können und > Wege eröffnen zu freundlicheren Entwicklungen. > Was das BGE betrifft, entscheidet sich das "für" oder "gegen" > letztlich an dem Bild, das ein Mensch von sich und von den anderen > Menschen hat. Deshalb ist für mich eine der entscheidendsten Fragen, > zu klären, woher das (nach meiner Überzeugung) falsche Menschenbild > der BGE-Gegner kommt. Für mich ist nach langem und gründlichem (?) > Nachforschen klar geworden, daß dieses Menschenbild zusammen mit der > Herrschaftsgesellschaft entstanden ist. In meinen Augen ist das eine > Fehlentwicklung (ein Bruch in der vorherigen Entwicklung) der > Menschheit, der vor ca. 7000 bis 8000 Jahren begonnen hat und seitdem > ins Verderben führt. Inzwischen ist es höchste Zeit diesen falschen > Weg zu verlassen, also zu einer Umkehr. > Deshalb lese ich solche Äußerungen wie: "Wir wollen doch nicht zurück > in die Steinzeit" immer mit gemischten Gefühlen. Das Bild, welches wir > uns von vergangenen Gesellschaften machen, ist in der Regel verzerrt > von ideologischen Absichten. Genau wie der "real existiert habende > Sozialismus" versucht auch der "real existierende Kapitalismus" seine > Existenz durch eine entsprechende Umfärbung der Geschichte zu > rechtfertigen. Sowohl vergangene wie auch zukünftige gesellschaftliche > Zustände sind nur Konstruktionen in unserem Bewußtsein, im Grunde hat > es nie eine Vergangenheit gegeben und wird es nie eine Zukunft geben, > da alles was geschieht hier und jetzt geschieht, in der Gegenwart. > Alle Gedankenkonstruktionen über Zukünftiges und Vergangenes haben nur > Sinn als Hilfsmittel zur Gestaltung unserer Gegenwart. (Ich bin > versucht, noch anzufügen: in Ewigkeit amen.) > Vielleicht habe ich mich jetzt etwas vergaloppiert, aber ich lasse das > trotzdem stehen. > Zur Auseinandersetzung mit keynesianischen BGE-Gegnern (also Flassbeck > usw.) > Keynesianische oder neokeynesianische Literatur zur jüngsten > Wirtschaftsgeschichte kann sehr Aufschlussreich sein, was die > Mechanismen der verrückt gewordenen Finanzmärkte betrifft. Allerdings > scheint ihre Perspektive für die Zukunft (!?) einzig darin zu bestehen > die Beute (den Profit) etwas "gerechter" zu verteilen > (Vollbeschäftigung bei hohen Löhnen) und ansonsten so weiter zu > machen,wie bisher: ewiges Wachstum. Die Plünderung des Planeten und > (unausgesprochen) der "Dritten Welt" bzw. der kapitalistischen > Peripherie wird verdrängt. > Und mir scheint, daß sich bei den Keynesianern bestätigt, was ich > gerade über das Menschenbild gesagt habe: Keynesianer können sich > offensichtlich nicht vorstellen, daß Menschen menschlich vernünftig > Handeln, ohne unter Druck gesetzt zu werden. Sachzwänge sind da immer > schnell gefunden. > Ich habe mich bisschen von Berts flottem Stil anstecken lassen, wenn > diese Debatte ganz öffentlich wäre, würde ich das alles (in den > letzten Sätzen) moderater formulieren. > Keynes selbst hatte ja durchaus auch das Ende des Kapitalismus in > seinem Horizont; er erhoffte sich dieses Ende, wenn der Kapitalismus > so viel Reichtum geschaffen hat, daß "der Rentier in einem Meer von > Kapital ersäuft", also in etwa das, was Marx mit dem tendenziellen > Fall der Profitrate zu beschreiben versuchte. Mit der Einführung > seines Begriffs der Erwartungen hatte Keynes den Schlüssel zur > Erkenntnis in der Hand, daß menschliches Wirtschaften kein > mechanischer Automatismus ist, der quasi Naturgesetzlich abläuft. Er > hat diesen Schritt nicht getan, genau so wie Marx aufgrund seiner > materialistischen Überzeugung nicht von dieser Vorstellung eines > gesetzmäßigen Verlaufs der Wirtschaft und der ganzen Geschichte > loskommen konnte (und wollte). Aber Wirtschaft wie auch menschliche > Geschichte sind von Menschen gemacht, also nicht naturgesetzlich; die > neueste Hinterhältigkeit menschlicher Kreativität im Dienste der > Herrschaftsverhältnisse ist die Erfindung des "green new deal", womit > die notwendige Reparatur der ökologischen Schäden profitabel umgelenkt > wurde. Auf diesem Wege eröffnet sich eine wahrhaft unendliche > Möglichkeit der Vollbeschäftigung. Kein Naturgesetz hilft uns aus > dieser Misere heraus; es hängt wirklich alles nur an unserer > Entscheidung, endlich damit aufzuhören. > Manfred Bartl macht einige Bemerkungen über den Zusammenhang von BGE > und Inflation. Im großen ganzen kann ich ihm beistimmen, allerdings > nicht bei der Behauptung, steigende Preise seien keine Inflation, > solange die Kaufkraft gleich schnell steigt. Das kann sie ja nur, > indem die für Konsumtion verausgabte Geldmenge im selben Tempo steigt. > Würde das wirklich gleichzeitig mit der Preissteigerung geschehen, > würden zwar die Folgen der Preissteigerung kompensiert, aber Inflation > bleibt es trotzdem. Und in der Regel hinkt die Lohnsteigerung hinter > der Preissteigerung hinterher und folglich entstehen auf der Lohnseite > immer Verluste. > Auch den Gedanken, das BGE einfach durch Gelddrucken zu finanzieren > halte ich für keine gute Idee. Was das für Entwicklungen auslöst > sollte vielleicht mal detaillierter ausgemalt werden, ich fürchte das > ist dann nicht mehr steuerbar. > Schließlich will ich noch ein paar Worte zu der Debatte über den Staat > sagen. > Genau wie die Rolle des Geldes ist die Rolle des Staates eine > zwiespältige. Einmal ist er Herrschaftsinstrument oder Machtinstrument > der herrschenden Klasse (so haben wir es in der DDR in der Schule > gelernt und das ist nicht falsch), andererseits erfüllt er aber eine > Vielzahl von Aufgaben, die wir nicht einfach liegenlassen können > (obwohl ich durchaus auch sehe, daß es zahlreiche Aufgaben bzw. > Funktionen gibt, die erst durch die Existenz eines Herrschaftsstaats > erzeugt werden). Aus unserer gegenwärtigen Wirklichkeit heraus können > wir also "den Staat" genauso wenig abschaffen, wie das Geld. Aber in > der Gestaltung eines anderen Staatsgebildes sind der menschlichen > Kreativität keine grenzen gesetzt; und natürlich können wir das auch > anders nennen. > Herzlichen Gruß an alle Beteiligten. > Jochen Tittel > -------------- nächster Teil -------------- Ein Dateianhang mit HTML-Daten wurde abgetrennt... URL: From unversoehnt at gmx.de Tue Sep 9 15:47:04 2014 From: unversoehnt at gmx.de (unversoehnt) Date: Tue, 09 Sep 2014 15:47:04 +0200 Subject: [Debatte-Grundeinkommen] =?iso-8859-15?q?Willis_=22nur=22_und_Auf?= =?iso-8859-15?q?l=F6sung_der_Speicherfunktion?= Message-ID: <540F04D8.5060209@gmx.de> Lieber Willi, ich will dich ja auch nicht damit nerven und bin noch immer von leichter Freude darüber erfüllt, wie unser Geheckmecke sich dann doch in angenehmer gegenseitiger Anerkennung aufgelöst hat. Aber ... "Und alle Staatssysteme sind parasitaer. Sie verbrauchen nur, ohne etwas zu erschaffen. Ausser vielleicht die Zerstoerung." Sosehr ich dir im Kern recht gebe, so falsch finde ich nach wie vor das "nur". Soweit ich sehe, hast du dich mit meinen Argumenten dazu nicht auseinandergesetzt. Finde ich schade. "Wenn wir also ueber bedruckte Papierschnipsel oder Kontenzahlen tauschen wollen, dann muessen wir fuer 2 Grundfragen die Antwort suchen. a) die Wertbestimmung b) die Speicherfunktion Wenn die Speicherfunktion aufgeloest ist und die Wertbildung objektiv bestimmbar, dann koennen wir unbedenklich auch ein Geldsystem verwenden. Weil dann ist das Tauschaequivalent tatsaechlich die Zeit." Vorweg: Ich kenne mich mit Schwundgeldtheorien nicht im Ernst aus und habe ideologiegeschichtliche Vorbehalte, die insbesondere durch Gremlizas konkret recht vielseitig fundiert werden. Ich will nur mehr eine Verständnisfrage stellen: Was bitteschön soll vom Wert über bleiben, wenn du ihm die Speicherfunktion entziehen willst? Wert ist ja nicht bloß Geld, sondern beispielsweise auch eine Immobilie. Wie willst du der überhaupt die Speicherfunktion entziehen? Ansonsten halte ich die objektive Wertbildung über das Maß Zeit für Unsinn. Fertigst du mit großer Muße und ästhetischem Wohlgefallen an der eigenen Tätigkeit beispielsweise in einem Monat einen Kochlöffel aus einem Stück Holz am Wegesrand, dann erhältst du dafür vielleicht wegen des künstlerlischen Werts ein bisschen mehr Kohle auf dem Markt als die VerkäuferInnen von Kochlöffeln aus Industrieproduktion, wirst aber deine Arbeit dennoch kaum monetär gewürdigt finden. Der Wertverwertungsdruck ist auf einer sehr abstrakten Ebene einfach nur der Effizienzdruck einer tauschenden Reproduktionsgemeinschaft. Selbst wenn du von industriellen Fertigungsprozessen und ähnlichem abstrahierst, bleibt das alte Problem, das jede WG kennt: Sollen deine sieben von ewiger Laberei begleiteten und unterbrochenen Stunden Geschirrspülen (6 Teller, 2 Töpfe, eine Pfanne, 13 Besteckteile, 8 Tassen, 11 Gläser und ein bisschen Huschiwusch über die Arbeitsflächen) gleichwertig sein zu den sieben flink und fachfraulich erledigten Stunden Putzarbeit deiner Mitbewohnerin im WC innerhalb der letzten zwei Wochen? Solange wir auf dem Standpunkt stehen bleiben, dass Wert etwas mit Arbeitszeit und nicht bloß mit Fetisch zu tun hat, so lange können wir ganz sicher nicht in Muße leben, sondern bleiben dem tayloristischen Effizienzdruck bis in den Pfelgesektor hinein hilflos ausgeliefert. Scheint mir keine sinnvolle Sache ... Liebe Grüße, Bert From unversoehnt at gmx.de Tue Sep 9 19:29:35 2014 From: unversoehnt at gmx.de (unversoehnt) Date: Tue, 09 Sep 2014 19:29:35 +0200 Subject: [Debatte-Grundeinkommen] =?iso-8859-15?q?Zu_Verena_Neddens_Beitra?= =?iso-8859-15?q?g_=22Bewusstseinsfrage=22_und_Bitte_um_Hilfe_f=FCr_ein_Bu?= =?iso-8859-15?q?chprojekt?= Message-ID: <540F38FF.5040807@gmx.de> Liebe Verena, liebe Mitlesende, ich hoffe, es ich ok für dich, wenn ich dich duze. Ich mach' das mal einfach feist. Ich habe bereits vor gut zwei Wochen angefangen, mich mit deiner Website und deinem Beitrag auseinanderzusetzen. Daraus ist im ersten Arbeitsschritt ein 40-Seiten-Textdokument plus 27 Graphik-Dateien mit Tabellen und Diagrammen geworden und in einem zweiten Schritt das Projekt für ein Büchlein mit derzeit 50 Seiten teils aus dem ersten Dokument kopiertem, größerenteils aber neuem Text und weiteren 23 Dateien mit Tabellen und Diagrammen. Ich habe schon seit einer Woche vor, dir und dem Mail-Verteiler zumindest mal bruchstückhaft darüber Rechenschaft abzulegen. Jochens Mail animiert mich nun, das auch tatsächlich mal zu tun. Abgesehen von im Endeffekt vermutlich sehr ausgedehnten Betrachtungen zu ökonomischen, juristischen, philosophischen, marxistischen und theologisch-spirituellen Fragestellungen im Kontext der bGE-Debatten hat sich mir die Kernidee durch die Auseinandersetzung insbesondere mit deinem youtube-Beitrag (vgl. http://youtu.be/Wx5_oieNajE ) aufgedrängt, den ich allerdings noch immer bloß zu etwas mehr als der Hälfte angeschaut habe, obgleich ihn eigentlich detailliert kommentieren wollte. Für diesen Anstoß möchte ich mich erstmal bei dir bedanken. :o) Auch wenn ich noch immer etwas skeptisch bin, vertraue ich dir als Fachfrau mal dahingehend, dass die Steuer- und Sozialversicherungsbelastung oberhalb des Grundfreibetrags quasi für alle steuerpflichtigen Personenkreise bei um die 50 % liegt. Als ich Anfang des Jahres aus meinem eigenen und neuen Hartz4-Status heraus die Einkommens-Verrechnungsregeln nach SGB II § 11 b, Abs. 3 halbwegs begriffen hatte, war mir klar, dass ein Wiedereinstieg in prekäre Beschäftigung aus monetären Gesichtspunkten null Sinn macht. Mein persönlicher Ärger darüber hat sich durch die Beschäftigung mit deinen Ausführungen nun zu einem politischen Ärger sublimiert, der es mir sozusagen möglich macht, vergleichsweise ziemlich alte offene Rechnungen wieder in Angriff zu nehmen. Machst du schon kursorisch klar, dass unter Einbeziehung der Sozialversicherungen von einer progressiven Einkommensbelastung nicht die Rede sein kann, sondern in Bezug auf Lohnabhängige eher von einer degressiven Belastung sowohl im Übergang von prekärem zu normalem als auch im Übergang von normalem zu Spitzensegment, so scheint mir das aus agitations-taktischen Gründen für ein bGE einer präzisen Betrachtung wert. Im ersten, etwas vage konzipierten und auf deinen Zahlen fußenden Arbeitsschritt war das Ergebnis etwa Folgendes: Betrachtet man Hartz4 als existenzsicherndes Grundeinkommen, das zwar nicht bedingungslos ist, aber der allgemeinste, weil auf die erwerbsfähige Bevölkerung ausgelegte Repräsentant des sozialstaatlichen Netzes, in das so oder so mehr oder weniger alle im Fall von Hilfebedürftigkeit fallen, dann kann man sich auf den Standpunkt stellen, dass wir quasi alle Harzt4ler sind, nur nicht mit gleichem quantitativen Anspruch. Damit ergibt sich eine überaus simple Vergleichbarkeit zu einem bGE einerseits. Andererseits macht es dann Sinn, die alten offenen Rechnungen, nämlich die politischen Mainstream-Debatten um Lohnabstandsgebot und Progression, aus einer allgemeineren Perspektive wieder aufzuwickeln. Meine Arbeitsfrage lautet daher: In welchem mehr oder weniger allgemeinen Verhältnis steht der ökonomische Anreizsetzer Bruttolohn (plus Arbeitgeberanteil an Sozialversicherungen) zum tatsächlich verfügbaren Einkommen nach der Verzerrung durch Staatsaktivitäten, als da wären: Hartz4, Sozialversicherungen und Steuern. Ich hebe also die Frage der Steuerprogression auf die allgemeinere Ebene der relevanten Staatsaktivitäten insgesamt. Dabei hat sich im ersten, noch recht vage konzipierten Anlauf herausgeschält: Diejenigen, die bei um die 2.000 Euro brutto im Monat liegen, sind gemessen an ihrer durch dieses Einkommen bestimmten Leistungsfähigkeit deutlich die stärksten Schultern des Gemeinwesens. Ein gerechtigkeitstheoretischer Skandal. Anreiztheoretisch ist das gleichbedeutend mit der Feststellung: Jedes Einkommen bis um die 2.000 Euro arbeitet im Zweifelsfall mehr für den Staat als für sich selbst. Und zwar wegen der Hartz4-Verrechnung sogar umso mehr für den Staat, je näher es den ungefähr 2.000 Euro kommt. Ein anreiztheoretischer Skandal. An den im Mainstream m. W. nahezu ausschließlich von neoliberalen Agenten thematisierten Lohnabstandsgebot-Debatten der 90er Jahre hat mich damals schon irrwitzig genervt, dass immer nur die Sozialhilfe zur Disposition stand, nie aber der Niedriglohnsektor. 20 Jahre später ist es m. E. ernsthaft Zeit, diese Debatte nochmal von unten aufzurollen. Das will ich auf einer zwar allgemeinen, aber doch möglichst viele Einzelfälle einfangenden und präzisen, mathematisch wie juristisch wasserdichten Weise einerseits durchdeklinieren. Andererseits will ich mich um didaktische Zugänglichkeit bemühen, damit es die bildungsfernen unteren Einkommensschichten leichter begreifen. Im Effekt bin ich der Meinung, dass man über diesen Weg mindestens für alle, die höchstens zwei- oder dreitausend Euro Bruttolohn (oder andere Einkünfte) als Einzelperson einfahren, ein objektives Interesse an einem bGE nachweisen kann. Ob das dann auch zu einem subjektiven wird, bleibt freilich immer die Frage. Grundsätzlich hätte man damit aber aufs Parlament bezogen wohl eine Zwei-Drittelmehrheit in der Tasche und könnte sogar im GG die Weichen für ein bGE stellen. Gut, das war jetzt eine Höhenflug-Aussage, aber dem objektiven Gehalt nach nicht völlig falsch. Im Moment bin ich noch dabei, die allgemeine Konstruktion erstmal aus der Hartz4-Rechtslage in die Nettoebene hinein zu entfalten. Dabei habe ich die letzten Tage z. B. begreifen müssen, dass ich noch eine viel zu rosige Auslegung von SGB II § 11b, Abs. 3 hatte. Wer sich mit dem Lösen meiner Verwirrungen diesbezüglich befassen möchte, könnte mal hier reinschauen: http://hartz.info/index.php?topic=82838.0 Grundsätzlich haben sich bei mir schon mal folgende Detailfragen aufgehäuft. Da ich vermute, dass es im Verteiler Personen gibt, die mir dabei aus dem Handgelenk heraus umständliche Recherchearbeit abnehmen können, will ich sie mal formulieren und um Hilfe bitten: 1. Gibt's so etwas vielleicht schon? Ich habe irgendwie eh ein ziemlich gespaltenes Verhältnis zu Bibliotheken und seit Ende meines Studiums nur noch höchstselten mal eine betreten. Und Literaturrecherche fand ich schon immer zum Kotzen. Ich würde vermuten: Wenn es so etwas auf wirklich gutem methodischen und didaktischen Niveau gäbe, dann wäre das im Netz so verbreitet, das es mir begegnet wäre. Das ist aber keineswegs sicher und angesichts der Fülle heutiger Publizistik letztlich ziemlich spekulativ. 2. Worauf exakt basieren die Zahlen deiner Folien, liebe Verena? Anders formuliert: Ich werde zum Übergang von der Netto- zur Brutto- und dann zur Brutto&Lohnnebenkosten-Ebene definitiv einerseits die juristischen Grundlagen der verschiedenen Steuer- und Sozialversicherungssätze benötigen, andererseits auch möglichst soziologisch-empirisches Material zu der realen Einkommensverteilung zumindest in Deutschland. Klar, das finde ich sicherlich auch selbst halbwegs flink, aber jemand von euch ist vermutlich dennoch wesentlich flinker. 3. Schwieriger als das Auffinden der allgemeinen Steuer- und Sozialversicherungssätze dürfte das Einfangen der unzähligen Einzelfälle in die allgemeine Betrachtung ausfallen. Dieser ganze Rotz von Werbekostenpauschalen und weiß der Geier was, fand ich noch nie im Ernst wirklich durchsichtig. Für meine Aufgabenstellung muss ich mir das wohl oder übel durchsichtig machen. Hilfe in der Beziehung wäre daher extrem erwünscht. Letzteres hat übrigens einen agitatorischen Nebeneffekt: Zur Konstruktion einer zumindest halbwegs allgemeinen Betrachtung wird die Diskussion der unzähligen Sonderfälle quasi nebenbei klar machen, dass das heutige System im Zweifelsfall nicht einmal von Experten verstanden wird, während ein bGE, insbesondere wenn es dann noch mit einem schlichten Konsumsteuermodell kombiniert wird, jedem noch so kopfdödeligem Teil des formellen Souveräns durchsichtig machen kann, wie das Gemeinwesen eigentlich zumindest seiner allgemeinen monetären Gestalt nach funktioniert. Das ist mir aus der Hartz4-Perspektive schon jetzt klar, wird sich mit dem Übergang von Netto zu Brutto aber noch drastischer herausschälen. Ist freilich immer so die Frage, ob mir das wirklich gut gelingt, aber die unzähligen Sonderfälle will ich dabei nicht als Sonderfälle betrachten, sondern als spezifische Ausformungen der allgemeinen Betrachtung. Naja, weiß nicht, ob man sich darunter jetzt was vorstellen kann. Soll nur soviel heißen, wie: Eigentlich gehen mir die Sonderfälle am Arsch vorbei, aber zumindest diejenigen von hinreichender Allgemeinheit werde ich wiederum aus der Perspektive einer allgemeinen Konstruktion einzufangen versuchen. Das wirft dann sowohl ein Licht auf die Sonderfälle als Sonderfälle als auch auf ihre spezifische Verzerrung des Allgemeinen und damit im Zweifelsfall auf Gerechtigkeitsprobleme. Ok, soviel inhaltlich dazu. Formal aber noch dies: Eigentlich sollte es einfach nur ein Debattenbeitrag hier im Verteiler werden. Aber erstens ist es schon jetzt mitten im Arbeitsstatus so ausgeufert, dass das kaum noch verhältnismäßig wäre. Und zweitens meint meine Frau nicht ganz zu Unrecht, dass ich mit der Schriftstellerei mal ernsthaft zum Haushaltseinkommen beitragen soll bis muss und die Veröffentlichung eines Buchs daher sinniger wäre. Angesichts dessen, dass ich eine Reproduktionsgrundlage benötige und das Schreiben mir noch am ehesten Berufung erscheint, macht das Sinn. Ich plane daher ein selfpublishing-ebook mit der Teaser-Offenlegung für die www-Öffentlichkeit von zumindest etlichen Teilen und relevanten Ergebnissen. Ich bin, wenn auch freundlich und lieb, ziemlich eigenwillig und kritisch, daher auch unter Umständen anstrengend in engen Kooperationssituationen. Grundsätzlich aber möchte ich schon dazu einladen: Falls jemand in dem skizzierten Gesamtrahmen als Gastbeitrag ein Kapitelchen oder ähnliches beisteuern möchte, wäre ich dafür offen. Nachdem ich das dargestellt habe, will ich aus meiner ersten Arbeitsdatei mal das rausfischen, was sich explizit mit deinem Beitrag und deiner Website auseinandersetzte, liebe Verena. Vielleicht interessiert es dich ja ... Ich habe aber wenig Lust, angefangene Gedankenstränge jetzt formvollendet zu Ende zu führen, weil mein Fokus sich lieber dem Buchprojekt zuwenden möchte. Ich haue insofern quasi einfach aus dem Steinbruch meiner Arbeitsdatei die mehr oder weniger ausformulierten Teile einfach mal hier rein und bitte um Nachsicht wegen der teilweise vielleicht etwas kryptischen Form: Ich fand deinen Mail-Beitrag insgesamt nett, deine Fragen gut gestellt und bin daher ein wenig über deine Website gesurft und habe mir deine Folien-Präsentation auf http://youtu.be/Wx5_oieNajE angeschaut. Vorher hatte ich erstmal entschieden, das Modell der Piratenpartei rechts liegen zu lassen, weil ich die Ableitung einer Existenzsicherung in Höhe von Pi mal Daumen 1.000 Euro im Monat in der auf https://www.grundeinkommen.de/die-idee/finanzierungsmodelle verlinkten und von Ronald Blaschke verfassten Darstellung (vgl. https://www.grundeinkommen.de/content/uploads/2013/01/2012-ansaetze_und_modelle_gs_und_ge_blaschke.pdf , S. 119-141) ziemlich überzeugend fand, ein Konsumsteuermodell bevorzuge und mich nichts darauf hingewiesen hat, dass in der Piratenpartei sowohl mindestens 1.000 Euro als auch Konsumsteuer im Gespräch sind. Zumindest hinsichtlich der Konsumsteuer hast du mich eines Besseren belehrt. Was auch immer offizielle Parteilinie bei den Piraten ist, habe ich mir noch immer nicht vergegenwärtigt. 1.000 Euro finde ich mit Blick auf die eher unterdurchschnittlichen Konsumgewohnheiten meines Erwachsenenlebens "zum Leben zu wenig, zum Sterben zu viel", also bauchmäßig eine gute Hausnummer für ein anreizorientiertes bGE. Ist ja auch die derzeitige Hausnummer von Götz Werner. Das zur Kontextualisierung meines Zugangs zu deiner Präsentation. Sie hat Fragen bei mir aufgeworfen, Anmerkungsbedarf hervorgerufen und mich zu ausführlicheren eigenen Überlegungen angestachelt. Vielleicht magst du dich damit ja auseinandersetzen. Da der Text ausführlicher ausfällt, gebe ich erstmal wieder einen Überblick. i. Zu Verena Neddens Konsumsteuer-/bGE-Modell i.i. Steuergemäuer i.ii. bGE-Höhe von knapp 700 Euro? i.iii. Kriterien für Mindesthöhe eines bGE i.iv. Allgemeine und besondere Besteuerung? i.v. Chimäre der Steuerprogression? Steuerdegression: Hinzuverdienst bei Hartz4-Aufstockern, Spitzeneinkommen i.vi. Ausbeutung von Billiglohnländern ii. Allgemeinere Überlegungen, die für mich aus der Auseinandersetzung resultierten ii.i. Ein wenig Gepöbel im Kontext des Ideologiebegriffs ii.ii. Zum Neid-Begriff ****** i. Zu Verena Neddens Konsumsteuer-/bGE-Modell ******* ****** i.i. Steuergemäuer ******* Grundsätzlich finde ich erstmal ziemlich sympathisch, dass du im Prinzip an der Abschaffung deines Berufsstands arbeitest. Wer braucht noch Fachanwälte für Steuerrecht, wenn das Steuerrecht plötzlich allen transparent ist? :o) Beim näheren Eintauchen in deine konzeptionellen Überlegungen bin ich mir dann allerdings schon wieder nicht mehr sicher, ob das so stimmt. Da du anscheinend im Gegensatz zum reinen Konsumsteuermodell die Unternehmenssteuern (Körperschafts-, Kapitalertrags-, Gewerbesteuer etc., siehe 10. Min./Folie 7 und ) belassen willst und auf deiner Haupt-Website auch dies als änderungswürdig gegenüber deiner Folienpräsentation angibst: "Um eine Änderung der Kaufperise zu verhindern, gleichzeitig jedoch die bisherigen Staatseinnahmen aus Lohnkosten über das erforderliche Grundeinkommen hinaus und auch das netto zur Verfügung stehende Einkommen unverändert zu belassen, hat sich nun (Stand Mai 2014) die Konzeptpion einer Lohnabgabe als notwendig herausgestellt, welche 19% des hälftigen heutigen Arbeitgeberaufwandes beträgt. Der allgemeine Arbeitgeber-Gesamtaufwand beträgt damit lediglich 59,5% des heutigen Aufwandes für Arbeitnehmer" [Nachtrag dazu: Insgesamt hat sich mir beim derzeitigen Betrachtungsstand deiner Ausführungen der Eindruck aufgedrängt, dass von der Konsumsteuer im Effekt nicht viel über bleibt, das jetzige Steuersystem relativ unberührt bleibt. Inhaltlich wollte ich das eigentlich näher verstehen. Bislang habe ich den Eindruck, dass das arbeitnehmerunfreundlich ausfällt, kann's aber nicht begründen.] Dadrüber sagst du dann noch: "Die konzipierte Auslandstransfersteuer ist ncht erforderlich. Die Ausführungen auf den weiteren Seiten beinhalten die Auslandstransfersteuer nicht." Wieso, weshalb, warum? Wenn ich's richtig verstanden habe, ist das sozusagen das international solidarische Steuerkonzept in deinem Modell, etwa analog zu der Idee im Dilthey-Modell, die Import-Export-Beziehungen auf einen Sockel sozialstaatlicher Maßnahmen zu stellen. Das lässt du einfach so fallen? ****** i.ii. bGE-Höhe von knapp 700 Euro? ******* 5.-9. Minute/Folien 2-6: Verstehe ich deine Ausführungen richtig, wenn ich mutmaße, dass du für all deine Berechnungen ein bGE in Höhe von knapp 700 Euro zugrundelegst? Du hältst das nirgends explizit fest, aber das ist wohl der tiefere Sinn dieser Folien, oder? ****** i.iii. Kriterien für Mindesthöhe eines bGE ******* 7. Minute/Folie 4: "Wenn ich mir Grundeinkommensmodelle ansehe, dann schaue ich erstmal, naja: Wie hoch soll denn das sein, was ausgeschüttet wird? Liegt das unterhalb der Grundfreibeträge, dann denke ich: Naja, das passt ja sowieso nicht, das kann ich nicht gebrauchen für ein bedingungsloses Grundeinkommen, weil es nicht reicht." Ich möchte dich sehr inständig darum bitten, die oben erwähnten Überlegungen von Ronald Blaschke zur Abschätzung einer vernünftigen Höhe für ein bGE zur Kenntnis zu nehmen (vgl. https://www.grundeinkommen.de/content/uploads/2013/01/2012-ansaetze_und_modelle_gs_und_ge_blaschke.pdf , S. 119-141). Insbesondere seine Betrachtungen zur Verfassungsnonkonformität heutiger Hartz4-Sätze fand ich interessant. Ich würde hoffen, dass diese Lektüre deine Meinung dahingehend verändern könnte, dass du auch die heutige Existenzsicherungshöhe nicht gebrauchen kannst "für ein bedingungsloses Grundeinkommen, weil es nicht reicht." Ich würde zwar auch ein paar Vorzüge in einem bGE auf heutigem Hartz4-Armutsniveau sehen (z. B. keine verdeckte Armut unterhalb des Hartz4-Niveaus und Abschaffung der skandalösen Verrechnungsgrundlage bei Hartz4-Aufstockern), aber nicht derartige Vorzüge, dass ich mich für so etwas ernsthaft engagieren würde. Mit anderen Worten: Wenn du weiterhin eine bGE-Höhe über die heutige Existenzsicherung ableiten möchtest, nur einfach, weil sie nun einmal existiert, dann sehe ich dich eher als Blockiererin eines Projekts, das mich vor allem deshalb interessiert, weil es ein Potential zur Abschaffung von Armut einerseits, Abhängigkeit von Vermögen andererseits hat, während du m. E. die Armut nur in anderer Form verlängern möchtest, wenn du dich auf knapp 700 Euro einschießt. Was denkst du dazu? ****** i.iv. Allgemeine und besondere Besteuerung? ******* 9. Minute/Folie 6: "Ich unterscheide zwischen allgemeiner Besteuerung und besonderer Besteuerung." sowie 11. Minute/Folie 7: "Ich beschränke mich auf die allgemeine Besteuerung, also das, was alle ausgeben müssen." Wenn ich dich an diesen Stellen richtig verstehe, dann kümmerst du dich in deiner Folienpräsentation ausschließlich um das, was du allgemeine Besteuerung nennst, während das, was du besondere Besteuerung nennst, wohl all die legalen und weniger legalen Steuertricks, Branchensubventionierungen, gemeindespezifische Steuersätze und ähnliches meint. Stimmt das so? Falls ja: Da ja von den Beführwortern einer Konsumsteuer immer wieder stark gemacht wird, dass sie ein gerechteres Steuermodell darstellen würde, frage ich mich insbesondere nach deiner Darstellung, wo ja als allgemeine Besteuerungslast oberhalb des Freibetrags quasi für alle der Steuergesetzgebung unterworfenen Funktionsgruppen zumindest mehr oder weniger so oder so immer 50 % herauskommt, schon recht intensiv, welchen verzerrenden Einfluss denn diese "besondere Besteuerung" einerseits im Rahmen der gesamten Steuererhebung (also volkswirtschaftlich), andererseits im individuellen Extremfall hat. Könntest du mir davon eine Vorstellung geben oder mich zumindest auf weiterführende Web-Literatur verweisen? Solange wir nicht über ein bGE in Höhe von mindestens 1.000 Euro sprechen, sondern auf derzeitigem Hartz4-Niveau, möchte ich wenigstens verstehen können, was sich denn die Konsumsteueranhänger davon konkret versprechen. Dabei geht's ja vermutlich weit weniger als mir um Armutsbekämpfung und Aufstockerirsinnsverhinderung, vermutlich nicht einmal so sehr um das Fehlen einer echten Steuerprogression im Allgemeinen, sondern um ein weitläufiges Ungerechtigkeitsempfinden gegenüber dem Steuerwildwuchs in Deutschland, oder nicht? ****** i.v. Chimäre der Steuerprogression? Steuerdegression: Hinzuverdienst bei Hartz4-Aufstockern, Spitzeneinkommen ******* 13. Minute/Folie 9 und 15.-16. Minute/Folie 11: Hier machst du einige interessante Nebenbemerkungen. Ich finde, dass man sich das nicht ausführlich genug auf der Zunge zergehen lassen kann. Wenn ich dich richtig verstehe und du recht hast, wovon ich jetzt einfach mal ausgehe, weil du ja vom Fach bist, dann existiert die sogenannte Steuerprogression in der Einkommensteuer de fakto überhaupt gar nicht, wenn man die Sozialversicherungen miteinbezieht, also als Quasi-Steuern betrachtet: Alle landen mehr oder weniger bei 50 %. Stimmt das wirklich? Ist die Steuerprogression völlig fingiert? Auf http://de.wikipedia.org/wiki/Einkommensteuer_(Deutschland)#Entwicklung_des_Einkommensteuertarifs_seit_1958 wird in der Tabelle für 2014 ein Eingangssteuersatz von 14 % und ein Spitzensteuersatz von 42 % bzw. 45 % postuliert. Wenn ich dich richtig verstehe, rechnest du aber den Grundfreibetrag als existenzsichernden Sockel heraus und landest trotz dieser Progression von Eingangssteuersatz zu Spitzensteuersatz für alle Einkommenshöhen unter Einbezug der Sozialversicherungsbeiträge bei Pi mal Daumen 50 % Steuer- und Sozialabgabenlast bei im Prinzip allen besteuerten Gruppen. Im Gegenteil gibt es in der Einkommensspitze sogar eine Degression, nämlich etwas weniger als 50 %: "Im Spitzensteuersatz entwickeln sich die Einkommen über 250.000,- ? wie folgt: [...] Erwerbsbelastung 47,475%" (vgl. http://www.konsumsteuersystem.de/wesentliches_in_kuerze/berechnungen/nachweis_der_50igen_allgemeinen_erwerbsbelastung_/50ige_erwerbsbelastung_schnelluebersicht/index.php ) Im Ernst, wirklich wahr, kann das denn stimmen? Falls das wirklich stimmt, wäre es ein Grund, das Verfassungsgericht anzurufen und die gesamte Steuer- und Sozialversicherungsgesetzgebung einkassieren zu lassen, weil dieser Tatbestand ganz offensichtlich gegen Gerechtigkeitserwägungen und das Sozialstaatsprinzip verstößt, wenn auch seltsamerweise anscheinend nicht gegen das ziemlich seltsam bestimmte Leistungsfähigkeitsprinzip (vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Steuerprogression#Rechtfertigung ). Ich habe da ja mehr eine Bauchgefühl-Laienvorstellung, wonach die Progression eigentlich dafür Sorge tragen soll, dass stärkere Schultern nicht nur absolut, sondern auch relativ stärker zum Gelingen des Gemeinwesens beizutragen haben. Aber wenn du Recht hast, liebe Verena, dann ist die ganze Steuerprogression eine vollkommene Augenwischerei für die Nicht-Fachleute. Noch absurder und skandalöser wird das Ganze im Einkommenssockel durch die Verrechnungsregelungen bei Hartz4, worauf du ja kurz auch hinweist: Zwischen 100 und 1.000 Euro Nettoverdienst werden 80 % der Einkünfte mit den Hartz4-Bezügen verechnet, zwischen 1.000 Euro und 1.200 bzw. 1.500 Euro sogar 90 %. [Nachtrag: Dadrüber sogar 100 %] Als mir das vor einem guten halben Jahr klar wurde, habe ich die ganzen FDP-Worthülsen von "Lohnabstandsgebot" und "Leistung muss sich lohnen" in einem völlig neuen Licht gesehen. Stelle ich mich auf den Standpunkt, dass Hartz4 ein bGE sein sollte und ich zumindest 10 Euro netto pro Arbeitsstunde zusätzlich verdienen möchte, dann hieße das Pi mal Daumen, dass ich schon erstmal einen Nettolohn von knapp 50 Euro brauche (wegen des Freibetrags von 100 Euro etwas weniger), um in den ersten 20 Arbeitsstunden auch tatsächlich einen Hinzuverdienst von 10 Euro zu realisieren, weil ja etwa 40 Euro sofort beim Hartz4-Bezug gegengerechnet werden. Bis zu einem Gesamtverdienst von 1.200 Euro bräuchte ich sogar einen noch höheren Nettostundenlohn als 50 Euro, weil von den hinzukommenden 200 Euro nur 10 % nach der Verrechnung mit Hartz4 verbleiben. Umgekehrt: Realisiere ich am Markt einen Nettostundenlohn von 10 Euro, dann behalte ich davon die ersten 10 Stunden alles, die nächsten 90 Stunden nur 2 Euro pro Stunde und die darauffolgenden 20 Stunden nur noch 1 Euro pro Stunde. Das rückt auch die 1-Euro-Maßnahmen in ein ganz anderes Licht, weil ja die allermeisten Jobs kaum soviel Stundenlohn hergeben, dass man nach der Verrechnung wesentlich mehr als einen Euro pro Stunde wirklich behalten würde. [Nachtrag: Hier schließen sich dann in meiner Arbeitsdatei ausgedehnte Betrachtungen zu diesem Umstand an, die ich erstmal wegkürze, weil ich sie oben allgemein dargestellt habe und sie nichts im eigentlichen Sinn mit der Auseinandersetzung zu deiner Website und deinem Beitrag zu tun haben.] ****** i.vi. Ausbeutung von Billiglohnländern ******* 33. Min, Folie 22: "Also: Keine Lohnausbeute mehr von Billiglohnländern wäre die Konsequenz davon." Warum? "... ergibt den Bruttoproduktpreis, der genauso hoch ist wie heute." Das erscheint mir widersprüchlich: Entweder setzt du voraus, dass die (Sozial-)Konsumsteuer auch voll auf Importprodukte gelegt wird. Dann würde ich verstehen, warum das mit der Lohnausbeute aus Billiglohnländern nicht mehr so gut funktioniert, nämlich weil Importprodukte weniger konkurrenzfähig werden würden, aber nicht verstehen, warum der Bruttoproduktpreis von Importen genauso hoch wie heute wäre. Oder du setzt voraus, dass ausschließlich der inländische Weiterverarbeitungsanteil an Importprodukten unter die Konsumsteuer fällt. Dann könnte ich mich zumindest erstmal grundsätzlich auf die These einlassen, dass alter Preis = neuer Preis hinhauen könnte, aber nicht verstehen, was das an der Billiglohnland-Ausbeute verändern soll. [Nachtrag: Weiter bin ich in der Auseinandersetzung mit deinem youtube-Video dann nicht gekommen, weil mich selbstständige Überlegungen in ganz andere Richtungen trieben. Bin mir auch nicht sicher, ob ich das noch irgendwann nachholen werde. Insgesamt sehe ich zwar einerseits, dass du engagiert und grundsätzlich mit sozialdemokratischer Gutmenschlichkeit am bGE arbeitest. Andererseits scheinst du im Effekt zu ziemlich reaktionären Ergebnissen vorzudringen: bGE auf Hartz4-Armutsniveau, Ersetzung bloß eines Teils der Lohnsteuer durch eine Konsumsteuer, keine internationale Solidarität ... Ich denke, dass das bGE das Zeug zu einem New Deal hat und für ein Großreinemachen im intransparenten Steuer- und Sozialversicherungs-Dschungel sorgen kann. Zudem geht's definitv um Umverteilung von oben nach unten, sonst kann man sich das auch gleich sparen. Das bGE als Reförmchen zu betrachten, wird der Idee auf so vielen Ebenen nicht gerecht, dass ich bei aller Sympathie für dein Engagement dazu gerade eher denke, dass du das Thema weit verfehlst und auf eine technokratische Betrachtungsebene hievst, die aus einer guten Idee bloß stinkiges Schmieröl für die Maschinerie macht. Ist vielleicht ein etwas hartes Urteil, aber so sehe ich das gerade. Sorry. Und nichts für ungut: Ich fand deine Ausführungen definitiv interessant und sympathisch, nur halt nicht wirklich zielführend aus meiner Perspektive.] ****** ii. Allgemeinere Überlegungen, die für mich aus der Auseinandersetzung resultierten ******* ****** ii.i. Ein wenig Gepöbel im Kontext des Ideologiebegriffs ******* Nach dieser Auseinandersetzung mit deinem Steuer- und bGE-Konzept, möchte ich zu allgemeineren Betrachtungen übergehen. Dass sich mir bei der Auseinandersetzung mit deinen Folien der Eindruck ergab, ich würde Zeuge einer David-Copperfield-Vorführung sein [Nachtrag: wegen 50 % hier, 50 % dort und siehe da: 50 % auch da], liegt vielleicht erstmal einfach daran, dass bei mir alle theoretischen Positionen unter Ideologieverdacht stehen, die nicht durchblicken lassen, dass sie einen Begriff dessen haben, was Marx Fetisch nennt. Da der Ideologie-Begriff insbesondere von vulgär-marxistischer Seite im vergangenen Jahrhundert einerseits inflationär, andererseits völlig geistfrei denunziatorisch für so ziemlich alles gebraucht wurde, was einem gegen den Strich ging, möchte ich mit Bezug auf Adorno ausführen, was ich damit meine: Ideologie ist per definitionem notwendig falsches Bewusstsein. Auf einer formalen Ebene lässt sich das näher so bestimmen: Falsch ist das Bewusstsein, wenn es den Ist-Zustand der eigenen Auffassungen als Normalität begreift und somit weder als geschichtlich Gewordenes noch als zukünftig Veränderliches noch als individualistisch gegenüber dem Gesamtzusammenhang von Gesellschaft und Natur verzerrt. Morrissey hat alles zum Normalitätsbegriff gesagt, was man darüber wissen muss: "there is no such thing in life as normal" (vgl. http://youtu.be/5mXrksakDUE ). Nachdem ich das geschrieben habe, also klar gemacht habe, dass der Normalitätsbegriff samt und sonders in die Tonne bereits in dem lange vergangenen Moment gehört hätte, in dem er historisch aufkam, schwarnt mir Widerwillen. Wer mir jetzt beispielsweise mit industriellen DIN-Normen kommen möchte, die sich mit dem Jack-Nickolson-Grinsen des Fordismus ausfransend durch alle Dienstleistungssektoren bis hin zur Arschputz-Taktung im Pflegesegment fressen, mit [dativisch ins n-te Geschlecht deklinierter, fiktiv-phantamagorischer Artikel], das, der, dem möchte ich eine ernsthafte Auseinandersetzung über die positivistischen Ergebnisse von Chaos-Theorie (vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Chaosforschung ), Heisenbergscher Unschärferelation (vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Heisenbergsche_Unschärferelation ) und Quantenphysik (vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Quantenphysik ) oder wahlweise eine schlichte Beschau des weltgeistigen Witzes im Luhmannschen Autopoiesis-Begriff beginnen (vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Autopoiesis#Der_Autopoiesisbegriff_in_der_Soziologie_.28Niklas_Luhmann.29 ). Ins Sinnliche gewendet, lässt sich letzterer so formulieren: Die normative Kraft des Faktischen ist weit häufiger die satte Selbstzufriedenheit von Onaninsten denn Freuds kindlich-urspüngliche polymorph-sexuelle Freude etwa an einem Windhauch auf der Haut, denn Marx' ewige Naturnotwendigkeit des Stoffwechsels mit der Natur und denn Adornos Erdung der Glücksvorstellung im nichtidentisch Anderen. Ein schlechter Witz, ja, aber so ist das System im Großen und Ganzen halt: Es reißt bloß schlechte Witze und schneidet Konservenlachen in die Audio-Spur. Als im brittischen und US-Exil Überlebender von Auschwitz hält Adorno noch für marxistische Fundamentalkritker am unwahren Ganzen fest, dass keine Onanie die Sehnsüchte der Herzen stillen kann wie paarender Beischlaf und erst recht nicht wie die Orgie der Gattung: "Der verstörte und beschädigte Weltlauf ist, wie bei Kafka, inkommensurabel auch dem Sinn seiner reinen Sinnlosigkeit und Blindheit, nicht stringent zu konstruieren nach deren Prinzip. Er widerstreitet dem Versuch verzweifelten Bewußtseins, Verzweiflung als Absolutes zu setzen. Nicht absolut geschlossen ist der Weltlauf, auch nicht die absolute Verzweiflung; diese ist vielmehr seine Geschlossenheit. So hinfällig in ihm alle Spuren des Anderen sind; so sehr alles Glück durch seine Widerruflichkeit entstellt ist, das Seiende wird doch in den Brüchen, welche die Identität Lügen strafen, durchsetzt von den stets wieder gebrochenen Versprechungen jenes Anderen. Jegliches Glück ist Fragment des ganzen Glücks, das den Menschen sich versagt und das sie sich versagen." (Adorno, Negative Dialektik, GS6, S. 395f) Allgemein bleibt für staatspolitische Debatten in dem Zusammenhang aus Sicht des leidenden Philosophen nur festzuhalten: Der einzig ernstzunehmende Begründungszusammenhang für die bürgerliche Rechtsegalität, für die "Normalität" des abstrakten und vereinzelten Rechtssubjekts, lässt sich ausschließlich im Differenztheoretischen auffinden: "Wir sind alle verschieden. Das ist es, was uns gleich macht." [Nachtrag: Die ganze vorangegangene Passage war etwas kryptisch und vulgär formuliert. Wollte eigentlich noch weiterbearbeitet werden. Ich setze sie trotzdem mal einfach in den Verteiler.] Notwendig falsch ist das Bewusstsein, weil es die Komplexität weder seines eigenen noch des gesellschaftlichen Gewordenseins jemals völlig überblicken kann und stets zu wenig Phantasie für die Möglichkeiten einer offenen Zukunft mitbringt. Auf einer materialeren Ebene kapitalistischer Vergesellschaftungsformen lässt sich das so reformulieren: Falsch ist das Bewusstsein, wenn es den gesellschaftlichen Primärzweck der Wertverwertung (bspw. gespiegelt in dem wirtschaftspolitischen Muss zur jährlichen BIP-Steigerung im Rahmen ungleicher Vermögensverhältnisse) für unangreifbar, ewig oder zumindest für die Geschäftsgrundlage, die man derzeit nicht verlassen könne, hält. Notwendig falsch ist das Bewusstsein, weil es in vielerlei Hinsicht konstitutiv blind dafür ist, die Geschichte der Wertverwertung für die Gesamtgesellschaft und für die eigene Biographie zu begreifen, und weil es so selbsverständlich an die eigene Konstitution innerhalb der Wertverwertung gebunden bleibt, dass systematisch undenkbar bleibt, wie ein Leben jenseits von Wertverwertung aussehen könnte. Adorno meditiert in der Negativen Dialektik etwas ausführlicher über diese Konstellation der "Gewalt des notwendig falschen, selbst wiederum erst kritisch zu durchdringenden Bewußtseins, das die Gesellschaft über die Ihren verhängt" (Adorno, Einleitung zum »Positivismusstreit in der deutschen Soziologie«, GS8, S. 327): "Trotz des Vorrangs des Objekts ist die Dinghaftigkeit der Welt auch Schein. Sie verleitet die Subjekte dazu, das gesellschaftliche Verhältnis ihrer Produktion den Dingen an sich zuzuschreiben. Das wird im Marxischen Fetischkapitel entfaltet, wahrhaft einem Stück Erbe der klassischen deutschen Philosophie. Sogar ihr systematisches Motiv überlebt darin: der Fetischcharakter der Ware ist nicht subjektiv-irrendem Bewußtsein angekreidet, sondern aus dem gesellschaftlichen Apriori objektiv deduziert, dem Tauschvorgang. In Marx bereits spricht die Differenz zwischen dem Vorrang des Objekts als einem kritisch Herzustellenden und seiner Fratze im Bestehenden, seiner Verzerrung durch den Warencharakter sich aus. Der Tausch hat als Vorgängiges reale Objektivität und ist zugleich objektiv unwahr, vergeht sich gegen sein Prinzip, das der Gleichheit; darum schafft er notwendig falsches Bewußtsein, die Idole des Marktes. Nur sardonisch ist die Naturwüchsigkeit der Tauschgesellschaft Naturgesetz; die Vormacht von Ökonomie keine Invariante. Leicht bildet Denken tröstlich sich ein, an der Auflösung der Verdinglichung, des Warencharakters, den Stein der Weisen zu besitzen. Aber Verdinglichung selbst ist die Reflexionsform der falschen Objektivität; die Theorie um sie, eine Gestalt des Bewußtseins, zu zentrieren, macht dem herrschenden Bewußtsein und dem kollektiven Unbewußten die kritische Theorie idealistisch akzeptabel. Dem verdanken die frühen Schriften von Marx, im Gegensatz zum >Kapital<, ihre gegenwärtige Beliebtheit, zumal unter Theologen. Nicht entbehrt es der Ironie, daß die brutalen und primitiven Funktionäre, die Lukács wegen des Verdinglichungskapitels aus dem bedeutenden Buch >Geschichte und Klassenbewußtsein< vor mehr als vierzig Jahren verketzerten, das Idealistische seiner Konzeption witterten. Dialektik ist so wenig auf Verdinglichung zu bringen wie auf irgendeine andere isolierte Kategorie, wäre sie noch so polemisch. Worunter die Menschen leiden, darüber gleitet mittlerweile das Lamento über Verdinglichung eher hinweg, als es zu denunzieren. Das Unheil liegt in den Verhältnissen, welche die Menschen zur Ohnmacht und Apathie verdammen und doch von ihnen zu ändern wären; nicht primär in den Menschen und der Weise, wie die Ver hältnisse ihnen erscheinen. Gegenüber der Möglichkeit der totalen Katastrophe ist Verdinglichung ein Epiphänomen; vollends die mit ihr verkoppelte Entfremdung, der subjektive Bewußtseinsstand, der ihr entspricht. Sie wird von Angst reproduziert; Bewußtsein, verdinglicht in der bereits konstituierten Gesellschaft, ist nicht deren Konstituens. Wem das Dinghafte als radikal Böses gilt; wer alles, was ist, zur reinen Aktualität dynamisieren möchte, tendiert zur Feindschaft gegen das Andere, Fremde, dessen Name nicht umsonst in Entfremdung anklingt; jener Nichtidentität, zu der nicht allein das Bewußtsein sondern eine versöhnte Menschheit zu befreien wäre. Absolute Dynamik aber wäre jene absolute Tathandlung, die gewalttätig sich in sich befriedigt und das Nichtidentische als ihre bloße Veranlassung mißbraucht. Ungebrochen allmenschliche Parolen taugen dazu, erneut dem Subjekt gleichzumachen, was nicht seinesgleichen ist. Die Dinge verhärten sich als Bruchstücke dessen, was unterjocht ward; seine Errettung meint die Liebe zu den Dingen. Aus der Dialektik des Bestehenden ist nicht auszuscheiden, was das Bewußtsein als dinghaft fremd erfährt: negativ Zwang und Heteronomie, doch auch die verunstaltete Figur dessen, was zu lieben wäre und was zu lieben der Bann, die Endogamie des Bewußtseins nicht gestattet. Über die Romantik hinaus, die sich als Weltschmerz, Lei den an der Entfremdung fühlte, erhebt sich Eichendorffs Wort »Schöne Fremde«. Der versöhnte Zustand annektierte nicht mit philosophischem Imperialismus das Fremde, sondern hätte sein Glück daran, daß es in der gewährten Nähe das Ferne und Verschiedene bleibt, jenseits des Heterogenen wie des Eigenen. Die unermüdliche Anklage von Verdinglichung sperrt sich jener Dialektik, und das verklagt die geschichtsphilosophische Konstruktion, die jene Anklage trägt. Die sinnerfüllten Zeiten, deren Wiederkunft der frühe Lukács ersehnte, waren ebenso das Produkt von Verdinglichung, unmenschlicher Institution, wie er es erst den bürgerlichen attestierte. Zeitgenössische Darstellungen mittelalterlicher Städte pflegen auszusehen, als ob gerade zur Volksbelustigung eine Hinrichtung stattfände. Sollte anno dazumal Harmonie von Subjekt und Objekt gewaltet haben, so war sie gleich der jüngsten vom Druck bewirkt und brüchig. Die Verklärung vergangener Zustände dient später und überflüssiger Versagung, die sich als ausweglos erfährt; erst als verlorene gewinnen sie ihren Glanz. Ihr Kult, der vorsubjektiver Phasen, kam im Zeitalter des zerfallenden Individuums und der regressiven Kollektive zu sich selbst im Grauen. Verdinglichung und verdinglichtes Bewußtsein zeitigten mit der Entbindung der Naturwissenschaften auch das Potential einer Welt ohne Mangel; vordem schon war dinghaft Ent menschlichtes Bedingung von Humanität13; wenigstens ging diese mit dinghaften Gestalten des Bewußtseins zusammen, während Gleichgültigkeit für die Dinge, die als reine Mittel eingeschätzt und aufs Subjekt reduziert werden, Humanität abtragen half. Im Dinghaften ist beides ineinander, das Unidentische des Objekts und die Unterwerfung der Menschen unter herrschende Produktionsverhältnisse, ihren eigenen, ihnen unkenntlichen Funktionszusammenhang. Der reife Marx hat in seinen kargen Äußerungen über die Beschaffenheit einer befreiten Gesellschaft sein Verhältnis zur Arbeitsteilung, zum Grund von Verdinglichung, geändert14. Den Stand der Freiheit unterscheidet er von urtümlicher Unmittelbarkeit. Im Moment des Planens, von dem er Produktion für die Lebendigen anstatt für den Profit, in gewissem Sinn Restitution von Unmittelbarkeit sich erhoffte, ist das dinghaft Fremde aufbewahrt; noch im Entwurf der Verwirklichung des von der Philosophie erst nur Gedachten die Vermittlung. Daß indessen Dialektik ohne das Moment von dinghaft Festem nicht möglich wäre und zu einer harmlosen Doktrin von Veränderung sich glättete, ist weder philosophischer Gewohnheit anzukreiden noch einzig dem sozialen Zwang, der dem Bewußtsein in solcher Festigkeit sich zu erkennen gibt. An Philosophie ist es, das vom Gedanken Verschiedene zu denken, das allein ihn zum Gedanken macht, während sein Dämon ihm einredet, daß es nicht sein soll." (Adorno, Negative Dialektik, GS6, S. 190ff) Und noch ein Adorno-Exkurs, weil er sich aufdrängt: inflationärer Gebrauch des Ideologiebegriffs ist nach meiner Bestimmung noch immer ein deflationärer Gebrauch, siehe Begriff der immanenten Kritik ... [Nachtrag: Bei Interesse kann ich das ein andernmal nachreichen. Oder ich führ's in meinem Buchprojekt aus ... Gemeint war, dass Ideologie innerhalb von Fetischvergesellschaftung universell ist und daher noch jeder Inflationierung des Ideologievorwurfs unterm Strich zu wenig Ideologievorwurf verbleibt. Ein arg logisches Argument. Da gibt's eine Menge Debatten zu à la: "Wenn universeller Verblendungszusammenhang herrscht, dann gibt's kein Wahrheitskriterien und folglich ist die Behauptung vom universellen Verblendungszusammenhang falsch". So glaube ich ungefähr bei Habermas und sicherlich anderen. Nach dem Fetischbegriff halte ich den Adornoschen der immanenten Kritik für das beste Werkzeug im Umgang mit gesellschaftspolitischen und -theoretischen Auseinandersetzungen. Der taugt dazu, das arg logische Argument gehaltvoller zu machen. Wollte ich eigentlich demonstrieren, hatte dann aber anderes am Hut ...] ****** ii.ii. Zum Neid-Begriff ******* In deinem Mail-Beitrag schriebst du: "Bei der Linken, vorwiegend auch hier im Forum, bemerke ich verstärkt pauschalen Neid, gerade in Bezug auf Kapitaleinkünfte." Ich bin mir unsicher, ob das eine Reaktion auf meinen Beitrag war, habe aber den Eindruck, liebe Verena. So oder so möchte ich ein paar grundsätzliche Dinge zum "Neiddebatten-Vorwurf" sagen: Weder die Abschreibe-Möglichkeiten, welche die Reproduktionskosten der Produktionsmittel pauschal steuerbefreien, noch die Gewinnabsicht und -realisierung der Unternehmen über entsprechende Preise noch die unterschiedlichen Lohnhöhen für unterschiedlich qualifizierte Arbeiten sind gesellschaftlich neutral. Man kann sich zwar auf den Standpunkt stellen, dass unternehmerische Initiative und fachliche Qualifikation über monetäre Mechanismen angereizt werden soll. Da habe ich prinzipiell gar nichts gegen, sehe allerdings nicht, dass das gesellschaftlich vernünftig geschehen würde. Warum haben etwa Börsenjunkies, Rüstungsingenieure oder Spitzenmanager ganz andere Verdienstoptionen als Pflegepersonal, Ärzte oder Biobauern? Weil sie eine gesellschaftlich nützlichere Arbeit leisten? Das sehe ich nicht. Spätestens aber dann, wenn die Gesellschaft es zulässt, dass anreizpolitisch vielleicht noch vage zu rechtfertigende angehäufte Vermögen auf die nächste Generation übertragbar sind, kann und muss man von Klassengesellschaft sprechen. Denn Vermögen ist unter Marktbedingungen gleichbedeutend mit gesellschaftlicher Gestaltungsmacht. Fällt diese in ungleichem Maße Menschen qua Stammbuch zu, lässt sich nicht im Ernst, sondern nur formell von demokratischen Verhältnissen sprechen und es wird auch verständlich, warum Börsenjunkies, Rüstungsingenieure oder Spitzenmanager so gut verdienen, nämlich als Absicherungsbüttel des Interesses der vermögenden Klasse. Das lässt sich auch reformulieren, wenn man von der Eigentumsfrage zu der Frage der stofflichen Form des Eigentums übergeht: Die Fortführung großer, kapitalstarker Unternehmungen über Generationen hinweg mag eine gewisse gesamtgesellschaftliche Nützlichkeit haben, insofern man bestehende Produktionskapazitäten ja nicht sinnlos zerstören und das Rad mit jeder Generation neu erfinden möchte. Gleichwohl ist der Selbsterhaltungstrieb großer institutioneller Unternehmungen ein Faktum, das sich nicht mit der Vorstellung eines flexiblen, chancengleichen "freien Markts" vereinbaren lässt. Der Kapitalismus ist zwar irrwitzig flexibel und erlaubt in Ausnahmefällen auch mal einen Lebenslauf from dishwasher to billionaire, aber er ist unvernünftig darin, dass er im Zweifelsfall bestehende Produktivkapazitäten höher gewichtet als eine Ersetzung dieser Produktivkapazitäten durch bessere Alternativen. Von Chancengleichheit lässt sich in dem Zusammenhang schon überhaupt nicht sprechen, weil gesettelte Unternehmungen enorme Möglichkeiten haben, sich die Butter nicht vom Brot klauen zu lassen. Diesen Zusammenhang mit dem Terminus "Neid-Debatte" einfach abweisen zu wollen, empfinde ich nicht als trifftig. Es geht eher um eine demokratietheoretische Grundsatzfrage, die die bürgerlichen Gesellschaften sich mit dem Privateigentum gesetzt und bis heute nicht zureichend beantwortet haben. Marx hat diese Grundsatzfrage m. E. am eindringlichsten und rezeptionsgeschichtlich wirkungsvollsten thematisiert. Aber sie ist älter als Marx, lässt sich für die bürgerliche Gesellschaft philosophiegeschichtlich etwa auch bis Rousseau (vgl. z. B. http://de.wikipedia.org/wiki/Rousseau#Politische_Philosophie ) zurückverfolgen, der einen großen Einfluss auf die Jakobiner-Fraktion der Französischen Revolution hatte. Ich kann mir jedenfalls nicht vorstellen, dass du als Juristin keinerlei Vorstellung davon hast, was der demokratietheoretische Hintergrund für das ist, wofür du der politischen Linken jegliches Bewusstsein einfach per Neid-Vorwurf absprechen möchtest: die Irrealität einer formellen Gleichheit bei gleichzeitiger materieller Ungleichheit. Einer meiner Hochschullehrer kleidete das gerne in diese Worte: Es ist Millionären und Bettlern gleichermaßen verboten, unter Brücken zu nächtigen. Anne Clark fasst es allgemeiner: The Law is an anagram of Wealth. Vor ein paar Monaten bin ich über ein Paper der Konferenz der Vereinten Nationen für Handel und Entwicklung gesurft, in dem ich einen kleinen Graphen wegen der Informationskomprimiertheit insbesondere auch im Kontext von Debatten übers bGE von herausragender Bedeutung halte, vgl. http://unctad.org/en/PublicationChapters/tdr2012ch3_en.pdf , rechts oben auf S. 51 (bzw. S. 9 nach PDF-Zählung). Für die beiden Graphen der westlichen Welt und den Graphen Ost-Europas lässt sich deutlich ablesen, dass im Gefolge des Börsencrashs am schwarzen Freitag 1929 die Einkommensverteilung eine Tendenz zur Angleichung zeigte (= fallender Gini-Koeffizient). Für die USA, Australien, Neuseeland und Kanada kehrte sich dieser Trend bereits ab etwa dem Jahr 1960 wieder um, die Einkommen drifteten wieder zunehmend auseinander (= steigender Gini-Koeffizient). Für West-Europa und noch deutlicher für Ost-Europa hat sich diese Trendumkehr mit der Wende 1989 ergeben. Seitdem werden die Reichen immer reicher und die Armen immer ärmer. Andere Statistiken könnten untermauern, dass dieser Prozess sich seit dem Jahr 2000 fortgesetzt hat. Wenig überraschend, aber doch bemerkenswert ist m. E., dass wohl noch nie in der Zivilisationsgeschichte die Einkommensgleichheit so weit fortgeschritten war wie im osteuropäischen Realsozialismus. Dies war freilich politisches Projekt, das aber empirisch-statistisch nachweislich offenbar auch realisiert worden war. Auf S. 66 (bzw. S. 24) gibt es ein Balkendiagramm, das zumindest für einen historischen Zeitpunkt um das Jahr 2000 herum klar macht, dass die Vermögensungleichheit drastisch höher ist als die Einkommensungleichheit, siehe insbesondere die dunkelblauen Balken und vgl. die jeweilige quantitative Höhe der Gini-Koeffizienten beim Einkommensverteilungsgraphen und beim Vermögensverteilungsgraphen. Es lässt sich daher zumindest vermuten, dass die Zeitgraphen auf S. 51/9 noch deutlich stärkere Ausschläge insbesondere nach oben aufweisen würden, wenn es in dem Graphen nicht um die Einkommens-, sondern um die Vermögensverteilung ginge. Ich weise auf diesen ganzen Zusammenhang vor allem deshalb hin, weil der pauschale Neid-Vorwurf an alle, die mit der Einkommensverteilung unzufrieden sind, systematisch auf Geschichtsvergessenheit beruht: Er tut so, als wäre das Verhältnis von arm und reich schon immer so wie heute gewesen, als wäre es selbstverständlich und unabänderlich, womöglich gar aus irgendwelchen zusammengestromerten Vorstellungen heraus: leistungsgerecht. Das ist schlicht nicht der Fall, wie die Geschichte zeigt. Zudem reichen die beiden genannten Diagramme schon völlig aus, um zu verstehen, warum man erstmal ein Bruttomonatseinkommen von etwa 7.000 Euro braucht, um in dem Modell des BAG Grundeinkommen in und bei der Partei DIE LINKE zum Nettozahler zu werden. Ich persönlich beneide reichere Menschen nicht im Ernst, sondern glaube daran, dass alle ihr Päckchen im falschen Ganzen tragen. Meine Konsumbedürfnisse sind zwar nicht bescheiden und unter Hartz4-Bedingungen ganz ernsthaft nicht zu befriedigen, aber zumindest auch unterhalb des deutschen Durchschnitts. Mich stört abgesehen von den vielen realen Situationen, in denen "der Mensch ein erniedrigtes, ein geknechtetes, ein verlassenes, ein verächtliches Wesen ist" (Marx, MEW1, S. 385) vor allem die normative Kraft des Faktischen am Kapitalismus und die allgegenwärtige Fiktion von Mangel im realen Überfluss. [Nachtrag: Danach folgen noch eine ganze Reihe von Stichwörtern für Sachen, die ich auch noch ausführen wollte. Die sind aber zu kryptisch als dass sie irgendwie auf Anhieb verständlich würden. Von daher war's das an Rausbruch von Elementen aus meiner ersten Arbeitsdatei.] Liebe Grüße, Bert -------------- nächster Teil -------------- Ein Dateianhang mit HTML-Daten wurde abgetrennt... URL: From jens.kasten at gmx.com Thu Sep 11 12:10:49 2014 From: jens.kasten at gmx.com (Jens Kasten) Date: Thu, 11 Sep 2014 12:10:49 +0200 Subject: [Debatte-Grundeinkommen] zum Beitrag von Bert Grashoff In-Reply-To: <540DFFCE.3080102@gmx.net> References: <540D87AE.5040909@web.de>, <540DFFCE.3080102@gmx.net> Message-ID: Ein Dateianhang mit HTML-Daten wurde abgetrennt... URL: From jochentittel at web.de Thu Sep 11 17:35:54 2014 From: jochentittel at web.de (Jochen Tittel) Date: Thu, 11 Sep 2014 17:35:54 +0200 Subject: [Debatte-Grundeinkommen] =?iso-8859-15?q?Antwort_auf_Willis_letzt?= =?iso-8859-15?q?e_Mail_zur_=D6konomie-Diskussion?= Message-ID: <5411C15A.9040204@web.de> Lieber Willi, da Du mir auch Deinen Austausch mit K.H. Brodbeck zugeschickt hast, muß ich Dir sagen, daß ich Hochachtung vor Brodbecks Leistung habe, daß er es geschafft hat, den Inhalt seines Buches auf 1200 Seiten zu verdichten; da ist keine Seite überflüssig. Ich habe dieses Buch gerade zum zweiten mal gelesen und ich weiß, daß ich auch beim dritten mal noch dazulernen kann (das muß aber erstmal warten). Natürlich kann man einzelne Aspekte der Wirklichkeit auch auf dreißig Seiten beschreiben; mitunter auch mit einem einzigen Satz. Aber wenns an die praktische Umsetzung geht, stellt sich dann meistens sehr bald heraus, daß damit eben doch noch nicht alles wichtige erfaßt ist. Wenn Du zwischen Ökonomie und Distributionssphäre unterscheidest, meinst Du wohl mit Ökonomie die Produktion, verstehe ich Dich da richtig? Dann hast Du einen sehr speziellen Ökonomie-Begriff. Ein großer Teil der ökonomischen Fachliteratur befaßt sich fast ausschließlich mit den Austauschprozessen und einige Ökonomen schließen die Produktionssphäre direkt aus der ökonomischen Wissenschaft aus. Wenn wir ökonomische Themen besprechen wollen, müssen wir also schon bei der Wahl der Begriffe anfangen zu klären, worüber wir eigentlich reden. Auch die Trennung dieser beiden Sphären ist keine einfache Tatsache, denn schließlich kann die eine nicht ohne die andere existieren. Was Du über ökonomische Unabhängigkeit schreibst, kann ich auch nicht unterstützen. Ich denke, für uns Menschen, soweit wir uns als materielle Wesen sehen, gibt es keine Unabhängigkeit; weder von den natürlichen Voraussetzungen unserer Existenz noch von den sozialen (gesellschaftlichen). Wir sind unaufhebbar verbunden mit der natürlichen und sozialen Umwelt. Aber ich denke, was Du mit Unabhängigkeit meinst, das gibt es doch, nur ist Unabhängigkeit der falsche Name dafür. Es liegt in unserer Macht, die Art der Abhängigkeit in gewissen Grenzen selbst zu bestimmen. Das heißt: wir können unsere Beziehungen zur Natur und unseren Mitmenschen selbst gestalten. Aus Deinem Begriff der Unabhängigkeit schimmert mir das dekartessche Ego oder der liberale homo oeconomicus durch, diese Wurzel der Herrschaftsideologie, die für mich die Ursache nahezu aller Übel ist. Es gibt eine einzige Form der Unabhängigkeit, die nicht auf Herrschaft hinausläuft, die liegt in der Auflösung unserer Ego-Grenzen. Ich vermute, daß das für Dich gegenwärtig keine Option ist, oder täusche ich mich da? Aus der Einsicht heraus, daß wir als Individuen in der Welt unsere Abhängigkeiten gestalten können und müssen, ergibt sich für mich auch eine andere Perspektive für die (ich sage jetzt mal) wirtschaftlichen Beziehungen, die wir schaffen können. Ich schließe nicht aus, daß einzelne Menschen oder Gruppen eine vollständige Autonomie und Isolation von der restlichen Menschheit anstreben und vielleicht kann man so auch glücklich werden. Aber für die meisten Menschen ist das nicht anstrebenswert. Meine Idealvorstellung von einem guten Leben sieht etwa so aus: Wenn wir als Menschheit es geschafft haben werden, mit der Natur in einer harmonischen Beziehung zu leben, kann ich als menschliches Individuum auch ohne produktive Tätigkeit in dieser Natur existieren, so wie nach meiner Überzeugung die frühesten Menschen von und mit der Natur gelebt haben, ohne zu "arbeiten". Ich muß es aber nicht dabei belassen, denn ich verfüge über kreative Fähigkeiten und Bedürfnisse; genauer: wir Menschen verfügen darüber, denn nur in der Gemeinschaft sind wir wirklich Menschen. Unser Stoffwechsel mit der Natur wird sich aber ganz anders gestalten, wenn wir nicht mehr dem Wahn verfallen sind, wir könnten oder müssten die Natur beherrschen. Wir werden vielleicht auch dann irgendwann kosmische Reisen unternehmen, um zu sehen, ob es noch andere Zivilisationen da draußen gibt, aber wir müssen es nicht tun, bloß weil uns die Erde unter unseren Füßen verdirbt. Ich hatte in meiner vorigen Mail geschrieben, daß wir den Staat nicht einfach abschaffen können und habe das auch begründet. Du verstehst mich aber falsch, wenn Du daraus einen Wunsch meinerseits nach einem Staat im Sinne der heute existierenden Staaten, deutest. Ich sage es also nochmal ausdrücklich: auf ein Herrschaftsgebilde können wir gut verzichten, auf gesellschaftliche Organisation aber nicht. Was den Staatshaushalt betrifft, bin ich auch nicht mit Deiner Äußerung einverstanden. Staaten finanzieren sich in erster Linie durch Steuern, und wenn ein Staat kein Herrschaftsinstrument, sondern eine auf freier Vereinbarung der Menschen geschaffene Institution ist, werden auch diese Steuern so vereinbart und sind (in einer Geldwirtschaft) notwendig, damit der Staat seine notwendigen Aufgaben erfüllen kann. Daß sich heute Staaten durch Schuldenaufnahme bei Banken finanzieren müssen (kein Staat druckt selbst Geld), ist die Folge einer Entwicklung, die die Herrschaftsmacht von der politischen auf die ökonomische Ebene verschoben hat. Die Staaten sind zwar noch die Herrschaftsinstrumente, aber eben nur die Instrumente, nicht die Herren. In dieser Hinsicht sind wir uns ja wieder einig. Nun reden wir nochmal über den Wertbegriff. Gehen wir zunächst von der kapitalistischen Realität aus. Kein Kapitalist bezahlt einen Arbeiter dafür, daß er Zeit in seinem Unternehmen verbringt, sondern er erwartet dafür eine zielgerichtete Tätigkeit mit einem vorgeschriebenen Ergebnis. Ob dieses Ergebnis sich auch als Wert darstellt, liegt aber nicht in der Hand des einzelnen Kapitalisten, das entscheidet sich auf dem Markt. Auf der anderen Seite wird aber die Arbeit auch nicht einfach nach dem Maß der aufgewendeten Zeit bezahlt, sondern - wie schon Marx feststellen konnte - wird die Arbeit unterschiedlich bewertet. Marx verwendet den Begriff der potenzierten Arbeit; darüber, wie man solche potenzierte Arbeit bewertet, hat er nichts näheres gesagt (soweit ich weiß). Schaut man sich heute die gängige Praxis diesbezüglich an, ist leicht festzustellen, daß die Stellung in der gesellschaftlichen Herrschaftspyramide darüber entscheidet, wie viel je meine Arbeitsstunde Wert ist. Wir sind uns sicher einig, daß diese Vorgehensweise weit davon entfernt ist, eine sachlich-objektive Grundlage für einen Wert zu liefern. Denken wir uns eine herrschaftsfreie Gesellschaft mit Geldwirtschaft, dann wäre es tatsächlich eine Möglichkeit, alle Arbeit gleichermaßen nach der aufgewendeten Zeit zu vergelten. Alle bekommen den gleichen Lohn, egal ob Chefarzt, Straßenfeger oder Konzerndirektor (sofern es diese Berufe dann noch gibt). Die Gegenargumente sind bekannt: wer würde sich noch die Mühe machen und ein jahrelanges Studium auf sich nehmen, wenn nachher nicht mehr rausspringt (der homo oeconomicus !). Dann könnte man etwa sagen, ein notwendiges Studium ist ja auch Arbeit, also bezahlen wir auch den Studenten den gleichen Lohn. Aber wie viel Stunden arbeitet ein Student täglich? Muß er etwa nach acht Stunden aufhören, weil er das dann nicht mehr bezahlt bekommt? Und was produziert ein Student für den Markt? Hier auf dieser Liste der BGE-Debatte wird sicher jeder gleich daran denken, daß all diese Fragen verschwinden, wenn wir anstelle der Rechnerei ein vernünftiges Grundeinkommen einführen. Aber wie wir es auch sonst drehen, wir bekommen keine nachvollziehbare berechenbare Relation zwischen individuell aufgewendeter Arbeitszeit und dem Preis einer Ware auf dem Markt. Der Wert ist eine Fiktion, aber sie dient uns die Vielfalt der produktiven Fähigkeiten mit der Vielfalt der Bedürfnisse der Menschen zu vermitteln (mehr schlecht als recht). Übrigens hat Silvio Gesell den Wertbegriff abgelehnt; ergibt sich die Frage: welcher Speicherfunktion hat sich Gesell dann zugewandt? Ich würde sagen: der Geldspeicherung. Aber damit ist die Verwirrung noch nicht gelöst, denn es stellt sich heraus, daß auch die Frage, was denn eigentlich Geld sei, bisher noch nicht beantwortet war. Erst Karl-Heinz Brodbeck hat eine schlüssige und befriedigende Antwort gefunden. Und diese Antwort zieht eine ganze Schlange neuer Fragen nach sich. Außer Brodbeck gibt es noch eine Reihe anderer Autoren, die auch dicht an dieser Lösung dran sind, so daß ich glaube, daß in nächster Zeit spannende Entwicklungen zu erwarten sind, wenn man sich für theoretisches Denken interessiert. Für mich ist das nicht nur eine abgehobene Spielerei, sondern der Versuch der Selbstaufklärung der Gesellschaft. In der Tat gibt es noch jede Menge Diskussionsbedarf; so sehe ich das auch. Also bis auf weiteres. Herzlichen Gruß an Alle, die hier teilnehmen. Jochen From wube at gmx.net Fri Sep 12 08:41:54 2014 From: wube at gmx.net (willi uebelherr) Date: Fri, 12 Sep 2014 01:41:54 -0500 Subject: [Debatte-Grundeinkommen] =?windows-1252?q?Antwort_auf_Willis_letz?= =?windows-1252?q?te_Mail_zur_=D6konomie-Diskussion?= In-Reply-To: <5411C15A.9040204@web.de> References: <5411C15A.9040204@web.de> Message-ID: <541295B2.6090303@gmx.net> Lieber Jochen, ich war jetzt etwas unschluessig, ob ich auf deinen Text oder dem von Bert antworten sollte. Dies deshalb, weil ihr in vielen Betrachtungen sehr aehnlich agiert. Aber deine Antwort thematisiert vieles, was mir sehr wichtig ist. Oekonomie Was wir heute unter Oekonomie verstehen, ist mehr Religion denn klare Betrachtung und Analyse. Die "oesterreichische Schule" mit ihrem Anhang, die "Chicago Boys", haben mit Oekonomie nichts zu tun. Auch wenn sie sich Oekonomen nennen. Es ist auch nicht relevant, was die "Schulwissenschaft" unter Oekonomie versteht. Entscheidend sind hier ausschliesslich unsere eigenen Kriterien. Und dies auch dann, wenn sie vollstaendig vom "Normativen" abweichen. Wenn wir Oekonomie als Spaere zur Herstellung unserer materiellen Reproduktionsbedingungen begreifen, kommen wir der Sache schon wesentlich naeher. Der "Markt" ist kein notwendiges Element der Oekonomie. Er ist in seiner heutigen "propagandistischen" Begrifflichkeit ausschliesslich notwendiges Element der kapitalistischen Distributionssphaere. Gegen das primitive Modell der egoistischen, kapitalistischen Oekonomie a) das Kapital, die Eliten b) die Arbeit, die Sklaven (in diesem Modell wird der Staat und das Geldsystem zum notwendigen Bestandteil). stelle ich das gemeinschaftliche, kommunistische Modell der Oekonomie: a) die Natur als Grundlage b) unsere Taetigkeiten, unsere Zeit c) unsere Relationen, die Kooperation Im diesem Modell existiert das Geld nicht. Auch nicht der "Markt" als fiktives Orientierungsobjekt. Ich glaube nicht, dass es sich hier lohnt, ueber die illusionaere Vorstellung von "Markt" Gedanken zu machen und sie mit den realen Ablaeufen zu konfrontieren. Fuer mich geht es hier mehr um die Unterstuetzung unserer unabhaengigen, souveraenen Selbstbestimmung. Weil die Mechanismen der Dogmatik und Propaganda nur ueber die Anknuepfungspunkte in unserem eigenen Denken Wirkung entfalten koennen. oekonomische Unabhaengigkeit Du benennst es richtig. Wis sind Teil der Natur, unsere Existenz basiert auf der Gesamtheit der Natur. Von daher ist es nur konsequent, dass wir als Ziel eine Lebensweise in Harmonie mit der Natur anstreben. Siehe Tiefenecologie (Arno Naess und Theodore Roszak). Aber ist dies eine Abhaengigkeit? Oder ist das vielmehr unser Wesen? Gut, wenn es fuer dich eine Abhaengigkeit ist, dann ist dein Einwand berechtigt. Dann wird es notwendig, den Begriff der "oekonomischen Unabhaengigkeit" auf die Abhaengigkeit von fiktiv konstruierten Verhaeltnissen, die nicht Teil unserer Realitaet sind, sondern nur Muster unseres Denkens, einzugrenzen. Fuer mich ist es das gleiche. Unabhaengigkeit, Autonomie und Isolation Hier konstruierst du eine direkte Verbindung, die nicht existiert. Erinnere dich an den Satz: "die freie Assoziation freier Mitglieder". Wir koennen frei unsere Beziehungen und auch deren Existenz bestimmen. Das setzt aber Handlungsraeume voraus. Also auch die Moeglichkeit, sich von der Assoziation fern zu halten. Und hat dies nun etwas mit Isolation zu tun? Eine Bedingung fuer oekonomische Unabhaengigkeit, in meinem Sinne, ist die Faehigkeit, all das selbst herzustellen, was wir brauchen oder meinen, zu brauchen. In diesem Zusammenhang kommen wir notwendig zu einem wichtigen Prinzip: "Wissen ist immer Welterbe". Damit entfallen alle egoistischen, privaten oder institutionellen Ansprueche auf Privateigentum an Wissen. Und damit werden alle Patent- und Lizenzkonstruktionen hinfaellig. Und aus den gegebenen Moeglichkeiten sehen wir sofort unserer wichtigstes Instrument hierfuer: das globale Kommunikationssystem, das Inter-Net, die "Inter-connection of local Net-works". Es existiert zwar nicht, aber wir koennen es herstellen. Natuerlich nur dann, wenn wir uns frei machen von all der Dogmatik, die unser heutiges Denken so massiv eingrenzt. Wir hatten hier schon mehrmals Ansaetze einer Diskussion um lokale Faehigkeiten. Ich vermute, dass diese Negation primaer von Menschen geaeussert wird, die nie in den praktischen Sphaeren zur Herstellung dieser Systeme taetig waren. Von daher sind sie leichtes Futter fuer die herrschende Propaganda, dass "internationale Arbeitsteilung" notwendig sei. Wir haben hier ein ganz anderes Prinzip: "global denken, lokal handeln". Das macht es uns viel einfacher. Staat Die Transformation eines Staates in einen "Partnerstaat" oder aehnliches ist eine Illusion. Sie negiert den historischen Generierungsprozess und versucht nur, dem Druck auszuweichen. Aber wenn wir ueber unsere Zukunft diskutieren wollen, dann muessen wir uns von allen Dogmatiken (Religionen) und Tabu's (Denksperren) verabschieden. Staat ist immer ein Herrschaftsinstrument. Die Demokratie ist mit Staat nicht vereinbar. Staat ist immer repraesentativ. Steuern sind immer Raub. Und die Vorstellung der Notwendigkeit von Steuern ist Unsinn, weil die tragende Basis fuer unsere Lebensweise immer die kreativen und produktiven Taetigkeiten der Menschen selbst sind. Das ganze wird nur notwendig, wenn ein parasitaerer Apparat unterhalten werden muss, der der Gesellschaft aufgepropft wird. Ob sie will oder nicht. Ich sehe keinen einzigen Bereich in unseren Gesellschaften, wo ein Staat bzw. staatliche Organisationen und Instanzen notwendig ist. Klar, in meinem Sinne. Einrichtungen zur Gesundung, zur Wissenserarbeitung, zum materiellen und immateriellen Transport, zur Versorgung mit Wasser und Energie und aehnliches sind voellig unabhaengig von einem fiktiven Staatskonstrukt organisierbar. Und wir sollten immer klar darueber sein, dass der Staat real nicht existiert. Es ist nur eine Vorstellung. Dogmatik eben. Wert " Kein Kapitalist bezahlt einen Arbeiter dafür, daß er Zeit in seinem Unternehmen verbringt, sondern er erwartet dafür eine zielgerichtete Tätigkeit mit einem vorgeschriebenen Ergebnis." Hier liegst du voellig falsch. Es gibt viele Beispiele, die genau diese deine Aussage widerlegen. Sei es aus strategischen Gesichtspunkten, in Phasen von Unterbelastung, sei es aus konkreten taktischen Ueberlegungen, um ein Wirkungsmoment zu erzielen. Die Betriebe sind oft voll von Menschen, die voellig "Ziel ungerichtet" taetig sind. Gibt es ein rationales Argument, dass bestimmte Vorbereitungen fuer bestiimte Taetigkeiten eine besondere Erhoehung der Wertschaetzung legitimieren? Es wird immer Menschen geben, die gerne sich dem Studiom widmen, weil es eine wesentliche Eigenschaft der menschlichen Spezie befriedigt: die Neugier, der Wunsch nach Erkenntnis. Das, was du beschreibst, vollzieht sich nach ganz anderen Regeln: der Mangel. Die kuenstliche Verknappung, um dann spekulative "Werterhoehung" generieren zu koennen. Um zu studieren, sind Universitaeten und abgetrennte Bereiche der Wissenserabeitung sowieso voellig ungeeignet. An den Universitaeten wird nicht studiert, sondern konsumiert. Und das ist etwas ganz anderes. Wissenserarbeitung ist nur als auto-didaktischer Prozess moeglich und umso besser organisierbar, wenn er als Teil unserer Taetigkeiten stattfindet. Von daher sind schon aus grundsaetzlicher Betrachtung Hochschulen und Universitaeten schwachsinnige Konstruktionen. Nicht allerdings dafuer, wofuer sie wirklich gebraucht werden: als Indoktrinationsanstalten. Selbst als "industrielle Wissensabfuellanlagen" sind sie unbrauchbar, weil wir Wissen nicht abfuellen koennen. Es bleibt also nur die Funktion der Herausbildung von Sklaven, von willigen Objekten. Souveraene, autonome Subjekte koennen da nicht entstehen und sind auch nicht gewollt. Glaubst du im Ernst, dass wir Fiktionen benoetigen, um "die Vielfalt der produktiven Fähigkeiten mit der Vielfalt der Bedürfnisse der Menschen zu vermitteln"? Dann verstehst du nicht, wie die wirklich grossen Entwicklungen der Menschheit entstanden sind. der Sprache, der Begrifflichkeiten, der Logik. Und die Vielfalt in Produktion und Austausch? Schau dir die Geschichte in Asien, Afrika und Lateinamerika an. Auch in Europa vor 2000 Jahren. Aus den Beduerfnissen entsteht der Drang zur produktiven Taetigkeit. Immer. Das ist kein besonderes Merkmal einer bestimmten Zeitphase. Die besonderen Merkmale sind die Verhaeltnisse, unter denen diese prinzipiellen Wirkungen blockiert oder entfaltet werden. Wenn wir tauschen, suchen wir ein Aequivalenzkriterium. Im Supermarkt genauso wie auf dem Flohmarkt. Heute orientieren sich die Menschen primaer an monetaeren Groessen. Sie sind darauf konditioniert. Es ist keine Ding-immanente Groesse. Betrachten wir den Prozess der "Produktion". Was tun wir? Wir formen Elemente der Natur um. Wir produzieren nichts. Im organischen Bereich machen es die Pflanzen, die Pilze und die Tiere. Auch unser Koerper macht es. Insbesonder der Koerper der Frau. Alles dingliche ist also Natur und unsere Umformungszeit. Alles nicht-dingliche ist nur unsere Zeit. Allerdings plus Natur, um unseren Koerper mit Energie und Baumaterial zu verorgen. Wenn wir den gezielten Mangel ueberwinden, entfaellt auch die spekulative "Werterhoehung". Jetzt frage ich mich, wofuer wir eine "Fiktion" von Wert brauchen, wenn Menschen miteinander in Austausch treten? Worueber wir uns allerdings Gedanken machen sollten, ist, was ist zu tun, dass alle Menschen in allen Regionen unseres Planeten in der Lage sind, das herzustellen, was sie brauchen oder meinen, zu brauchen. Und dies in Harmonie mit ihren tatsaechlichen Existenzgrundlagen, der Vielfalt der Natur. Wir sehen, dass hier ganz andere Fragestellungen entstehen, die nur wenig mit Finanzierungsmodellen eines bGE zu tun haben. Aber sehr viel mit dem ethischen Inhalt des bGE: die bedingungslose Existenzsicherung aller Menschen. mit lieben gruessen, willi Esperanza, Ibarra, Ecuador From unversoehnt at gmx.de Fri Sep 12 19:00:28 2014 From: unversoehnt at gmx.de (unversoehnt) Date: Fri, 12 Sep 2014 19:00:28 +0200 Subject: [Debatte-Grundeinkommen] Fragen zur Gesellschen Geselligkeit der Werte In-Reply-To: References: <540D87AE.5040909@web.de>, <540DFFCE.3080102@gmx.net> Message-ID: <541326AC.6040903@gmx.de> Hallo, da du, lieber Jens, ja tatsächlich Checkung von Schwundgeldtheorien zu haben scheinst und ich bislang nur mit Menschen in Kontakt stand, die da allerhöchstens ein gutes Bauchgefühl, aber nicht unbedingt theoretische Ahnung zu mitbringen, möchte ich die Gelegenheit mal nutzen, um meine Vorurteile zu überprüfen. Erstmal eine Frage zum Diskussionrahmen: Schwundgeldtheorien wären wie das bGE eine drastische Veränderung der ökonomischen Verkehrsregeln. Das ist aber erstmal nur eine äußere Ähnlichkeit. Gibt's irgendeinen inhaltlichen Zusammenhang? Um's mal wieder in plastische Polemik zu packen: Möchte irgendjemand sowohl bGE als auch Schwundgeld, mit dem zu befürchtenden Effekt, dass mein 30-Jahre-Plan, mir nach der Einführung eines bGE davon langsam soviel Geld zusammenzusparen, dass ich die Malediven wenigstens einmal live erleben kann, bevor sie im indischen Ozean wegen Polkappenschmelzens untergegangen sind, vereitelt wird, weil gespartes Geld entschwindet? (Das hat wieder polemischen Scherzcharakter. Ich kann glaube ich auch gut ohne einen Besuch auf den Malediven mein Leben zu Ende leben. Soll nur einen Punkt klar machen: Nicht nur den Reichen, sondern auch den Armen wird die Möglichkeit des Sparens zur Erfüllung größerer Träume mit einem Schwundgeld strukturell genommen, oder nicht?) Von den ganzen Kritiken an Gesell in Richtung Faschismus- und Menschenverachtungsvorwurf kann ich abstrahieren. Nur weil jemand häufig ein Arschloch ist, heißt das nicht, dass er nicht auch seine guten Momente hat oder vielleicht sogar gerade aus der Perspektive des Arschlochs etwas sehr Wahres sagen könnte. Auch blinde Hühner finden Körner. Und in Bezug auf Marx' Fetisch-Begriff interessiert mich auch kein Stück, was man ihm so als Familienmensch alles zum Vorwurf machen könnte. (Was wiederum nicht heißen soll, dass ich Gesell als Arschloch tituliere. Ich weiß nur vom Hörensagen irgendwas über ihn und will mir da gar kein Urteil zu rausnehmen. Das Arschloch-Argument hat mehr logisch-allgemeinen Charakter.) Ein bisschen anders gelagert ist's für mich beim Thema "struktureller Antisemitismus". Das halte ich für ein wichtiges theoretisches Lehrstück und deshalb vielleicht und gerade auch in Bezug auf Gesell von einiger Wichtigkeit. Da ich das aber wegen Ignoranz gegenüber Gesell nicht im Ernst beurteilen kann und das Fass auch nicht wirklich hier aufmachen möchte, halte ich das nur mehr abstrakt fest. Sachlich gibt's vor allem zwei Gründe, die mich bislang davon haben Abstand nehmen lassen, mich eingehender mit Schundgeldtheorien zu befassen, weil diese beiden Gründe mir grundlegend die Sinnhaftigkeit dieses theoretischen Ansatzes in Zweifel ziehen. Die möchte ich kurz skizzieren und Schwundgeld-Sympathisanten auffordern, sie auf eine Weise auszuräumen, die es mir dann doch interessant erscheinen lassen könnte, mich mit Gesell und anderen dieser theoretischen Richtung auseinanderzusetzen. 1. Die Form-Geschichte des allgemeinen Äquivalents: Das allgemeine Äquivalent, also das Geld, hat die längste Zeit seiner historischen Geschichte in der Form edler und weniger edler Metalle verbracht. Muscheln, Brot und Schafe waren hier und da auch mal eine beliebte Bekleidungsformen fürs Geld, aber die edlen Metalle zeichnet vor allem ihre relative Langlebigkeit (also die Speicherfunktion), mehr oder weniger beliebige Teilbarkeit und relative Seltenheit in besonderer Weise für die Funktion des allgemeinen Äquivalents aus. Dort, wo der Markt durch Gewalt und/oder Vertrauen soweit allgemein akzeptiert war, dass mehr oder weniger alle sich an die Spielregeln des Marktes hielten, konnte man zu Papiergeld, Schuldscheinen, Bits&Bytes, letztlich einfach der mündlichen Vertragsform übergehen. Dies reflektiert realgeschichtlich den Gehalt des Marxschen Fetischbegriffs: Geld ist seinem wesentlichen Gehalt nach kein natürliches, sondern ein gesellschaftliches Ding, und damit eigentlich nur von psychosozialer Realität. Ist die Gesellschaft in ihren allgemeinen Verkehrsformen stabil genug, kann sie deshalb auch davon absehen, Geld als Ding anzusehen und es beispielsweise in Bits&Bytes verwandeln. Seit dem Ende von Bretton Woods im Kontext der Ölkrise 1973 basiert das Weltgeld nicht mehr auf irgendeiner Form von Goldstandard, hat sich also seit zumindest vier Jahrzehnten von jeder dinglichen Bekleidungsform dem Grundsatz nach verabschiedet. Obwohl's freilich dennoch Papier- und Münzgeld etc. gibt. Das hat seiner polit-ökonomischen Konstitution nach aber keinen dinglichen Wertcharakter, sondern ist im Kern als Fetisch anerkannt, der im Zweifelsfall über die imperiale Militärmacht der USA/NATO auch denen eingepeitscht wird, die's mit diesem Fetisch nicht so genau nehmen wollen. Ich find's durchaus lustig, dass die bürgerliche Ökonomie, die von Marx ja echt nie nix wissen möchte, in ihrer zentralen Konstruktion ihm sachlich einfach recht gibt: Yo man, money makes the world go round, but isn't anything material at all. Wenn ich's richtig verstehe, ist der Clou dabei das Triffin-Dilemma (vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Triffin-Dilemma ), das gerade die relative Seltenheit der Edelmetalle, also insbesondere des Goldes, dafür verantwortlich macht, dass sie sich im Zuge der unglaublichen globalen Produktivkraftentfesselung des 20. Jahrhunderts nicht mehr als Geldform eignen: Die edlen Metalle sind einfach nicht liquide genug. Klar, gegen den Börsenhandel in Nanosekundengeschwindigkeit sind die alten Geldsäcke mit selbigen auf dem Buckel wirklich extrem langsame, unflexible und kleingeistige Schnecken. Dabei ist m. E. von entscheidender Bedeutsamkeit, immer im Blick zu behalten, dass das allgemeine Äquivalent sich durch universelle Tauschbarkeit gegen wirkliche Dinge auszeichnet, gegen Brot und Butter, Haus und Hof, Fabrik und Land, Dienstleistung und Ware Arbeitskraft, Tarnkappenbomber und Atombombe. Das meine ich mit relativer Stabilität der gesellschaftlichen Verkehrsformen: Das fiktionale Bits&Bytes-Geld muss sich schon in echte Gegenstände jederzeit verwandeln können. Sonst kommt es zu einer echten Geldkrise, in der sich die Sache plötzlich ganz anders darstellt. Nehmen wir nun mal an, nicht nur die eine oder andere lokale Ökonomie sieht plötzlich mit einem liebenden Herzen auf die Idee des Schwundgelds, sondern sie setzt sich als globales Geldkonstrukt tatsächlich durch. Das finde ich zwar unwahrscheinlicher als die Umsetzung eines bGE in relevanter Höhe und selbst unwahrscheinlicher als eine kommunistische Weltrevolution. Aber sei's drum: Nehmen wir's einfach mal an. Nehmen wir aber zusätzlich an, dass die Charaktermaske, die Moliére ziemlich prägnant in seinem Stück "Der Geizige" gezeichnet hat, nicht einfach ausstirbt. Bzw. allgemeiner: Nehmen wir an, dass weder das aufgehäufte (Sach-)Vermögen sich durch die Einführung eines Schwundgelds in Luft auflöst noch das individuelle Kalkül der Gewinnmaximierer, aus ihrem Vermögen noch mehr und mehr und mehr Vermögen zu machen. Was hindert diese Leute dann daran, auf das Schwundgeld zu pfeifen und einfach wieder auf die edlen und weniger edlen Metalle, auf Perlen und Diamanten, auf Eigentumstitel in Bezug auf Fabriken, Immobilien und Yachten, also allgemein: auf die langlebigeren dinglichen Gestalten des Werts zurückzugreifen, um ihre Vorstellung von einem allgemeinen Äquivalent am Leben zu erhalten? Gut, das wäre definitiv eine drastische Entschleunigung des Weltmarkts gegenüber der Bits&Bytes-Hektik von heute. Aber vom Grundsatz her sehe ich nicht, dass es einen Unterschied machen würde. Der Zins ließe sich einfach so konstruieren: "Ich leihe dir jetzt Haus, Hof, Fabrik, 10 Kilo Gold oder what ever und dafür gibt's du mir in ein, zwei, x Jahren das renovierte Haus plus Anbau, den modernisierten Hof plus neuem Schweinestall, die modernisierte Fabrik plus neuem Filialnetz, 10 plus y Kilo Gold oder das verbesserte what ever plus what ever else. Und wenn du auch nur eine Silbe über das Schwundgeld verlierst, dann leihe ich dir ganz gewiss überhaupt gar nichts aus meinem Vermögen. Du spinnst wohl!" Was anderes wäre es vielleicht, wenn man das Zentralbanksystem so strukturieren könnte, dass sich niemand mehr bei irgendjemandem mit Vermögen irgendetwas leihen müsste, sondern einfach bei einer staatlichen Bank. Das würde aber wieder nicht hinhauen, weil das Geld ja nur dann überhaupt als Geld funktioniert, wenn es hinreichend allgemein anerkannt ist. Sonst hat es im Zweifelsfall überhaupt keine Nützlichkeit oder höchstens die, in Form von Papiergeld zum Kaminanzünden zu dienen. Zählt plötzlich nicht mehr das aufgehäufte (Sach-)Vermögen, sondern nur noch das inflationär über eine Zentralbank ausgestreute Schwundgeld, dann ist wieder genauso wenig einzusehen, warum die Eigentümer von (Sach-)Vermögen irgendjemandem irgendetwas geben sollte für das sowohl inflationär unter die Leute gebrachte wie wegen seines immanenten Schwundcharakters deflationär wirksame Geld. Jede Investition würde dann nicht an Mangel an Geld scheitern, sondern an Mangel der Anerkennung dieses Geldes. (Sach-)Vermögensbesitzer könnten sich auf den Standpunkt stellen, dass sie mit diesem Geld einfach nichts zu tun haben wollen und daher auch nicht die für die Investitionen benötigten Dinge im Austausch gegen dieses Geld liefern. Dies könnte zumindest perspektivisch aber tatsächlich einen Unterschied machen, wenn die ArbeiterInnen kein Problem mit dem Schwundgeld als Lohn haben. Peu à peu ließe sich mit der lebendigen Arbeit ein neues Produktivsystem aufbauen, das unabhängig vom alten (Sach-)Vermögen ist. Solange aber die große Industrie sich auf so ein Geld nicht einlässt, wäre das in der Tat ein Neustart von unten, also ein Anfang ohne Zugriff auf die heute entfesselten Produktivkapazitäten, also im Zweifelsfall auch nicht auf Brot und Butter für die Arbeiter. Da bliebe die Frage für mich: Was soll die mühsam neu aufgebauten Produktivkapazitäten davor behüten a) einfach nicht konkurrenzfähig gegenüber den alten zu sein, b) selbst wieder in die Eigentumshände von Leuten zu fallen, die lieber ihr persönliches Vermögen als das der Gesellschaft im Blick zu haben und bei hinreichendem Gesettletsein ihrerseits wieder kein Schwundgeld akzeptieren zu wollen? 2. Der Gehalt des Ausbeutungsbegriffs: Sieht man mal von allen kategorialen Detailkonstruktionen ab, kann man aus der Perspektive der Gesamtgesellschaft Marx' Ausbeutungsbegriff folgendermaßen fassen: Grundlage ist erstmal, dass die Produktivität der Gesellschaft überhaupt so hoch ist, dass nicht nur das produziert wird, was die Gesellschaft unmittelbar an Lebensmitteln etc. verknuspert, sondern zusätzlich irgendeine Form von langlebigem Surplus in dinglicher Form: gelagerte Rohstoffe, Immobilien, Fabriken, die ISS, whatever. Das gegeben, lässt sich sagen: Die Proletarier (oder weniger altmodisch: die produktiv im Gesamtsystem Tätigen) werden insofern ausgebeutet, als sie zwar den gesellschaftlichen Reichtum erarbeiten, aber nix (bzw. mit Blick auf die kleinbürgerliche Immobilie mit Vorgarten: nicht sehr viel) von dessen langlebigem Surplus erhalten, also insbesondere keinen Eigentumsanteil an den Produktionsmitteln (sieht man mal von Genossenschaften und sonstigen Beteiligungsvarianten für die ArbeiterInnen ab) und keinen Zugriff auf die Produkte der gesellschaftlichen Luxusproduktion. Beides bleibt zumindest im Wesentlichen den Eigentümern von (Sach-)Vermögen vorbehalten. Um diesen Zusammenhang zu formulieren, musste ich nicht ein einziges Mal von Geld sprechen. Das hat in dem gesamten System ja bloß einen Vermittlungscharakter, der sich durch andere Vermittlungsformen ersetzen ließe. Von daher: Wieso sollte ein Schwundgeld an diesem grundsätzlichen Tatbestand von Ausbeutung im gesamtgesellschaftlichen Zusammenhang irgendetwas ändern? Wenn es das aber nicht tut, leuchtet mir nicht ein, wozu es gut sein soll. Liebe Grüße, Bert Am 11.09.2014 12:10, schrieb Jens Kasten: > Hallo Mitlesende, > im letzten Schreiben von Willi behauptet er zurecht, > das Silvio Gesell (ja wer ist das?) sich mit der Speicherfunktion des > Geldes beschäftigt hat. > Leider hat Willi den Eindruck erweckt, dass die nachfolgenden Aussagen > in seinem Text > irgendetwas mit dieser Beschäftigung Gesells zu tun hätten. > Für mich würden solch allgemeinen Aussagen - diese und jener hätten > sich mit xy beschäftigt - > keinen rechten Sinn ergeben, wenn die nachfolgenden Erläuterungen sich > auf etwas davon > verschiedenes beziehen. > Also dann werde ich wenigstens die Kurzfassung dieser Beschäftigung > mal nachreichen. > Geld ist ein Verkehrsmittel. Ein Güterwagen kann nicht gleichzeitig > Güter von A nach B, C, D > und vielleicht wieder zurück nach A bringen, wenn er irgendwo auf der > Strecke auf ein Nebengleis > geschoben wird, und dann als Wohnwagen, als Schatztruhe oder als > Messecontainer benutzt wird. > Sobald Geld jedoch mit einer Speicherfunktion besetzt wird, geschieht > genau das. > Geld als Verkehrsmittel unterliegt fortan der Willkür seiner Besitzer. > Geben sie es aus, oder überlassen sie es anderen zum ausgeben > (Kredit), dann ist es gut, > wenn nicht - also wenn sie es zurückhalten und einfach weglegen und > "vergessen" -, > erleiden sie keinen unmittelbaren Nachteil. > Ganz anders die Produzenten von Waren. Diese können sich bis auf > verschwindend geringe Ausnahmen > nicht hinter ihre Waren stellen und behaupten, das ein schleppender > oder ein allzu schleppender Verkauf > ihnen nicht an die Substanz ginge. > Waren brauchen, sobald sie fertiggestellt sind, beständig Energie, um > im neuwertigen Zustand erhalten zu bleiben. > Kühlung, Trockenheit, Sicherheit, vielleicht auch Feuchtigkeit, > Reinigung, Schutz vor Druck,Zug und vielerlei > Formen von Energie, welche das Ergebnis von Arbeit sind. > Waren haben bis zum Zeitpunkt ihres Verkaufes Durchhaltekosten. Waren > haben ein Ablaufdatum, das nur durch > beständige Energiezufuhr, durch weitere Arbeit nach hinten verschoben > werden kann. > Verkaufe ein Auto 20 Jahre nicht, ohne je irgendwas in die Erhaltung > des einstigen Neuwagens gesteckt zu haben. > Und du musst dich auch danach nicht eine Minute mehr darum kümmern. > Denn es will keiner mehr geschenkt haben. Es würde nicht mal als > Oldtimer weggehen. > Die im Vergleich zu den Warenbesitzern vernachlässigbaren > Durchhaltekosten der Geldbesitzer machen diese, > sobald es sich um Ersparnisse - also überschüssiges Geld - handelt, > den Warenbesitzern überlegen. > Diese Überlegenheit ist der alleinige Grund für die Erscheinung Zins. > Der Zins ist der Schatten desjenigen Geldes, mit dem eine > Speicherfunktion verknüpft wird. Verknüpfbar ist. > Zinsgeld. > eigene Anmerkung (nicht von Gesell) > Die letztliche Ursache für die Umverteilung von täglich 1 Milliarde > Euro und mehr - allein in Deutschland - von Arbeit zu Besitz > wird durch eine Geld bewerkstelligt, dem keine Durchhaltekosten > berechnet werden. > Die Zinsgutschriften auf deutschen Bankkonten belaufen sich > mittlerweile auf mehr als 400 Milliarden Euro jährlich. > Also jene die Geld übrig haben, überlassen es jenen, die es für die > Produktion oder für den Verbrauch dringend benötigen > und bekommen damit immer mehr übriges Geld. Das geht in der nächsten > Runde wieder auf Zinsfang. > Der Zins ist ein Verdoppeler. Wird die Grundsubstanz an überschüssigem > Geld nicht angetastet, verdoppelt sich über diesen Mechanismus > die Gesamtsumme in 72 geteilt durch den Betrag des Zinses * 100 in Jahren > Beispiel (der Zins betragt 7,2 %, dann verdoppelt sich das Vermögen > innerhalb von 10 Jahren: 72 / 0,072 * 100 oder eben 72/7,2) > Aus 1 Million werden so in 50 Jahren? In 100 Jahren, in 200 Jahren? > Personen vergehen nach 70 Jahren. Aber Familien, Dynastien? > wieder Gesell: > Verkehrsfunktion (Tauschfunktion) und Speicherfunktion schließen sich > für einen konfliktfreien Ablauf der Dinge aus. > Klar wenn Güterwaggons zweckentfremdet werden, dann können neue > produziert werden, > damit die Menge der nötigen Waggons irgendwie gesteuert werden kann. > Wir stellen fest, wieviele durch willkürliche Zweckentfremdung fehlen > und produzieren dafür neue. > Vielleicht sind ja irgendwann alle Nebengleise vollgestellt. Dann > könnte man mit den Zweckentfremdeten immer noch im Weg rumstehen. > Beim Geld sieht das wie folgt aus: > Geld landet nicht so schnell auf dem Nebengleis. Erst viel später. > Ungefähr jetzt. > Auf Grund seiner Bedeutung für die Aufrechterhaltung unserer > Zivilisation - sprich unserer Arbeitsteilung sind > die bedürftigen Produzenten immer wieder bereit, Zinslasten auf sich > zu nehmen und leihen sich das Anlage suchende - das überschüssige - Geld. > Kreditnehmer konkurrieren unentwegt um Marktanteile, denn nur aus den > Verkäufen ihrer Produkte können sie ihre > Kredite tilgen und ihre Kreditwürdigkeit aufrechterhalten, wenn es mit > dem Tilgen doch nicht so schnell gehen sollte, > wie sich das mancher gewünscht und "ausgerechnet" hat. Denn die > Kreditsummen verlaufen parallel zu den exponentiell steigenden > Vermögenssummen. > Diese Konkurrenz bedingt ein stetiges zur Überhitzung tendierendes > Wirtschaftswachstum, welches einzig allein dem exponentiell steigenden > Renditeanspruch, > dem Verdoppelungsanspruch des überschüssigen Geldes, das ohne > Durchhaltekosten ist, geschuldet ist. > All die kriminellen Machenschaften mit denen sich Konkurrenten im > wahrsten Sinne bekriegen, haben eine einzige echte Ursache und tausend > vermeintliche. > Würde der Druck aus dem Kessel genommen, wäre "leben und Leben lassen" > die einzige durchgehend verständliche Maxime. > Deswegen bewegt sich die Zivilisation am Rande des Abgrundes. > Die Verschuldungsfähigkeit der Produzenten hat ihr Limit erreicht. So > wie die Inkubationszeit einer ausgewachsenen Diabetes 20 bis 30 Jahre > währt, > so verhält es sich mit den sklerotischen Zuständen auf dem > Geldverkehrssektor. > Aus einer linear steigenden Produktion lassen sich keine endlosen > exponentiellen Ansprüche ableiten. Exponentiell schlägt linear. > Die Schuldner sind am Ende. Nicht nur der Staat oder die Staaten (von > Liechtenstein mal abgesehen ;-)) > 7,5 Billionen Geldschulden in Deutschland (zu je einem Drittel bei > Staat/Unternehmen/Privat), lassen sich mit 1 % Wirtschaftswachstum > nicht mehr > steigern. > Einfach aussteigen ist nicht. > Bleibt das Kreditkarussell stehen, dann bleibt auch die Produktion stehen. > Wer kann das wollen? Mal eine Woche nichts produzieren? Kein Problem. > Aber dann mal einen Monat nichts essen? > Wie böse macht das denn? > Deswegen braucht es eine Lösung, für das Ungleichgewicht in den > Durchhaltekosten zwischen Waren und Geld > Das ist der Grundwiderspruch unserer Epoche. Diesmal fehlen die > Gänsefüßchen. Das ist keine Ironie. > Ein Geld mit einem Ablaufdatum kann das leisten. > Freigeld. Eine "Natürliche Wirtschaftsordnung durch Freiland und > Freigeld". > Sollte man wirklich gelesen haben. > Nicht nur im Munde führen. > Viele Grüße > Jens > *Gesendet:* Montag, 08. September 2014 um 21:13 Uhr > *Von:* "willi uebelherr" > *An:* debatte-grundeinkommen at listen.grundeinkommen.de > *Betreff:* Re: [Debatte-Grundeinkommen] zum Beitrag von Bert Grashoff > > Lieber Jochen, > > dass ist gut, dass du dir den flotten Schreibstil von Bert angewoehnt > hast. Ich danke dir fuer die Muehe zu deinem Text. Diese Liste > entwickelt sich wirklich grossartig. > > Ich will hier einen Satz eines argentinischen Philosophen zitieren, den > auch Hugo Chavez oft verwendet hat. "Die Einheit in der Vielfalt". Ich > sehe, wir sind auf diesem Weg. In den Kernfragen sind wir uns einig, in > den vielen abgeleiteten Bereichen herrscht die Vielfalt. Und ohne diese > Vielfalt gibt es keine Entwicklung. > > Mit einigen deiner Standpunkten will ich mich deutlicher beschaeftigen. > > 1. Lokale Oekonomie und Austauschmechanismen > > Wenn wir politisch und gesellschaftlich frei agieren wollen, dass heisst > frei in der Akzeptanz der Wirklichkeit, frei im Suchen nach der > Wahrheit, dann geht dies nur ueber die oekonomische Unabhaengigkeit. Das > bedeutet, all jenes selbst und souveraen herstellen zu koennen, was wir > brauchen oder meinen, zu brauchen. An dieser oekonomischen > Unabhaengigkeit fuehrt kein Weg vorbei. Oekonomisch abhaengig bedeutet > Sklaverei, materiell wie auch ideell. > > Die oekonomische Unabhaengigkeit ruht auf lokal unabhaengigen > technischen Infrastrukturen. Und diese ruhen auf der Unabhaengigkeit in > der Anwendung der Technologie, der Materialisation der Wissenschaften > der Natur. Oder kurz; den inneren Gesetzen der Natur. > > Das ist nicht neu. Unsere Vorfahren haben dies ebenso verstanden und > angewandt. Der Bruch geschah vor etwa 7-8000 Jahren. Das sehe ich wie > du. Es war die Zeit der Herausbildung elitaerer Strukturen. Und diese > benoetigen den Staat und das Geldsystem. > > 2. Geld, bGE und Staat > > Die Form, wie wir es diskutieren, bezieht sich auf ein Geldsystem. Der > philosophische und ethische Inhalt ist frei davon. Das sehe ich genauso > wie du und viele in dieser Liste. > > Aber: in der Oekonomie existert kein Geld. Nur in der > Distributionssphaere. Wenn wir uns also mit der Oekonomie beschaeftigen, > die Grundlage fuer ein bedingunsloses Existenz- und Lebensrecht aul dem > allgemeinen Niveau, dann beschaeftigen wir uns eigentlich nicht mit Geld > und Geldmengen, sondern mit den Strukturen unseres gesellschaftlichen > Seins. Aus unseren formulierten Vostellungen und Perspektiven entwickeln > wir jene inner-regionalen Relationen, die wir brauchen und die uns > nuetzlich sind. > > du schreibst: > "Auch den Gedanken, das BGE einfach durch Gelddrucken zu finanzieren > halte ich für keine gute Idee. Was das für Entwicklungen auslöst sollte > vielleicht mal detaillierter ausgemalt werden, ich fürchte das ist dann > nicht mehr steuerbar." > > Gemaess deinem noch bestehenden Wunsch nach Erhaltung eines Staates > eroeffnet sich hier ein gewaltiger Widerspruch. Alle Staaten finanzieren > sich ueber "einfaches Gelddrucken". Die USA mit mindestens 85 Millareden > Dollar/Monat ueber die FED. Nicht eingerechnet die vielen dunklen und > verdeckten Kanaele. Alle Staaten sind Instrumente der Finanzsysteme. Und > alle Staatssysteme sind parasitaer. Sie verbrauchen nur, ohne etwas zu > erschaffen. Ausser vielleicht die Zerstoerung. > > 3. Austausch, Wert und Zeit > > Du hast etwas die Details ueberlesen. Die Zeit, also unsere Lebenszeit, > ist das einzige, was wir in die Sphaere der Oekonomie einbringen. Wir > muessen nur dafuer sorgen, dass unsere Zeit fuer wirklich notwendiges > und sinnvolles verwendet wird. Wir koennen auch nur ein Minimum grob > abschaetzen, was jedE aufbringen muss, sofern gesundheitlich oder > sonstwie in der Lage. > > Unsere Lebenszeit ist die einzige objektive Grundlage fuer einen > wertaequivalenten Tausch. Geldsysteme sind spekulative Wertabstraktionen > mit immanenter Speicherfunktion. Silvio Gesell hat sich dieser inneren > Speicherfunktion zugewandt. > > Wenn wir also ueber bedruckte Papierschnipsel oder Kontenzahlen tauschen > wollen, dann muessen wir fuer 2 Grundfragen die Antwort suchen. > > a) die Wertbestimmung > b) die Speicherfunktion > > Wenn die Speicherfunktion aufgeloest ist und die Wertbildung objektiv > bestimmbar, dann koennen wir unbedenklich auch ein Geldsystem verwenden. > Weil dann ist das Tauschaequivalent tatsaechlich die Zeit. > > Die Umlaufmenge ergibt sich aus den geschaffenen Werten, basierend auf > der verdinglichten Zeit, und den Zeitmengen, die sich fuer die > Herstellung materieller Instanzen zur Verfuegung stellen. Deswegen > erhalten auch nur jene das Geld in ihrer Funktion als Eingangstor in das > Tauschnetzwerk, die dieses brauchen und zur Herstellung der materiellen > Grundlagen beitragen. Und das sind immer die Kommunen bzw.die lokalen > Lebensgemeinschaften. > > Es gaebe noch mehr an Details zu diskutieren. Aber ich denke, dass ich > hiermit die wesentlichen und substanziellen Themen angeschnitten habe. > > mit Dank fuer deinen Beitrag und lieben Gruessen an alle, willi > Esperanza, Ibarra, Ecuador > > _______________________________________________ > Debatte-Grundeinkommen Mailingliste > JPBerlin - Politischer Provider > Debatte-Grundeinkommen at listen.grundeinkommen.de > https://listi.jpberlin.de/mailman/listinfo/debatte-grundeinkommen -------------- nächster Teil -------------- Ein Dateianhang mit HTML-Daten wurde abgetrennt... URL: From jochentittel at web.de Sat Sep 13 12:47:03 2014 From: jochentittel at web.de (Jochen Tittel) Date: Sat, 13 Sep 2014 12:47:03 +0200 Subject: [Debatte-Grundeinkommen] an Bert Grashoff und die Liste Message-ID: <541420A7.6060205@web.de> Lieber Bert, ich versuche auch ganz knapp auf die von Dir angesprochenen Themen zu antworten, denn es ist das eingetreten, was ich mir eigentlich wünsche: ich habe mehrere Reaktionen auf meinen Diskussionsbeitrag erhalten und wenn ich nun allen ausführlich antworten will, bleibt viel anderes liegen, was auch erledigt sein will. Manchmal fällt es mir schwer, die richtige Entscheidung zu treffen. Also, etwa der Reihe nach: zum christlichen Kulturkontext Ich sehe das etwa so, daß schon der Ursprung der christlichen Religion, die jüdische Religion ganz in dem Spannungsfeld zwischen Anarchie (also Nicht-Herrschaft) und Herrschaftsparadigma steht. Mit Jesus wäre die Entscheidung für Herrschaftsfreiheit gefallen, wenn das denn von seinen Anhängern verstanden worden wäre; ist es aber im großen Ganzen nicht. Spätestens in dem Augenblick, als das Christentum in Rom Staatsreligion wurde, hat die Herrschaftsideologie gesiegt und die katholische Kirche ist durch und durch ein Herrschaftsapparat. Dennoch gibt es auch innerhalb dieser Kirche noch echtes Christentum. Eigentlich ist das ein Wunder. Für alle anderen christlichen Kirchen trifft das im wesentlichen auch zu. Die Paulus-Aussage von Essen und Arbeiten wird, so glaube ich, fast immer mißverstanden. Soweit ich weiß, hat Paulus das in dem Zusammenhang geäußert, daß einige Mitglieder der Gemeinde argumentierten, daß ohnehin in kürze das jüngste Gericht eintreten werde, weshalb es sich nicht mehr lohne, zu arbeiten. Darauf hat Paulus geantwortet. Ich finde es durchaus wichtig, sich mit dem Christentum und seiner Widersprüchlichkeit gründlich auseinanderzusetzen, ich denke da gerade an Albert Schweizer, dessen Kulturphilosophie auch heute noch zu empfehlen ist. zur Steinzeit: Ich denke, ich hatte Deine Bemerkung schon richtig als Polemik verstanden. Aber es ist eben ein sehr verbreitetes Vorurteil, wie man sich heute die Steinzeit vorstellt und das ist nicht zufällig so. In der DDR gehörte es zum offiziellen und in den Schulen kolportierten Geschichtsverständnis, daß die ganze menschliche Geschichte eine (gesetzmäßige) Aufwärtsentwicklung ist, die schließlich im Kommunismus mündet. Dabei wurde immer unterstellt, daß es im Laufe der Zeit immer besser wird. Zwangsläufig mußte es im Rückwärtsblick für die Menschen immer schlimmer gewesen sein, je weiter man zurückschaut. Wahrscheinlich gab es ähnliches auch in der BRD. Ich habe mich schon als Kind für Urgeschichte interessiert, während alles spätere im Schulunterricht langweilig wurde; dann gab es Jahreszahlen zu lernen und Ideologie wurde wichtig. Irgendwann, viel später, ging mir ein Licht auf und ich hatte so eine Vision, wie paradiesisch das Leben des Homo Erektus in der Nähe von Weimar gewesen sein mußte, ohne Vorgesetzte, ohne Schule, ohne Steuererklärungen ohne ... Klar, daß das eine Träumerei ist; natürlich hätte ich da gern meine Bücher dabei gehabt und überhaupt das ganze Wissen, was wir inzwischen angesammelt haben. Dennoch hat das für mich auch viel verlockendes. Wenn all die Überflüssigkeiten gar nicht existieren, nichteinmal in der Vorstellung; wieviel Raum entsteht dann im Geiste für die wirklich wichtigen dinge des Lebens? Mit Adorno bist Du vielleicht besser vertraut als ich, ich habe von ihm noch nicht sehr viel gelesen. mein Eindruck dabei (einer unter andern) ist, daß es es versteht, etwas sehr gut klingend, aber auch etwas unbestimmt, zu formulieren, so daß die Frage offen bleibt: Wie hat er das jetzt gemeint? Mit "nicht ganz öffentlich" habe ich darauf abgestellt, daß sich in dieser Liste nur Grundeinkommensbefürworter tummeln, die sich gegenseitig freundlich gesinnt sind und nicht versuchen, einem jedes Wort im Munde umzudrehen. zu Marx: Ein sehr spannendes und sehr komplexes Thema, glaube ich. In den letzten 20 Jahren sind einige gewichtige Bücher erschienen, die versuchen, Marx richtig zu verstehen, nachdem er fast 150 Jahre von allen Seiten eher mißverstanden wurde (so mein jetziger Eindruck). In seinen Frühschriften hat er eine andere Vorstellung von Geschichte, als in den späten. Damit Du weißt, wovon ich rede, gebe ich hier einige Autoren und Titel an, die ich dazu in letzter Zeit gelesen habe: Robert Kurz: Geld ohne Wert; Moishe Postone: Zeit, Arbeit und gesellschaftliche Herrschaft; Nadja Rakowitz: Einfache Warenproduktion: und natürlich auch Karl-Heinz Brodbeck: Die Herrschaft des Geldes. Weil ich es jetzt kurz machen wollte, schreibe ich erstmal nichts weiter dazu, aber das ist ein Thema, daß mich schon interessiert. Mit herzlichem Gruß Jochen From unversoehnt at gmx.de Sat Sep 13 13:57:31 2014 From: unversoehnt at gmx.de (unversoehnt) Date: Sat, 13 Sep 2014 13:57:31 +0200 Subject: [Debatte-Grundeinkommen] Berts bGE-Modell mit mehr oder weniger spekulativen Zahlen Message-ID: <5414312B.7020201@gmx.de> Hallo als ich vor vier Tagen die Mail in den Verteiler stellte, in der ich Passagen aus meiner Arbeitsdatei rausgefischt hatte, die sich mit Verena Neddens bGE-Modell befassten, habe ich eine große Menge aus dieser Arbeitsdatei rausgekürzt. Zumindest die Passage, in der ich mein eigenes bGE-Konsumsteuer-Modell zwar nicht mit annähernd exakten, aber zumindest die Grundstruktur sichtbar machenden Zahlen durchkonzipiert habe, möchte ich dann doch noch einmal einstellen. Hier und da beziehe ich mich wieder auf Verena, aber ansonsten hat's mit ihr nicht viel zu tun. Da es bislang im Verteiler keinerlei Statements zu meiner Grundkonzeption gegeben hat, hoffe ich mal, dass ich zumindest mit diesem konkreter ausbuchstabierten Konzept mal Statements hervorkitzeln kann. Ansonsten wünsche ich euch allen nach einem hoffentlich schönen Wochenende eine interessante 7. internationale Woche des Grundeinkommens. :o) Liebe Grüße, Bert Ich will mal als Kontrast darstellen, inwiefern sich das ganze Gefüge zwischen Löhnen und Staatsaktivität durch die Einführung eines bGE verändern könnte. Da mir bislang mein Rettungsversuchsvorschlag für eine reine Konsumsteuer (vgl. https://listi.jpberlin.de/pipermail/debatte-grundeinkommen/2014-August/003932.html , dort der zweite Punkt) als Gegenfinanzierung für ein bGE und den Sozialstaat zumindest noch immer die beste Idee in diesem Zusammenhang zu sein scheint, die mir bekannt ist, will ich sie mal mit konkreten Zahlen ausbuchstabieren. Ich greife dabei allerdings völlig ins Blaue und entscheide einfach aus dem Bauch heraus. Erstmal setzte ich voraus, dass alle heutigen Preise gleichmäßig mit 50 % Steuern und Sozialabgaben belastet sind. Die Gleichmäßigkeit der Steuer- und Sozialabgabenlast für alle Preise ist gewiss eine Fiktion und ich möchte inständig darauf hinweisen, dass eine ökonomische Begründung für ein bGE qua Konsumsteuer m. E. erst einmal voraussetzen würde, dass man sich über alle Marktpreise hinweg klar macht, welche Staatsquote für die jeweilige Ware bzw. Dienstleistung eingepreist ist. Das würde auch klar machen, wer eigentlich Gewinner und wer Verlierer eines Steuersystems mit schlichter Transparenz wäre. Ein Wirtschaftsinstitut mit ausreichendem Interesse könnte das m. E. leisten. Ein solches habe ich aber gerade nicht zur Hand. Meine Konsumsteuer kennt fünf Steuersätze in Bezug auf den Preis vor Steuern: a. -100 % Steuer auf den Grundbedarf, also eine Subventionierung in Höhe der Hälfte des Endpreises, b. 100 % Steuer auf den Normalbedarf, also eine Steuer, die den Endpreis verdoppelt, c. 300 % Steuer auf den Luxusbedarf, also eine Steuer, die den Endpreis vervierfacht, d. 100 % Steuer auf die Kapitalisierung von personengebundenem Einkommen, also eine Steuer, die das in Unternehmen oder die Finanzsphäre wandernde Einkommen sowie zur Eigenkapitalerhöhung verwendete Gewinne und verschenkte oder vererbte Unternehmensanteile oder Wertpapiere in der Wertigkeit halbiert. e. 0 % Steuer auf Investitionen in gemeinnützige Vereine, also eine Steuerfreiheit für diesen Bereich. Kleiner Exkurs zur Kapitalisierungssteuer und zur temporalen Unregelmäßigkeit jeglicher Systemumstellung: Wenn ich dir wiederum folge, liebe Verena, besteht heute auch bei Unternehmungen eine allgemeine Steuerlast von Pi mal Daumen 50 % auf Gewinne bzw. nach meiner Sichtweise 100 % auf das, was von den Gewinnen nach Steuer verbleibt. Die 100 % auf Kapitalisierung mögen auf den ersten Blick hoch erscheinen. Man muss sich aber klar machen, dass einmal von einer Person kapitalisiertes Vermögen bis zum Lebensende steuerfrei in der kapitalisierten Sphäre verbleiben kann, die Steuer auf Gewinne aber jährlich erfolgt. Gehen wir mal von einer gesellschaftlichen Durchschnittsrendite von 5 % im Jahr aus, haben wir folgende Konstellation: Heute verbleiben 2,5 % Rendite auf 100 % des Kapitals pro Jahr nach Steuern auf die Rendite, in meinem Modell verbleiben 5 % steuerfreie Rendite auf das durch die Kapitalisierungssteuer auf 50 % gestutzte Kapital pro Jahr, umgerechnet also ebenfalls 2,5 % Rendite auf 100 % des Kapitals, faktisch also die gleiche Besteuerung. Es ließe sich jetzt einwenden, dass die Rendite ja aber wieder der Konsumsteuer unterworfen wird und daher zusätzlich zur potentiell bloß einmal im Leben auf kapitalisiertes Vermögen abgeführten Kapitalisierungssteuer eine jährliche Konsumbesteuerung der Rendite erfolgt, die sie gegenüber heute schmälert. Dazu möchte ich erst einmal als gelernter Sophist folgende Überlegung anbieten: Was hindert Rendite-EmpfängerInnen, ihre Rendite ausschließlich für den negativ besteuerten Grundbedarf auszugeben und sie damit sogar zu verdoppeln? Hm, was? Klar, der Verwertungsdruck. Die Konkurrenz schläft nicht und das Kapital ist hungrig nach lebendigem Fleisch wie nur sonst ein Zombie. Innerhalb des Binnenmarkts, also potentiell der EU, wenn man das denn sogar in Deutschland durchbekäme, herrschen für die Wettbewerber erstmal gleiche Marktbedingungen. Und das Verhältnis zum Weltmarkt ließe sich mit der Sozialumsatzsteuer aus dem Dilthey-Modell (vgl. http://www.psgd.info/templates/1/download/dilthey_modell.pdf ) in den Griff bekommen. Schließlich ist die EU neben Nordamerika auf dem höchsten kapitalistischen Entwicklungsstand, agiert global also aus einer Luxusperspektive. Das hat mich an der ganzen "Standort Deutschland"-Debatte so unbändig genervt: Es wurde immer so getan, als wenn der Weltmarkt die Deutschen zum Gürtel-Engerschnallen zwingt, während faktisch Deutschland als Exportweltmeister und die EU als einer der globalen Hauptplayer mit einer Gürtel-Enger-Schnallen-Politik vor allem dem Rest des Weltmarkts das Gürtel-Engerschnallen aufdiktieren. Die simpelsten Lektionen in Sachen Dialektik wurden vergessen: Wer sich über die Länge der Supermarktschlange aufregt, sollte im Hinterkopf behalten, dass er mit seiner Person die Schlange ein Stückchen länger macht. Das Potential einer Kapitalisierungssteuer liegt gesellschaftlich vor allem darin, vom gewinnorientierten Verwertungswirtschaften fort zu kommen und zu einem gemeinwohlorientierten Wohlfahrtswirtschaften überzugehen. Wie gesagt bin ich dafür, Investitionen in gemeinnützige Vereine mit 0 % Konsumsteuer zu belegen, also steuerfrei zu halten. Allerdings müsste man sich vermutlich juristisch ein bisschen genauer überlegen, welche Auflagen man an gemeinnützige Vereine im Detail stellen muss, um zu verhindern, dass sich das Wolfskapital nicht bloß im gemeinnützigen Schafspelz gewandet. Im Kern bleibt für meine Kapitalisierungssteuer festzuhalten: Quantitativ verändert sich steuerlich gegenüber der von dir, liebe Verena, für heute analysierten Steuer auf Gewinne überhaupt nichts. Allerdings wird das Eigenkapital hälftig gekappt, der Fremdkapitalbedarf dürfte ansteigen und ein Rückzug aus der kapitalisierten Sphäre wäre eine Verlustoperation. Zudem wäre eine personengebundene Kapitalisierungssteuer im Effekt eine Schenkungs- und Erbschaftssteuer auf kapitalisiertes Vermögen. Quintessenz: Gegen eine Kapitalisierungssteuer in Höhe von 100 % spricht nur das Interesse, die Reichen als Klasse reicher werden zu lassen und die Armen als Klasse ärmer und ohnmächtiger. Sonst m. E. nichts. Nochmal das Thema der Doppelbesteuerung ein bisschen ins Allgemeinere gedacht: Ein reines Konsumsteuermodell macht im Vergleich zu heute Knoten im Kopf und lässt Katzen ihren Schwanz jagen. Da die heutigen Steuern zu einem großen Teil in der Produktions- und nicht in der Distributionssphäre erhoben werden, macht ein Übergang zu einer ausschließlich die Distributionssphäre belastenden Steuer Kopfschmerzen, wie sie sonst nur Captain Kathryn Janeway bei temporalen Anomalien bekommt. Das hat sich eben konkret bei der Überlegung ergeben, dass die Kapitalrenditen einerseits bei der Kapitalisierungssteuer strukturell belastet werden, andererseits bei der allgemeinen Konsumsteuer erneut immer dann, wenn sie in irgendeiner Weise ausgegeben werden. Wenn auch anders strukturiert, ist das heute aber genauso: Vermögen wird erst bei der Entstehung besteuert, dann aber nach der Kapitalisierung erneut beim Erwirtschaften von Rendite. Wir haben halt jährliche, also zyklische Steuern, Wirtschaftskreisläufe, ein ewiges Fließen von Zu- und Abgängen. Gibt es also wegen der Zyklik strukturell und bei 100 % Kapitalisierungssteuer auch quantitativ gar keinen Unterschied zwischen Konsumsteuermodell und dem allgemeinen Durchschnitt des heutigen Steuerwusts, so treten im Moment der Umstellung vom einen System zum anderen System Anomalien auf, die für interessierte Kreise speiübel nach Doppelbesteuerung riechen, weil sie tatsächlich für die Länge eines Augenzwinkerns eine Doppelbesteuerung darstellen. Betrachten wir das zur Abwechslung nicht aus der Kapitalperspektive, sondern aus der Perspektive unserer geliebten Oma mit ihren mühsam sich vom Munde über Jahrzehnte abgesparten und unter den Geranien vergrabenen sage 10.000 Euro. Die wurden bei der Entstehung z. B. als Lohnsteuer im 5-Euro-Putzjob besteuert und haben heute nur noch die 19 % Mehrwert-/Umsatzsteuer als Staatseingriff zu fürchten und sonst vielleicht noch Erbschafts- und Schenkungssteuer. Aber unsere Oma wird sicher 107 Jahre alt und hat da noch ein bisschen Zeit. Nun aber wird das System auf reine Konsumsteuer umgestellt. Unsere sympathische Omi ist schwer erschüttert: Weil ihr geliebter Enkel doch so gerne mal eine Weltreise machen möchte und sie nicht begriffen hat, dass er lieber trampen als organisiert reisen möchte, wollte sie die 10.000 Euro für ein Kreuzfahrtticket rausschleudern, dass er just dieses Weihnachten im ersten Jahr nach der Steuerumstellung unterm Baum vorfinden sollte. Aber ojemine, Schock, schwere Not: Plötzlich, und unsere an Politik desinteressierte Omi hat's vorher wirklich nicht mitbekommen, hat der Staat einfach 300 % Luxussteuer auf Kreuzfahrten gelegt und das Ticket kostet jetzt fast 40.000 Euro. Dabei hat unsere Omi doch immer brav ihre Lohnsteuer bezahlt. Wieso bloß tut der Staat das? Wie kann er nur? Weihnachten wird erst eine Tragödie, dann eine Komödie: In Tränen bricht Omi aus und erzählt von dem Desaster. Als Geschenk für den Enkel gibt's bloß warme Socken, nicht die Weltkreuzfahrt. Der aufgeweckte Enkel aber klärt unsere verzweifelte Omi auf: "Du, ist dir nicht aufgefallen, dass die meisten Supermarktpreise deutlich billiger geworden sind. Ich möchte doch sowieso trampen. Überweise mir doch einfach nur die Hälfte der 10.000 Euro, also 5.000 Euro. Solange ich in Europa trampe, komme ich damit vier Mal so lange hin wie letztes Jahr mit 10.000 Euro. Und du kannst ja mit Mama und Papa mit dem restlichen Geld für ein paar Sommermonate in eine Pension im Schwarzwald ziehen und deiner Wanderlust nachgehen. Das ist doch genial. Außerdem bekomme ich ja jeden Monat jetzt wie wir alle auch ein bGE. Eigentlich brauche ich die 5.000 Euro gar nicht ... aber schaden werden sie auch nicht." Omi braucht ein Weilchen, bis sie's begriffen hat, aber dann ist Helau und Haleluja, Umarmung und Heiterkeit. Die Geschichte lehrt uns: Ja, bei einer Systemumstellung gibt es auch Verlierer. Aber wenn damit erkauft wird, dass das neue System allgemein gerechter ist, dann kann man m. E. damit leben. Ich kann das freilich leicht sagen. Ich wäre kein Verlierer, höhö. Der bin ich heute. ;o) Nochmal anders gewendet: Ich hörte vor einiger Zeit munkeln, dass es mindestens in der Bremer Finanzverwaltung die Vorstellung gibt, dass die öffentliche Verschuldung von Ländern und Kommunen und wahrscheinlich auch dem Bund mittelfristig zu einer Art Schuldenschnitt und/oder Währungsreform führen muss. Die Finanzkrise hat sogar Schäuble in einen Abgrund blicken lassen, der so bodenlos war wie sonst nur die Höllenvorstellung von John Milton. Die Reagonomics haben bis heute zu internationalen Verwerfungen im monetären Sektor geführt, die gut und gerne einen world war 3 entfesseln können. Insbesondere das unfassbare Volumen der US-Außenschuld bei den Chinesen wird selbst die imperiale Militärmacht vor Herausforderungen stellen, die sich im Zivilgesellschafts-Gequatsche deutscher Bildungsbürger gleich null abbildet. Von daher: Lieber eine Umstellung auf bGE und Konsumsteuer mit Systemumstellungs-Verlierern und der Hoffnung auf eine Stabilisierung der internationalen Ökonomie als die worst case-Szenarien für die Eklatierung des Widerspruchs zwischen Produktionsverhältnissen und Produktivkräften. Zurück zur Konzipierung meines bGE-Modells als Kontrast zum heutigen Steuerwust: Es existieren abgesehen von den fünf genannten keine weiteren Steuern. Ebenso gibt es keine Sozialabgaben. Das Sozialsystem wird wie das bGE auf eine Steuerbasis gestellt. Die Import-Export-Problematik lasse ich erstmal außen vor. Sie spielt für inländische Einkünfte erstmal keine Rolle. Vermögensflucht ins Ausland wird im Zweifelsfall mit einer Steuer in Höhe von meinetwegen 99,9999 % belastet, so dass nur ein Millionstel des ins Ausland wandernden Vermögens verbleibt. Ebenso unterlasse ich jegliche Reflexion auf volkswirtschaftliche Konsequenzen oder rechtliche Hürden für eine solche Steuerkonzeption. Ich setze beispielsweise voraus, dass es zu keinen inflationären Effekten kommt. Es geht mir erstmal nur um den Kontrast zum derzeitigen Steuersystem. Die Bruttolohnbetrachtung verwandelt sich in eine globale Einkommensbetrachtung, weil jegliches Einkommen (also z. B. auch solches aus Dividendenausschüttung) gleichermaßen von den fünf Anteilen der Konsumsteuer betroffen ist, wenn auch quantitativ nicht in gleichem Maße. Nur gespartes Geld kann für den Zeitraum des Sparens der Konsumsteuer entfliehen. Oder Schwarzmarktgeld, wortwörtlich verbranntes Geld oder eben in gemeinnützige Vereine investiertes Geld. In Grundbedarf angelegtes Geld wird sogar subventioniert. Als bGE-Höhe veranschlage ich 1.000 Euro pro Monat und pro Person, die sich, ob legal oder illegal, innerhalb deutscher/europäischer Grenzen aufhält oder mit legalem deutschen/europäischen Staatsbürgerschaftsstatus irgendwo sonst in der Welt. Eine Diskriminierung nach Alter oder sonstigen Kriterien findet nicht statt: Kinder erhalten genauso viel wie Erwachsene. Bestehende Tarif- und Arbeitsverträge bleiben von der Einführung des bGE unberührt. Desweiteren setze ich voraus, dass der Grundbedarf im gesellschaftlichen Durchschnitt heute zu aktuellen Preisen bei 750 Euro liegt, der Normalbedarf im gesellschaftlichen Durchschnitt zwischen 750 Euro und 3.000 Euro, Luxusbedarf, Kapitalisierung und Investitionen in gemeinnützige Vereine dadrüber, und zwar nach folgendem Verteilungsschlüssel: 20 % wird für Luxusbedarf ausgegeben, 60 % wird kapitalisiert, 20 % wird in gemeinnützige Vereine investiert. Wie gesagt: Im gesellschaftlichen Schnitt. Der Einzelfall interessiert mich in diesem Zusammenhang erstmal gar nicht. Zudem sind die Zahlen völlig frei aus dem Bauch herausgegriffen. Was in den Grund-, Normal- und Luxusbedarf fällt, wird inhaltlich bestimmt. Den Grundbedarf kennzeichnen elementare Bedürfnisse nach Nahrung, Kleidung, Wohnung, Strom etc. Den Luxusbedarf kennzeichnet insbesondere der Ressourcenverbrauch, er wird nach ökologischen Maßstäben bestimmt. Wegen der Voraussetzung, dass alle heutigen Preise gleichmäßig mit 50 % steuerbelastet sind, verwandeln sich die Grenzen zwischen Grund-, Normal- und Luxusbedarf/Kapitalisierungsbedarf/Investition in gemeinnützige Vereine zu 375 Euro und 1.500 Euro unabhängig von Steuern. Wegen der ersten beiden Konsumsteuersätze verwandeln sich die Grenzen zu 187,50 Euro und 3.000 Euro: Unterhalb der durchschnittlichen Konsumausgaben in Höhe von 187,50 Euro wird der Grundbedarf zur Hälfte subventioniert, zwischen 187,50 Euro und 3.000 wird der Normalbedarf hälftig versteuert, dadrüber nach dem Schlüssel 20/60/20 der Luxusbedarf zu drei Vierteln versteuert, der Kapitalisierungbedarf hälftig, Investitionen in gemeinnützige Vereine gar nicht. 20 % * 3 + 60 % * 1 + 20 % * 0 % = 60 % + 60 % + 0 % = 120 %. Im Effekt werden also die Gesamtausgaben für Luxus-, Kapitalisierungsbedarf und Investitionen in gemeinnützige Vereine oberhalb der Durchschnitts-Grenze von 3.000 Euro mit dem Durchschnitts-Faktor 1,2 versteuert, also wegen 120 % / (100 % + 120 %) = 120 / 220 = 6 / 11 mit sechs Elfteln steuerlich belastet. Wegen des bGE in Höhe von 1.000 Euro wiederum verschieben sich die Grenzen in Bezug auf das Einkommen über bGE um 1.000 Euro zu -822,50 Euro und 2.000 Euro. Ich setze implizit und sicherlich kontrafaktisch voraus, dass sich gesamtgesellschaftlich das quantitative Verhältnis zwischen Grund-, Normal-, Luxus-, Kapitalisierungsbedarf und Investitionen in gemeinnützige Vereine nach der Systemumstellung (erstmal) nicht verändert. Diese Verhältniszahlen habe ich mir ohnehin frei von empirischen Daten aus den Fingern gesogen. Aus relativ leicht ersichtlichen Gründen erhalte ich dann als meine übliche Calc-Formel dies zur Bestimmung der Konsumkraft des jeweiligen Einkommens nach Steuern und bGE: =WENN(B$1*$A3>2000;(B$1*$A3-2000)*5/11+2822,5/2+187,5*2;(B$1*$A3+822,5)/2+187,5*2) [Nachtrag: "Üblich" bezieht sich hier auf vorangegangene Überlegungen über das Verhältnis von Netto-/Bruttolohn zum tatsächlich im Portemonnaie verbleibenden Hinzuverdienst nach Verrechnung mit den 50 % Steuer- und Sozialabgabenlast von dir, liebe Verena, und den Hartz4-Verrechnungsregeln. Diese Überlegungen habe ich erstmal rausgekürzt. Calc ist das Tabellenkalkulationsprogramm im OpenOffice-Paket. Die Syntax dürfte die selbe wie in Excel sein.] Vgl. dazu als Ergebnis die angehängten Dateien "94 Tabelle reale Kaufkraft in Abhängigkeit von Stundenlöhnen bzw entsprechenden Einkünften in Berts bGE.jpg" und "95 Diagramm reale Kaufkraft in Abhängigkeit von Stundenlöhnen bzw entsprechenden Einkünften in Berts bGE.jpg". Kurzgefasste Ergebnisdiskussion: Es zeigt sich ein klares, fast lineares Anreizgefüge zwischen Lohn und Kaufkraft. Da der Grundbedarf durch das bGE bereits voll abgedeckt ist, steigen alle Graphen am Anfang mit der Steigung 0,5: Die Hälfte des Einkommens verbleibt im Normalbedarf als Kaufkraft, die andere Hälfte geht als Konsumsteuer an den Staat. Die Grenze zwischen Normalbedarf einerseits und Luxus-, Kapitalisierungsbedarf und Investitionen in gemeinnützige Vereine andererseits in Höhe von 2.000 Euro über bGE, 3.000 Euro real ist mit bloßem Auge fast gar nicht zu erkennen. Man muss schon ordentlich an die jeweiligen Graphen heranzoomen, also z. B. an den hellgrünen 40-Euro-Stundenlohn-Graphen auf Höhe des 50- Arbeitsstunden-pro-Monat-Indizes der x-Achse, dann erkennt man einen leichten Knick nach unten, also eine Steuerprogression. Diese Geringfügigkeit im Knick ist auch nicht weiter verwunderlich, da der Unterschied zwischen einer Steigung von 0,5 und 5 / 11 = 0,45 minimal ist. Anders sähe der Graph freilich aus, wenn man den Verteilungsschlüssel zwischen Luxus-, Kapitalisierungsbedarf und Investition in gemeinnützige Vereine bspw. so konzipiert hätte: 60/30/10. Dann wäre der Knick nach unten deutlicher zu erkennen: 60 % * 3 + 30 % * 1 + 10 % * 0 = 210 %, also eine Steigung von 10 / 31 ? 0,32. Genauso, wenn man bei dem 20/60/20-Verteilungsschlüssel z. B. den Steuersatz für den Luxusbedarf statt mit 300 % mit 750 % angesetzt hätte: 20 % * 7,5 + 60 % * 1 + 10 % * 0 = 210 %. Sind ja momentan alles bloß Zahlenspielchen ohne echte volkswirtschaftliche Grundierung. Um wieder der Frage nachzugehen, wie viel Lohn ich denn dann brauche, um eine erwünschte Menge Kaufkraft zu mobilisieren, ergibt sich jetzt aus relativ leicht ersichtlichen Gründen diese Calc-Formel: =WENN(B$1*$A3>2000;((B$1*$A3-2000)*11/5+4000)/$A3;B$1*2) Vgl. dazu als Ergebnis die angehängten Dateien "96 Tabelle nöitger Stundenlohn in Abhängigkeit vom erwünschten Kaufkraftzugewinn pro Arbeitsstunde in Berts bGE.jpg" und "97 Diagramm nöitger Stundenlohn in Abhängigkeit vom erwünschten Kaufkraftzugewinn pro Arbeitsstunde in Berts bGE.jpg". Kurzgefasste Ergebnisdiskussion: Der Grundbedarf ist durchs bGE gedeckt. Da der Normalbedarf mit halber Steuer belastet ist, braucht's einen Stundenlohn, der doppelt so hoch ist wie der Kaufkraftwunsch. Die Grenze zwischen Normalbedarf einerseits und Luxus-, Kapitalisierungsbedarf und Investitionen in gemeinnützige Vereine andererseits in Höhe von 2.000 Euro über bGE, 3.000 Euro real zeigt sich durch einen leichten Knick nach oben bei den höheren Kaufkraftsteigerungswunsch-Graphen. Sehr übersichtlich, sehr fair, alles sleazy. Und um nun noch das Verhältnis von Konsumsteuerausgaben und Kaufkraftzugewinn in Abhängigkeit vom Stundenlohn zu berechnen, ergibt sich dies als Calc-Formel: =WENN(B$1*$A3>2000;((B$1*$A3-2000)*5/11+1776,25)/($A3*B$1);(B$1*$A3+776,25)/($A3*B$1)) Folgende Vereinfachungsüberlegungen stecken in der Formel: Durch das bGE in Höhe von 1.000 Euro und die hälftige Subventionierung des Grundbedarfs in Höhe von 187,50 Euro ergibt sich für jedes Einkommen erstmal eine Staatssubvention in Höhe von 1.187,50 Euro. Der Normalbedarfsanteil am bGE in Höhe von 822,50 Euro wird aber wieder hälftig besteuert, also 411,25 Euro wieder abgezogen. Verbleiben 776,25 Euro steuerfreies bGE als Grundsockel jeden Einkommens. Die steuerfreie Kaufkraft unterhalb der überschrittenen Grenze zwischen Normalbedarf einerseits und Luxus-, Kapitalisierungsbedarf und Investitionen in gemeinnützige Vereine andererseits in Höhe von 2.000 Euro über bGE, 3.000 Euro real wird wegen der hälftigen Steuer im Normalbedarf einfach auf 1.000 Euro halbiert. Plus steuerfreiem bGE-Sockel in Höhe von 776,25 Euro ergibt 1.776,25 Euro. Vgl. dazu als Ergebnis die angehängten Dateien "98 Tabelle Anteil der Konsumkraft am Einkommen im Verhältnis zum Stundenlohn in Berts bGE.jpg" und "99 Diagramm Anteil der Konsumkraft am Einkommen im Verhältnis zum Stundenlohn in Berts bGE.jpg". Kurzgefasste Ergebnisdiskussion: Es geht jetzt wieder um die Betrachtungsfrage: Was vom Einkommen geht an den Staat, was verbleibt im Portemonnaie? Wegen des Grundsockels bGE kommen die Graphen quasi aus dem Himmel. Niedrige Einkommen haben wegen des bGE wesentlich mehr als 100 % ihres Einkommens zur Verfügung, sind also Profiteure einer negativen Einkommenssteuer namens bGE. Hohe Einkommen purzeln aber vom Himmel der Nettoempfängerwelt ins Jammertal der Nettozahlerwelt unterhalb von 100 %. Höhere Einkommen sind dabei stärker belastet, es herrscht allgemein Steuerprogression. Diese ergibt sich inhaltlich vor allem aus der höheren Luxuskonsumsteuer. Für das abgebildete Mittelschichtssegment bis 40 Euro Stundenlohn bleibt die gesamte Steuerlast bei Vollzeitarbeit von 170 Stunden pro Monat knapp unterhalb von 40 %, gut 60 % verbleiben im Portemonnaie. Da die Progression aber das gesamte Steuersystem nach den gewählten Voraussetzungen durchdringt, gilt: Je höher das Einkommen ist, desto höher die prozentuale Steuerbelastung. Mit anderen Worten: Starke Schultern tragen relativ mehr als schwache Schultern. Da die Kosten für das bGE dazu führen werden, dass die Staatsquote deutlich über 50 % steigen muss, stellt sich also erstmal die Frage, wann wird die 50 %-Marke geknackt, wann die 40 %-Marke etc.? Es gilt dabei folgende Formel: Anteil der Konsumkraft am Monatseinkommen = ((Monatseinkommen -- 2.000 Euro) * 5 / 11 + 1.776,25 Euro) / Monatseinkommen = (Monatseinkommen * 5 / 11 -- 2.000 Euro * 5 / 11 + 1.776,25 Euro) / Monatseinkommen ? (Monatseinkommen * 5 / 11 -- 909,09 Euro +1.776,25 Euro) / Monatseinkommen = (Monatseinkommen * 5 / 11 + 867,16 Euro) / Monatseinkommen Das überfordert zwar meine aktuellen Mathematik-Künste, nicht aber die meines Taschenrechners. Mein TI-89 löst das so zur Umstellung nach Monatseinkommen auf: ? Monatseinkommen = 9.637,76 Euro / (11 * Anteil der Konsumkraft am Monatseinkommen - 5) Ich vertraue meinem TI-89 zwar eh, aber Kontrolle ist besser und siehe da: die Probe kommt hin. Grenzwertbetrachtungen führen zum Ergebnis, dass sich die Steuerprogression in dieser Formel asymptotisch an den Wert 5 / 11 = 0,45 anschmiegt. Das ist ja quasi eh klar, wenn man drüber nachdenkt, weil die Kaufkraftzusammensetzung in Höhe von fünf Elfteln für Luxus-/Kapitalisierungs-/Gemeinnützigkeitsbedarf nach Voraussetzung bei steigendem Einkommen immer gewichtiger gegenüber der Kaufkraftzusammensetzung in Höhe von 50 % für den Normalbedarf wird. Mit anderen Worten: Faktisch fällt die Kaufkraft im Verhältnis zum Einkommen im vorausgesetzten Szenario niemals unter etwa 45,5 %, die Steuerlast steigt also niemals über etwa 54,5 %. Setzen wir ein paar hohe Werte unterhalb des Grenzwerts in obige Formel, ergibt sich: Ein Monatseinkommen von 19.275,52 Euro zahlt 50 % Steuern, ein Monatseinkommen von 24.712,21 Euro zahlt 51 % Steuern, eines von 34.420,57 Euro zahlt 52 % Steuern, eines von 56.692.71 zahlt 53 % Steuern, eines von 160.629,33 Euro zahlt 54 % Steuern. Ob das zur Gegenfinanzierung eines bGE reicht? Vielleicht, weil 4 % oberhalb der heutigen Staatsquote in Höhe von fast 50 % auf 160.629,33 immerhin 6.425,17 Euro ausmacht, also fast 6,5 Leuten das bGE bezahlt. Es gibt ganz gewiss wesentlich höhere Einkommen, die entsprechend für mehr Personen das bGE gegenfinanzieren könnten. Zudem sinkt ja die allgemeine Staatsquote jenseits des bGE, weil viele Kosten im Feld der Sozialen Sicherung durch ein bGE überflüssig werden. Aber um das im Ernst beurteilen zu können, bedarf es exakterer Daten. Mir ging's jetzt erstmal nur um eine anschauliche Freihandskizze. Außerdem führt die Systemumstellung ohnehin zu einer so großen Zäsur in allen möglichen gesellschaftlichen Feldern, dass eine Prognose schwierig ist und die Gegenfinanzierung lieber zu großzügig als zu zaghaft ausgelegt werden sollte. Klar jedenfalls ist: Ein bGE ohne Gegenfinanzierung über die hohen und extrem hohen Einkommen wäre Irrsinn, nämlich eine bloße Umverteilung innerhalb der ärmeren und Mittelschichts-Einkommen, wie Hartz4 es bereits heute faktisch darstellt. Da die ganze bGE-Darstellung ja nur ein Spielen mit mehr oder weniger plausiblen Voraussetzungen war, will ich noch einmal grundsätzlich rekapitulieren, was für die Konstruktion konkreter Zahlen in meinem bGE-Konzept zu bedenken ist. Zur Illustrierung gehe ich dabei der Einfachheit halber von einer Gesamtpopulation von 100.000.000 Menschen aus, die dem skizzierten Steuersystem unterworfen ist, sowie von einem Gesamteinkommen dieser Population in Höhe von 2,4 Bil. Euro im Jahr, also 200 Mrd. Euro im Monat. Es gibt 7 grundsätzliche Faktoren, die zu beachten sind: a. Das bGE: Es stellt eine Staatssubvention für jeden und deshalb in hohem Gesamtvolumen dar. Es bedarf der Gegenfinanzierung. Für 100.000.000 Menschen wären im skizzierten Konzept 100 Mrd. Euro pro Monat nötig, also die Hälfte des postulierten Gesamteinkommens. b. Konsumsteuersatz "Grundbedarf": Da ich diesen negativ konzipiert habe, stellt auch er eine Subvention in durchaus beträchtlichem Ausmaß dar, der einer Gegenfinanzierung bedarf. Den Grundbedarf negativ zu besteuern halte ich politisch für sinnvoll. Da der Grundbedarf nach Voraussetzung voll durch das bGE gedeckt ist, fällt diese Subvention wieder für alle vom Steuersystem Betroffenen an. Für 100.000.000 Menschen wären im skizzierten Konzept 18,75 Mrd. Euro pro Monat als Subventionsvolumen nötig, also noch einmal 9,375 % des postulierten Gesamtvermögens. c. sonstiger Verbrauch des Staats und der Sozialsysteme: Ich habe mir mal https://www.destatis.de/DE/ZahlenFakten/GesellschaftStaat/OeffentlicheFinanzenSteuern/OeffentlicheFinanzen/AusgabenEinnahmen/Tabellen/AusgabenausgewaehlteAufgabenbereiche.html und http://www.bmas.de/SharedDocs/Downloads/DE/PDF-Publikationen/a230-09-sozialbudget-2009.pdf?__blob=publicationFile angeschaut, ein wenig gegrübelt und setze mal vage und um die Endzahl rund zu machen 51,25 Mrd. Euro pro Monat, also 615 Mrd. Euro im Jahr für den restlichen Staatskonsum an. Ich postuliere also etwa so etwas: Von den 626,162 Mrd. Euro, die der deutsche Staat 2010 für "Soziale Sicherung" ausgegeben hat, werden durch das bGE etwa 490 Mrd. entbehrlich. Wir sind dann insgesamt mit a., b. und c. bei 170 Mrd. Euro Staatsbedarf pro Monat, 2,04 Brd. Euro im Jahr, bzw. bei einer Staatsquote am postulierten Gesamteinkommen in Höhe von 85 %. Das ist viel. Kleine Zwischenüberlegung zu Art 14(2) GG: "Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen." Ich bin mir nicht sicher, ob's richtig ist, und gerade auch zu faul, es zu recherchieren. Ich habe mal gehört, dass es ein BVerfG-Urteil gibt, das aus dieser Formulierung eine Besteuerung auf jegliches Einkommen in Höhe von 50 % als Maximalgrenze fordert. Die Auslegung des Wortes "zugleich" sei demnach "zu gleichen Anteilen", daher 50 % maximal. Wie gesagt: Ich weiß nicht, ob's stimmt. Falls es stimmt, ist es aus der Sicht von allen bGE-Verfechtern notwendig, dieses BVerfG-Urteil offensiv anzugreifen. Denn ein bGE gleich welcher Bauart ist ganz sicher nicht ohne eine Staatsquote von über 50 % zu haben. Ich finde einen solchen Angriff inhaltlich auch einfacher als Schnürsenkelbinden: Das Wort "zugleich" meint zeitliche Gleichheit, nicht wertmäßige. Falls es so ein BVerfG-Urteil tatsächlich gibt, ist es ein politisches Urteil ohne jedes Gefühl für die deutsche Sprache. Von daher gehen 85 % erstmal in Ordnung. Wenigstens liege ich nicht über 100 %. ;o) Jetzt geht's von den Staatsausgaben fort und zu den Staatseinnahmen: d. Konsumsteuersatz "Normalbedarf": Diesen hatte ich mit 100 % konzipiert. Pi mal Daumen wäre das keine Veränderung gegenüber heute. Setzt man ihn höher an, belastet man arme und mittlere Einkommensgruppen. Das scheint mir politisch nicht angeraten. Dieser Konsumsteuersatz stellt eine Finanzierung des Staats à la "die Masse macht's" in beträchtlichem Ausmaß dar, die ich aber gerade nur vage eingrenzen kann. Ich hatte für den Bereich zwischen Normalbedarf und Luxus-/Kapitalisierungs-/Gemeinnützigkeitsbedarf eine Spanne von 2.822,50 Euro pro Person postuliert, wovon 822,50 durch das bGE für jeden abgedeckt ist. Die Hälfte davon fließt dem Staat zu, also irgendwas zwischen 411,25 Euro und 1.411,25 Euro pro Person. Die obere Grenze hochgerechnet auf die 100.000.000 Menschen unserer Gesamtpopulation, wären das also 114,125 Mrd. Euro pro Monat. Durch das bGE ragen alle Personen in diesen Bereich des Normalbedarfs auf jeden Fall zu einem guten Viertel rein, füllen ihn aber deshalb nicht notwendig bis zur Grenze aus. Ich postuliere deshalb mal vage, dass eine gute Hälfte der 114,125 Mrd. Euro tatsächlich dem Staat zufließt: sagen wir 70 Mrd. Euro pro Monat. e. Konsumsteuersatz "Luxusbedarf": Diesen hatte ich mit 300 % konzipiert. Hier kann der Staat zwar nicht in der Masse, aber in der Spitze eine Menge absahnen. Dies erscheint mir politisch aus zwei Gründen sinnvoll bis notwendig geboten: 1. Aus demokratietheoretischen Gründen und Gerechtigkeitsüberlegungen bedarf es einer Umverteilung von oben nach unten. 2. Außerdem blitzt die Möglichkeit von Ökokatastrophen immer vehementer auf. Es bedarf daher eines schonenden Umgangs mit Ressourcen. Beide Gründe zusammen geben eine gute Argumentation für eine hohe Besteuerung von ressourcenaufwändigem Luxusbedarf ab. Da ich in meiner Einkommenssituation eh keinen Anteil an diesem Luxusbedarf habe, könnten die 300 % meinetwegen auch auf eine Mrd. % erhöht werden. Das sehen andere Menschen aber sicherlich anders. Dennoch sehe ich innerhalb der 7 hier skizzierten Faktoren grundsätzlich im Faktor "Luxusbedarf" am ehesten die Möglichkeit, flexibel zu agieren und Gegenfinanzierungslücken auszugleichen. Innerhalb des Gestrüpps meiner Postulate ergibt sich das Volumen, das dem Staat durch e. und f. zufließt, notwendig: 200 Mrd. Euro pro Monat waren das Gesamteinkommen der Population, 170 Mrd. Euro pro Monat legt der Staat obendrauf, die er allerdings auch irgendwo herbekommen muss. Von diesen 370 Mrd. Euro pro Monat wurden nach den Überlegungen in b. und d. 37,5 Mrd. Euro pro Monat für den Grundbedarf ausgegeben und 140 Mrd. Euro pro Monat für den Normalbedarf, insgesamt also bereits 177,5 Mrd. Euro. Verbleiben also 192,5 Mrd. pro Monat für die nach dem Schlüssel 20/60/20 angeordneten Faktoren e., f. und g. 20 % von 192,5 Mrd. Euro sind 38,5 Mrd. Euro. Diese werden nach Postulat mit drei Vierteln vom Staat eingezogen, gehen dem Staat also in Höhe von 28,875 Mrd. Euro pro Monat zu. f. Konsumsteuersatz "Kapitalisierungsbedarf": Diesen hatte ich mit 100 % konzipiert. Pi mal Daumen wäre das keine Veränderung gegenüber heute. Wenn man mehr will, legt man sich noch zusätzlich zu der bGE-Kampfansage im Ernst mit dem Kapital an. Und das will ja letztlich doch niemand, oder? Die Revolutionäre, für die die Zeit schon vorgestern reif war, sind mindestens hierzulande einfach drastisch zu schwach. Die verschiedenen Fraktionen der Sozialdemokratie wissen sehr genau, mit was für einer Bestie sie es zu tun haben, und lecken Speichel, ducken sich weg oder werden öffentlich gemobbt und gedemütigt. Anderswo in der Welt auch einfach gefoltert, ermordet, verscharrt. Die Humanisten denken anscheinend, dass dem Kapital mit höflichem Bitten beizukommen sei. Das finde ich angesichts der weltfremden Menschenfreundlichkeit sowohl sympathisch als auch albern bis lächerlich. Aber gut: Nehmen wir an, dass man dem Gros der Bevölkerung wirklich klar machen kann, wie toll ein bGE vielleicht nicht für alle, aber für die allerallermeisten wäre, dann gäbe es vielleicht Spielraum nach oben, 150 %, 200 %, falls die Gesamtgesellschaft tatsächlich bereit ist, zu gemeinnützigem Wohlfahrtswirtschaften überzugehen, perspektivisch vielleich auch eine Mrd. %. Nach unten zu gehen, wäre wieder Irrsinn, weil eine Umverteilung von oben nach unten aus vielerlei Gründen zwingend ist, der umgekehrte Pfad in die eine, die andere oder gleich ganz viele Katastrophen auf einmal führen wird. Aus den Überlegungen in e. ist klar, dass es innerhalb meiner Postulate um 60 % von 192,5 Mrd. Euro pro Monat geht, also um 115,5 Mrd. Euro pro Monat. Hälftig geht das nach Postulat an den Staat: Wären 67,75 Mrd. Euro pro Monat. g. Konsumsteuersatz "gemeinnützige Vereine": Den hatte ich mit 0 %, also Steuerfreiheit angesetzt. Das ist sicherlich auch erstmal sinnvoll so. Geht die Gesellschaft allerdings in drastischem Ausmaß zu einem gemeinnützigen Wohlfahrtswirtschaften über, lässt sich das bGE unter Umständen nicht finanzieren und die Gemeinnützigkeit gleicht das Wegbröckeln der Steuerbasis vielleicht inhaltlich nicht aus. Es bedarf also eher inhaltlich-politischer Steuerung dieses Sektors. Ich hatte beispielsweise schon darüber nachgedacht, dass man dem Kapital verbieten muss, sich das Schafspelz "Gemeinnützigkeit" bloß überzustülpen. Wesentlicher aber wird mit der Perspektive einer Wohlfahrtswirtschaft die Frage der gesamtgesellschaftlichen Vernunft. Im Rahmen der Mailingliste hatte ich daher schon zweimal auf die Idee einer vermittelnden App namens "Planwirtschaft 2.0" hingewiesen. Grundsätzlich könnte man zwar auch gemeinnützige Vereine besteuern. Aber will das irgendjemand im Ernst? Ich sehe keinen guten Grund dafür. Subventionierung wäre unter Umständen eher eine Perspektive, aber darüber möchte ich gerade nicht nachgrübeln. Dieser Sektor ist steuerlich also nach meinen Postulaten neutral, dem Staat fließt nichts zu oder ab. Gesamtrechnung des Staats: a., b. und c. hatten einen Finanzbedarf des Staates in Höhe von 170 Mrd. Euro pro Monat, 2,04 Brd. Euro im Jahr ergeben. d., e. und f. hatten demgegenüber einen Steuerertrag von 70 Mrd. Euro, 28,875 Mrd. Euro und 67,75 Mrd. Euro pro Monat, insgesamt also 166,625 Mrd. Euro pro Monat bzw. 1.999,5 Mrd. Euro pro Jahr ergeben. Bleibt also eine Finanzierungslücke von 40,5 Mrd. Euro pro Jahr. Gut, das ist nicht viel mehr als 10 % der heutigen Nettokreditaufnahme in Höhe von etwa 300 Mrd. Euro pro Jahr. Aber angesichts dessen, dass kein Kleinbürger ein Interesse daran haben kann, den Großbürgern über den Umweg der Staatsverschuldung eine Rente zu zahlen, und, wichtiger, angesichts der unkalkulierbaren Folgen eines bGE und einer drastischen Steuerumstellung insbesondere auf das Verhältnis von Kapital und Arbeit, bin ich dann doch unzufrieden. Da es aber keinen Sinn macht, dieses von den realen volkswirtschaftlichen Gegebenheiten relativ großzügig abstrahierende Zahlenbeispiel weiter zu verfolgen, möchte ich nur allgemein meine Meinung sagen: Ein an den konkreten heutigen Zahlen geerdetes Zahlenmodell sollte m. E. möglichst 250 bis 500 Mrd. Euro Spielraum für den Staat pro Jahr bereithalten. Ich habe klargestellt, dass ich teilweise mit sehr vagen, teilweise mit völlig spekulativen Zahlen arbeite und wo ich Spielräume sehe. Ob ich mir diesen Krempel für mich überlege, ist ohnehin komplett unerheblich. Wesentlich wäre eine gesamtgesellschaftliche Diskussion darüber, was wir uns vorstellen können, dass wir tun könnten, um dann im nächsten Schritt auch wirklich zu tun, was uns als Tun möglich und wünschenswert erscheint. Oder auch nur wünschenswert, wenn auch vielleicht nicht weniger unmöglich als die Wirklichkeit. -------------- nächster Teil -------------- Ein Dateianhang mit HTML-Daten wurde abgetrennt... URL: -------------- nächster Teil -------------- Ein Dateianhang mit Binärdaten wurde abgetrennt... Dateiname : 94 Tabelle reale Kaufkraft in Abhängigkeit von Stundenlöhnen bzw entsprechenden Einkünften in Berts bGE.jpg Dateityp : image/jpeg Dateigröße : 366605 bytes Beschreibung: nicht verfügbar URL : -------------- nächster Teil -------------- Ein Dateianhang mit Binärdaten wurde abgetrennt... Dateiname : 95 Diagramm reale Kaufkraft in Abhängigkeit von Stundenlöhnen bzw entsprechenden Einkünften in Berts bGE.jpg Dateityp : image/jpeg Dateigröße : 126603 bytes Beschreibung: nicht verfügbar URL : -------------- nächster Teil -------------- Ein Dateianhang mit Binärdaten wurde abgetrennt... Dateiname : 96 Tabelle nöitger Stundenlohn in Abhängigkeit vom erwünschten Kaufkraftzugewinn pro Arbeitsstunde in Berts bGE.jpg Dateityp : image/jpeg Dateigröße : 329070 bytes Beschreibung: nicht verfügbar URL : -------------- nächster Teil -------------- Ein Dateianhang mit Binärdaten wurde abgetrennt... Dateiname : 97 Diagramm nöitger Stundenlohn in Abhängigkeit vom erwünschten Kaufkraftzugewinn pro Arbeitsstunde in Berts bGE.jpg Dateityp : image/jpeg Dateigröße : 117028 bytes Beschreibung: nicht verfügbar URL : -------------- nächster Teil -------------- Ein Dateianhang mit Binärdaten wurde abgetrennt... Dateiname : 98 Tabelle Anteil der Konsumkraft am Einkommen im Verhältnis zum Stundenlohn in Berts bGE.jpg Dateityp : image/jpeg Dateigröße : 316082 bytes Beschreibung: nicht verfügbar URL : -------------- nächster Teil -------------- Ein Dateianhang mit Binärdaten wurde abgetrennt... Dateiname : 99 Diagramm Anteil der Konsumkraft am Einkommen im Verhältnis zum Stundenlohn in Berts bGE.jpg Dateityp : image/jpeg Dateigröße : 97382 bytes Beschreibung: nicht verfügbar URL : From jochentittel at web.de Sun Sep 14 13:02:58 2014 From: jochentittel at web.de (Jochen Tittel) Date: Sun, 14 Sep 2014 13:02:58 +0200 Subject: [Debatte-Grundeinkommen] =?iso-8859-15?q?an_Willi_=FCber_=D6konom?= =?iso-8859-15?q?ie_usw=2E?= Message-ID: <541575E2.4060601@web.de> Lieber Willi, was die Ökonomie als Wissenschaft angeht, sind wir uns wohl einig (übrigens auch Brodbeck). Dennoch können wir diese Literatur nicht einfach ignorieren, denn diese Theorien dienen als Werkzeuge der Organisation der Wirtschaft und haben also sehr praktische Auswirkungen. Da wir ständig Mißverständnisse erzeugen, wenn wir "Ökonomie" sagen, aber nicht das meinen, was in der bürgerlichen Öffentlichkeit damit gemeint ist, wird es unumgänglich, ein anderes Wort dafür zu finden, oder unsere "Ökonomie" mit einem Adjektiv zu versehen. Ich sympathisiere mit dem Wort "Wirtschaft", aber das wird ebenso unterschiedlich verwendet. Da Produktion und Distribution (also Herstellung und Verteilung) nicht getrennt voneinander gedacht werden können - es kann nur verteilt werden, was vorher produziert wurde, und es sollte nur produziert werden, was dann auch wirklich verteilt wird - plädiere deshalb dafür, den Begriff Ökonomie oder Wirtschaftswissenschaft so wie bisher für beide Bereiche zu verwenden. In kleinen lokalen Einheiten kann das sicher alles ohne Geld und Markt organisiert werden, aber schon auf regionaler Ebene wird das schwierig, denke ich. Deshalb halte ich es für notwendig, solange keine wirklich funktionierende Alternative gefunden ist, weiterhin Geld und Markt zu benutzen; allerdings mit den wichtigen Korrekturen am Geld und am Eigentumsrecht (speziell Bodenrecht), wie sie Gesell vorgeschlagen hat; und noch anderen Randbedingungen. Willi, Deine Gegenüberstellung von kapitalistischer und kommunistischer Ökonomie finde ich o.k., aber in der Verwirklichung der kommunistischen Ideale (die ich in ihrer ursprünglichen Form auch immer noch vertrete) hat es bisher halt nur Pleiten gegeben. Da muß man doch schauen, woran das gelegen hat; da reicht es nicht, die alten Ideale immer zu wiederholen. Aber damit Du mich jetzt nicht falsch verstehst, ich sehe da durchaus Fortschritte, gerade auch in den Befreiungsbewegungen in Südamerika. Ob Du unser Verhältnis zur Natur (und zu unseren Mitmenschen) als Verbundenheit oder als Abhängigkeit bezeichnest, ist der Sache nach gleichgültig. Abhängigkeit hat eine negative Konnotation, und wenn wir unsere Beziehungen von negativen Aspekten frei machen, brauchen wir "Abhängigkeit" dafür nicht mehr verwenden. Trotzdem wird dann daraus keine Unabhängigkeit. Die Möglichkeit, sich von einer Assoziation fernzuhalten, die ich auch für eine Bedingung für die Freiheit einer Assoziation halte, ist nach meinem Verständnis eine Isolation (mindesten partiell und temporär). Aber ich glaube, im Grunde sind wir uns einig und müssen über die Wortwahl nicht weiter streiten. Wichtiger scheint mir zu sein, wo wir die Grenzen für diese autonomen Einheiten sehen und da denke ich, daß wir das einmal nur für die jeweilige Einheit mitbestimmen können, der wir selbst angehören. Andere Assoziationen werden andere Grenzen setzen und höchstwahrscheinlich wird es auch regionale und überregionale Kooperationen geben, bis hin zu globalen. Und dafür braucht es irgendeine Form von Vermittlung, die bis jetzt noch nicht existiert, soweit ich das sehen kann. Was Du vom Wissen als Welterbe und dem Inter-Net schreibst, kommt ja etwa auf das selbe hinaus. Du traust der Notwendigkeit der internationalen Arbeitsteilung nicht, ich auch nicht. Denn so wie es da oft formuliert wird, ist es Ausdruck der Herrschaftsideologie, die ihre unlauteren Motive hinter "Sachzwängen" verbirgt. Aber das bedeutet doch nicht, daß internationale Arbeitsteilung auf der Basis freier Vereinbarungen nicht trotzdem sehr sinnvoll und nützlich sein kann. Wenn Du bei der Staats-Diskussion schreibst: " Staat ist immer ein Herrschaftsinstrument", dann erscheint mir das gerade wie eine Denksperre, von der Du Dich doch verabschieden möchtest. Wenn es auch in der bisherigen Geschichte vielleicht nur Herrschaftsstaaten gegeben hat, so hindert uns doch nichts, einen Staat zu schaffen, der eben keine Herrschaftsfunktion ausübt; wie ich schon sagte, können wir so eine Institution natürlich auch anders nennen. Aber Institutionen sind für eine globale Koordination menschlichen Gesellschaftslebens sehr empfehlenswert, meine ich. Da Du auf meine Argumente bezüglich Staat und Steuern offensichtlich nicht eingehen willst, bringt es nichts, hier darüber weiter zu reden. In unserer Diskussion über den Wertbegriff habe ich den Eindruck, Du konstruierst Gegensätze, die absurd sind. Die Beispiele, die Du gegen meine Äußerung anbringst, entspringen taktischen Überlegungen im Konkurrenzbetrieb, sie widerlegen doch nicht meine Aussage. Und mit Deinen Bemerkungen zur Wertschätzung von Tätigkeiten wiederholst Du nur, was ich in meiner vorherigen Mail auch schon geschrieben hatte. Ob man eine Tätigkeit als Arbeit oder als Spaß betrachtet ist eben oft völlig willkürlich; letztlich bestimmen das heute die Verwertungsinteressen. Was Du zu den Universitäten sagst, sehe ich ganz ähnlich: für mich ist das ganze Bildungs- und Erziehungswesen ins Herrschaftsgesellschaften eine Untertanenfabrik. Trotzdem würde ich nicht behaupten, daß Universitäten usw. nicht auch anders gestaltet werden könnten und dann sehr gute Dienste leisten könnten. Aus Deiner Art der Argumentation höre ich immer heraus, daß Du das alles, was Dir nicht in den Kram passt, am liebsten verbieten würdest. Das sagst Du zwar nicht und wenn ich mich da irren sollte, muß ich mich entschuldigen, aber dieser Eindruck drängt sich mir auf. Um "die Vielfalt der produktiven Fähigkeiten mit der Vielfalt der Bedürfnisse der Menschen zu vermitteln", brauchen wir ein Instrument oder Werkzeug,welches diese Vermittlung leistet; es läuft nicht einfach von allein. In den letzten Jahrhunderten ist das mit der Fiktion von Geld und Wert geschehen. Sicher können wir andere Vermittlungen entwickeln, dafür braucht es aber wohl noch einiges an Aufklärung über unser alltägliches Treiben. Kann sein, daß ich nicht verstehe, " wie die wirklich grossen Entwicklungen der Menschheit entstanden sind", wie Du meinst. Deine Bemerkung erweckt den Eindruck, daß Du sie verstanden hast. Da wäre jetzt die Gelegenheit, das mir und vielleicht der übrigen neugierigen Leserschaft zu erklären. In dem, was Du bisher geschrieben hast, finde ich eine solche Erklärung noch nicht. Wenn Du etwa schreibst: "Wenn wir tauschen, suchen wir ein Aequivalenzkriterium.", dann sitzt Du nur dem verbreiteten Mißverständnis auf, daß es im Tauschverhältnis eine Äquivalenz gäbe, dieser falsche Eindruck entsteht aber erst mit der Geldverwendung. Ein wirklicher Tausch enthält keine Äquivalenz. Das ist eine der wichtigen Erkenntnisse, die man aus Brodbecks Buch entnehmen kann. Bezüglich Deiner letzten Frage können wir uns sicher wieder leichter verständigen: " was ist zu tun, dass alle Menschen in allen Regionen unseres Planeten in der Lage sind, das herzustellen, was sie brauchen oder meinen, zu brauchen" Das Haupthindernis liegt wohl in unseren gängigen Vorstellungen vom Eigentumsbegriff. Da mit diesem Begriff ein Verhältnis der Menschen untereinander bestimmt wird, kann das auch nicht mit Abschaffung erledigt werden, wohl aber durch eine klug vereinbarte Umgestaltung. Soweit mit herzlichem Gruß aus Niederbobritzsch, Deutschland Jochen From jochentittel at web.de Sun Sep 14 22:03:26 2014 From: jochentittel at web.de (Jochen Tittel) Date: Sun, 14 Sep 2014 22:03:26 +0200 Subject: [Debatte-Grundeinkommen] Antwort an Jens Kasten Message-ID: <5415F48E.1080602@web.de> Lieber Jens, ehe ich auf Dein Fragen bzw. Argumente eingehe, möchte ich klarstellen, daß ich mich seit mindestens zehn Jahren zu den Gesell-Anhängern zähle und ich dachte, daß ich das auch schon in den Diskussionen hier deutlich gemacht hätte. Deine Bemühungen, mich davon zu überzeugen, kommen also zu spät. Meine Überzeugung, daß die Gesellsche Geld- und Bodenreform eine segensreiche Wirkung hätten, wenn sie denn realisiert würden, hindert mich aber nicht daran, auch anderen Denkansätzen nachzugehen, die bei Gesell nicht vorkommen, aber nicht zwangsläufig zu seinen Vorstellungen im Widerspruch stehen. Zu Deinem Wunsch nach einer kernigen ... Definition für das Geld nach Brodbeck brauche ich mich nicht selbst bemühen. Willi hat einen ähnlichen Wusch an Brodbeck gerichtet und darauf folgende Antwort erhalten: zwar verstehe ich Ihren Wunsch, durch die Lektüre eines Texte die "große" Antwort zu bekommen. Doch so einfach ist die Sache nicht. Ich habe viel über das Geld geschrieben, weil es eben viel dazu zu sagen gibt und weil ziemlich viel Unfug darüber geschrieben wurde. So wurde ein Buch mit 1200 Seiten daraus. Hätte ich das, was darin steht, auf einer Seite (im EMail) sagen können, so hätte ich das getan. Ich gebe aber vielleicht ein Stichwort, das meinen Ansatz von den allermeisten unterscheidet: Geld ist kein Ding, deshalb auch nicht technisch verfügbar (verwendbar/abschaffbar). Geld ist eine Denkform, die unsere gesamte abendländische Rationalität geprägt hat - unter anderem auch den Zwang, alles ganz kurz und knapp und schnell überblicken zu wollen, oder über alle sozialen Tatbestände technische verfügen zu können. Um das Geld abzuschaffen oder in eine andere Form zu verwandeln - ich habe den Gedanken an das Internet als Geldsubstitut durchaus schon vor vielen Jahre systematisch entfaltet, da gabs noch kein Bitcoin, keine sozialen Netzwerke -, müsste sich zuerst unser gesamtes Denksystem verändern. Deshalb sind bislang alle Versuche, das Geld abzuschaffen, zu reformieren usw. immer nach hinten losgegangen. Kurz: Es gibt keinen kurzen Text für Ihre kurze Frage - fürchte ich. Aber es gibt einige, zu vielen Gebieten auch online - kostenlos. Vielleicht hast Du das inzwischen schon gelesen, denn Willi hat es ja auch in der Debattenliste eingestellt. Ich füge nur noch hinzu, daß Brodbeck der einzige Autor außerhalb der Gesell-Fangemeinde ist, den ich kenne und der über Gesell nicht die gängigen Vorurteile teilt, sondern sich wirklich mit seinen Ansichten beschäftigt hat, auch wenn er deswegen kein Gesellianer ist. Ich sehe jetzt - und bin selber erstaunt darüber - daß damit eigentlich zu Deiner Mail alles gesagt ist; mit allem, was Du sonst geschrieben hast, bin ich, wie gesagt, im Prinzip einverstanden. Da ich im Augenblick etwas unter Druck stehe, gehe ich davon aus, daß wir weiterhin noch Gelegenheit haben werden, das Eine oder Andere miteinander zu klären. Herzlichen Gruß Jochen From v.nedden at freenet.de Sun Sep 14 22:22:22 2014 From: v.nedden at freenet.de (V.Nedden) Date: Sun, 14 Sep 2014 22:22:22 +0200 Subject: [Debatte-Grundeinkommen] =?utf-8?q?Zu_Verena_Neddens_Beitrag_=22B?= =?utf-8?q?ewusstseinsfrage=22_und_Bitte_um_Hilfe_f=C3=BCr_ein_Buch?= =?utf-8?q?projekt?= In-Reply-To: <540F38FF.5040807@gmx.de> References: <540F38FF.5040807@gmx.de> Message-ID: Lieber Bert, liebe Debattengemeinde, zunächst einmal vielen lieben Dank, daß du dich mit meinem Beitrag für die Gemeinschaft so intensiv auseinander gesetzt hast. Duzen ist ok, in dieser Hinsicht feist sein auch! Ich möchte hier nicht auf alle Anmerkungen und Überlegungen aus deiner Mail eingehen. Hierzu benötige ich sicherlich mindestens zwei Wochen, die mir dann für meine Erwerbsarbeit fehlen. Dennoch möchte ich versuchen, ein wenig Klarheit in die Debatte und deine Überlegungen bringen. Grundsätzlich möchte ich zunächst klarstellen, daß ich kein Mitglied der Piratenpartei bin und daher über die aktuellen parteiinternen Strömungen zum bGE etwas unwissend bin. Mein Konzept habe ich allen Parteien zur Verfügung gestellt. Die Piraten, die ja das bedingungslose Grundeinkommen in ihrem Grundsatzprogramm festgelegt haben, boten mir freundlicherweise als einzige Partei ein Forum, mein Konzept darzulegen und zu verbreiten. Innerhalb der Piraten gibt es meines Wissens bislang keine einheitliche Linie, wie das bGE gestaltet sein soll. Allerdings war ich 2012 recht erschreckt zu erfahren, daß deren bisherige Konzeptionen unwissentlich ein Grundeinkommen unterhalb des heutigen Hartz VI-Satzes vorsahen. Wir sind uns darüber einig, daß 700,- ? derzeit nicht zum Leben ausreichen und es wünschenswert wäre, wenn ein bGE die 1.000,- ?-Marke erreichen könnte. Wer jemals Sozialhilfe erhielt oder Hartz IV bezieht, wird mir zustimmen, daß der Regelbedarf lediglich zum Sterben zu viel ist. Bei längerem Bezug wird merkbar, daß die Kleidung allmählich zerschleißt und die beanspruchten bzw. defekten Möbel nicht mit den Sozialleistungen zu ersetzen sind. M.a.W.: ein allmählicher Verfall (nicht nur materieller Art) ist mit dem heutigen Regelsatz deutlich spürbar. Leider hat das Bundesverfassungsgericht am 24.07.2014 entschieden, daß der Hartz-VI-Satz auch für den zweiten Haushaltsangehörigen und für Kinder in den jeweiligen Altersstufen für die Jahre 2011 und 2012 zur Bestreitung des Existenzminimums noch als ausreichend angesehen wird. https://www.bundesverfassungsgericht.de/pressemitteilungen/bvg14-076.html Es wirft den Ball an die Parlamente zurück, welche das Statistikmodell des Warenkorbs einiger ausgesuchter Haushalte aus dem Jahr 2008 als Berechnungsmaßstab für das Existenzminimum gewählt haben. Ich weiß nicht, ob du dich mit meiner Arbeit zum Zukunftsdialog 2012 beschäftigt hast. Motivation für meine Arbeit war es, zu untersuchen, ob unter der grundsätzlich für die Gewährung eines bedingungslosen Grundeinkommens geeignete Konsumbesteuerung tatsächlich die gesamte Erwerbsbesteuerung wegfallen kann, wie Dr. Hardorp und Prof. Werner behauptet haben. Die zuletzt im Juli 2012 veröffentlichte Änderung findest du hier: http://konsumsteuersystem.de/Das_gemeinschaftliche_Steuersystem-Stand_Juli_2012.pdf. Ich habe dort u.a. die Funktionsweise des heutigen deutschen Steuerrechts und dessen Angliederung an die EU-Gesetzgebung dargelegt und etliche Links als Nachweise für meine Darlegungen und Berechnungen der 50%igen Erwerbsbelastung hinterlegt. Auch die Unterscheidung zwischen allgemeiner Besteuerung und die Besteuerung besonderer Tatbestände, die nicht alle Personen und Unternehmen trifft, ist dort zu finden. Insofern splittet sich meine Arbeit in verschiedene voneinander zu unterscheidende Teile: · Die Konzeption zeigt, wie eine 1:1-Umstellung der derzeitigen allgemeinen Erwerbsbelastung auf Konsumbesteuerung unter Berücksichtigung der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung und ohne Einkommens- oder Kaufkraftverlust unter Angliederung an die EU-Normen funktioniert und die Auszahlung eines Grundeinkommens bereits JETZT! bedingungslos gewährt werden kann. Wird das heutige Erwerbsteuersystem 1:1 in Konsumbesteuerung umgesetzt, kommen wir, wie sich in der Auseinandersetzung mit Matthias Diltey im Forum Bürgermeinungen.de unter dem Thema ?Degressive Wirkung der MwSt? http://www.buergermeinungen.de/forum/dilthey-modell-zum-bge/12601-degressive-wirkung-der-mwst herausgestellt hat, um die Konzeption einer Lohnabgabe von 9,5% nicht herum. Dort habe ich ebenfalls die Auswirkungen des Mindestlohns dargelegt: ?Konsumsteuer bei Mindestlohn von 8,50 ? Brutto?: http://www.buergermeinungen.de/forum/dilthey-modell-zum-bge/12601-degressive-wirkung-der-mwst?start=55#13088. Deinen Eindruck, daß letztlich unter Konsumbesteuerung wieder alles beim Alten bleiben kann, kann ich daher nicht vollständig entkräften. Dennoch werden sich durch eine solche Umstellung Änderungen ergeben. Auch in diesem Teil der Konzeption habe ich nicht vorgesehen, das Grundeinkommen für Kinder altersgemäß zu staffeln oder den 2. erwachsenen Haushaltsangehörigen auf 80% des Regelbedarfs herabzustufen, wie dies im SGB vorgesehen ist, sondern ich habe mich an den Grund- und Kinderfreibeträgen der Einkommensteuer orientiert. Die hieraus erwachsenen staatlichen Mehrausgaben können mit der Aufhebung der degressiven Wirkung der Einkommensteuer bei extrem hohen Einkommen kompensiert werden, so daß sich gesamtwirtschaftlich wohl dasselbe, wenn nicht ein besseres Ergebnis erzielen läßt. Berechnungen hierzu habe ich mangels (oder ggf. ungesichtetem) detailliertem Zahlenmaterial (noch) nicht vorgenommen. Die weitaus bedeutendere Änderung, die sich aus der Umstellung auf Konsumbesteuerung ergeben wird, ist m.E. jedoch eine psychologische. Als alleinerziehende Mutter unter Sozialhilfebezug habe ich nach meinem zweiten Staatsexamen selbst erfahren, wie schwierig es wegen der Erwerbsschwelle ist, eine eigene Existenz aufzubauen. Lange Zeit habe ich mich gefragt und gedanklich gemartert, wie ich es denn ohne Berufserfahrung und zu erwartende Mandantschaft schaffen kann, von jetzt auf gleich so viele Erlöse zu erwirtschaften, daß es für die Miete, die private Krankenversicherung und die gesetzlich vorgeschriebene Altersvorsorge reicht und meine Familie versorgt und ernährt ist, ohne daß ich mich an einen großen Kredit binde und wegen dessen Abzahlung keine Zeit mehr für die Familie habe. Glücklicherweise sah der Europäische Sozialfonds damals die Förderung alleinerziehender SozialhilfeempfängerInnen vor, die sich selbständig machen wollten. Auf Antrag - also bedingt - erhielt ich zu Beginn meiner Selbständigkeit ein Jahr lang ein Grundeinkommen von monatlich 2.000,- DM, welche damals die Kosten für Miete und Sozialversicherung deckten. Die anfangs geringen, aber steigenden Erlöse reichten aus, um den Lebensunterhalt für uns zu finanzieren. Aus eigener Erfahrung kann ich daher berichten, wie befreiend und initiativ ein sicheres Grundeinkommen wirken kann. Darüber hinaus wäre ein bedingungsloses Grundeinkommen geeignet, zum Nachdenken über sich selbst und die eigenen Ziele anzuregen, indem der Druck durch die gesetzliche Pflicht zur Arbeit wegfiele. Die gewonnene Freiheit könnte natürlich auch zu weiterem Konsumverhalten (insbesondere TV, digitale Medien) führen, dennoch halte ich es für wahrscheinlich, daß sich aus der Perspektivlosigkeit des heutigen Systems eigene Kreativität und Verantwortlichkeit entwickeln wird. Jedenfalls wäre durch ein bedingungsloses Grundeinkommen die Wertschätzung der einzelnen Person als überlebenswürdig demonstriert, welches an sich bereits positive Psychologie beinhaltet. · Von der grundlegenden Konzeption, die heutige Erwerbsbesteuerung 1:1 in eine Konsumbesteuerung umzuwandeln, ist der Teil zu unterscheiden, der die heutigen Steuerschlupflöcher und Wirtschaftskreisläufe zu schließen versucht. Hierzu gehört z.B., nicht nur die konzipierte Sozialkonsumsteuer nach dem Herkunftslandprinzip zu behandeln, wie es ebenfalls heute bei der Erwerbsbelastg der Fall ist, sondern auch für die Einführung des Herkunftslandprinzips bei der heutigen Umsatzsteuer, also der künftigen Umsatzkonsumsteuer zu plädieren. Denn aus meiner Sicht wird durch das heutige Bestimmungslandprinzip bei der EU-weiten Umsatzbesteuerung die Ausbeute von Niedriglohnländern gefördert, während Importe die Staatshaushalte der Importländer sanieren. Eine umfangreiche Begründung für diese Überlegungen findest du ebenfalls in meiner Auseinandersetzung mit Matthias Diltey im Forum Bürgermeinungen.de unter dem Thema ?Degressive Wirkung der MwSt? http://www.buergermeinungen.de/forum/dilthey-modell-zum-bge/12601-degressive-wirkung-der-mwst, insbesondere ab dem Beitrag http://www.buergermeinungen.de/forum/dilthey-modell-zum-bge/12601-degressive-wirkung-der-mwst?start=30#13046 auf S. 7 der Forumseiten. Dort habe ich ebenfalls verschiedene Lösungsmöglichkeiten zur Lohnabgabe bei geringen Einkommen hinterlegt: http://www.buergermeinungen.de/forum/dilthey-modell-zum-bge/12601-degressive-wirkung-der-mwst?start=80#13157. Das Herkunftslandprinzip würde ebenfalls dagegen helfen, durch Gewinnabführverträge an eine in einem Steuerparadies gelegene Firma die inländische Steuerzallast zu minimieren. (In der EU gibt es bereits seit neuestem Bestrebungen zur einheitlich hohen Einkommensbesteuerung der Unternehmen, um das Ausnutzen unterschiedlich hoher Körperschaftsteuersätze (=Einkommensteuer der Körperschaften) zu vermeiden, die ich nur unterstützen kann!) Das gemeinschaftliche Konsumsteuersystem sieht daneben auch vor, die steuerliche Ungleichbehandlung z.B. bei Vermietung zu beseitigen, denn in diesem Bereich ist die allgemeine Besteuerung lückenhaft: So kann ein Gebäude nach Ankauf und Ablauf von 3 Jahren saniert werden. Der Aufwand wird dann innerhalb von 5 Jahren vollständig abgeschrieben. Wird das Objekt 10 Jahre nach Ankauf veräußert, ist der Veräußerungsgewinn steuerfrei. · Du findest in meiner Arbeit zum gemeinschaftlichen Konsumsteuersystem ab S. 53 aber auch die Herleitung eines m.E. allseits gerechten Teilungssystems, welches bei Anwendung zu einem erheblich höheren Grundeinkommen führt. · Vor allem aber findest du ab S. 71 die Herleitung und Berechnung der allgemeinen 50%igen Erwerbsbelastung ? ein Kernstück meiner Arbeit. Du hast recht: Die einkommensteuerliche Progression ist eine riesige Augenwischerei. Auch die aktuelle Aufregung um die Abschaffung des Solidaritätszuschlages ist unnötig, denn der Soli ist Bestandteil der allgemeinen 50%-Belastung. Es war daher zu erwarten, daß er nicht wegfällt, sondern entweder anders verteilt wird, oder bei Wegfall eine Einkommensteuererhöhung vorgesehen wird, um wieder auf die 50% zu kommen. Zu deinen Detailfragen: 1. Gibt's so etwas vielleicht schon? Ich habe irgendwie eh ein ziemlich gespaltenes Verhältnis zu Bibliotheken und seit Ende meines Studiums nur noch höchstselten mal eine betreten. Und Literaturrecherche fand ich schon immer zum Kotzen. Ich würde vermuten: Wenn es so etwas auf wirklich gutem methodischen und didaktischen Niveau gäbe, dann wäre das im Netz so verbreitet, das es mir begegnet wäre. Das ist aber keineswegs sicher und angesichts der Fülle heutiger Publizistik letztlich ziemlich spekulativ. Möglicherweise war hier die Auswirkung bei Einkommen um die 2.000,- ? bis 3.000,- ? gemeint. Ausführungen findest du hier: http://www.buergermeinungen.de/forum/dilthey-modell-zum-bge/12601-degressive-wirkung-der-mwst?start=80#13157 2. Worauf exakt basieren die Zahlen deiner Folien, liebe Verena? Anders formuliert: Ich werde zum Übergang von der Netto- zur Brutto- und dann zur Brutto&Lohnnebenkosten-Ebene definitiv einerseits die juristischen Grundlagen der verschiedenen Steuer- und Sozialversicherungssätze benötigen, andererseits auch möglichst soziologisch-empirisches Material zu der realen Einkommensverteilung zumindest in Deutschland. Klar, das finde ich sicherlich auch selbst halbwegs flink, aber jemand von euch ist vermutlich dennoch wesentlich flinker. Insgesamt findest du meine Herleitungen im ursprünglichen Werk an Frau Dr. Merkel: http://konsumsteuersystem.de/Das_gemeinschaftliche_Steuersystem-Stand_Juli_2012.pdf 3. Schwieriger als das Auffinden der allgemeinen Steuer- und Sozialversicherungssätze dürfte das Einfangen der unzähligen Einzelfälle in die allgemeine Betrachtung ausfallen. Dieser ganze Rotz von Werbekostenpauschalen und weiß der Geier was, fand ich noch nie im Ernst wirklich durchsichtig. Für meine Aufgabenstellung muss ich mir das wohl oder übel durchsichtig machen. Hilfe in der Beziehung wäre daher extrem erwünscht. Letzteres hat übrigens einen agitatorischen Nebeneffekt: Zur Konstruktion einer zumindest halbwegs allgemeinen Betrachtung wird die Diskussion der unzähligen Sonderfälle quasi nebenbei klar machen, dass das heutige System im Zweifelsfall nicht einmal von Experten verstanden wird, während ein bGE, insbesondere wenn es dann noch mit einem schlichten Konsumsteuermodell kombiniert wird, jedem noch so kopfdödeligem Teil des formellen Souveräns durchsichtig machen kann, wie das Gemeinwesen eigentlich zumindest seiner allgemeinen monetären Gestalt nach funktioniert. Das ist mir aus der Hartz4-Perspektive schon jetzt klar, wird sich mit dem Übergang von Netto zu Brutto aber noch drastischer herausschälen. Ist freilich immer so die Frage, ob mir das wirklich gut gelingt, aber die unzähligen Sonderfälle will ich dabei nicht als Sonderfälle betrachten, sondern als spezifische Ausformungen der allgemeinen Betrachtung. Naja, weiß nicht, ob man sich darunter jetzt was vorstellen kann. Soll nur soviel heißen, wie: Eigentlich gehen mir die Sonderfälle am Arsch vorbei, aber zumindest diejenigen von hinreichender Allgemeinheit werde ich wiederum aus der Perspektive einer allgemeinen Konstruktion einzufangen versuchen. Das wirft dann sowohl ein Licht auf die Sonderfälle als Sonderfälle als auch auf ihre spezifische Verzerrung des Allgemeinen und damit im Zweifelsfall auf Gerechtigkeitsprobleme. Ich stehe nicht ganz so auf Kriegsfuß mit der Besteuerung von individuellen Besonderheiten. Sinn dessen ist es, eine gleichmäßige Besteuerung herzustellen und individuelle Belastungen auszugleichen. Nicht jeder hat die gleichen Ausgaben für seine Erwerbstätigkeit. Dies wird insbesondere bei den Werbungskosten bei nichtselbständiger Arbeit deutlich. Bei der unterschiedlichen Behandlung der jeden treffenden Sonderausgaben (Ausgaben für Sozial- und andere Versicherungen zum Schutz der Gemeinschaft) wird z.B. berücksichtigt, daß a) Beamte beihilfeberechtigt sind und daher weit geringere Beiträge als Selbständige zahlen, b) Arbeitgeber ebenfalls ihren Beitrag für den Arbeitnehmer an die Sozialversicherung leisten, c) Selbständige einen solchen Vorteil nicht genießen. Daher erhalten Selbständige den höchsten Sonderausgabenabzug, weil sie am meisten beansprucht sind. Auch ist es aus meiner Sicht gerecht, Ausgaben für den Besuch mit Geschäftsfreunden in einem Puff, Schmiergelder oder Bußgelder o.Ä. nicht als Betriebsausgabe zuzulassen. Mit der 1%-Regelung bei der privaten KFZ-Besteuerung wird das Vergnügen an einem teuren, komfortablen Dienstwagen dem Privatbereich überlassen; die Privatfahrten mit einem teuren Dienstwagen unterliegen so der Einkommens- und Umsatzbesteuerung. Mit der einkommensteuerlichen Berücksichtigung von außergewöhnlichen Belastungen mit z.B. Krankheits- oder Beerdigungskosten wird ein teilweiser Ausgleich geschaffen, etc. Bei Konsumbesteuerung können solche Belastungen entweder steuerfrei gestellt werden, oder ein Zuschuß zu diesen Kosten gewährt werden. i.i. Steuergemäuer ******* Grundsätzlich finde ich erstmal ziemlich sympathisch, dass du im Prinzip an der Abschaffung deines Berufsstands arbeitest. Wer braucht noch Fachanwälte für Steuerrecht, wenn das Steuerrecht plötzlich allen transparent ist? :o) Es fällt wohl nur ein Teil meiner Arbeit weg, denn die Erfassung der Betriebsausgaben eines Unternehmens (Buchführung und Umsatz- bzw. dann Konsumsteuererklärung) bleibt J. Beim näheren Eintauchen in deine konzeptionellen Überlegungen bin ich mir dann allerdings schon wieder nicht mehr sicher, ob das so stimmt. Da du anscheinend im Gegensatz zum reinen Konsumsteuermodell die Unternehmenssteuern (Körperschafts-, Kapitalertrags-, Gewerbesteuer etc., siehe 10. Min./Folie 7 und ) belassen willst und auf deiner Haupt-Website auch dies als änderungswürdig gegenüber deiner Folienpräsentation angibst: ?Um eine Änderung der Kaufperise zu verhindern, gleichzeitig jedoch die bisherigen Staatseinnahmen aus Lohnkosten über das erforderliche Grundeinkommen hinaus und auch das netto zur Verfügung stehende Einkommen unverändert zu belassen, hat sich nun (Stand Mai 2014) die Konzeptpion einer Lohnabgabe als notwendig herausgestellt, welche 19% des hälftigen heutigen Arbeitgeberaufwandes beträgt. Der allgemeine Arbeitgeber-Gesamtaufwand beträgt damit lediglich 59,5% des heutigen Aufwandes für Arbeitnehmer? Ich möchte weder Körperschafts- noch Kapitalertragsteuer beibehalten. Sie gehören zur allgemeinen 505igen Erwerbsbelastung. Bei der Gewerbesteuer bleibt der ortsgebundene Teil (= Hebesatz über 200), da er zur besonderen Besteuerung gehört. [Nachtrag dazu: Insgesamt hat sich mir beim derzeitigen Betrachtungsstand deiner Ausführungen der Eindruck aufgedrängt, dass von der Konsumsteuer im Effekt nicht viel über bleibt, das jetzige Steuersystem relativ unberührt bleibt. Inhaltlich wollte ich das eigentlich näher verstehen. Bislang habe ich den Eindruck, dass das arbeitnehmerunfreundlich ausfällt, kann's aber nicht begründen.] Dies mag an der Wetterei über den Kombilohn liegen, welche die Gewerkschaften vielfach gegen das bedingungslose Grundeinkommen anführen. Letztlich kann es aber aus meiner Sicht egal sein, ob der Arbeitnehmer sein um die Einkommensteuer und Sozialversicherungsabgaben geschmälertes Einkommen direkt vom Arbeitgeber oder teils über den Umweg der Staatskasse in gleicher Nettohöhe und mit gleicher sozialer Absicherung erhält. Dadrüber sagst du dann noch: ?Die konzipierte Auslandstransfersteuer ist ncht erforderlich. Die Ausführungen auf den weiteren Seiten beinhalten die Auslandstransfersteuer nicht.? Wieso, weshalb, warum? Wenn ich's richtig verstanden habe, ist das sozusagen das international solidarische Steuerkonzept in deinem Modell, etwa analog zu der Idee im Dilthey-Modell, die Import-Export-Beziehungen auf einen Sockel sozialstaatlicher Maßnahmen zu stellen. Das lässt du einfach so fallen? Ja. Ich war einem Irrtum unterlegen. Die Auslandstransfersteuer ist nicht erforderlich und vereinfacht zudem mit seinem Wegfall die Durchsetzbarkeit des Konzeptes. Da jede Person ? ob Unternehmer oder Arbeitnehmer, Kapitaleigner oder Vermieter ? im Konsumsteuersystem ein Einkommen zur Verfügung hat, welches sich auf dem heutigen Netto-Niveau befindet, ist es nicht erforderlich, eine Steuer zum Ausgleich für das zunächst angenommene unterschiedliche Einkommensniveau im internationalen Vergleich zu konzipieren. (Die Sozial-Umsatzsteuer Diltheys hat sich mir noch nicht vollständig erschlossen. Sie macht den Eindruck einer Wiedereinführung der Brutto-Umsatzbesteuerung von vor 1968, die aus guten Gründen der Ungleichbehandlung abgeschafft wurde ? er führte die erklärende Diskussion leider nicht weiter! Siehe hierzu: http://buergermeinungen.de/forum/dilthey-modell-zum-bge/12608-die-sozial-umsatzsteuer-nach-dilthey#13194) ****** i.ii. bGE-Höhe von knapp 700 Euro? ******* 5.-9. Minute/Folien 2-6: Verstehe ich deine Ausführungen richtig, wenn ich mutmaße, dass du für all deine Berechnungen ein bGE in Höhe von knapp 700 Euro zugrundelegst? Du hältst das nirgends explizit fest, aber das ist wohl der tiefere Sinn dieser Folien, oder? Das gemeinschaftliche Konsumsteuersystem sieht bei Anwendung der herausgearbeiteten Teilungskriterien (siehe http://konsumsteuersystem.de/Das_gemeinschaftliche_Steuersystem-Stand_Juli_2012.pdf ab S. 53) ein durchschnittliches bedingungsloses Grundeinkommen von 888,- ?/Monat bei Gewährung des erforderlichen (nicht nur notwendigen) Gesundheitsschutzes für das Jahr 2011 vor. Seine Höhe ist abhängig vom inländischen Produktionswert. Im Jahr 2011 hätte es sich in 544,- ? für die allgemeine Lebenshaltung und durchschnittlich 344,- ? für Mietausgaben aufgesplittet. Eine Unterscheidung zwischen Erwachsenen und Kindern ist möglich, aber aus meiner Sicht nicht wünschenswert. Würde unterscheiden werden, würde sich das Grundeinkommen für Erwachsene erhöhen und für Kinder verringern, so daß sich 561,- ? bzw. 509,- ? für die Lebenshaltungskosten von Erwachsenen bzw. Kindern ergeben hätten. Diese Zahlen berücksichtigen nicht die aktuelle Volkszählung, so daß auch diesbezüglich von einer Erhöhung aufgrund der geringeren Bevölkerungsgröße auszugehen ist. Leider sind auch die Zahlen von statistischen Bundesamt https://www-genesis.destatis.de/genesis/online/data;jsessionid=9BE5D30B89E1C555D215195237FF2CD5.tomcat_GO_1_2?operation=abruftabelleBearbeiten&levelindex=2&levelid=1410699530258&auswahloperation=abruftabelleAuspraegungAuswaehlen&auswahlverzeichnis=ordnungsstruktur&auswahlziel=werteabruf&selectionname=81000-0101&auswahltext=&werteabruf=Werteabruf im Moment nicht abrufbar, so daß ich keine Berechnung (siehe vergleichsweise http://konsumsteuersystem.de/Das_gemeinschaftliche_Steuersystem-Stand_Juli_2012.pdf, S. 102 ff.) zur Höhe des Grundeinkommens für das Jahr 2013 treffen kann. Die Zahlen für 2014 entwickeln sich gerade, so daß erst in 2015 eine Aussage hierüber zu treffen wäre. ****** i.iii. Kriterien für Mindesthöhe eines bGE ******* 7. Minute/Folie 4: ?Wenn ich mir Grundeinkommensmodelle ansehe, dann schaue ich erstmal, naja: Wie hoch soll denn das sein, was ausgeschüttet wird? Liegt das unterhalb der Grundfreibeträge, dann denke ich: Naja, das passt ja sowieso nicht, das kann ich nicht gebrauchen für ein bedingungsloses Grundeinkommen, weil es nicht reicht.? Ich möchte dich sehr inständig darum bitten, die oben erwähnten Überlegungen von Ronald Blaschke zur Abschätzung einer vernünftigen Höhe für ein bGE zur Kenntnis zu nehmen (vgl. https://www.grundeinkommen.de/content/uploads/2013/01/2012-ansaetze_und_modelle_gs_und_ge_blaschke.pdf , S. 119-141). Insbesondere seine Betrachtungen zur Verfassungsnonkonformität heutiger Hartz4-Sätze fand ich interessant. Ich würde hoffen, dass diese Lektüre deine Meinung dahingehend verändern könnte, dass du auch die heutige Existenzsicherungshöhe nicht gebrauchen kannst ?für ein bedingungsloses Grundeinkommen, weil es nicht reicht.? Ich würde zwar auch ein paar Vorzüge in einem bGE auf heutigem Hartz4-Armutsniveau sehen (z. B. keine verdeckte Armut unterhalb des Hartz4-Niveaus und Abschaffung der skandalösen Verrechnungsgrundlage bei Hartz4-Aufstockern), aber nicht derartige Vorzüge, dass ich mich für so etwas ernsthaft engagieren würde. Mit anderen Worten: Wenn du weiterhin eine bGE-Höhe über die heutige Existenzsicherung ableiten möchtest, nur einfach, weil sie nun einmal existiert, dann sehe ich dich eher als Blockiererin eines Projekts, das mich vor allem deshalb interessiert, weil es ein Potential zur Abschaffung von Armut einerseits, Abhängigkeit von Vermögen andererseits hat, während du m. E. die Armut nur in anderer Form verlängern möchtest, wenn du dich auf knapp 700 Euro einschießt. Was denkst du dazu? Die Kriterien für die Höhe des Grundeinkommens bemesse ich, wie in http://konsumsteuersystem.de/Das_gemeinschaftliche_Steuersystem-Stand_Juli_2012.pdf ab S. 102 und oben dargelegt, im gemeinschaftlichen Konsumsteuersystem am innerdeutschen Produktionswert zu Herstellungskosten unter Berücksichtigung allgemeiner, gerechter Teilungskriterien. Ehrenamtliche Arbeit und Pflege von Familienangehörigen ist darin einbezogen. Manna fällt nicht vom Himmel und das Leben ist insofern kein Wunschkonzert. Es kann also nur das verteilt werden, was wir alle zusammen erarbeiten. Da in der offiziellen Rechnung jedoch die Schattenwirtschaft nicht einberechnet ist, dürfte ein Grundeinkommen umso höher ausfallen, je mehr Menschen in den legalen Erwerbsbereich wechseln und von Schwarzarbeit oder Schwarzumsatz absehen. Ich erwarte diesbezüglich einen durch die Transparenz und nachvollziehbare Gerechtigkeit des Konsumsteuersystems steigenden gesellschaftlichen Druck innerhalb der Bevölkerung, sich der allgemeinen Besteuerung aus sozialen Gründen anzuschließen, so daß ein Grundeinkommen in Höhe von 1.000,- ?/Person in absehbarer Zeit als realistisch erscheint. Die Einführung des Herkunftslandprinzips bei der Umsatzkonsumsteuer täte ihren Beitrag zum Erreichen der 1.000,- ?-Grenze. ****** i.iv. Allgemeine und besondere Besteuerung? ******* 9. Minute/Folie 6: ?Ich unterscheide zwischen allgemeiner Besteuerung und besonderer Besteuerung.? sowie 11. Minute/Folie 7: ?Ich beschränke mich auf die allgemeine Besteuerung, also das, was alle ausgeben müssen.? Wenn ich dich an diesen Stellen richtig verstehe, dann kümmerst du dich in deiner Folienpräsentation ausschließlich um das, was du allgemeine Besteuerung nennst, während das, was du besondere Besteuerung nennst, wohl all die legalen und weniger legalen Steuertricks, Branchensubventionierungen, gemeindespezifische Steuersätze und ähnliches meint. Stimmt das so? Falls ja: Da ja von den Beführwortern einer Konsumsteuer immer wieder stark gemacht wird, dass sie ein gerechteres Steuermodell darstellen würde, frage ich mich insbesondere nach deiner Darstellung, wo ja als allgemeine Besteuerungslast oberhalb des Freibetrags quasi für alle der Steuergesetzgebung unterworfenen Funktionsgruppen zumindest mehr oder weniger so oder so immer 50 % herauskommt, schon recht intensiv, welchen verzerrenden Einfluss denn diese ?besondere Besteuerung? einerseits im Rahmen der gesamten Steuererhebung (also volkswirtschaftlich), andererseits im individuellen Extremfall hat. Könntest du mir davon eine Vorstellung geben oder mich zumindest auf weiterführende Web-Literatur verweisen? Solange wir nicht über ein bGE in Höhe von mindestens 1.000 Euro sprechen, sondern auf derzeitigem Hartz4-Niveau, möchte ich wenigstens verstehen können, was sich denn die Konsumsteueranhänger davon konkret versprechen. Dabei geht?s ja vermutlich weit weniger als mir um Armutsbekämpfung und Aufstockerirsinnsverhinderung, vermutlich nicht einmal so sehr um das Fehlen einer echten Steuerprogression im Allgemeinen, sondern um ein weitläufiges Ungerechtigkeitsempfinden gegenüber dem Steuerwildwuchs in Deutschland, oder nicht? Siehe hierzu bereits oben! In meiner Arbeit an Frau Dr. Merkel habe ich dargelegt, welche Besteuerung allgemeiner und besonderer Art ist. Umsatzsteuer ist z.B. eine allgemeine Verbrauchsteuer, die auf jeden Umsatz aufgeschlagen wird, es sei denn, es liegt eine Steuerbefreiung für besondere Tatbestände vor (s. § 4 UStG). Vor allem ist eine Steuerbefreiung bei Mieten und sozialen Leistungen vorgesehen. Diese war bei Konzeption der Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie sozialpolitisch motiviert, was sich jedoch letztlich als Trugschluß herausstellt (siehe http://konsumsteuersystem.de/Das_gemeinschaftliche_Steuersystem-Stand_Juli_2012.pdf ab S. 23). Die Gewerbesteuer ist ein gutes Beispiel für eine allgemeine und zugleich besondere Steuer, denn bis zu einem Hebesatz von 200, der für alle gleich ist, ist sie als allgemeine Erwerbssteuer zu betrachten, die in die 50%-Berechnung einfließt. Die einzelnen Ortschaften sind darüber hinaus befugt, die besondere Belastung der ortsanliegenden Unternehmen mit dem über 200 liegenden Hebesatz zu bemessen. So kommt es, daß die Gewerbesteuer je nach Ort der Betriebsstätte unterschiedlich hoch ausfällt (siehe http://konsumsteuersystem.de/Das_gemeinschaftliche_Steuersystem-Stand_Juli_2012.pdf ab S. 90). Steuern, die lediglich Tatbestände als Auslöser hat, die nicht jeden treffen, sind besondere Steuern, wie z.B. Tabaksteuer, Stromsteuer etc. Diese Steuern haben tatsächlich steuernde Eigenschaften, da sie zu einem geringeren Konsum der jeweiligen Güter anregen sollen. Bei der Untersuchung, welche allgemeinen Steuern und Abgaben nach dem Konsumsteuermodell von Dr. Hardorp wegfallen können, bin ich auch auf den nach der Gefahrenklasse bemessenen Berufsgenossenschaftsbeitrag gestoßen, welcher als besondere Abgabe für die Gefährlichkeit einer Produktion eben nicht allgemein ist und daher nicht wegfallen sollte. Ich hoffe, daß ich bisher verdeutlichen konnte, worum es mir geht, nämlich die bisherige allgemeine Erwerbsbelastung in eine allgemeine Konsumbesteuerung umzuwandeln. Bei einer 1:1-Umstellung sind JETZT! 696,17 ? für Erwachsene und 584,- ? für Kinder an Grundeinkommen bedingungslos auszahlbar (heutiger Hartz-IV-Satz bzw. Einkommensteuer-Freibeträge). Ein höheres Grundeinkommen erfordert die Mitwirkung der anderen EU-Staaten und die Anwendung der erarbeiteten Teilungskriterien. Ich wende mich gegen Steuerschlupflöcher, die eine allgemeine Besteuerung verhindern. Auch Subventionen scheinen mir, wie in meiner Arbeit an vielen Stellen dargelegt, sich vielfach nicht nach sozialen Kriterien zu richten, wie es m.E. erforderlich wäre. Dennoch sind besondere Belastungen zu beachten und auszugleichen, um eine gleichmäßige Besteuerung zu gewährleisten oder die belastenden Personen und Unternehmen besonders zu besteuern, um die Last von den Schultern der Allgemeinheit zu nehmen. ****** i.v. Chimäre der Steuerprogression? Steuerdegression: Hinzuverdienst bei Hartz4-Aufstockern, Spitzeneinkommen ******* 13. Minute/Folie 9 und 15.-16. Minute/Folie 11: Hier machst du einige interessante Nebenbemerkungen. Ich finde, dass man sich das nicht ausführlich genug auf der Zunge zergehen lassen kann. Wenn ich dich richtig verstehe und du recht hast, wovon ich jetzt einfach mal ausgehe, weil du ja vom Fach bist, dann existiert die sogenannte Steuerprogression in der Einkommensteuer de fakto überhaupt gar nicht, wenn man die Sozialversicherungen miteinbezieht, also als Quasi-Steuern betrachtet: Alle landen mehr oder weniger bei 50 %. Stimmt das wirklich? Ist die Steuerprogression völlig fingiert? Auf http://de.wikipedia.org/wiki/Einkommensteuer_(Deutschland)#Entwicklung_des_Einkommensteuertarifs_seit_1958 wird in der Tabelle für 2014 ein Eingangssteuersatz von 14 % und ein Spitzensteuersatz von 42 % bzw. 45 % postuliert. Wenn ich dich richtig verstehe, rechnest du aber den Grundfreibetrag als existenzsichernden Sockel heraus und landest trotz dieser Progression von Eingangssteuersatz zu Spitzensteuersatz für alle Einkommenshöhen unter Einbezug der Sozialversicherungsbeiträge bei Pi mal Daumen 50 % Steuer- und Sozialabgabenlast bei im Prinzip allen besteuerten Gruppen. Im Gegenteil gibt es in der Einkommensspitze sogar eine Degression, nämlich etwas weniger als 50 %: ?Im Spitzensteuersatz entwickeln sich die Einkommen über 250.000,- ? wie folgt: [?] Erwerbsbelastung 47,475%? (vgl. http://www.konsumsteuersystem.de/wesentliches_in_kuerze/berechnungen/nachweis_der_50igen_allgemeinen_erwerbsbelastung_/50ige_erwerbsbelastung_schnelluebersicht/index.php ) Im Ernst, wirklich wahr, kann das denn stimmen? Ich empfehle, sich meine Ausführungen genüßlich auf der eigenen Zunge zergehen zu lassen! Sie sind ein Kernstück meiner Arbeit! Wird dies bewußt, erübrigt sich einiges an politischen Reden, die verdeutlichen, daß wohl die Mehrheit der Politiker nicht wirklich umfassend informiert ist! Falls das wirklich stimmt, wäre es ein Grund, das Verfassungsgericht anzurufen und die gesamte Steuer- und Sozialversicherungsgesetzgebung einkassieren zu lassen, weil dieser Tatbestand ganz offensichtlich gegen Gerechtigkeitserwägungen und das Sozialstaatsprinzip verstößt, wenn auch seltsamerweise anscheinend nicht gegen das ziemlich seltsam bestimmte Leistungsfähigkeitsprinzip (vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Steuerprogression#Rechtfertigung ). Ich habe da ja mehr eine Bauchgefühl-Laienvorstellung, wonach die Progression eigentlich dafür Sorge tragen soll, dass stärkere Schultern nicht nur absolut, sondern auch relativ stärker zum Gelingen des Gemeinwesens beizutragen haben. Aber wenn du Recht hast, liebe Verena, dann ist die ganze Steuerprogression eine vollkommene Augenwischerei für die Nicht-Fachleute. Dem kann ich nichts weiter hinzufügen! ****** i.vi. Ausbeutung von Billiglohnländern ******* 33. Min, Folie 22: ?Also: Keine Lohnausbeute mehr von Billiglohnländern wäre die Konsequenz davon.? Warum? ?... ergibt den Bruttoproduktpreis, der genauso hoch ist wie heute.? Das erscheint mir widersprüchlich: Entweder setzt du voraus, dass die (Sozial-)Konsumsteuer auch voll auf Importprodukte gelegt wird. Dann würde ich verstehen, warum das mit der Lohnausbeute aus Billiglohnländern nicht mehr so gut funktioniert, nämlich weil Importprodukte weniger konkurrenzfähig werden würden, aber nicht verstehen, warum der Bruttoproduktpreis von Importen genauso hoch wie heute wäre. Oder du setzt voraus, dass ausschließlich der inländische Weiterverarbeitungsanteil an Importprodukten unter die Konsumsteuer fällt. Dann könnte ich mich zumindest erstmal grundsätzlich auf die These einlassen, dass alter Preis = neuer Preis hinhauen könnte, aber nicht verstehen, was das an der Billiglohnland-Ausbeute verändern soll. Grundsätzlich scheinst du hier den Vorsteuerabzug außer Acht gelassen zu haben. Letztlich zahlt nur der Konsument alle Steuern, der Unternehmer hingegen erhält die gezahlten Umsatzsteuer heute als Vorsteuer erstattet. Beim Bestimmungslandprinzip wird auf den Import aus EU-Ländern die inländische Umsatzsteuer aufgeschlagen und gleichzeitig als Vorsteuer erstattet. Erst bei Verkauf an den verbrauchenden Endkunden nimmt der Staat die Umsatzsteuer der gesamten Produktionskette ein. Beim Herkunftslandprinzip ist es umgekehrt: der Staat tritt in Vorleistung durch die Vorsteuererstattung und nimmt später bei Umsatz an den Endverbraucher die Umsatz- bzw. Konsumsteuer ein. Dies hat den Vorteil, daß in jedem Land, welches an der Produktion beteiligt ist, die Umsatzsteuer für den jeweiligen Produktionsteil verbleibt, während beim Bestimmungslandprinzip sich derjenige Staat an der gesamten Produktion bereichert, in welchem das Produkt verbraucht wird. Nochmals verweise ich hinsichtlich der Auswirkung des Bestimmungslandprinzips in Niedriglohnländern z.B. bei Lohnveredelung auf meine Ausführungen bei Bürgermeinungen.de: http://www.buergermeinungen.de/forum/dilthey-modell-zum-bge/12601-degressive-wirkung-der-mwst?start=30#13046. [Nachtrag: Weiter bin ich in der Auseinandersetzung mit deinem youtube-Video dann nicht gekommen, weil mich selbstständige Überlegungen in ganz andere Richtungen trieben. Bin mir auch nicht sicher, ob ich das noch irgendwann nachholen werde. Insgesamt sehe ich zwar einerseits, dass du engagiert und grundsätzlich mit sozialdemokratischer Gutmenschlichkeit am bGE arbeitest. Andererseits scheinst du im Effekt zu ziemlich reaktionären Ergebnissen vorzudringen: bGE auf Hartz4-Armutsniveau, Ersetzung bloß eines Teils der Lohnsteuer durch eine Konsumsteuer, keine internationale Solidarität ... Ich denke, dass das bGE das Zeug zu einem New Deal hat und für ein Großreinemachen im intransparenten Steuer- und Sozialversicherungs-Dschungel sorgen kann. Zudem geht's definitv um Umverteilung von oben nach unten, sonst kann man sich das auch gleich sparen. Das bGE als Reförmchen zu betrachten, wird der Idee auf so vielen Ebenen nicht gerecht, dass ich bei aller Sympathie für dein Engagement dazu gerade eher denke, dass du das Thema weit verfehlst und auf eine technokratische Betrachtungsebene hievst, die aus einer guten Idee bloß stinkiges Schmieröl für die Maschinerie macht. Ist vielleicht ein etwas hartes Urteil, aber so sehe ich das gerade. Sorry. Und nichts für ungut: Ich fand deine Ausführungen definitiv interessant und sympathisch, nur halt nicht wirklich zielführend aus meiner Perspektive.] Ich hoffe, ich konnte deine Perspektive mit meinen Ausführungen ein wenig erweitern und die Unterschiede zwischen dem sofort Umsetzbaren und dem Wünschenswerten verdeutlichen. ****** ii. Allgemeinere Überlegungen, die für mich aus der Auseinandersetzung resultierten ******* ****** ii.i. Ein wenig Gepöbel im Kontext des Ideologiebegriffs ?lasse ich unkommentiert. ******* ****** ii.ii. Zum Neid-Begriff ******* In deinem Mail-Beitrag schriebst du: ?Bei der Linken, vorwiegend auch hier im Forum, bemerke ich verstärkt pauschalen Neid, gerade in Bezug auf Kapitaleinkünfte.? Ich bin mir unsicher, ob das eine Reaktion auf meinen Beitrag war, habe aber den Eindruck, liebe Verena. Mein Einwurf war nicht auf deinen Beitrag sondern allgemein verfasst, da mir immer wieder bei einigen Beiträgen im Debattenforum, welches ich vorwiegend als aus der Partei der Linken stammend eingruppiere (bitte korrigiere mich, wenn dies nicht stimmen sollte) auffällt, wie pauschal Kapitaleinkünfte abgeurteilt werden, obwohl es sich schlicht um eine von sieben Einkommensarten handelt, die alle mit 50% allgemein versteuert werden. Ich könnte auch als Einzelunternehmerin ausbeuterisch tätig werden und dadurch ein hohes Einkommen erwirtschaften. Von der Art der Einkünfte hängt dies nicht ab. Ein pauschales Gewettere hinsichtlich Einkünften aus Kapital hilft da nicht weiter. Eine Kapitalgesellschaft ist meist lediglich ein Zusammenschluß mehrerer Personen, die ihr Kapital zusammen schmeißen, um eine unternehmerische Idee gemeinsam zu verfolgen. Ausnahme bildet die Einpersonen-GmbH oder neu UG, deren Gründung meist haftungsrechtliche Ursachen hat. Insgesamt sind Kapitaleinkünfte daher als neutral zu betrachten und eher Urteile über die Art und Weise der Gewinnerzielung zu fällen, wenn diese sich als unmoralisch oder unverhältnismäßig herausstellen. Es kann durchaus Kapitalgesellschaften geben, die sozialen Charakter haben. So oder so möchte ich ein paar grundsätzliche Dinge zum ?Neiddebatten-Vorwurf? sagen: Weder die Abschreibe-Möglichkeiten, welche die Reproduktionskosten der Produktionsmittel pauschal steuerbefreien, noch die Gewinnabsicht und -realisierung der Unternehmen über entsprechende Preise noch die unterschiedlichen Lohnhöhen für unterschiedlich qualifizierte Arbeiten sind gesellschaftlich neutral. Man kann sich zwar auf den Standpunkt stellen, dass unternehmerische Initiative und fachliche Qualifikation über monetäre Mechanismen angereizt werden soll. Da habe ich prinzipiell gar nichts gegen, sehe allerdings nicht, dass das gesellschaftlich vernünftig geschehen würde. Warum haben etwa Börsenjunkies, Rüstungsingenieure oder Spitzenmanager ganz andere Verdienstoptionen als Pflegepersonal, Ärzte oder Biobauern? Weil sie eine gesellschaftlich nützlichere Arbeit leisten? Das sehe ich nicht. Spätestens aber dann, wenn die Gesellschaft es zulässt, dass anreizpolitisch vielleicht noch vage zu rechtfertigende angehäufte Vermögen auf die nächste Generation übertragbar sind, kann und muss man von Klassengesellschaft sprechen. Denn Vermögen ist unter Marktbedingungen gleichbedeutend mit gesellschaftlicher Gestaltungsmacht. Fällt diese in ungleichem Maße Menschen qua Stammbuch zu, lässt sich nicht im Ernst, sondern nur formell von demokratischen Verhältnissen sprechen und es wird auch verständlich, warum Börsenjunkies, Rüstungsingenieure oder Spitzenmanager so gut verdienen, nämlich als Absicherungsbüttel des Interesses der vermögenden Klasse. Das lässt sich auch reformulieren, wenn man von der Eigentumsfrage zu der Frage der stofflichen Form des Eigentums übergeht: Die Fortführung großer, kapitalstarker Unternehmungen über Generationen hinweg mag eine gewisse gesamtgesellschaftliche Nützlichkeit haben, insofern man bestehende Produktionskapazitäten ja nicht sinnlos zerstören und das Rad mit jeder Generation neu erfinden möchte. Gleichwohl ist der Selbsterhaltungstrieb großer institutioneller Unternehmungen ein Faktum, das sich nicht mit der Vorstellung eines flexiblen, chancengleichen ?freien Markts? vereinbaren lässt. Der Kapitalismus ist zwar irrwitzig flexibel und erlaubt in Ausnahmefällen auch mal einen Lebenslauf from dishwasher to billionaire, aber er ist unvernünftig darin, dass er im Zweifelsfall bestehende Produktivkapazitäten höher gewichtet als eine Ersetzung dieser Produktivkapazitäten durch bessere Alternativen. Von Chancengleichheit lässt sich in dem Zusammenhang schon überhaupt nicht sprechen, weil gesettelte Unternehmungen enorme Möglichkeiten haben, sich die Butter nicht vom Brot klauen zu lassen. Die Abschreibung ? also die einkommensteuerliche Absetzung für Abnutzung (AfA), mit der die Anschaffungskosten von Wirtschaftsgütern des betrieblichen Anlagevermögens über deren Nutzungsdauer und nicht auf einen Schlag in voller Höhe bei der Gewinnermittlung geltend gemacht werden können, hat nichts mit der unterschiedlichen Höhe der Einkommen von Bankern und Pflegepersonal o.ä. zu tun. Es geht lediglich darum, die Gesamtkosten über mehrere Jahre der Nutzung zu verteilen und nicht noch weitere Steuervergünstigungen für Investoren zu schaffen, indem die Kosten sofort in voller Höhe berücksichtigt werden. Abschreibung ist daher neutral zu betrachten. Anders sieht es bei der Erbschafts- und Schenkungsteuer aus. Hier gibt es alle 10 Jahre Freibeträge in nicht unerheblicher Höhe, welche steuerlich ausgenutzt werden können, um Vermögen innerhalb der Familie steuerfrei zu übertragen. Fest steht auch, daß vererbtes Kapital zur Vermehrung geeignet ist (siehe die Ausführungen zur Vermietung) und die Möglichkeiten eines armen Nichterben dagegen als mühsam anzusehen sind. Das geltende Erbschaft- und Schenkungsteuergesetz ist auch in Bezug auf die Übertragung von Betrieben gerade als verfassungswidrig angesehen worden. Die steuerlichen Freibeträge naher Angehöriger dienen jedoch auch dazu, Witwer und Witwen nicht wegen der Erbschaftsteuer aus dem Familienheim zu treiben, weil die ohne Berücksichtigung von Freibeträgen anfallende Steuer nicht finanziert werden kann und das Familienheim droht, in die Zwangsversteigerung zu geraten. Auch die Erbschaft- und Schenkungsteuer sieht jedoch in der höchsten Steuerklasse (keine oder entfernte Familienangehörige) einen Satz von 50% vor und gehört zur allgemeinen Erwerbsbesteuerung. Die unterschiedliche Vergütung von Managern, Bankern etc. im Verhältnis zu sozialen Berufen liegt vielmehr an der gesellschaftliche Gewichtung dessen, wie wir Management oder die Pflege alter und kranker Personen bewerten und auch finanzieren können und wollen. ?Die Qualität einer Gesellschaft bemißt sich am Umgang mit ihren Alten und Kindern? ist bereits anderen Orts behauptet worden. Ein gesellschaftliches Umdenken ist hier sicherlich ebenfalls erforderlich und wird sich möglicherweise durch die Demographie oder das beginnende Wassermann-Zeitalter verändern. Vielleicht gelingt uns in Zukunft eine Gesellschaft à la Enterprise, wo jeder nach seinen Bedürfnissen versorgt ist und seinen Interessen nachgeht, ohne Einkommen zu erhalten. (Erst mit den Ferengi wurde das Thema Geld (= Silicium) und Kapitalismus wieder aufgeworfen. Gene Roddenberry war zu diesem Zeitpunkt m.E. bereits tot.) Solange wir in einer Gesellschaft leben, in der das Ego eine große Rolle spielt, wird sich an Ausbeute und finanzieller Ungerechtigkeit wohl nicht viel ändern. Es lohnt sich wirklich, die Grundlagen des Buddhismus zur gesellschaftlichen Umwandlung und zur Überwindung des aus finanzieller Habgier und Not gebackenen Leides heranzuziehen! Diesen Zusammenhang mit dem Terminus ?Neid-Debatte? einfach abweisen zu wollen, empfinde ich nicht als trifftig. Es geht eher um eine demokratietheoretische Grundsatzfrage, die die bürgerlichen Gesellschaften sich mit dem Privateigentum gesetzt und bis heute nicht zureichend beantwortet haben. Marx hat diese Grundsatzfrage m. E. am eindringlichsten und rezeptionsgeschichtlich wirkungsvollsten thematisiert. Aber sie ist älter als Marx, lässt sich für die bürgerliche Gesellschaft philosophiegeschichtlich etwa auch bis Rousseau (vgl. z. B. http://de.wikipedia.org/wiki/Rousseau#Politische_Philosophie ) zurückverfolgen, der einen großen Einfluss auf die Jakobiner-Fraktion der Französischen Revolution hatte. Ich kann mir jedenfalls nicht vorstellen, dass du als Juristin keinerlei Vorstellung davon hast, was der demokratietheoretische Hintergrund für das ist, wofür du der politischen Linken jegliches Bewusstsein einfach per Neid-Vorwurf absprechen möchtest: die Irrealität einer formellen Gleichheit bei gleichzeitiger materieller Ungleichheit. Einer meiner Hochschullehrer kleidete das gerne in diese Worte: Es ist Millionären und Bettlern gleichermaßen verboten, unter Brücken zu nächtigen. Anne Clark fasst es allgemeiner: The Law is an anagram of Wealth. Vor ein paar Monaten bin ich über ein Paper der Konferenz der Vereinten Nationen für Handel und Entwicklung gesurft, in dem ich einen kleinen Graphen wegen der Informationskomprimiertheit insbesondere auch im Kontext von Debatten übers bGE von herausragender Bedeutung halte, vgl. http://unctad.org/en/PublicationChapters/tdr2012ch3_en.pdf , rechts oben auf S. 51 (bzw. S. 9 nach PDF-Zählung). Für die beiden Graphen der westlichen Welt und den Graphen Ost-Europas lässt sich deutlich ablesen, dass im Gefolge des Börsencrashs am schwarzen Freitag 1929 die Einkommensverteilung eine Tendenz zur Angleichung zeigte (= fallender Gini-Koeffizient). Für die USA, Australien, Neuseeland und Kanada kehrte sich dieser Trend bereits ab etwa dem Jahr 1960 wieder um, die Einkommen drifteten wieder zunehmend auseinander (= steigender Gini-Koeffizient). Für West-Europa und noch deutlicher für Ost-Europa hat sich diese Trendumkehr mit der Wende 1989 ergeben. Seitdem werden die Reichen immer reicher und die Armen immer ärmer. Andere Statistiken könnten untermauern, dass dieser Prozess sich seit dem Jahr 2000 fortgesetzt hat. Wenig überraschend, aber doch bemerkenswert ist m. E., dass wohl noch nie in der Zivilisationsgeschichte die Einkommensgleichheit so weit fortgeschritten war wie im osteuropäischen Realsozialismus. Dies war freilich politisches Projekt, das aber empirisch-statistisch nachweislich offenbar auch realisiert worden war. Auf S. 66 (bzw. S. 24) gibt es ein Balkendiagramm, das zumindest für einen historischen Zeitpunkt um das Jahr 2000 herum klar macht, dass die Vermögensungleichheit drastisch höher ist als die Einkommensungleichheit, siehe insbesondere die dunkelblauen Balken und vgl. die jeweilige quantitative Höhe der Gini-Koeffizienten beim Einkommensverteilungsgraphen und beim Vermögensverteilungsgraphen. Es lässt sich daher zumindest vermuten, dass die Zeitgraphen auf S. 51/9 noch deutlich stärkere Ausschläge insbesondere nach oben aufweisen würden, wenn es in dem Graphen nicht um die Einkommens-, sondern um die Vermögensverteilung ginge. Ich weise auf diesen ganzen Zusammenhang vor allem deshalb hin, weil der pauschale Neid-Vorwurf an alle, die mit der Einkommensverteilung unzufrieden sind, systematisch auf Geschichtsvergessenheit beruht: Er tut so, als wäre das Verhältnis von arm und reich schon immer so wie heute gewesen, als wäre es selbstverständlich und unabänderlich, womöglich gar aus irgendwelchen zusammengestromerten Vorstellungen heraus: leistungsgerecht. Das ist schlicht nicht der Fall, wie die Geschichte zeigt. Zudem reichen die beiden genannten Diagramme schon völlig aus, um zu verstehen, warum man erstmal ein Bruttomonatseinkommen von etwa 7.000 Euro braucht, um in dem Modell des BAG Grundeinkommen in und bei der Partei DIE LINKE zum Nettozahler zu werden. Ich persönlich beneide reichere Menschen nicht im Ernst, sondern glaube daran, dass alle ihr Päckchen im falschen Ganzen tragen. Meine Konsumbedürfnisse sind zwar nicht bescheiden und unter Hartz4-Bedingungen ganz ernsthaft nicht zu befriedigen, aber zumindest auch unterhalb des deutschen Durchschnitts. Mich stört abgesehen von den vielen realen Situationen, in denen ?der Mensch ein erniedrigtes, ein geknechtetes, ein verlassenes, ein verächtliches Wesen ist? (Marx, MEW1, S. 385) vor allem die normative Kraft des Faktischen am Kapitalismus und die allgegenwärtige Fiktion von Mangel im realen Überfluss. [Nachtrag: Danach folgen noch eine ganze Reihe von Stichwörtern für Sachen, die ich auch noch ausführen wollte. Die sind aber zu kryptisch als dass sie irgendwie auf Anhieb verständlich würden. Von daher war's das an Rausbruch von Elementen aus meiner ersten Arbeitsdatei.] Ich halte es nicht für widersprüchlich zu einem gemeinschaftlichen Konsumsteuersystem, Reiche zu einer besonderen steuerlichen Belastung heranzuziehen, um eine Umverteilung zu forcieren. Erstaunlicherweise gibt es bereits einige Reiche, die sogar gerne höhere Steuern zahlen würden, da sie die Ungleichheiten als ungerecht empfinden. Hierum dreht sich meine Arbeit, welche ausschließlich den Weg für die Umstellung der allgemeinen Besteuerung aufzeigen möchte, jedoch nicht. Hauptursache für die derzeitige Verschärfung der Situation, also die weitere Öffnung der Schere zwischen Arm und Reich, ist in den Sanktionen bei der ?Hartz IV?-Gesetzgebung zu suchen. Denn der Arbeitszwang des derzeitigen Systems läßt Leiharbeitsfirmen aus dem Boden sprießen, welche die gekündigten Arbeitnehmer zu weit geringeren Konditionen mit derselben Arbeit beschäftigen oder drängt bei vollem Risiko in die Selbständigkeit als Subunternehmer, die mittlerweile vermehrt durch Werkverträge geknebelt werden. Solange die Sanktionen nicht abgeschafft werden, aber auch solange die Steuer am Einkommen bemessen wird, wird sich hieran aus meiner Sicht in einer Gesellschaft, welche immer mehr Maschinenarbeit verrichten läßt, nichts ändern. Zur angeschnittenen Neiddebatte kann ich Überlegungen zum übermäßigen Konsum hinzufügen, der aus meiner Sicht nur kurzfristig befriedigt. Auch Reichtümer werden beim Tod nicht mit ins Grab genommen und können dort nicht zum Seelenheil beitragen. Da ich als Steuerfachfrau und Juristin vielfach mit den Auswüchsen des Sozialsystems beschäftigt bin, ist mir jedoch daran gelegen, daß zumindest das Überleben eines jeden sorgenfrei möglich ist und eine Arbeit wertschätzend bezahlt wird. Wenn jemand meint, er müsse in diesem Leben um jeden Preis reich sein, so ist dies für denjenigen eine Anhaftung, der er meinetwegen nachgehen darf ? die moralische Grenze ist bei der Ausbeute zur eigenen Bereicherung erreicht, und die Verantwortung für das eigenen Handeln wird demjenigen niemand abnehmen können. Persönlich bewerte ich Selbstbestimmung und Freiheit höher als das Anhäufen von Reichtümern und nehme mir gerne die Zeit für politische Auseinandersetzungen oder für die Arbeit am gemeinschaftlichen Konsumsteuersystem, mit der ich die beschriebenen gesellschaftlichen und kapitalistischen Mißstände zu beseitigen suche, ohne währenddessen eigenes Einkommen zu generieren. Glücklich und zufrieden macht mich, wenn z.B. du dich intensiv mit meinem Geschenk an die Gesellschaft auseinandersetzt, es vielleicht weiterentwickelst und es irgendwann zu einem menschenwürdigen bedingungslosen Grundeinkommen kommt. Ob dies geschieht, weil es niemanden mehr zum Ausbeuten gibt, der noch etwas hätte, was ihm zu nehmen ist, oder aus dem wachsenden Bewußtsein heraus, daß Arbeitslosigkeit jederzeit jeden treffen kann, oder ob die Gesellschaft mehrheitlich die soziale Notwendigkeit erkennt und der drastische Weg des leidvollen Lernens abgekürzt wird, bleibt dahingestellt. Für mich ist die Einführung des bedingungslosen Grundeinkommens lediglich eine Frage der Zeit, die unsere Kinder hoffentlich bereits erleben werden. Vielen Dank also nochmals an dich für die Auseinandersetzung mit meiner Arbeit und die gebotene Gelegenheit, sie in dieser Form nochmals darlegen zu können. Verena Nedden ______________________________________ Stell dir vor, es ist Einkommen, und alle haben es! www.konsumsteuersystem.de -------------- nächster Teil -------------- Ein Dateianhang mit HTML-Daten wurde abgetrennt... URL: From wube at gmx.net Tue Sep 16 20:28:41 2014 From: wube at gmx.net (willi uebelherr) Date: Tue, 16 Sep 2014 13:28:41 -0500 Subject: [Debatte-Grundeinkommen] Berts bGE-Modell mit mehr oder weniger spekulativen Zahlen In-Reply-To: <5414312B.7020201@gmx.de> References: <5414312B.7020201@gmx.de> Message-ID: <54188159.8080202@gmx.net> Lieber Bert, ich will jetzt nicht destruktiv auf dein Bemuehen reagieren. Du hst viel Zeit in deine Analysen gesteckt. Und das achte ich sehr. Es gibt einen wesentlichen Grund, neben meiner persoenlichen Inkompetenz in Fragen des kuriosen Steuersystems, was mich von einer Detaildiskussion abhaelt. Wenn das bGE Realitaet werden sollte, dann setzt dies eine Transformation des Denkens zur Oekonomie, dem Geldsystem, dem Staat mit seinen Gewaltverbaenden, den buerokratischen, parasitaeren Instanzen und Strukturen voraus. Das wesentliche, was in deiner Analyse fehlt, ist die Andersartigkeit, wie dann die Menschen ihre Lebensgrundlagen organisieren. Im Mittelpunkt wird stehen, dass die existenzielle Sicherheit gegeben ist und die Menschen nun frei sich den gemeinschaftlichen Aufgaben widmen koennen. Aber damit wird das geldbasierte Distributionssystem weit in den Hintergrund geschoben. Der Grossteil, auf das sich die Aktivitaeten der Menschen beziehen werden, sind die allgemein notwendigen Grundversorgungsstrukturen. Also Essen, Trinken, Transportsysteme materiell und immateriell, die Wassersysteme, die Energiesysteme thermisch und elektrisch und vielleicht auch Kleidung. Dies meine ich mit der Andersartigkeit. Die Grundlagen deiner Analyse loesen sich auf. Der Gegenstand entschwindet. Ein zweiter Punkt. Auf der monetaeren Ebene sprichst du von Deckungsnotwendigkeiten und beziehst dies auf Geldmengen. Aber damit hast du das Geldsystem nicht verstanden. Weil es nie gedeckt war und auch nie gedeckt sein wird. Womit auch? Die Grundlage von gesellschaftlichen Lebensgemeinschaften ist die Balance zwischen Herstellung und Ver-/Gebrauch. Die Konstruktion von monopolen Zentren, die den Rest des Planeten als Sklavenressourcen gebrauchen und so ihr inneres Parasitentum organisieren, wird verschwinden. So oder so. Und mit Sicherheit, bevor im deutschsprachigen Raum ein bGE entsteht. Nur Teile der buerokratischen Gaengelung werden sich aufloesen. Wie Harz IV und das Rentensystem. Wenn es denn so weit sein sollte. Die Problematik ist die Vorstellung einer auf hoher Selbstversorgung ruhenden Gemeinschaft. Und die ist nur moeglich, wenn der Grossteil der parasitaeren Instanzen aufgeloest wird. An diesem Punkt scheitern heute alle Reformbemuehungen in den europaeischen Zentren. In Latein Amerika ist dies wesentlich einfacher zu realisieren. Mit lieben Gruessen, willi Esperanza, Ibarra, Ecuador Am 13/09/2014 um 6:57 schrieb unversoehnt: > Hallo > > als ich vor vier Tagen die Mail in den Verteiler stellte, in der ich > Passagen aus meiner Arbeitsdatei rausgefischt hatte, die sich mit Verena > Neddens bGE-Modell befassten, habe ich eine große Menge aus dieser > Arbeitsdatei rausgekürzt. Zumindest die Passage, in der ich mein eigenes > bGE-Konsumsteuer-Modell zwar nicht mit annähernd exakten, aber zumindest > die Grundstruktur sichtbar machenden Zahlen durchkonzipiert habe, möchte > ich dann doch noch einmal einstellen. Hier und da beziehe ich mich > wieder auf Verena, aber ansonsten hat's mit ihr nicht viel zu tun. Da es > bislang im Verteiler keinerlei Statements zu meiner Grundkonzeption > gegeben hat, hoffe ich mal, dass ich zumindest mit diesem konkreter > ausbuchstabierten Konzept mal Statements hervorkitzeln kann. > > Ansonsten wünsche ich euch allen nach einem hoffentlich schönen > Wochenende eine interessante 7. internationale Woche des > Grundeinkommens. :o) > > Liebe Grüße, > > Bert > > > Ich will mal als Kontrast darstellen, inwiefern sich das ganze Gefüge > zwischen Löhnen und Staatsaktivität durch die Einführung eines bGE > verändern könnte. > > Da mir bislang mein Rettungsversuchsvorschlag für eine reine > Konsumsteuer (vgl. > https://listi.jpberlin.de/pipermail/debatte-grundeinkommen/2014-August/003932.html > , dort der zweite Punkt) als Gegenfinanzierung für ein bGE und den > Sozialstaat zumindest noch immer die beste Idee in diesem Zusammenhang > zu sein scheint, die mir bekannt ist, will ich sie mal mit konkreten > Zahlen ausbuchstabieren. Ich greife dabei allerdings völlig ins Blaue > und entscheide einfach aus dem Bauch heraus. > > Erstmal setzte ich voraus, dass alle heutigen Preise gleichmäßig mit 50 > % Steuern und Sozialabgaben belastet sind. Die Gleichmäßigkeit der > Steuer- und Sozialabgabenlast für alle Preise ist gewiss eine Fiktion > und ich möchte inständig darauf hinweisen, dass eine ökonomische > Begründung für ein bGE qua Konsumsteuer m. E. erst einmal voraussetzen > würde, dass man sich über alle Marktpreise hinweg klar macht, welche > Staatsquote für die jeweilige Ware bzw. Dienstleistung eingepreist ist. > Das würde auch klar machen, wer eigentlich Gewinner und wer Verlierer > eines Steuersystems mit schlichter Transparenz wäre. Ein > Wirtschaftsinstitut mit ausreichendem Interesse könnte das m. E. > leisten. Ein solches habe ich aber gerade nicht zur Hand. > > Meine Konsumsteuer kennt fünf Steuersätze in Bezug auf den Preis vor > Steuern: > > a. -100 % Steuer auf den Grundbedarf, also eine Subventionierung in Höhe > der Hälfte des Endpreises, > > b. 100 % Steuer auf den Normalbedarf, also eine Steuer, die den Endpreis > verdoppelt, > > c. 300 % Steuer auf den Luxusbedarf, also eine Steuer, die den Endpreis > vervierfacht, > > d. 100 % Steuer auf die Kapitalisierung von personengebundenem > Einkommen, also eine Steuer, die das in Unternehmen oder die > Finanzsphäre wandernde Einkommen sowie zur Eigenkapitalerhöhung > verwendete Gewinne und verschenkte oder vererbte Unternehmensanteile > oder Wertpapiere in der Wertigkeit halbiert. > > e. 0 % Steuer auf Investitionen in gemeinnützige Vereine, also eine > Steuerfreiheit für diesen Bereich. > > > Kleiner Exkurs zur Kapitalisierungssteuer und zur temporalen > Unregelmäßigkeit jeglicher Systemumstellung: > > Wenn ich dir wiederum folge, liebe Verena, besteht heute auch bei > Unternehmungen eine allgemeine Steuerlast von Pi mal Daumen 50 % auf > Gewinne bzw. nach meiner Sichtweise 100 % auf das, was von den Gewinnen > nach Steuer verbleibt. Die 100 % auf Kapitalisierung mögen auf den > ersten Blick hoch erscheinen. Man muss sich aber klar machen, dass > einmal von einer Person kapitalisiertes Vermögen bis zum Lebensende > steuerfrei in der kapitalisierten Sphäre verbleiben kann, die Steuer auf > Gewinne aber jährlich erfolgt. Gehen wir mal von einer > gesellschaftlichen Durchschnittsrendite von 5 % im Jahr aus, haben wir > folgende Konstellation: Heute verbleiben 2,5 % Rendite auf 100 % des > Kapitals pro Jahr nach Steuern auf die Rendite, in meinem Modell > verbleiben 5 % steuerfreie Rendite auf das durch die > Kapitalisierungssteuer auf 50 % gestutzte Kapital pro Jahr, umgerechnet > also ebenfalls 2,5 % Rendite auf 100 % des Kapitals, faktisch also die > gleiche Besteuerung. > > Es ließe sich jetzt einwenden, dass die Rendite ja aber wieder der > Konsumsteuer unterworfen wird und daher zusätzlich zur potentiell bloß > einmal im Leben auf kapitalisiertes Vermögen abgeführten > Kapitalisierungssteuer eine jährliche Konsumbesteuerung der Rendite > erfolgt, die sie gegenüber heute schmälert. Dazu möchte ich erst einmal > als gelernter Sophist folgende Überlegung anbieten: Was hindert > Rendite-EmpfängerInnen, ihre Rendite ausschließlich für den negativ > besteuerten Grundbedarf auszugeben und sie damit sogar zu verdoppeln? > Hm, was? > > Klar, der Verwertungsdruck. Die Konkurrenz schläft nicht und das Kapital > ist hungrig nach lebendigem Fleisch wie nur sonst ein Zombie. Innerhalb > des Binnenmarkts, also potentiell der EU, wenn man das denn sogar in > Deutschland durchbekäme, herrschen für die Wettbewerber erstmal gleiche > Marktbedingungen. Und das Verhältnis zum Weltmarkt ließe sich mit der > Sozialumsatzsteuer aus dem Dilthey-Modell (vgl. > http://www.psgd.info/templates/1/download/dilthey_modell.pdf ) in den > Griff bekommen. Schließlich ist die EU neben Nordamerika auf dem > höchsten kapitalistischen Entwicklungsstand, agiert global also aus > einer Luxusperspektive. Das hat mich an der ganzen "Standort > Deutschland"-Debatte so unbändig genervt: Es wurde immer so getan, als > wenn der Weltmarkt die Deutschen zum Gürtel-Engerschnallen zwingt, > während faktisch Deutschland als Exportweltmeister und die EU als einer > der globalen Hauptplayer mit einer Gürtel-Enger-Schnallen-Politik vor > allem dem Rest des Weltmarkts das Gürtel-Engerschnallen aufdiktieren. > Die simpelsten Lektionen in Sachen Dialektik wurden vergessen: Wer sich > über die Länge der Supermarktschlange aufregt, sollte im Hinterkopf > behalten, dass er mit seiner Person die Schlange ein Stückchen länger > macht. > > Das Potential einer Kapitalisierungssteuer liegt gesellschaftlich vor > allem darin, vom gewinnorientierten Verwertungswirtschaften fort zu > kommen und zu einem gemeinwohlorientierten Wohlfahrtswirtschaften > überzugehen. Wie gesagt bin ich dafür, Investitionen in gemeinnützige > Vereine mit 0 % Konsumsteuer zu belegen, also steuerfrei zu halten. > Allerdings müsste man sich vermutlich juristisch ein bisschen genauer > überlegen, welche Auflagen man an gemeinnützige Vereine im Detail > stellen muss, um zu verhindern, dass sich das Wolfskapital nicht bloß im > gemeinnützigen Schafspelz gewandet. > > Im Kern bleibt für meine Kapitalisierungssteuer festzuhalten: > Quantitativ verändert sich steuerlich gegenüber der von dir, liebe > Verena, für heute analysierten Steuer auf Gewinne überhaupt nichts. > Allerdings wird das Eigenkapital hälftig gekappt, der Fremdkapitalbedarf > dürfte ansteigen und ein Rückzug aus der kapitalisierten Sphäre wäre > eine Verlustoperation. Zudem wäre eine personengebundene > Kapitalisierungssteuer im Effekt eine Schenkungs- und Erbschaftssteuer > auf kapitalisiertes Vermögen. > > Quintessenz: Gegen eine Kapitalisierungssteuer in Höhe von 100 % spricht > nur das Interesse, die Reichen als Klasse reicher werden zu lassen und > die Armen als Klasse ärmer und ohnmächtiger. Sonst m. E. nichts. > > Nochmal das Thema der Doppelbesteuerung ein bisschen ins Allgemeinere > gedacht: > Ein reines Konsumsteuermodell macht im Vergleich zu heute Knoten im Kopf > und lässt Katzen ihren Schwanz jagen. Da die heutigen Steuern zu einem > großen Teil in der Produktions- und nicht in der Distributionssphäre > erhoben werden, macht ein Übergang zu einer ausschließlich die > Distributionssphäre belastenden Steuer Kopfschmerzen, wie sie sonst nur > Captain Kathryn Janeway bei temporalen Anomalien bekommt. Das hat sich > eben konkret bei der Überlegung ergeben, dass die Kapitalrenditen > einerseits bei der Kapitalisierungssteuer strukturell belastet werden, > andererseits bei der allgemeinen Konsumsteuer erneut immer dann, wenn > sie in irgendeiner Weise ausgegeben werden. Wenn auch anders > strukturiert, ist das heute aber genauso: Vermögen wird erst bei der > Entstehung besteuert, dann aber nach der Kapitalisierung erneut beim > Erwirtschaften von Rendite. Wir haben halt jährliche, also zyklische > Steuern, Wirtschaftskreisläufe, ein ewiges Fließen von Zu- und Abgängen. > Gibt es also wegen der Zyklik strukturell und bei 100 % > Kapitalisierungssteuer auch quantitativ gar keinen Unterschied zwischen > Konsumsteuermodell und dem allgemeinen Durchschnitt des heutigen > Steuerwusts, so treten im Moment der Umstellung vom einen System zum > anderen System Anomalien auf, die für interessierte Kreise speiübel nach > Doppelbesteuerung riechen, weil sie tatsächlich für die Länge eines > Augenzwinkerns eine Doppelbesteuerung darstellen. Betrachten wir das zur > Abwechslung nicht aus der Kapitalperspektive, sondern aus der > Perspektive unserer geliebten Oma mit ihren mühsam sich vom Munde über > Jahrzehnte abgesparten und unter den Geranien vergrabenen sage 10.000 > Euro. Die wurden bei der Entstehung z. B. als Lohnsteuer im > 5-Euro-Putzjob besteuert und haben heute nur noch die 19 % > Mehrwert-/Umsatzsteuer als Staatseingriff zu fürchten und sonst > vielleicht noch Erbschafts- und Schenkungssteuer. Aber unsere Oma wird > sicher 107 Jahre alt und hat da noch ein bisschen Zeit. Nun aber wird > das System auf reine Konsumsteuer umgestellt. Unsere sympathische Omi > ist schwer erschüttert: Weil ihr geliebter Enkel doch so gerne mal eine > Weltreise machen möchte und sie nicht begriffen hat, dass er lieber > trampen als organisiert reisen möchte, wollte sie die 10.000 Euro für > ein Kreuzfahrtticket rausschleudern, dass er just dieses Weihnachten im > ersten Jahr nach der Steuerumstellung unterm Baum vorfinden sollte. Aber > ojemine, Schock, schwere Not: Plötzlich, und unsere an Politik > desinteressierte Omi hat's vorher wirklich nicht mitbekommen, hat der > Staat einfach 300 % Luxussteuer auf Kreuzfahrten gelegt und das Ticket > kostet jetzt fast 40.000 Euro. Dabei hat unsere Omi doch immer brav ihre > Lohnsteuer bezahlt. Wieso bloß tut der Staat das? Wie kann er nur? > Weihnachten wird erst eine Tragödie, dann eine Komödie: In Tränen bricht > Omi aus und erzählt von dem Desaster. Als Geschenk für den Enkel gibt's > bloß warme Socken, nicht die Weltkreuzfahrt. Der aufgeweckte Enkel aber > klärt unsere verzweifelte Omi auf: "Du, ist dir nicht aufgefallen, dass > die meisten Supermarktpreise deutlich billiger geworden sind. Ich möchte > doch sowieso trampen. Überweise mir doch einfach nur die Hälfte der > 10.000 Euro, also 5.000 Euro. Solange ich in Europa trampe, komme ich > damit vier Mal so lange hin wie letztes Jahr mit 10.000 Euro. Und du > kannst ja mit Mama und Papa mit dem restlichen Geld für ein paar > Sommermonate in eine Pension im Schwarzwald ziehen und deiner Wanderlust > nachgehen. Das ist doch genial. Außerdem bekomme ich ja jeden Monat > jetzt wie wir alle auch ein bGE. Eigentlich brauche ich die 5.000 Euro > gar nicht ... aber schaden werden sie auch nicht." Omi braucht ein > Weilchen, bis sie's begriffen hat, aber dann ist Helau und Haleluja, > Umarmung und Heiterkeit. > > Die Geschichte lehrt uns: Ja, bei einer Systemumstellung gibt es auch > Verlierer. Aber wenn damit erkauft wird, dass das neue System allgemein > gerechter ist, dann kann man m. E. damit leben. Ich kann das freilich > leicht sagen. Ich wäre kein Verlierer, höhö. Der bin ich heute. ;o) > > Nochmal anders gewendet: Ich hörte vor einiger Zeit munkeln, dass es > mindestens in der Bremer Finanzverwaltung die Vorstellung gibt, dass die > öffentliche Verschuldung von Ländern und Kommunen und wahrscheinlich > auch dem Bund mittelfristig zu einer Art Schuldenschnitt und/oder > Währungsreform führen muss. Die Finanzkrise hat sogar Schäuble in einen > Abgrund blicken lassen, der so bodenlos war wie sonst nur die > Höllenvorstellung von John Milton. Die Reagonomics haben bis heute zu > internationalen Verwerfungen im monetären Sektor geführt, die gut und > gerne einen world war 3 entfesseln können. Insbesondere das unfassbare > Volumen der US-Außenschuld bei den Chinesen wird selbst die imperiale > Militärmacht vor Herausforderungen stellen, die sich im > Zivilgesellschafts-Gequatsche deutscher Bildungsbürger gleich null > abbildet. Von daher: Lieber eine Umstellung auf bGE und Konsumsteuer mit > Systemumstellungs-Verlierern und der Hoffnung auf eine Stabilisierung > der internationalen Ökonomie als die worst case-Szenarien für die > Eklatierung des Widerspruchs zwischen Produktionsverhältnissen und > Produktivkräften. > > > Zurück zur Konzipierung meines bGE-Modells als Kontrast zum heutigen > Steuerwust: > > Es existieren abgesehen von den fünf genannten keine weiteren Steuern. > Ebenso gibt es keine Sozialabgaben. Das Sozialsystem wird wie das bGE > auf eine Steuerbasis gestellt. > > Die Import-Export-Problematik lasse ich erstmal außen vor. Sie spielt > für inländische Einkünfte erstmal keine Rolle. Vermögensflucht ins > Ausland wird im Zweifelsfall mit einer Steuer in Höhe von meinetwegen > 99,9999 % belastet, so dass nur ein Millionstel des ins Ausland > wandernden Vermögens verbleibt. Ebenso unterlasse ich jegliche Reflexion > auf volkswirtschaftliche Konsequenzen oder rechtliche Hürden für eine > solche Steuerkonzeption. Ich setze beispielsweise voraus, dass es zu > keinen inflationären Effekten kommt. Es geht mir erstmal nur um den > Kontrast zum derzeitigen Steuersystem. > > Die Bruttolohnbetrachtung verwandelt sich in eine globale > Einkommensbetrachtung, weil jegliches Einkommen (also z. B. auch solches > aus Dividendenausschüttung) gleichermaßen von den fünf Anteilen der > Konsumsteuer betroffen ist, wenn auch quantitativ nicht in gleichem > Maße. Nur gespartes Geld kann für den Zeitraum des Sparens der > Konsumsteuer entfliehen. Oder Schwarzmarktgeld, wortwörtlich verbranntes > Geld oder eben in gemeinnützige Vereine investiertes Geld. In > Grundbedarf angelegtes Geld wird sogar subventioniert. > > Als bGE-Höhe veranschlage ich 1.000 Euro pro Monat und pro Person, die > sich, ob legal oder illegal, innerhalb deutscher/europäischer Grenzen > aufhält oder mit legalem deutschen/europäischen > Staatsbürgerschaftsstatus irgendwo sonst in der Welt. Eine > Diskriminierung nach Alter oder sonstigen Kriterien findet nicht statt: > Kinder erhalten genauso viel wie Erwachsene. Bestehende Tarif- und > Arbeitsverträge bleiben von der Einführung des bGE unberührt. > > Desweiteren setze ich voraus, dass der Grundbedarf im gesellschaftlichen > Durchschnitt heute zu aktuellen Preisen bei 750 Euro liegt, der > Normalbedarf im gesellschaftlichen Durchschnitt zwischen 750 Euro und > 3.000 Euro, Luxusbedarf, Kapitalisierung und Investitionen in > gemeinnützige Vereine dadrüber, und zwar nach folgendem > Verteilungsschlüssel: 20 % wird für Luxusbedarf ausgegeben, 60 % wird > kapitalisiert, 20 % wird in gemeinnützige Vereine investiert. Wie > gesagt: Im gesellschaftlichen Schnitt. Der Einzelfall interessiert mich > in diesem Zusammenhang erstmal gar nicht. Zudem sind die Zahlen völlig > frei aus dem Bauch herausgegriffen. > > Was in den Grund-, Normal- und Luxusbedarf fällt, wird inhaltlich > bestimmt. Den Grundbedarf kennzeichnen elementare Bedürfnisse nach > Nahrung, Kleidung, Wohnung, Strom etc. Den Luxusbedarf kennzeichnet > insbesondere der Ressourcenverbrauch, er wird nach ökologischen > Maßstäben bestimmt. > > Wegen der Voraussetzung, dass alle heutigen Preise gleichmäßig mit 50 % > steuerbelastet sind, verwandeln sich die Grenzen zwischen Grund-, > Normal- und Luxusbedarf/Kapitalisierungsbedarf/Investition in > gemeinnützige Vereine zu 375 Euro und 1.500 Euro unabhängig von Steuern. > Wegen der ersten beiden Konsumsteuersätze verwandeln sich die Grenzen zu > 187,50 Euro und 3.000 Euro: Unterhalb der durchschnittlichen > Konsumausgaben in Höhe von 187,50 Euro wird der Grundbedarf zur Hälfte > subventioniert, zwischen 187,50 Euro und 3.000 wird der Normalbedarf > hälftig versteuert, dadrüber nach dem Schlüssel 20/60/20 der Luxusbedarf > zu drei Vierteln versteuert, der Kapitalisierungbedarf hälftig, > Investitionen in gemeinnützige Vereine gar nicht. 20 % * 3 + 60 % * 1 + > 20 % * 0 % = 60 % + 60 % + 0 % = 120 %. Im Effekt werden also die > Gesamtausgaben für Luxus-, Kapitalisierungsbedarf und Investitionen in > gemeinnützige Vereine oberhalb der Durchschnitts-Grenze von 3.000 Euro > mit dem Durchschnitts-Faktor 1,2 versteuert, also wegen 120 % / (100 % + > 120 %) = 120 / 220 = 6 / 11 mit sechs Elfteln steuerlich belastet. Wegen > des bGE in Höhe von 1.000 Euro wiederum verschieben sich die Grenzen in > Bezug auf das Einkommen über bGE um 1.000 Euro zu -822,50 Euro und 2.000 > Euro. Ich setze implizit und sicherlich kontrafaktisch voraus, dass sich > gesamtgesellschaftlich das quantitative Verhältnis zwischen Grund-, > Normal-, Luxus-, Kapitalisierungsbedarf und Investitionen in > gemeinnützige Vereine nach der Systemumstellung (erstmal) nicht > verändert. Diese Verhältniszahlen habe ich mir ohnehin frei von > empirischen Daten aus den Fingern gesogen. > > Aus relativ leicht ersichtlichen Gründen erhalte ich dann als meine > übliche Calc-Formel dies zur Bestimmung der Konsumkraft des jeweiligen > Einkommens nach Steuern und bGE: > > =WENN(B$1*$A3>2000;(B$1*$A3-2000)*5/11+2822,5/2+187,5*2;(B$1*$A3+822,5)/2+187,5*2) > > > [Nachtrag: "Üblich" bezieht sich hier auf vorangegangene Überlegungen > über das Verhältnis von Netto-/Bruttolohn zum tatsächlich im > Portemonnaie verbleibenden Hinzuverdienst nach Verrechnung mit den 50 % > Steuer- und Sozialabgabenlast von dir, liebe Verena, und den > Hartz4-Verrechnungsregeln. Diese Überlegungen habe ich erstmal > rausgekürzt. Calc ist das Tabellenkalkulationsprogramm im > OpenOffice-Paket. Die Syntax dürfte die selbe wie in Excel sein.] > > Vgl. dazu als Ergebnis die angehängten Dateien "94 Tabelle reale > Kaufkraft in Abhängigkeit von Stundenlöhnen bzw entsprechenden > Einkünften in Berts bGE.jpg" und "95 Diagramm reale Kaufkraft in > Abhängigkeit von Stundenlöhnen bzw entsprechenden Einkünften in Berts > bGE.jpg". > > Kurzgefasste Ergebnisdiskussion: Es zeigt sich ein klares, fast lineares > Anreizgefüge zwischen Lohn und Kaufkraft. Da der Grundbedarf durch das > bGE bereits voll abgedeckt ist, steigen alle Graphen am Anfang mit der > Steigung 0,5: Die Hälfte des Einkommens verbleibt im Normalbedarf als > Kaufkraft, die andere Hälfte geht als Konsumsteuer an den Staat. Die > Grenze zwischen Normalbedarf einerseits und Luxus-, > Kapitalisierungsbedarf und Investitionen in gemeinnützige Vereine > andererseits in Höhe von 2.000 Euro über bGE, 3.000 Euro real ist mit > bloßem Auge fast gar nicht zu erkennen. Man muss schon ordentlich an die > jeweiligen Graphen heranzoomen, also z. B. an den hellgrünen > 40-Euro-Stundenlohn-Graphen auf Höhe des 50- > Arbeitsstunden-pro-Monat-Indizes der x-Achse, dann erkennt man einen > leichten Knick nach unten, also eine Steuerprogression. Diese > Geringfügigkeit im Knick ist auch nicht weiter verwunderlich, da der > Unterschied zwischen einer Steigung von 0,5 und 5 / 11 = 0,45 minimal > ist. Anders sähe der Graph freilich aus, wenn man den > Verteilungsschlüssel zwischen Luxus-, Kapitalisierungsbedarf und > Investition in gemeinnützige Vereine bspw. so konzipiert hätte: > 60/30/10. Dann wäre der Knick nach unten deutlicher zu erkennen: 60 % * > 3 + 30 % * 1 + 10 % * 0 = 210 %, also eine Steigung von 10 / 31 ? 0,32. > Genauso, wenn man bei dem 20/60/20-Verteilungsschlüssel z. B. den > Steuersatz für den Luxusbedarf statt mit 300 % mit 750 % angesetzt > hätte: 20 % * 7,5 + 60 % * 1 + 10 % * 0 = 210 %. Sind ja momentan alles > bloß Zahlenspielchen ohne echte volkswirtschaftliche Grundierung. > > Um wieder der Frage nachzugehen, wie viel Lohn ich denn dann brauche, um > eine erwünschte Menge Kaufkraft zu mobilisieren, ergibt sich jetzt aus > relativ leicht ersichtlichen Gründen diese Calc-Formel: > > =WENN(B$1*$A3>2000;((B$1*$A3-2000)*11/5+4000)/$A3;B$1*2) > > Vgl. dazu als Ergebnis die angehängten Dateien "96 Tabelle nöitger > Stundenlohn in Abhängigkeit vom erwünschten Kaufkraftzugewinn pro > Arbeitsstunde in Berts bGE.jpg" und "97 Diagramm nöitger Stundenlohn in > Abhängigkeit vom erwünschten Kaufkraftzugewinn pro Arbeitsstunde in > Berts bGE.jpg". > > Kurzgefasste Ergebnisdiskussion: Der Grundbedarf ist durchs bGE gedeckt. > Da der Normalbedarf mit halber Steuer belastet ist, braucht's einen > Stundenlohn, der doppelt so hoch ist wie der Kaufkraftwunsch. Die Grenze > zwischen Normalbedarf einerseits und Luxus-, Kapitalisierungsbedarf und > Investitionen in gemeinnützige Vereine andererseits in Höhe von 2.000 > Euro über bGE, 3.000 Euro real zeigt sich durch einen leichten Knick > nach oben bei den höheren Kaufkraftsteigerungswunsch-Graphen. Sehr > übersichtlich, sehr fair, alles sleazy. > > Und um nun noch das Verhältnis von Konsumsteuerausgaben und > Kaufkraftzugewinn in Abhängigkeit vom Stundenlohn zu berechnen, ergibt > sich dies als Calc-Formel: > > =WENN(B$1*$A3>2000;((B$1*$A3-2000)*5/11+1776,25)/($A3*B$1);(B$1*$A3+776,25)/($A3*B$1)) > > > Folgende Vereinfachungsüberlegungen stecken in der Formel: Durch das bGE > in Höhe von 1.000 Euro und die hälftige Subventionierung des > Grundbedarfs in Höhe von 187,50 Euro ergibt sich für jedes Einkommen > erstmal eine Staatssubvention in Höhe von 1.187,50 Euro. Der > Normalbedarfsanteil am bGE in Höhe von 822,50 Euro wird aber wieder > hälftig besteuert, also 411,25 Euro wieder abgezogen. Verbleiben 776,25 > Euro steuerfreies bGE als Grundsockel jeden Einkommens. Die steuerfreie > Kaufkraft unterhalb der überschrittenen Grenze zwischen Normalbedarf > einerseits und Luxus-, Kapitalisierungsbedarf und Investitionen in > gemeinnützige Vereine andererseits in Höhe von 2.000 Euro über bGE, > 3.000 Euro real wird wegen der hälftigen Steuer im Normalbedarf einfach > auf 1.000 Euro halbiert. Plus steuerfreiem bGE-Sockel in Höhe von 776,25 > Euro ergibt 1.776,25 Euro. > > Vgl. dazu als Ergebnis die angehängten Dateien "98 Tabelle Anteil der > Konsumkraft am Einkommen im Verhältnis zum Stundenlohn in Berts bGE.jpg" > und "99 Diagramm Anteil der Konsumkraft am Einkommen im Verhältnis zum > Stundenlohn in Berts bGE.jpg". > > Kurzgefasste Ergebnisdiskussion: > Es geht jetzt wieder um die Betrachtungsfrage: Was vom Einkommen geht an > den Staat, was verbleibt im Portemonnaie? Wegen des Grundsockels bGE > kommen die Graphen quasi aus dem Himmel. Niedrige Einkommen haben wegen > des bGE wesentlich mehr als 100 % ihres Einkommens zur Verfügung, sind > also Profiteure einer negativen Einkommenssteuer namens bGE. Hohe > Einkommen purzeln aber vom Himmel der Nettoempfängerwelt ins Jammertal > der Nettozahlerwelt unterhalb von 100 %. Höhere Einkommen sind dabei > stärker belastet, es herrscht allgemein Steuerprogression. Diese ergibt > sich inhaltlich vor allem aus der höheren Luxuskonsumsteuer. Für das > abgebildete Mittelschichtssegment bis 40 Euro Stundenlohn bleibt die > gesamte Steuerlast bei Vollzeitarbeit von 170 Stunden pro Monat knapp > unterhalb von 40 %, gut 60 % verbleiben im Portemonnaie. Da die > Progression aber das gesamte Steuersystem nach den gewählten > Voraussetzungen durchdringt, gilt: Je höher das Einkommen ist, desto > höher die prozentuale Steuerbelastung. Mit anderen Worten: Starke > Schultern tragen relativ mehr als schwache Schultern. Da die Kosten für > das bGE dazu führen werden, dass die Staatsquote deutlich über 50 % > steigen muss, stellt sich also erstmal die Frage, wann wird die 50 > %-Marke geknackt, wann die 40 %-Marke etc.? Es gilt dabei folgende Formel: > > Anteil der Konsumkraft am Monatseinkommen = ((Monatseinkommen -- 2.000 > Euro) * 5 / 11 + 1.776,25 Euro) / Monatseinkommen = (Monatseinkommen * 5 > / 11 -- 2.000 Euro * 5 / 11 + 1.776,25 Euro) / Monatseinkommen ? > (Monatseinkommen * 5 / 11 -- 909,09 Euro +1.776,25 Euro) / > Monatseinkommen = (Monatseinkommen * 5 / 11 + 867,16 Euro) / > Monatseinkommen > > Das überfordert zwar meine aktuellen Mathematik-Künste, nicht aber die > meines Taschenrechners. Mein TI-89 löst das so zur Umstellung nach > Monatseinkommen auf: > > ? Monatseinkommen = 9.637,76 Euro / (11 * Anteil der Konsumkraft am > Monatseinkommen - 5) > > Ich vertraue meinem TI-89 zwar eh, aber Kontrolle ist besser und siehe > da: die Probe kommt hin. Grenzwertbetrachtungen führen zum Ergebnis, > dass sich die Steuerprogression in dieser Formel asymptotisch an den > Wert 5 / 11 = 0,45 anschmiegt. Das ist ja quasi eh klar, wenn man drüber > nachdenkt, weil die Kaufkraftzusammensetzung in Höhe von fünf Elfteln > für Luxus-/Kapitalisierungs-/Gemeinnützigkeitsbedarf nach Voraussetzung > bei steigendem Einkommen immer gewichtiger gegenüber der > Kaufkraftzusammensetzung in Höhe von 50 % für den Normalbedarf wird. Mit > anderen Worten: Faktisch fällt die Kaufkraft im Verhältnis zum Einkommen > im vorausgesetzten Szenario niemals unter etwa 45,5 %, die Steuerlast > steigt also niemals über etwa 54,5 %. > > Setzen wir ein paar hohe Werte unterhalb des Grenzwerts in obige Formel, > ergibt sich: > > Ein Monatseinkommen von 19.275,52 Euro zahlt 50 % Steuern, ein > Monatseinkommen von 24.712,21 Euro zahlt 51 % Steuern, eines von > 34.420,57 Euro zahlt 52 % Steuern, eines von 56.692.71 zahlt 53 % > Steuern, eines von 160.629,33 Euro zahlt 54 % Steuern. > > Ob das zur Gegenfinanzierung eines bGE reicht? Vielleicht, weil 4 % > oberhalb der heutigen Staatsquote in Höhe von fast 50 % auf 160.629,33 > immerhin 6.425,17 Euro ausmacht, also fast 6,5 Leuten das bGE bezahlt. > Es gibt ganz gewiss wesentlich höhere Einkommen, die entsprechend für > mehr Personen das bGE gegenfinanzieren könnten. Zudem sinkt ja die > allgemeine Staatsquote jenseits des bGE, weil viele Kosten im Feld der > Sozialen Sicherung durch ein bGE überflüssig werden. Aber um das im > Ernst beurteilen zu können, bedarf es exakterer Daten. Mir ging's jetzt > erstmal nur um eine anschauliche Freihandskizze. Außerdem führt die > Systemumstellung ohnehin zu einer so großen Zäsur in allen möglichen > gesellschaftlichen Feldern, dass eine Prognose schwierig ist und die > Gegenfinanzierung lieber zu großzügig als zu zaghaft ausgelegt werden > sollte. Klar jedenfalls ist: Ein bGE ohne Gegenfinanzierung über die > hohen und extrem hohen Einkommen wäre Irrsinn, nämlich eine bloße > Umverteilung innerhalb der ärmeren und Mittelschichts-Einkommen, wie > Hartz4 es bereits heute faktisch darstellt. > > > Da die ganze bGE-Darstellung ja nur ein Spielen mit mehr oder weniger > plausiblen Voraussetzungen war, will ich noch einmal grundsätzlich > rekapitulieren, was für die Konstruktion konkreter Zahlen in meinem > bGE-Konzept zu bedenken ist. Zur Illustrierung gehe ich dabei der > Einfachheit halber von einer Gesamtpopulation von 100.000.000 Menschen > aus, die dem skizzierten Steuersystem unterworfen ist, sowie von einem > Gesamteinkommen dieser Population in Höhe von 2,4 Bil. Euro im Jahr, > also 200 Mrd. Euro im Monat. > > Es gibt 7 grundsätzliche Faktoren, die zu beachten sind: > > a. Das bGE: Es stellt eine Staatssubvention für jeden und deshalb in > hohem Gesamtvolumen dar. Es bedarf der Gegenfinanzierung. Für > 100.000.000 Menschen wären im skizzierten Konzept 100 Mrd. Euro pro > Monat nötig, also die Hälfte des postulierten Gesamteinkommens. > > b. Konsumsteuersatz "Grundbedarf": Da ich diesen negativ konzipiert > habe, stellt auch er eine Subvention in durchaus beträchtlichem Ausmaß > dar, der einer Gegenfinanzierung bedarf. Den Grundbedarf negativ zu > besteuern halte ich politisch für sinnvoll. Da der Grundbedarf nach > Voraussetzung voll durch das bGE gedeckt ist, fällt diese Subvention > wieder für alle vom Steuersystem Betroffenen an. Für 100.000.000 > Menschen wären im skizzierten Konzept 18,75 Mrd. Euro pro Monat als > Subventionsvolumen nötig, also noch einmal 9,375 % des postulierten > Gesamtvermögens. > > c. sonstiger Verbrauch des Staats und der Sozialsysteme: Ich habe mir > mal > https://www.destatis.de/DE/ZahlenFakten/GesellschaftStaat/OeffentlicheFinanzenSteuern/OeffentlicheFinanzen/AusgabenEinnahmen/Tabellen/AusgabenausgewaehlteAufgabenbereiche.html > > und > http://www.bmas.de/SharedDocs/Downloads/DE/PDF-Publikationen/a230-09-sozialbudget-2009.pdf?__blob=publicationFile > angeschaut, ein wenig gegrübelt und setze mal vage und um die Endzahl > rund zu machen 51,25 Mrd. Euro pro Monat, also 615 Mrd. Euro im Jahr für > den restlichen Staatskonsum an. Ich postuliere also etwa so etwas: Von > den 626,162 Mrd. Euro, die der deutsche Staat 2010 für "Soziale > Sicherung" ausgegeben hat, werden durch das bGE etwa 490 Mrd. entbehrlich. > > > Wir sind dann insgesamt mit a., b. und c. bei 170 Mrd. Euro Staatsbedarf > pro Monat, 2,04 Brd. Euro im Jahr, bzw. bei einer Staatsquote am > postulierten Gesamteinkommen in Höhe von 85 %. Das ist viel. > > Kleine Zwischenüberlegung zu Art 14(2) GG: "Eigentum verpflichtet. Sein > Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen." Ich bin mir > nicht sicher, ob's richtig ist, und gerade auch zu faul, es zu > recherchieren. Ich habe mal gehört, dass es ein BVerfG-Urteil gibt, das > aus dieser Formulierung eine Besteuerung auf jegliches Einkommen in Höhe > von 50 % als Maximalgrenze fordert. Die Auslegung des Wortes "zugleich" > sei demnach "zu gleichen Anteilen", daher 50 % maximal. Wie gesagt: Ich > weiß nicht, ob's stimmt. Falls es stimmt, ist es aus der Sicht von allen > bGE-Verfechtern notwendig, dieses BVerfG-Urteil offensiv anzugreifen. > Denn ein bGE gleich welcher Bauart ist ganz sicher nicht ohne eine > Staatsquote von über 50 % zu haben. Ich finde einen solchen Angriff > inhaltlich auch einfacher als Schnürsenkelbinden: Das Wort "zugleich" > meint zeitliche Gleichheit, nicht wertmäßige. Falls es so ein > BVerfG-Urteil tatsächlich gibt, ist es ein politisches Urteil ohne jedes > Gefühl für die deutsche Sprache. Von daher gehen 85 % erstmal in > Ordnung. Wenigstens liege ich nicht über 100 %. ;o) > > Jetzt geht's von den Staatsausgaben fort und zu den Staatseinnahmen: > > d. Konsumsteuersatz "Normalbedarf": Diesen hatte ich mit 100 % > konzipiert. Pi mal Daumen wäre das keine Veränderung gegenüber heute. > Setzt man ihn höher an, belastet man arme und mittlere > Einkommensgruppen. Das scheint mir politisch nicht angeraten. Dieser > Konsumsteuersatz stellt eine Finanzierung des Staats à la "die Masse > macht's" in beträchtlichem Ausmaß dar, die ich aber gerade nur vage > eingrenzen kann. Ich hatte für den Bereich zwischen Normalbedarf und > Luxus-/Kapitalisierungs-/Gemeinnützigkeitsbedarf eine Spanne von > 2.822,50 Euro pro Person postuliert, wovon 822,50 durch das bGE für > jeden abgedeckt ist. Die Hälfte davon fließt dem Staat zu, also > irgendwas zwischen 411,25 Euro und 1.411,25 Euro pro Person. Die obere > Grenze hochgerechnet auf die 100.000.000 Menschen unserer > Gesamtpopulation, wären das also 114,125 Mrd. Euro pro Monat. Durch das > bGE ragen alle Personen in diesen Bereich des Normalbedarfs auf jeden > Fall zu einem guten Viertel rein, füllen ihn aber deshalb nicht > notwendig bis zur Grenze aus. Ich postuliere deshalb mal vage, dass eine > gute Hälfte der 114,125 Mrd. Euro tatsächlich dem Staat zufließt: sagen > wir 70 Mrd. Euro pro Monat. > > e. Konsumsteuersatz "Luxusbedarf": Diesen hatte ich mit 300 % > konzipiert. Hier kann der Staat zwar nicht in der Masse, aber in der > Spitze eine Menge absahnen. Dies erscheint mir politisch aus zwei > Gründen sinnvoll bis notwendig geboten: 1. Aus demokratietheoretischen > Gründen und Gerechtigkeitsüberlegungen bedarf es einer Umverteilung von > oben nach unten. 2. Außerdem blitzt die Möglichkeit von Ökokatastrophen > immer vehementer auf. Es bedarf daher eines schonenden Umgangs mit > Ressourcen. Beide Gründe zusammen geben eine gute Argumentation für eine > hohe Besteuerung von ressourcenaufwändigem Luxusbedarf ab. Da ich in > meiner Einkommenssituation eh keinen Anteil an diesem Luxusbedarf habe, > könnten die 300 % meinetwegen auch auf eine Mrd. % erhöht werden. Das > sehen andere Menschen aber sicherlich anders. Dennoch sehe ich innerhalb > der 7 hier skizzierten Faktoren grundsätzlich im Faktor "Luxusbedarf" am > ehesten die Möglichkeit, flexibel zu agieren und > Gegenfinanzierungslücken auszugleichen. Innerhalb des Gestrüpps meiner > Postulate ergibt sich das Volumen, das dem Staat durch e. und f. > zufließt, notwendig: 200 Mrd. Euro pro Monat waren das Gesamteinkommen > der Population, 170 Mrd. Euro pro Monat legt der Staat obendrauf, die er > allerdings auch irgendwo herbekommen muss. Von diesen 370 Mrd. Euro pro > Monat wurden nach den Überlegungen in b. und d. 37,5 Mrd. Euro pro Monat > für den Grundbedarf ausgegeben und 140 Mrd. Euro pro Monat für den > Normalbedarf, insgesamt also bereits 177,5 Mrd. Euro. Verbleiben also > 192,5 Mrd. pro Monat für die nach dem Schlüssel 20/60/20 angeordneten > Faktoren e., f. und g. 20 % von 192,5 Mrd. Euro sind 38,5 Mrd. Euro. > Diese werden nach Postulat mit drei Vierteln vom Staat eingezogen, gehen > dem Staat also in Höhe von 28,875 Mrd. Euro pro Monat zu. > > f. Konsumsteuersatz "Kapitalisierungsbedarf": Diesen hatte ich mit 100 % > konzipiert. Pi mal Daumen wäre das keine Veränderung gegenüber heute. > Wenn man mehr will, legt man sich noch zusätzlich zu der bGE-Kampfansage > im Ernst mit dem Kapital an. Und das will ja letztlich doch niemand, > oder? Die Revolutionäre, für die die Zeit schon vorgestern reif war, > sind mindestens hierzulande einfach drastisch zu schwach. Die > verschiedenen Fraktionen der Sozialdemokratie wissen sehr genau, mit was > für einer Bestie sie es zu tun haben, und lecken Speichel, ducken sich > weg oder werden öffentlich gemobbt und gedemütigt. Anderswo in der Welt > auch einfach gefoltert, ermordet, verscharrt. Die Humanisten denken > anscheinend, dass dem Kapital mit höflichem Bitten beizukommen sei. Das > finde ich angesichts der weltfremden Menschenfreundlichkeit sowohl > sympathisch als auch albern bis lächerlich. Aber gut: Nehmen wir an, > dass man dem Gros der Bevölkerung wirklich klar machen kann, wie toll > ein bGE vielleicht nicht für alle, aber für die allerallermeisten wäre, > dann gäbe es vielleicht Spielraum nach oben, 150 %, 200 %, falls die > Gesamtgesellschaft tatsächlich bereit ist, zu gemeinnützigem > Wohlfahrtswirtschaften überzugehen, perspektivisch vielleich auch eine > Mrd. %. Nach unten zu gehen, wäre wieder Irrsinn, weil eine Umverteilung > von oben nach unten aus vielerlei Gründen zwingend ist, der umgekehrte > Pfad in die eine, die andere oder gleich ganz viele Katastrophen auf > einmal führen wird. Aus den Überlegungen in e. ist klar, dass es > innerhalb meiner Postulate um 60 % von 192,5 Mrd. Euro pro Monat geht, > also um 115,5 Mrd. Euro pro Monat. Hälftig geht das nach Postulat an den > Staat: Wären 67,75 Mrd. Euro pro Monat. > > g. Konsumsteuersatz "gemeinnützige Vereine": Den hatte ich mit 0 %, also > Steuerfreiheit angesetzt. Das ist sicherlich auch erstmal sinnvoll so. > Geht die Gesellschaft allerdings in drastischem Ausmaß zu einem > gemeinnützigen Wohlfahrtswirtschaften über, lässt sich das bGE unter > Umständen nicht finanzieren und die Gemeinnützigkeit gleicht das > Wegbröckeln der Steuerbasis vielleicht inhaltlich nicht aus. Es bedarf > also eher inhaltlich-politischer Steuerung dieses Sektors. Ich hatte > beispielsweise schon darüber nachgedacht, dass man dem Kapital verbieten > muss, sich das Schafspelz "Gemeinnützigkeit" bloß überzustülpen. > Wesentlicher aber wird mit der Perspektive einer Wohlfahrtswirtschaft > die Frage der gesamtgesellschaftlichen Vernunft. Im Rahmen der > Mailingliste hatte ich daher schon zweimal auf die Idee einer > vermittelnden App namens "Planwirtschaft 2.0" hingewiesen. Grundsätzlich > könnte man zwar auch gemeinnützige Vereine besteuern. Aber will das > irgendjemand im Ernst? Ich sehe keinen guten Grund dafür. > Subventionierung wäre unter Umständen eher eine Perspektive, aber > darüber möchte ich gerade nicht nachgrübeln. Dieser Sektor ist > steuerlich also nach meinen Postulaten neutral, dem Staat fließt nichts > zu oder ab. > > Gesamtrechnung des Staats: a., b. und c. hatten einen Finanzbedarf des > Staates in Höhe von 170 Mrd. Euro pro Monat, 2,04 Brd. Euro im Jahr > ergeben. d., e. und f. hatten demgegenüber einen Steuerertrag von 70 > Mrd. Euro, 28,875 Mrd. Euro und 67,75 Mrd. Euro pro Monat, insgesamt > also 166,625 Mrd. Euro pro Monat bzw. 1.999,5 Mrd. Euro pro Jahr > ergeben. Bleibt also eine Finanzierungslücke von 40,5 Mrd. Euro pro > Jahr. Gut, das ist nicht viel mehr als 10 % der heutigen > Nettokreditaufnahme in Höhe von etwa 300 Mrd. Euro pro Jahr. Aber > angesichts dessen, dass kein Kleinbürger ein Interesse daran haben kann, > den Großbürgern über den Umweg der Staatsverschuldung eine Rente zu > zahlen, und, wichtiger, angesichts der unkalkulierbaren Folgen eines bGE > und einer drastischen Steuerumstellung insbesondere auf das Verhältnis > von Kapital und Arbeit, bin ich dann doch unzufrieden. Da es aber keinen > Sinn macht, dieses von den realen volkswirtschaftlichen Gegebenheiten > relativ großzügig abstrahierende Zahlenbeispiel weiter zu verfolgen, > möchte ich nur allgemein meine Meinung sagen: Ein an den konkreten > heutigen Zahlen geerdetes Zahlenmodell sollte m. E. möglichst 250 bis > 500 Mrd. Euro Spielraum für den Staat pro Jahr bereithalten. Ich habe > klargestellt, dass ich teilweise mit sehr vagen, teilweise mit völlig > spekulativen Zahlen arbeite und wo ich Spielräume sehe. Ob ich mir > diesen Krempel für mich überlege, ist ohnehin komplett unerheblich. > Wesentlich wäre eine gesamtgesellschaftliche Diskussion darüber, was wir > uns vorstellen können, dass wir tun könnten, um dann im nächsten Schritt > auch wirklich zu tun, was uns als Tun möglich und wünschenswert > erscheint. Oder auch nur wünschenswert, wenn auch vielleicht nicht > weniger unmöglich als die Wirklichkeit. > > > > > _______________________________________________ > Debatte-Grundeinkommen Mailingliste > JPBerlin - Politischer Provider > Debatte-Grundeinkommen at listen.grundeinkommen.de > https://listi.jpberlin.de/mailman/listinfo/debatte-grundeinkommen > From eusidee at web.de Wed Sep 17 11:46:23 2014 From: eusidee at web.de (Ernst Ullrich Schultz) Date: Wed, 17 Sep 2014 11:46:23 +0200 Subject: [Debatte-Grundeinkommen] Theorien und Wirklichkeit Message-ID: <000001cfd25c$3e0f5490$ba2dfdb0$@de> Liebe MitstreiterInnen, ich möchte die Diskussion gern einmal wegleiten von Theorien und Steuerfragen. Wenn wir uns in Europa und auch in anderen Ländern die Situation anschauen, so ist zum Thema Arbeit in jüngster Zeit fast unbemerkt Neues zu entdecken: Jemand hat neulich ausgerechnet, dass freiwillige, ehrenamtliche Arbeit in Deutschland in Stunden berechnet die Erwerbsarbeit inzwischen übersteigt! Wenn wir noch Hausarbeit, Selbstmontage (zB. IKEA), Nachbarschaftshilfe und sog. Schwarzarbeit rechnen, dann macht die in abhängigen Verhältnissen geleistete Arbeit nur noch ein Bruchteil aus. Thema Konsum: Auch hier vollzieht sich ein Bewusstseinswandel – Fairer Handel, biologische, nachhaltige Landwirtschaft und Fragen danach, wie Konsumgüter produziert werden, kommen immer mehr auf. Die Eigentumsfrage: Da sind nicht nur die vielen Initiativen zur gemeinschaftlichen Nutzung von Gütern zB. Carsharing genannt, es gibt zahlreichen landwirtschaftliche und andere Betriebe, an der die Konsumenten direkt beteiligt sind. Das Genossenschaftswesen erlebt einen großen Aufschwung. Ökologische Banken haben zweistellige Wachstumsraten. Ich möchte hier keine „Heile Welt“ Ansicht produzieren, nur darauf hinweisen, dass es wichtig ist, die Zivilgesellschaft zu stärken, um den Raubtierkapitalismus und die verkrusteten staatlichen, politischen und gewerkschaftlichen Strukturen zu brechen. Und ich möchte auch nachdrücklich darauf hinweisen, dass wir in unserer eigenen Lebenswelt mit positiven Veränderungen anfangen sollten. Ich bin gerade dabei, ein Buch zu schreiben, eine gesellschaftliche Utopie, in der das Geld vollständig abgeschafft wurde. Nur, um die Phantasie einmal anzuregen. Bei Interesse schicke ich vorab die ersten Kapitel. Mein Wunsch wäre, das bedingungslose Grundeinkommen als ein Grundpfeiler der Zivilgesellschaft zu implementieren, In diesem Sinne grüßt Ernst Ullrich Schultz eus Ernst Ullrich Schultz Matthiesgarten 16 22395 Hamburg 040 604 97 30 -------------- nächster Teil -------------- Ein Dateianhang mit HTML-Daten wurde abgetrennt... URL: From jens.kasten at gmx.com Wed Sep 17 14:09:18 2014 From: jens.kasten at gmx.com (Jens Kasten) Date: Wed, 17 Sep 2014 14:09:18 +0200 Subject: [Debatte-Grundeinkommen] Antwort an Jens Kasten In-Reply-To: <5415F48E.1080602@web.de> References: <5415F48E.1080602@web.de> Message-ID: Ein Dateianhang mit HTML-Daten wurde abgetrennt... URL: From wube at gmx.net Thu Sep 18 03:43:06 2014 From: wube at gmx.net (willi uebelherr) Date: Wed, 17 Sep 2014 20:43:06 -0500 Subject: [Debatte-Grundeinkommen] Theorien und Wirklichkeit In-Reply-To: <000001cfd25c$3e0f5490$ba2dfdb0$@de> References: <000001cfd25c$3e0f5490$ba2dfdb0$@de> Message-ID: <541A38AA.9010805@gmx.net> Lieber ernst Ulrich, das war eine phantastische mitteilung. Ich sehe dies genauso. Und nicht nur aus "theoretischen ueberlegungen", sondern aus meiner praktischen lebenserfahrung. Das war auch die grundlage, warum ich Bert darauf hingewiesen habe, dass in seiner modellbildung das wesentliche fehlt: die menschen. Ich danke dir sehr fuer deine mail und erwarte hoffnungsvoll deine ersten entwuerfe deines buches. Die beschreibung unserer visionen. Dann, und nur dann, koennen wir uns gedanken machen, wie wir dorthin kommen. Vorher geht das nicht. Wir muessen vorher wissen, in welche richtung wir uns auf den weg machen. Sonst verirren wir uns. Und wenn dein buch fertig ist, dann moechte ich es mit meinen freunden ins spanische uebersetzen. Wir haben hier die gleichen aufgaben. mit lieben gruessen, willi Esperanza, Ibarra, Ecuador Am 17/09/2014 um 4:46 schrieb Ernst Ullrich Schultz: > Liebe MitstreiterInnen, > > ich möchte die Diskussion gern einmal wegleiten von Theorien und > Steuerfragen. Wenn wir uns in Europa und auch in anderen Ländern die > Situation anschauen, so ist zum Thema Arbeit in jüngster Zeit fast unbemerkt > Neues zu entdecken: > > > > Jemand hat neulich ausgerechnet, dass freiwillige, ehrenamtliche Arbeit in > Deutschland in Stunden berechnet die Erwerbsarbeit inzwischen übersteigt! > Wenn wir noch Hausarbeit, Selbstmontage (zB. IKEA), Nachbarschaftshilfe und > sog. Schwarzarbeit rechnen, dann macht die in abhängigen Verhältnissen > geleistete Arbeit nur noch ein Bruchteil aus. > > > > Thema Konsum: Auch hier vollzieht sich ein Bewusstseinswandel ? Fairer > Handel, biologische, nachhaltige Landwirtschaft und Fragen danach, wie > Konsumgüter produziert werden, kommen immer mehr auf. > > > > Die Eigentumsfrage: Da sind nicht nur die vielen Initiativen zur > gemeinschaftlichen Nutzung von Gütern zB. Carsharing genannt, es gibt > zahlreichen landwirtschaftliche und andere Betriebe, an der die Konsumenten > direkt beteiligt sind. Das Genossenschaftswesen erlebt einen großen > Aufschwung. Ökologische Banken haben zweistellige Wachstumsraten. > > > > Ich möchte hier keine ?Heile Welt? Ansicht produzieren, nur darauf > hinweisen, dass es wichtig ist, die Zivilgesellschaft zu stärken, um den > Raubtierkapitalismus und die verkrusteten staatlichen, politischen und > gewerkschaftlichen Strukturen zu brechen. Und ich möchte auch nachdrücklich > darauf hinweisen, dass wir in unserer eigenen Lebenswelt mit positiven > Veränderungen anfangen sollten. > > Ich bin gerade dabei, ein Buch zu schreiben, eine gesellschaftliche Utopie, > in der das Geld vollständig abgeschafft wurde. Nur, um die Phantasie einmal > anzuregen. Bei Interesse schicke ich vorab die ersten Kapitel. > > > > Mein Wunsch wäre, das bedingungslose Grundeinkommen als ein Grundpfeiler der > Zivilgesellschaft zu implementieren, > > In diesem Sinne grüßt > > Ernst Ullrich Schultz > > > > eus Ernst Ullrich Schultz Matthiesgarten 16 22395 Hamburg 040 604 97 30 > > > > > > > _______________________________________________ > Debatte-Grundeinkommen Mailingliste > JPBerlin - Politischer Provider > Debatte-Grundeinkommen at listen.grundeinkommen.de > https://listi.jpberlin.de/mailman/listinfo/debatte-grundeinkommen > From jochentittel at web.de Fri Sep 19 11:43:04 2014 From: jochentittel at web.de (Jochen Tittel) Date: Fri, 19 Sep 2014 11:43:04 +0200 Subject: [Debatte-Grundeinkommen] an Jens Kasten Message-ID: <541BFAA8.9000103@web.de> Lieber Jens, mir geht es leider mit Deinen Antworten ganz ähnlich, wie Dir mit meiner bzw. Brodbecks. Du möchtest kurze und prägnante Antworten, selbst schreibst Du aber lange Texte, bei denen ich mir nie richtig klar werde, wozu eigentlich. Deine Behauptung, Marx habe die Natur des Kapitals nicht verstanden, halte ich schon für ziemlich anmaßend und die nachfolgende Erläuterung für äußerst unklar. Wenn Du schreibst: "Kapital ist ein Verhältnis und nicht eine Sache, so wie Marx schrieb.", soll das nun heißen, Marx hätte das Kapital als eine Sache beschrieben, oder gerade das Gegenteil? Erstere Behauptung ist mit Sicherheit falsch. Wenn Du davor schreibst: "Kapital ist alles, für das die Nachfrage größer ist als das Angebot ausgedrückt im Tauschverhältnis auch ohne Geld", so setzt das doch eine Gesellschaft von konkurrierenden Privateigentümern voraus. Ohne diese Voraussetzungen ist auch etwas wofür die Nachfrage größer als das Angebot ist, kein Kapital. Ich will sicher niemanden zwingen, sich mit Marx zu befassen, aber wenn man sich mit ökonomischen Sachverhalten beschäftigt, ist es doch sinnvoll, nicht jedes mal bei Null anzufangen und also sich einen Überblick darüber zu verschaffen, was denn die Menschen sich bisher schon dazu für Gedanken gemacht haben. Und da, denke ich, geht kein Weg an Marx vorbei. Allerdings ist es eben nicht so einfach mit dem "richtigen" Verständnis der Marxschen Schriften.Es gibt sehr unterschiedliche Marx-Interpretationen und die ernsthaften führen auch Belege für ihre Auslegung an. Du meinst: "Wenn Geld kein Ding ist, dann muss man das auch auf weniger als 3 Seiten irgendwie rüberbringen können." Klar kann man das; es reichen ein paar Sätze, um das zu erläutern. Aber in der Regel stellt man fest, daß danach weitere Fragen auftauchen und es noch mehr zu sagen gibt. Um klar zu machen, daß Geld kein Ding ist brauchst Du Dir nur z.B. die Erde so vorzustellen, wie sie jetzt ist, nur mit dem Unterschied, daß nur ein Mensch auf ihr lebt. Meinst Du, es gäbe Geld in dieser Welt? Es gibt zwar Münzen und bedruckte Papierzettel und Zahlenkolonnen in Computerspeichern, aber das ist kein Geld. Es ist doch sofort klar, daß Geld ein Verhältnis zwischen Menschen ist. Und bei näherem Hinsehen wird noch mehr klar; es ist ein Verhältnis zwischen Menschen, die bestimmte Vorstellungen gemeinsam haben - eben Eigentum und das cartesianische Ego usw. Ohne diese Vorstellungen gibt es auch kein Geld. Du argumentierst lang und breit, daß es ohne Geld nicht mehr geht (so interpretiere ich das) und dann fragst Du, wieso Brodbeck behauptet, daß Geld nicht abgeschafft werden kann. Im Grunde aus genau diesen Gründen, nur daß er seine Ansichten dazu gründlicher und umfassender begründet. Daß es Naturvölker ohne Geldverwendung nicht mehr gibt, stimmt wohl nicht ganz, aber damit ist nichts zu unserer Auseinandersetzung beigetragen. Daß Du in jeder Deiner Mails immer wieder mit Nachdruck Deine Ansichten zum Geld ausbreitest, weil Du Dich von "vielen falschen Gedanken zum Geld" umstellt siehst, kann ich durchaus nachvollziehen, da ich mittlerweile auch über zehn Jahre damit unterwegs bin. Aber wenn sich herausstellt, daß meine Argumentation bei den Menschen (bei den meisten) nicht ankommt, hilft es nicht, immer wieder auf die gleiche Weise das gleiche zu sagen. Ich muß mir überlegen, weshalb ich nichts erreiche und wie ich etwas verändern kann, um weiter zu kommen. Für mich ist gleich am Anfang meiner Bekanntschaft mit den Gesellschen Gedanken klar gewesen, daß Gesell ein genialer Praktiker, aber kein Theoretiker ist, deshalb kann ich für seine Reformgedanken eintreten, ohne andere theoretische Überlegungen zu ignorieren. Dabei ist für mich - für mein Verständnis des Sachverhalts - die Lektüre verschiedener Marx-Interpretationen, von Brodbeck, David Graeber, Charles Eisenstein u.a. ein Gewinn. Deshalb gebe ich hin und wieder Hinweise auf solche Literatur. Was besonders Brodbeck angeht, so hatte ich auch schon darauf hingewiesen, daß von ihm im Internet auch kürzere Texte zu finden sind. In Deiner Mail finde ich eine Vielzahl von Ansatzpunkten, über die wir uns noch genauer austauschen können. Etwa über die Funktionsweise des Banken-Systems finde ich die Argumentation von Helmut Creutz einer weiteren Diskussion wert. Aber für heute will ich es nicht weiter ausdehnen. Mit herzlichem Gruß Jochen From wube at gmx.net Sun Sep 21 06:31:55 2014 From: wube at gmx.net (willi uebelherr) Date: Sat, 20 Sep 2014 23:31:55 -0500 Subject: [Debatte-Grundeinkommen] Theorien und Wirklichkeit In-Reply-To: <541A38AA.9010805@gmx.net> References: <000001cfd25c$3e0f5490$ba2dfdb0$@de> <541A38AA.9010805@gmx.net> Message-ID: <541E54BB.4090400@gmx.net> Liebe Freunde, ich nehme den thread-Titel von Ulrich, um mich in die kurze Debatte von Jens und Jochen einzumischen. Ich hoffe, ihr beiden seid mir deswegen nicht boese. Aber der Titel passt einfach extrem gut fuer diese Diskussion. Unabhaengig von unseren Vorstellungen ueber das Geldsystem gibt es fuer mch zwei wichtige Grundlagen fuer eine neue, gerechte Welt: *) Die Aufloesung des Privateigentums an gemeinschaftlichen Ressourcen. Das ist fuer mich eine Grundvorraussetzung, um "die bedingungslose Existenzsicherung aller Menschen" realisieren zu koennen. Das bGE, so wie es teilweise heute diskutiert wird, reduziert den Blick auf die gegebene Situation. Das ist unter vielen Gesichtspunkten korrekt und notwendig. Aber eine wirkliche Ueberwindung der Ungleichheit und der sozialen Diskriminierung wird damit nicht erreicht. Aber es kann unsere Handlungs - Bedingungen in der naechsten Zeit wesentlich verbessern. *) Individueller Reichtum ist immer Raub an der Gemeinschaft. Damit koennen wir sagen, dass jede Person, die individuell ueber monetaeren Reichtum verfuegt, es gibt ja noch viele andere Reichtumsformen, einE RaeuberIn an der Gemeinschaft ist. Das ist auch meine Antwort zur "Neid-Debatte" in dieser Liste. Aus unseren ethischen Grundlagen, die uns zum bGE fuehren, folgt eigentlich notwendig: Alle Menschen sind gleichwertig. Und daraus folgt: a) alle Menschen sind gleichberechtigt b) alle unsere Taetigkeiten sind gleichwertig, weil wir nur unsere gleichwertige Lebenszeit einbringen. Das hat nun alles nichts mit dem Geldsystem zu tun. Es liegt dahinter. Das Geldsystem koennen wir als Methode begreifen, das es uns vielleicht vereinfacht, Verschiedenes auf der Basis eines abstrakten Wertaequivalents zu tauschen (ich bleibe noch bei dieser Formulierung). Wir muessen nur darauf achten, wie diese Wertabbildung tatsaechlich bestimmt wird und ob sie auf objektiven Grundlagen ruht. Aber dieser Frage hat sich weder Karl Marx noch Silvio Gesell wirklich gestellt. Stattdessen haben sie nur die gegebenen Verfahrensweisen und deren Folgerungen behandelt. Bei Brodbeck weiss ich es noch nicht, weil ich keine Texte, gedruckt oder als Bitfolge, kaufe. Und meine Diskussion mit Herrn Brodbeck habe ich erstmal liegen gelassen. mit lieben gruessen, willi Esperanza, Ibarra, Ecuador siehe: Antwort an Jens Kasten Am 19/09/2014 um 4:43 schrieb Jochen Tittel: Am 17/09/2014 um 7:09 schrieb Jens Kasten: From eusidee at web.de Sun Sep 21 11:38:28 2014 From: eusidee at web.de (Ernst Ullrich Schultz) Date: Sun, 21 Sep 2014 11:38:28 +0200 Subject: [Debatte-Grundeinkommen] Theorien und Wirklichkeit In-Reply-To: <541E54BB.4090400@gmx.net> References: <000001cfd25c$3e0f5490$ba2dfdb0$@de> <541A38AA.9010805@gmx.net> <541E54BB.4090400@gmx.net> Message-ID: <000001cfd57f$ccad0e10$66072a30$@de> Liebe MitstreiterInnen, kurze Einmischung: Geld"wert" kann niemals auf objektiver Grundlage bestimmt werden. Ein Bild von Monet kostet nichts, wenn es in einem öffentlichen Museum hängt, ein Reicher kauft es und erwirbt damit das Recht, es der Menschheit zu entziehen. Mit Geld kauft man Rechte, das ist ganz konkret. Wenn wir in die Zukunft schauen, müssen wir die Rechtverhältnisse ändern, ein Lehensrecht einführen. Geldsysteme a la Gsell taugen da nichts, die mögen in Zeiten einer Mangelwirtschaft dieselbe ankurbeln, für heutige Verhältnisse sind sie ungeeignet. Herzlichst Ullrich -----Ursprüngliche Nachricht----- Von: Debatte-Grundeinkommen [mailto:debatte-grundeinkommen-bounces at listen.grundeinkommen.de] Im Auftrag von willi uebelherr Gesendet: Sonntag, 21. September 2014 06:32 An: debatte-grundeinkommen at listen.grundeinkommen.de Betreff: Re: [Debatte-Grundeinkommen] Theorien und Wirklichkeit Liebe Freunde, ich nehme den thread-Titel von Ulrich, um mich in die kurze Debatte von Jens und Jochen einzumischen. Ich hoffe, ihr beiden seid mir deswegen nicht boese. Aber der Titel passt einfach extrem gut fuer diese Diskussion. Unabhaengig von unseren Vorstellungen ueber das Geldsystem gibt es fuer mch zwei wichtige Grundlagen fuer eine neue, gerechte Welt: *) Die Aufloesung des Privateigentums an gemeinschaftlichen Ressourcen. Das ist fuer mich eine Grundvorraussetzung, um "die bedingungslose Existenzsicherung aller Menschen" realisieren zu koennen. Das bGE, so wie es teilweise heute diskutiert wird, reduziert den Blick auf die gegebene Situation. Das ist unter vielen Gesichtspunkten korrekt und notwendig. Aber eine wirkliche Ueberwindung der Ungleichheit und der sozialen Diskriminierung wird damit nicht erreicht. Aber es kann unsere Handlungs - Bedingungen in der naechsten Zeit wesentlich verbessern. *) Individueller Reichtum ist immer Raub an der Gemeinschaft. Damit koennen wir sagen, dass jede Person, die individuell ueber monetaeren Reichtum verfuegt, es gibt ja noch viele andere Reichtumsformen, einE RaeuberIn an der Gemeinschaft ist. Das ist auch meine Antwort zur "Neid-Debatte" in dieser Liste. Aus unseren ethischen Grundlagen, die uns zum bGE fuehren, folgt eigentlich notwendig: Alle Menschen sind gleichwertig. Und daraus folgt: a) alle Menschen sind gleichberechtigt b) alle unsere Taetigkeiten sind gleichwertig, weil wir nur unsere gleichwertige Lebenszeit einbringen. Das hat nun alles nichts mit dem Geldsystem zu tun. Es liegt dahinter. Das Geldsystem koennen wir als Methode begreifen, das es uns vielleicht vereinfacht, Verschiedenes auf der Basis eines abstrakten Wertaequivalents zu tauschen (ich bleibe noch bei dieser Formulierung). Wir muessen nur darauf achten, wie diese Wertabbildung tatsaechlich bestimmt wird und ob sie auf objektiven Grundlagen ruht. Aber dieser Frage hat sich weder Karl Marx noch Silvio Gesell wirklich gestellt. Stattdessen haben sie nur die gegebenen Verfahrensweisen und deren Folgerungen behandelt. Bei Brodbeck weiss ich es noch nicht, weil ich keine Texte, gedruckt oder als Bitfolge, kaufe. Und meine Diskussion mit Herrn Brodbeck habe ich erstmal liegen gelassen. mit lieben gruessen, willi Esperanza, Ibarra, Ecuador siehe: Antwort an Jens Kasten Am 19/09/2014 um 4:43 schrieb Jochen Tittel: Am 17/09/2014 um 7:09 schrieb Jens Kasten: _______________________________________________ Debatte-Grundeinkommen Mailingliste JPBerlin - Politischer Provider Debatte-Grundeinkommen at listen.grundeinkommen.de https://listi.jpberlin.de/mailman/listinfo/debatte-grundeinkommen From unversoehnt at gmx.de Sun Sep 21 16:36:49 2014 From: unversoehnt at gmx.de (unversoehnt) Date: Sun, 21 Sep 2014 16:36:49 +0200 Subject: [Debatte-Grundeinkommen] nur ein bisschen zu diesem und jenem Message-ID: <541EE281.5030903@gmx.de> Hallo, aus verschiedenen Überlegungen heraus möchte ich mich eher wieder ein wenig aus der Mail-Debatte rausziehen. Aber für die Kommentare zu meinen Texten möchte ich mich bei den betreffenden Personen in jedem Fall bedanken, bei Verena etwas ambivalent auch für die vielen erteilten Hausaufgaben. ;o) Anmerkungen möchte ich gerade inhaltlich nur drei machen: 1. Liebe Verena, deine Formulierung, dass Manna nicht vom Himmel falle, halte ich nicht bloß aus spirituellen Überzeugungen heraus für unrichtig. Spirituelles möchte ich hier erstmal gar nichts verhandeln. Daher simpel naturalistisch: Die Erde wäre schlicht ein Eisklumpen in der Kälte des Alls, wenn unser Stern, die liebe Sonne, uns nicht permanent mit Energie versorgen würde. Alles, was wir in irgendeiner Weise nutzen, sind und leben, ist letztlich das Geschenk dieses Energietransfers. Die Erde selbst entstammt m. W. vermutlich zumindest zum größten Teil ihrer Substanz aus der Sonne. Kosmologisch betrachtet ist es daher Unfug für so etwa-300-Grad-über-absolutem-Temperatur-Nullpunkt-Lebewesen wie uns zu leugnen, dass das vom Himmel qua Sonnenenergie fallende Manna existiert. Innerhalb von Debatten über Arbeit im Besonderen und im Allgemeinen verstehe ich selbstverständlich, was du damit sagen wolltest. Da ich allerdings als Fetischkritiker sehr präzise weiß, dass Mangel mehr mit den psychosozialen Dimensionen der Wertverwertung zu tun hat als mit einem objektiven Problem der Menschen innerhalb ihrer Naturverschlungenheit, bin ich dennoch überaus skeptisch, ob diese Vorstellung wenigstens in ökonomischen Zusammenhängen richtig ist. Sie könnte schlicht Mana der Wertverwertung in unseren Seelen sein, die nahezu undurchdringlichen Schleier einer überproduktiven Mangelwirtschaft. Frei nach Horkheimers und Adornos Dialektik der Aufklärung: "Mana, der bewegende Geist, ist keine Projektion, sondern das Echo der realen Übermacht der [zweiten] Natur in den schwachen Seelen der [Zivilisierten]." (Adorno, GS3, S. 31) 2. Lieber Jens, mir geht es mit deinen Beiträgen ähnlich wie Jochen: Du sagst zwar viel, klärst aber nichts, was mir nicht ohnehin schon klar wäre, sondern verwirrst eher hier und da. In punkto Bodenreform bin ich voll bei Willi: Die Eigentumskategorie ist für'n Arsch, Diebstahl, goldene Handschellen, ein Gefängnis für unsere Gedanken, Gefühle und Geschehnisse. Was für alles Eigentum gilt, gilt selbstverständlich auch für das Eigentum an Boden. Ich verstehe zwar wiederum, dass aus einer reformatorischen Perspektive das Eigentum an Boden vielleicht nochmal ein ganz besonderes Thema sein kann, weil es nämlich bis zum derzeitigen Stand der Produktivkräfte Bedingung der Möglichkeit aller Ernährung ist. Als Stadtkind bin ich da aber strukturell etwas interesselos und weiß aus der Glotze von Versuchen, die Nahrungsproduktion unter vollständig künstlichen Verhältnissen auch auf einigen Etagen von in den Himmel gebauten Wolkenkratzern unterzubringen. Das würde den Begriff des Bodens ziemlich radikal verändern. Ein bGE könnte m. E. auf derart vielen Ebenen zu Veränderungen führen, dass ich erstmal keine Notwendigkeit sehe, im Kontext von bGE-Debatten über Bodenreformen nachzudenken. Das könnte sich naturwüchsig ergeben. Ansonsten drängt sich bei deinen Ausführungen insgesamt halt der klassische Vorwurf von Marxisten an Schwundgeldtheoretiker auf: "verkürzte Kapitalismuskritik". Nicht das Privateigentum wird zum Problem, sondern bloß zwei von sehrsehr vielen Formen: Geld und Bodeneigentum. Ist vielleicht etwas böse polemisch mal wieder, aber mir scheint, dass es implizit in diesem theoretischen Ansatz so etwas gibt wie eine Sehnsucht nach den geordneten Herrschaftsverhältnissen der Feudalära, wo jedem Menschen noch von durch Kirche und politischem System repräsentiertem Gott seine ganz spezielle Rolle in der Welt zugedacht war. Nicht wenigen die eines ewigen Sklaven, eines Ausgestoßenen oder eines ewig im Fegefeuer und für das eine oder andere Viertelstündchen auf den Scheiterhaufen Brennenden. Während der Kapitalismus ja mit jedem Glauben an eine spezielle Berufung des einzelnen Individuums gründlich aufgeräumt hat. Es gibt nur die eine universelle Berufung, die zum Tanz ums goldene Kalb. Alle haben dabei selbst zu sehen, wie sie sich am fittesten für diesen Tanz machen können. Und werden calvinistisch vielleicht als Gewinner innerhalb eines Systems von Gott angelächelt, das Gewinner und Verlierer hervorbringt und somit eigentlich alle zumindest AUCH zu Verlierern stempelt, spätestens nämlich dann, wenn das Individuum dann doch mal seine Mitmenschen mit dem geweiteten Blick eines liebenden Herzens betrachtet oder in die letzte Konsequenz des Markts taumelt, den Kampf bis auf Blut&Knochen hinein in den nuklear blubbernden Staub. 3. Lieber Jochen, ein paar Bemerkungen unter uns Marxologen: Ich find's gut, dass du Jens widersprichst, wenn er den Unsinn verbreitet, dass Marx das Kapital nicht als Verhältnis begriffen hätte. Seltsam aber bleibt mir dieser selbstverständliche Glaube an einen Automatismus aller Naturgeschichte bei vielen Marxisten. Du hattest geschrieben: "In seinen Frühschriften hat er eine andere Vorstellung von Geschichte, als in den späten." Das wird häufig angenommen. Mir ist aber nicht klar, womit sich diese Behauptung belegen ließe. Als Tendenzaussage würde ich ihr auch sofort zustimmen: Als älterer Herr hatte sich der olle Kalle so eingehend mit der Schwerkraft der geschichtlichen Verhältnisse auseinandergesetzt, dass es ihm sicherlich schwerer als in seiner Jugend fiel, einen radikalen Wandel aller gesellschaftlichen Verhältnisse so mir nichts dir nichts vorstellbar zu finden wie ein vierjähriges Kind, wenn es mit seinen ewigen "Warum"-Fragen auf eine echte Absurdität des Faktischen gestoßen ist und noch gar keine echte Vorstellung von geschichtlicher Schwerkraft überhaupt hat. Als absolute Aussage leuchtet sie mir aber kein Stück ein. Erstmal deshalb, weil sich der Fetischbegriff nicht anders denken lässt als aus der Perspektive eines Bewusstseins, dass sich nicht nur an die Realität gebunden fühlt, sondern zumindest so frei gegenüber dieser Realität, dass es sie als Lug und Trug des Wirklichen aussprechen kann. Blinde Naturgesetzlichkeit der Geschichte wäre nun wirklich etwas anderes. Dann aber auch im direkten Vergleich: Sowohl in den Früh- wie in den Spätschriften bleibt die Konstellation im Kern die gleiche, nämlich sowohl Schwerkraft der geschichtlichen Wirkzusammenhänge wie auch kritischer Eingriff in diese durch das revolutionär gesinnte, schreibende und sich organisierende Subjekt. Ich mach mal einen 2-zu-2-Vergleich: zwei Stellen aus den Frühschriften, zwei aus dem Kapital, um zu illustrieren, dass sich da überhaupt nicht so sonderlich viel im Kern bei ihm verändert hat. Zur Judenfrage, 1843: "Wir verwandeln die theologischen Fragen in weltliche. Nachdem die Geschichte lange genug in Aberglauben aufgelöst worden ist, lösen wir den Aberglauben in Geschichte auf. Die Frage von dem Verhältnisse der politischen Emanzipation zur Religion wird für uns die Frage von dem Verhältnis der politischen Emanzipation zur menschlichen Emanzipation. Wir kritisieren die religiöse Schwäche des politischen Staats, indem wir den politischen Staat, abgesehen von den religiösen Schwächen, in seiner weltlichen Konstruktion kritisieren. Den Widerspruch des Staats mit einer bestimmten Religion, etwa dem Judentum, vermenschlichen wir in den Widerspruch des Staats mit bestimmten weltlichen Elementen, den Widerspruch des Staats mit der Religion überhaupt, in den Widerspruch des Staats mit seinen Voraussetzungen überhaupt." (MEW1, S. 352) Einerseits haben wir hier das naturgeschichtliche Moment der späteren Basis-Überbau-Dialektik, den Materialismus, also das, was Adorno den Vorrang des Objekts nennt: Uns geht's um weltliche, menschliche Geschichte. Die ist hier zwar selber fast noch auf der Seite des Überbaus: Politik und Staat, noch nicht der spätere Stoffwechsel mit der Natur in der Form des automatisches Subjekts der Wertverwertung. Zu dem geht er dann ab 1844 in den ökonomisch-philosophischen Manuskripten massiv über. Hier ist aber m. E. mit Politik und Staat nicht bloß die politökonomische Vermittlungssphäre des ideellen Gesamtkapitalisten gemeint, sondern noch innerhalb des Banns des Hegelschen Staatsrechts bereits die Politökonomie selbst: Die Selbstproduktion des Menschen in der tätigen Auseinandersetzung mit seiner Welt. Noch etwas naiv, aber doch Naturgeschichte, mindestens aber die verhärtete Gesellschaftsgeschichte, sozusagen Geschichte wenn schon nicht erster, so doch zweiter Natur. Andererseits geht's ganz selbstverständlich um Kritik, also um einen verändernden Eingriff des schreibenden Subjekts Marx in die Realgeschichte. Beides ineins: Blind und automatisch abrollende Naturgesetzlichkeit und relative Freiheit des Subjekts. Zur Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie. Einleitung, 1844: "Aber, wenn der Protestantismus nicht die wahre Lösung, so war er die wahre Stellung der Aufgabe. Es galt nun nicht mehr den Kampf des Laien mit dem Pfaffen außer ihm, es galt den Kampf mit seinem eigenen innern Pfaffen, seiner pfäffischen Natur. Und wenn die protestantische Verwandlung der deutschen Laien in Pfaffen die Laienpäpste, die Fürsten samt ihrer Klerisei, den Privilegierten und den Philistern, emanzipierte, so wird die philosophische Verwandlung der pfäffischen Deutschen in Menschen das Volk emanzipieren. Sowenig aber die Emanzipation bei den Fürsten, so wenig wird die Säkularisation der Güter bei dem Kirchenraub stehenbleiben, den vor allen das heuchlerische Preußen ins Werk setzte. Damals scheiterte der Bauernkrieg, die radikalste Tatsache der deutschen Geschichte, an der Theologie. Heute, wo die Theologie selbst gescheitert ist, wird die unfreiste Tatsache der deutschen Geschichte, unser status quo, an der Philosophie zerschellen. Den Tag vor der Reformation war das offizielle Deutschland der unbedingteste Knecht von Rom. Den Tag vor seiner Revolution ist es der unbedingte Knecht von weniger als Rom, von Preußen und Österreich, von Krautjunkern und Philistern." (MEW1, S. 386) Hier ist der latente Idealismus noch etwas markanter, sozusagen ein Standpunkt vor der Basis-Überbau-Dialektik: Realgeschichte zerschellt an Ideologie. Aber man kann das großzügiger lesen: Die Theologie war ja nicht so sehr die ideologische Macht, sondern die politökonomisch und militärstrategisch sehr reale der über den katholischen Fetisch einerseits, den neuen lutherischen Fetisch andererseits sich organisierenden Fürsten, die außer in der späteren Schweiz nirgends eine Bauernrevolution gewähren ließen. Und die preußische Geschichte zerschellte zwar nicht an der Philosophie, bei großzügiger Lesart wohl aber die zaristisch-russische Geschichte als Lenin sie im Reisegepäck hatte. Hier überwiegt eindeutig das kritisch-revolutionäre Moment, das dem Subjekt mehr zubilligt als der Schwerkraft der geschichtlichen Verhältnisse. Dennoch wird diese nicht einfach ignoriert: Der status quo ist als unfreie geschichtliche Tatsache bestimmt. Das rückt dicht heran an die blinde Naturgesetzlichkeit dieser Geschichte. Die Ambivalenz lässt sich jedenfalls festhalten, wenn auch freilich nicht so klar wie im Spätwerk. Kapital, Band 1, 1867: "Auch wenn eine Gesellschaft dem Naturgesetz ihrer Bewegung auf die Spur gekommen ist - und es ist der letzte Endzweck dieses Werks, das ökonomische Bewegungsgesetz der modernen Gesellschaft zu enthüllen -, kann sie naturgemäße Entwicklungsphasen weder überspringen noch wegdekretieren. Aber sie kann die Geburtswehen abkürzen und mildern." (MEW23, S.15f) Erstmal haut er voll auf die Kacke der blinden Naturgesetzlichkeit. Dann aber scheint plötzlich die Möglichkeit auf, dass Geburtswehen abgekürzt und gemildert werden können. Marx, und er sicherlich mehr als so ziemlich jeder andere Theoretiker, war selbst eine Naturkraft, eine Gewalt der materiellen Wirklichkeit - und sich darüber auch sehr bewusst. Als eine solche Naturkraft hofft er, vermittels der Pfade des Geistes und der solidarischen Organisation, einen echten, wenn auch vielleicht bescheiden formulierten Einfluss auf die Geschichte zu nehmen. Ich vermute, dass er sich in den 70 Jahren Sowjetsozialismus ziemlich darüber gegrämt hat, dass dieser Einfluss dann leider in aller Wirksamkeit doch so bescheiden ausfiel, also ziemlich viel Wälzarbeit im Grab absolvierte. Kapital, Band 1, 1867: "Schon vor ihm wurden, wenn auch sehr unvollkommene, Maschinen zum Vorspinnen angewandt, wahrscheinlich zuerst in Italien. Eine kritische Geschichte der Technologie würde überhaupt nachweisen, wie wenig irgendeine Erfindung des 18. Jahrhunderts einem einzelnen Individuum gehört. Bisher existiert kein solches Werk. Darwin hat das Interesse auf die Geschichte der natürlichen Technologie gelenkt, d.h. auf die Bildung der Pflanzen- und Tierorgane als Produktionsinstrumente für das Leben der Pflanzen und Tiere. Verdient die Bildungsgeschichte der produktiven Organe des Gesellschaftsmenschen, der materiellen Basis jeder besondren Gesellschaftsorganisation, nicht gleiche Aufmerksamkeit? Und wäre sie nicht leichter zu liefern, da, wie Vico sagt, die Menschengeschichte sich dadurch von der Naturgeschichte unterscheidet, daß wir die eine gemacht und die andre nicht gemacht haben? Die Technologie enthüllt das aktive Verhalten des Menschen zur Natur, den unmittelbaren Produktionsprozeß seines Lebens, damit auch seiner gesellschaftlichen Lebensverhältnisse und der ihnen entquellenden geistigen Vorstellungen. Selbst alle Religionsgeschichte, die von dieser materiellen Basis abstrahiert, ist - unkritisch. Es ist in der Tat viel leichter, durch Analyse den irdischen Kern der religiösen Nebelbildungen zu finden, als umgekehrt, aus den jedesmaligen wirklichen Lebensverhältnissen ihre verhimmelten Formen zu entwickeln. Die letztre ist die einzig materialistische und daher wissenschaftliche Methode. Die Mängel des abstrakt naturwissenschaftlichen Materialismus, der den geschichtlichen Prozeß ausschließt, ersieht man schon aus den abstrakten und ideologischen Vorstellungen seiner Wortführer, sobald sie sich über ihre Spezialität hinauswagen." (MEW 23, S. 392f., Fußnote 489) Hier ist ziemlich viel komprimiert: Basis-Überbau-Dialektik, 4. Feuerbachthese, das Faible für die Darwinsche Historisierung des Naturalismus, welches wohl noch am ehesten den ollen Kalle zu Vorstellungen einer blinden Naturgesetzlichkeit trieb. Aber auch Vico: Die Menschengeschichte wurde von uns gemacht, wenn auch freilich nicht von jedem einzelnen von uns persönlich, sondern als Gattungsleistung. Insofern sie von uns gemacht wird, können wir sie potentiell auch so machen, wie wir es wollen. Im Rahmen der natürlichen Gegebenheiten, klar. Und im Rahmen dessen, was uns als geschichtlicher Systemzusammenhang unserer Gattung tradiert ist. Grundsätzlich aber bleibt's dabei: Wir machen sie. Polittheoretisch finde ich das gerade einen interessanten Flow, der sich mir durch die bGE-Debatten aufdrängt: Wenn ich mir vorstelle, dass die realexistierende marxistische Theorieelite mal ein wenig chaostheoretisch quergelesene Quantenphysik studieren und zu der Einsicht vordringen würde, dass der Einzelimpuls im Gesamtsystem nicht bloß Resultante des Gesamtsystems, sondern selber schöpferisches Moment mit Auswirkungen auf das Gesamtsystem ist (und Marx das mit der beschränkten Sicht des Naturalismus auf der Höhe der Mitte des 19. Jhdts. auch bereits eigentlich klar hatte), dann könnte sie vielleicht recht grundsätzlich die überhebliche Abneigung gegen die Spiri-Bewegungen, also die Religionen und die ganzen Esoteriken überwinden und die Hand ausstrecken. Wenn umgekehrt die Spiri-Bewegungen einerseits mal mit der von Lessing tief im deutschen Sprachraum verankerten Ringparabel ihre Grabenkämpfe beilegen und außerdem noch einsehen würden, dass es keinen guten Historiker gibt, der von Marx unbeleckt ist, es daher also zumindest für die weltliche Geschichte immer sinnvoll ist, sich anzuhören, was die Marxisten zu sagen haben, dann ... wäre doch echt eine Menge mehr möglich als bloß ein bGE. Oder nicht? Naja, who knows ... Liebe Grüße, Bert From jens.kasten at gmx.com Sun Sep 21 21:52:43 2014 From: jens.kasten at gmx.com (Jens Kasten) Date: Sun, 21 Sep 2014 21:52:43 +0200 Subject: [Debatte-Grundeinkommen] an Jens Kasten In-Reply-To: <541BFAA8.9000103@web.de> References: <541BFAA8.9000103@web.de> Message-ID: Ein Dateianhang mit HTML-Daten wurde abgetrennt... URL: From v.nedden at freenet.de Mon Sep 22 18:53:22 2014 From: v.nedden at freenet.de (V.Nedden) Date: Mon, 22 Sep 2014 18:53:22 +0200 Subject: [Debatte-Grundeinkommen] nur ein bisschen zu 1. Message-ID: Lieber Bert, hallo zusammen, in meiner ersten, eher spirituell als wissenschaftlichen Fassung eines gemeinschaftlichen Steuersystems komme ich ebenfalls zu dem Bilanzergebnis, daß die Sonne scheint und uns jährlich 12,5% Zuwachs bietet. Leider hat aber nicht jeder ein Fleckchen Grün hinter dem Haus, mit dem es sich überleben ließe (welches Haus eigentlich?). So sind wir derzeit noch auf ein Wirtschaftssystem angewiesen, welches als Tauschmittel Geld vorsieht. Zudem sind die Güter reichlich ungleich verteilt. Wenn ich behaupte, daß Manna (oder Mana) nicht vom Himmel fällt, so meine ich damit, daß wir nicht Geld verteilen können, was nicht im Staatshaushalt vorhanden ist. Wir sollten daher unsere Forderungen nicht aus Prinzip ins Utopische gleiten lassen, sondern uns auf derzeit realistische Umstellungen stürzen, damit auch in der breiten Gesellschaft eine Akzeptanz zum Umdenken greifen kann. Vielfach merke ich an Reaktionen meiner Gesprächspartner, daß z.B. ein Betrag von 1.500,- ? pro Person als zu hoch empfunden wird. Auch denke ich, daß solche Forderungen in der übrigen politischen Landschaft eher kontraproduktiv wirken können. Ebenfalls kann niemand erwarten, daß es auf große politische Akzeptanz stoßt, wenn ein Konzept das gesamte Wirtschaftsgefüge der EU, welches vertraglich festgelegt ist, mißachtet. Wenn wir also in absehbarer Zeit (und damit meine ich zu unseren Lebzeiten) ein bGE ausgezahlt erhalten wollen, sollten wir zunächst eine breite Masse mit realistischen und derzeit machbaren Umstellungsmöglichkeiten in Angliederung an die EU-Gesetzgebung begeistern, um das Prinzip inländisch wirken zu lassen, und dann hoffentlich EU- oder gar weltweit Verbesserungen in Richtung Gerechtigkeit zu unternehmen. Ich hoffe, du bist noch interessiert an den Hausaufgaben :-) Lieben Gruß Verena From jochentittel at web.de Wed Sep 24 11:10:56 2014 From: jochentittel at web.de (Jochen Tittel) Date: Wed, 24 Sep 2014 11:10:56 +0200 Subject: [Debatte-Grundeinkommen] Antwort an Jens Kasten Message-ID: <54228AA0.8080906@web.de> Lieber Jens, wenn Du schreibst: "Die Umverteilung des gesellschaftlichen Reichtums in die Hände weniger, ... Das ist ein strukturelles Problem, ein Systemfehler", wirst Du hier sicher kaum Widerspruch ernten. Bei der Bestimmung allerdings, was denn das System ist, gehen die Meinungen auseinander. Unabhängig davon, wie wir diese Frage beantworten, bin ich aber auch der Ansicht, daß dadurch die Frage nach dem Charakter oder der Moral der Protagonisten nicht gegenstandslos wird. Wie Du, bin ich der Meinung, daß das BGE nicht als Nachhaltige Lösung funktionieren kann, wenn nicht auch das Geldsystem (im Sinne Gesells) reformiert wird. Aber diese Reform ist nicht das Ende der gesellschaftlichen Transformation, denn die Widersprüche, die im gegenwärtigen Geldsystem in Erscheinung treten, stecken schon im bürgerlichen Eigentumsbegriff. Ich glaube, ich verstehe Dich richtig und gehe mit Dir mit, wenn wir über dem Streit über das "richtige Verständnis" der Grundlagen des Geldsystems nicht vergessen, bzw. uns daran hindern sollten, am gegenwärtigen katastrophalen Zustand (bzw. Verlauf) dieses Systems wenigstens erst mal eine Notkorrektur durchzuführen, damit es uns nicht umbringt. Über weitere unterschiedliche Vorstellungen können wir dann immer noch streiten. Was Du über Marx und Brodbeck schreibst, halte ich für falsch; und zwar unabhängig davon, ob im einzelnen etwa so eine Verliebtheit in ihre Theorien vorliegt, oder nicht. Mit dieser Herangehensweise kannst Du alle kulturellen Leistungen der Menschen in Frage stellen. Aber welche Alternative haben wir? Einfach immer das Richtige tun? Was ist das Richtige? Da es keine unumstößliche Autorität gibt, auf die wir zweifellos zurückgreifen können (da sind wir uns wohl auch einig), bleibt nur der Weg durch den Dschungel der Hypothesen, Irrtümer und Meinungen in Richtung zur Wahrheit (hoffentlich). Weil ich in den alltäglichen Äußerungen zu den Problemen unseres Daseins keine befriedigenden Antworten finden kann, lese ich gern Bücher von Menschen, die sich offensichtlich intensiv um solche Antworten bemühen. Das dabei (beim Lesen wie beim Schreiben) die Gefahr besteht, den Kontakt mit dem Alltag zu verlieren, ist nicht auszuschließen; aber ich denke das entscheidet sich an der Motivation, mit der man das tut. Der Hauptgrund für diese Trennung der theoretischen und der praktisch-alltäglichen Sphäre liegt aber nicht bei den Individuen, sondern auch wieder im System, in der Organisation des gesellschaftlichen Alltags nach Herrschaftsinteressen. Zum Eigentumsbegriff In meinen Augen oder nach meinem Verständnis ist der bürgerliche Eigentumsbegriff das Produkt des Herrschaftswahns; also des Irrglaubens, wir könnten irgendetwas beherrschen - d.h. total kontrollieren. Die (natürliche) Alternative dazu ist die Einsicht, daß wir als Individuen, wie als Menschheit eingebunden sind in einen größeren Zusammenhang, der unsere Kontrollmöglichkeiten immer übersteigt, dessen für uns wesentliche Beziehungen wir aber erkennen und nutzen können. Daraus ergibt sich ein verantwortlicher Umgang mit den natürlichen und den gesellschaftlichen Bedingungen unserer Existenz. Diese Einsicht ist nicht erst auf unserem heutigen Wissensstand möglich, sondern war die Voraussetzung menschlicher Entwicklung, seit menschliche Gesellschaften in die Lage versetzt waren, "Naturgesetze" für ihre Interessen anzuwenden. Das Herrschaftsparadigma besteht in dem Vergessen dieser Abhängigkeit und der Selbstüberschätzung der eigenen Rolle in der Welt. Privateigentum und gesellschaftliches ("sozialistisches" o.a.) Eigentum sind in dieser Hinsicht das Gleiche. Es ist also auch nicht " jegliche Nachfrage nach einer Sache, nach einem Produkt als negativ zu besetzendes Eigentümergebahren "anzusehen. Etwas zu benutzen, zu gebrauchen, ist nicht an den Eigentumsbegriff gebunden, und auch eine vernünftige Regelung des Verhältnisses von Angebot und Nachfrage von Ressourcen und Produkten kann auf der Basis von Nutzungsrechten ohne den Eigentumsbegriff wahrscheinlich besser geregelt werden. Das Verständnis von Geld als öffentliches Verkehrsmittel ist ein Beispiel dafür. Wenn für irgendeine Sache oder ein "Gut" die Nachfrage größer als das Angebot ist, kann es durchaus auch sein, daß die Nachfrage dann eben aufgegeben werden muß. Das entscheidet sich darüber, ob Menschen bei vernünftiger Abwägung aller Umstände sich dafür oder dagegen entscheiden; ohne den Eigentumswahn ist da nichts mit Kapital. Natürlich sind wir von einer solchen allgemeinen Einsicht weit entfernt und bis dahin, da sind wir zwei uns einig, wollen wir noch Geld verwenden, um unsere produktiven und konsumtiven Regungen zu koordinieren, soweit das eben nötig ist. Und ein Geld mit Umlaufsicherung ist da eine Lösung, welche die Probleme nicht noch weiter verschärft. Den ausbeuterischen Umgang mit der Natur lösen wir aber damit noch nicht, dafür brauchen wir noch andere Regelungen. Das was Gesell als Freiland bezeichnet, geht in diese Richtung, reicht aber meiner Meinung nach noch nicht aus. Grundsätzliche Überlegungen zur Ökologie müssen das ergänzen. Zum Geld als Ding oder Sache Das Geld als Ding auftritt, ist die Folge des Umstands, daß Geld Eigentumszeichen ist; man muß es besitzen können. Deshalb wird das Verhältnis, welches das Wesentliche am Geld ist, vergegenständlicht. Der glaube, den Du vertrittst, daß mit der Arbeitsteilung die Produkte zwangsläufig zu Waren werden, ist eigentlich inzwischen gründlich widerlegt. Menschliche Kultur war von Anfang an mit geteilten und koordinierten Tätigkeiten verbunden, also seit zig tausenden von Jahren; Warenproduktion ist dagegen eine sehr junge Erfindung. Auf mein Beispiel antwortest Du: "Noch vor dem Geld wäre der Mensch kein Ding, ..." Genau so ist es. Der Mensch ist nicht etwas aus sich heraus, und schon gar kein Ding. Ausführlicher entwickelt kann man diesen Gedanken bei Brodbeck (aber nicht nur bei ihm) nachlesen. Das cartesianische Ego ist der zentrale Irrtum, auf dem unsere Fehlentwicklung gründet. Zur Abschaffung des Geldes Du hältst ein leben ohne Geld für abartig und möchtest nicht an den Folgen beteiligt werden. Meinen Segen dafür hast Du. Wenn wir einen solchen geldlosen Zustand noch erleben sollten, kannst Du von mir aus dann alles Geld der Welt bei Dir bunkern. Vielleicht machst Du dann ein Geldmuseum auf. Aber im Ernst: Was Du über Russland anführst, ist doch eher ein Beweis, daß es so nicht geklappt hat. Genau genommen ist ja auch das Geld damals gar nicht abgeschafft worden, nur die Vergegenständlichung wollte man weglassen und ist damit gescheitert. Die Zentralplanung nach Preisen (egal, wie man die ermittelt oder bestimmt), ist eine Geldwirtschaft. Deshalb (unter anderem) ist auch der real existiert habende Sozialismus nicht wirklich eine Alternative gewesen. Du schreibst: "Vielleicht kommt es so rüber, als ob ich immer wieder das gleiche sage. ..." Natürlich wäre es Unsinn, etwas anderes zu sagen, nur damit man sich nicht wiederholt, wenn man doch bei seiner Überzeugung bleibt. Ich denke nur, daß die Erkenntnis, daß ich mit bestimmten Aussagen bei niemandem ankomme, mich doch dazu zwingt, zu überlegen, was ich vielleicht falsch mache. Es kann sein, meine Vorstellungen sind falsch, es kann aber auch sein, ich finde nur nicht den richtigen Zugang zu den anderen Menschen. Wenn Du schreibst, Du seist kein Befürworter des Grundeinkommens und glaubst, daß Du keinen Befürworter "bekehrt" kriegst, klingt das für mich so, als ob Du Grundeinkommen und Geldreform für unvereinbar hältst. Für mich ist das überhaupt nicht so. Bekehrung zur Geldreform bedeutet also nicht Abkehr vom BGE. Herzlichen Gruß Jochen From jochentittel at web.de Wed Sep 24 18:46:35 2014 From: jochentittel at web.de (Jochen Tittel) Date: Wed, 24 Sep 2014 18:46:35 +0200 Subject: [Debatte-Grundeinkommen] an Bert Grashoff Message-ID: <5422F56B.2000206@web.de> Lieber Bert, ich kann mit allem, was Du schreibst ganz mitgehen. Meine Aussagen über Marx waren auch eher tendenziell gemeint. Außerdem beruhen diese Aussagen über das neue Marxverständnis nicht auf meiner eigenen Marxlektüre, die schon einige Jahre zurückliegt, sondern hauptsächlich auf Sekundärliteratur (neben Brodbeck etwa Robert Kurz, Moishe Postone, Nadja Rakowitz und noch einigen anderen). Die kommen teilweise zu gegensätzlichen Schlussfolgerungen, können aber alle ihre jeweiligen Ansichten mit Zitaten belegen, weshalb ich zu der Überzeugung gekommen bin, daß es eine endgültige "richtige" Interpretation von Marx nie geben wird. Er stellt halt ein geschichtliches Ereignis dar, das wir nie ganz ausschöpfen können. Ich habe schon bei meiner ersten Marx-Lektüre festgestellt, daß ich manches nicht verstehen konnte und mir vorgenommen, die entsprechenden Texte irgendwann nochmal zu lesen, aber da es eben auch zahlreiche andere Texte und Autoren gibt, von denen ich noch gar nichts kenne, die mir aber interessant erscheinen, ist vieles noch immer ein Vorhaben für die nächste Zeit. Schließlich lese ich Bücher nicht, weil die Autoren aus irgendwelchen Gründen berühmt geworden sind, sondern wenn ich den Eindruck habe, daß sie zur Klärung der Fragen, die mich heute und hier bewegen, etwas beitragen können. Ich würde mich also um "Marxologie" nicht kümmern, wenn ich nicht glauben würde, daß seine Schriften uns (mir) auch heute noch bei unseren Auseinandersetzungen helfen könnten. Aber, damit Du mich nicht falsch verstehst, ich unterstelle Dir eine solche abgehobene und selbstgefällige Marxologie nicht. Ich wollte Dir mit einigen Zitaten belegen, daß man Marx je nach Auswahl der Zitate so oder so verstehen kann; leider habe ich aber die Übersicht über meine Notizen verloren und finde jetzt nicht das Passende. Ich denke, Du verstehst auch so, wie es gemeint ist. Zum Thema Gesell und seine Geldreform möchte ich, falls es Dich interessiert auf das verweisen, was ich Jens geschrieben habe. Hier will ich dazu nur noch sagen, daß ich die Versuche, die Geldreformbewegung insgesamt und Gesell in die rechte Ecke zu stellen für einseitig und falsch halte, ohne zu bestreiten, daß es so was in diesem Zusammenhang auch gegeben hat. (dazu auch das Folgende:) Was Du am Ende Deiner Mail über die Grabenkämpfe zwischen den ideologischen Lagern schreibst, brachte mich auf folgenden Gedanken: Vielleicht kann man diese ideologischen Grabenkämpfe als einen späten Reflex der physischen Grabenkämpfe der letzten hundert Jahre verstehen; andererseits sind diese aber auch die Folge der vorherigen geistigen Grabenkämpfe, die unsere Herrschafts-Unkultur seit Jahrhunderten charakterisieren ... Es gibt nicht die eine Vorzugsrichtung der Kausalität vom materiellen zum geistigen Bereich. Ich mache jetzt kein weiteres Thema auf, weil ich wie gesagt den Überblick über mein gesammeltes Wissen bisschen verloren habe, ich hoffe aber, daß wir uns hier auch weiterhin begegnen werden. Herzlichen Gruß Jochen From wube at gmx.net Wed Sep 24 22:22:35 2014 From: wube at gmx.net (willi uebelherr) Date: Wed, 24 Sep 2014 15:22:35 -0500 Subject: [Debatte-Grundeinkommen] Theorien und Wirklichkeit In-Reply-To: <000001cfd57f$ccad0e10$66072a30$@de> References: <000001cfd25c$3e0f5490$ba2dfdb0$@de> <541A38AA.9010805@gmx.net> <541E54BB.4090400@gmx.net> <000001cfd57f$ccad0e10$66072a30$@de> Message-ID: <5423280B.6090300@gmx.net> Am 21/09/2014 um 4:38 schrieb Ernst Ullrich Schultz: > Liebe MitstreiterInnen, > > kurze Einmischung: Geld"wert" kann niemals auf objektiver Grundlage bestimmt > werden. Ein Bild von Monet kostet nichts, wenn es in einem öffentlichen > Museum hängt, ein Reicher kauft es und erwirbt damit das Recht, es der > Menschheit zu entziehen. Mit Geld kauft man Rechte, das ist ganz konkret. > Wenn wir in die Zukunft schauen, müssen wir die Rechtverhältnisse ändern, > ein Lehensrecht einführen. Geldsysteme a la Gsell taugen da nichts, die > mögen in Zeiten einer Mangelwirtschaft dieselbe ankurbeln, für heutige > Verhältnisse sind sie ungeeignet. > > Herzlichst > Ullrich Lieber Ulrich, beim ersten lesen fuehlte ich sofort einen widerspruch. Es mag ja sein, dass im detail deine sichtweise so anders ist, dass damit deine aussage bergruendet ist. Aber Geld-Wert gibt es nicht. Als abstrakte und heute spekulative Wertabbildung hat es selbst keinen Wert, also auch keinen Eigenwert. Gut, vom papier, farbe, legierung, bitaufwand abgesehen. Aber deine aussage zielt auf etwas anderes. Du negierst die moeglichkeit einer objektivierbaren Abbildungsfunktion, die sich dann auf geldmengen bezieht. Und hier machst du den gleichen fehler wie Karl Marx, Silvio Gesell und die oesterreichische schule fuer "Oekonomie". In anfuehrungszeichen, weil sie sich nur mit dem distributionssytem beschaeftigen. Jetzt versuche doch einfach mal, in die materiellen dinge, die wir herstellen, einzutauchen. Du wirst 2 elemente finden: die Natur, also die materiellen substanzen, und unsere zeit, die diese substanzen formen. Mehr nicht. Und unsere vorbereitungen, um diese umformungsprozesse vollziehen zu koennen? Das gleiche. Die natur, die materiellen substanzen und unsere zeit zur umformung. Weil die Natur ausser uns existiert, bleibt also nur unsere zeit. Damit wird der Wert ein zeitquantum. Und ist damit objektivierbar. mit lieben gruessen, willi Calderon, Quito, Ecuador From eusidee at web.de Thu Sep 25 08:36:51 2014 From: eusidee at web.de (Ernst Ullrich Schultz) Date: Thu, 25 Sep 2014 08:36:51 +0200 Subject: [Debatte-Grundeinkommen] Theorien und Wirklichkeit In-Reply-To: <5423280B.6090300@gmx.net> References: <000001cfd25c$3e0f5490$ba2dfdb0$@de> <541A38AA.9010805@gmx.net> <541E54BB.4090400@gmx.net> <000001cfd57f$ccad0e10$66072a30$@de> <5423280B.6090300@gmx.net> Message-ID: <000001cfd88b$17a225f0$46e671d0$@de> Lieber Willi, liebe Mitstreiter, da bin ich doch wieder in einer Theoriedebatte gelandet. Lieber Willi, wie hoch ist der Zeitwert eines Gemäldes von Monet? Auch sonst kann der Zeitwert kein objektiver Maßstab sein, die Fähigkeiten der Menschen sind sehr verschieden. Wir sollten, denke ich, von der Gelddebatte runterkommen. Sicher müssen im nächsten Schritt die Staaten, das heißt die Bürger, wieder die Macht über das Geld bekommen und es privaten Anlegern entreißen. Fernziel aber muss eine Wirtschaftsform sein, die auf Kooperation und nicht auf Konkurrenz basiert. R. Steiner hat das schon vor hundert Jahren schon gefordert. Wenn, um ein Beispiel zu nennen, derjenige, der ein Mietshaus baut, seine Kosten so transparent macht und mit den künftigen Mietern vertrauensvoll zusammen arbeitet, dann wird die Eigentumsfrage zweitrangig. Eine Genossenschaft ist sicher eine gute Sache in diesem Fall. Wichtiger aber ist der Geist (nicht religiös gemeint) der darin steckt. Herzlichst, Ullrich -----Ursprüngliche Nachricht----- Von: willi uebelherr [mailto:wube at gmx.net] Gesendet: Mittwoch, 24. September 2014 22:23 An: debatte-grundeinkommen at listen.grundeinkommen.de Cc: Ernst Ullrich Schultz Betreff: Re: [Debatte-Grundeinkommen] Theorien und Wirklichkeit Am 21/09/2014 um 4:38 schrieb Ernst Ullrich Schultz: > Liebe MitstreiterInnen, > > kurze Einmischung: Geld"wert" kann niemals auf objektiver Grundlage > bestimmt werden. Ein Bild von Monet kostet nichts, wenn es in einem > öffentlichen Museum hängt, ein Reicher kauft es und erwirbt damit das > Recht, es der Menschheit zu entziehen. Mit Geld kauft man Rechte, das ist ganz konkret. > Wenn wir in die Zukunft schauen, müssen wir die Rechtverhältnisse > ändern, ein Lehensrecht einführen. Geldsysteme a la Gsell taugen da > nichts, die mögen in Zeiten einer Mangelwirtschaft dieselbe ankurbeln, > für heutige Verhältnisse sind sie ungeeignet. > > Herzlichst > Ullrich Lieber Ulrich, beim ersten lesen fuehlte ich sofort einen widerspruch. Es mag ja sein, dass im detail deine sichtweise so anders ist, dass damit deine aussage bergruendet ist. Aber Geld-Wert gibt es nicht. Als abstrakte und heute spekulative Wertabbildung hat es selbst keinen Wert, also auch keinen Eigenwert. Gut, vom papier, farbe, legierung, bitaufwand abgesehen. Aber deine aussage zielt auf etwas anderes. Du negierst die moeglichkeit einer objektivierbaren Abbildungsfunktion, die sich dann auf geldmengen bezieht. Und hier machst du den gleichen fehler wie Karl Marx, Silvio Gesell und die oesterreichische schule fuer "Oekonomie". In anfuehrungszeichen, weil sie sich nur mit dem distributionssytem beschaeftigen. Jetzt versuche doch einfach mal, in die materiellen dinge, die wir herstellen, einzutauchen. Du wirst 2 elemente finden: die Natur, also die materiellen substanzen, und unsere zeit, die diese substanzen formen. Mehr nicht. Und unsere vorbereitungen, um diese umformungsprozesse vollziehen zu koennen? Das gleiche. Die natur, die materiellen substanzen und unsere zeit zur umformung. Weil die Natur ausser uns existiert, bleibt also nur unsere zeit. Damit wird der Wert ein zeitquantum. Und ist damit objektivierbar. mit lieben gruessen, willi Calderon, Quito, Ecuador From jens.kasten at gmx.com Sun Sep 28 20:52:53 2014 From: jens.kasten at gmx.com (Jens Kasten) Date: Sun, 28 Sep 2014 20:52:53 +0200 Subject: [Debatte-Grundeinkommen] nur ein bisschen zu diesem und jenem In-Reply-To: <541EE281.5030903@gmx.de> References: <541EE281.5030903@gmx.de> Message-ID: Ein Dateianhang mit HTML-Daten wurde abgetrennt... URL: From unversoehnt at gmx.de Mon Sep 29 15:32:43 2014 From: unversoehnt at gmx.de (unversoehnt) Date: Mon, 29 Sep 2014 15:32:43 +0200 Subject: [Debatte-Grundeinkommen] Ein Lesetipp und eine kleine Antwort an Jens In-Reply-To: References: <541EE281.5030903@gmx.de> Message-ID: <54295F7B.9020908@gmx.de> Hallo, ich setzte mich gerade an den Rechner, um eine kleinen Lesetipp an den Mailverteiler zu geben, da sah ich erstmal Jens' an mich und den Verteiler verschickte Mail, die mehr als kitzelt, in der Auseinandersetzung zu bleiben. Ich fange mal mit einer kleinen Antwort an Jens an und gebe den Lesetipp dann weiter unten. Lieber Jens, deine vorletzte Mail über den Verteiler, die mich nach meiner letzten am 22.09. erreichte, las ich nach gut der Hälfte nicht zuende, weil sie mich zu sehr schmerzte. Mehr noch schmerzte als Willis Gewissheit, dass die Urbanität, also drei Viertel der Menschheit, verloren ist. Schmerzen tut m. E. nur die Wahrheit, die vielleicht nicht immer die volle ist. Ich spürte in jener Mail in erster Linie Sorge und Verzweiflung, die mir alles andere als fremd ist. Aber auch eine so große Verworrenheit, dass ich mich überfordert fühlte, mich da um Klarheit zu bemühen. Ich möchte mich für meine letzte Mail entschuldigen, bei dir und ganz allgemein bei den Anhängern von Schwundgeld und jenen mit so zaitbezateten Seelen, dass sie von nuklear zerblubberndem Staub nichts lesen mögen. Allerdings auch darauf hinweisen, dass das mit dieser Mail inhaltlich nicht besser wird, wenn auch hoffentlich versöhnlicher im Gestus. Nein, "tschüss" wollte ich nicht sagen. Aber ich hatte die "verschiedenen Überlegungen", aus denen heraus ich mich etwas aus der Mail-Debatte zurückziehen möchte, inhaltlich nun auch gar nicht bestimmt. Zumindest zwei der wirklich nicht wenigen Überlegungen möchte ich wegen ihrer Relevanz nun nennen. 1. Insofern ich mich aufs bGE konzentriere, schreibe ich in erster Linie an dem in der Mail an Verena skizzierten Buchprojekt. Das scheint mir gerade wichtiger als Textmassen an den Verteiler. Ich arbeite in dem Kontext gerade daran, die Hartz4-Perspektive vor der Nettoebene nochmal grundlegender mit statistischem Datenmaterial zu unterlegen, um mehr argumentatives Fleisch ans Skelett zu bringen. 55 Seiten und 42 Abbildungen sind seit meiner letzten und ersten Rechenschaft darüber hinzugekommen. Was ich schon hatte, wird methodisch etwas umgeworfen werden müssen. Wenn ich das bis zur Nettoebene durch habe, werde ich's vermutlich im Hartz4-Forum zur Debatte stellen und euch dann darauf hinweisen. Die können vermutlich gut beurteilen, ob ich irgendetwas Wichtiges vergessen oder falsch aufgefasst habe. Falls du mitliest, Verena: Erst dann werde ich mich dem Berg deiner Hausaufgaben zuwenden und sondieren, inwiefern die interessant für den Übergang in die Bruttoebene sind. Das Ganze wird einerseits sehr mathematiklastig werden, andererseits versuche ich über visualisierende Diagramme und Didaktikkonzepte auch den Mathehassern einen Zugang zu bahnen. Auch wenn's eher ein Pamphlet denn eine wissenschaftliche Auseinandersetzung werden soll, orientiere ich mich stark an wissenschaftlichen Standards. Zielgruppe werden daher in erster Linie bildungsbürgerliche Multiplikatoren sein und nur vermittels der Visualisierungen auch bildungsfernere Schichten. Wenn ich's argumentativ durch habe, kann man die Visualisierungen vielleicht auch einfach in einem Video oder ähnlichem zusammenschneiden. Erstmal soll das aber inhaltlich Hand und Fuß haben. Es vergeht jedenfalls derzeit kein Tag, an dem ich nicht über bGE-Kontexte nachdenke. Aber mein Leben hält auch noch ein paar andere Dinge vor und ich arbeite sicherlich nicht from nine to five am bGE. Anspruchshaltungen von dir, lieber Jens, und auch von dir, liebe Verena, ich müsse mich mit diesem oder jenem befassen oder zu diesem oder jenem Stellung beziehen, bitte ich zu unterlassen. Das muss ich nicht. Will es höchstens. Ist ja nun auch nicht so, dass die Aktiven im Verteiler auf alles eingehen würden, was ich so reingereicht habe. Alle haben halt so ihre Steckenpferde und ihre blinden Stellen. Was für mich auch ok ist. 2. Meine Frau verbietet mir seit ungefähr einem Monat aus ihren sachhaltigen Weisheiten heraus, weiter im Verteiler zu schreiben. Mit jeder Mail, die ich schreibe, vergrätze ich mein universales "vertrau der Frau". Ich bin zwar antiautoritär genug gestrickt, um das dennoch zu tun. Aber ihre Argumente sind nicht von schlechten Eltern, auch wenn ich euch die nicht auseinanderlegen mag. Du schreibst, lieber Jens: "Hier und da ein Stempelchen drauf, weitere Fragen, oder Argumente? Fehlanzeige. "Verdächtigungen", Bewertungen allenthalben. So anders war mein Eindruck die letzten Wochen. Schade. Zur angeblichen verkürzten Kapitalismuskritik. Klar es ist nur ein Eindruck, der sich dir aufdrängt. Kein abschließendes Urteil. Doch wenn ich jemandem solch ein Riesenplakat umhänge, dann sollten die Argumente schon fast wasserdicht sein. Das kann ich so leider nicht annehmen." Ich sehe voll, was du meinst. Sah es schon, bevor du das geschrieben hast. Verkürzte Kapitalismuskritik scheint mir inhaltlich zwar nach wie vor triftig. Aber ich hätte das wirklich nicht so unverfroren und ignorant raushauen sollen. Auch einige Dinge mehr nicht. Die Entschuldigung meine ich ernst. Und eine Rechtfertigung möchte ich hinterherschicken: In der Nacht vom 19.09. auf den 20.09. hatte ich einen ziemlichen bad trip, zu dem ich unten im Kontext des Lesetipps noch ein paar Worte sagen möchte. Hier nur soviel: Ich habe mir in jener Nacht u. a. einen Rippenanbruch zugezogen und seitdem recht unangenehme, wenn auch besser werdende Schmerzen bei ziemlich vielen Arten von Bewegung. Mein letzter Beitrag vom 21.09. fiel in die Phase, wo ich von jenem bad trip gerademal so ein vorsichtigstes bisschen runtergekommen war. Völlig runter bin ich noch immer nicht, weil er m. E. etwas mit der Realität zu tun hat. Aber in einer Woche legen sich zumindest manche Wogen. Die Flows des bad trips durchdrangen jedenfalls recht stark meine letzte Mail über den Verteiler. Das kann ich klar sehen und spüren, auch wenn ich das anonymen Mitmenschen nicht so mir nichts dir nichts erläutern kann. Sondern nur darauf hoffen, dass eine Entschuldigung im politischen Geplänkel eine Option bleiben mag, die ernstgenommen werden kann. Sorry also für die laxen Etiketten, die ich rausgehauen habe. Erstmal will ich klar sagen, dass ich nicht der Meinung bin, Weisheit mit Löffeln gefressen zu haben. Höchstens mit Zahnstochern, die ich mir häufiger bloß ins eigene Zahnfleisch rammte. Ich hatte einerseits in der kurzen Kontroverse zur Inflation mit Manfred klar gemacht, dass ich nicht der Auffassung bin, alles Relevante über unser Thema zu wissen (Signalvokabel: Halbwissen). Andererseits in meiner ersten Mail an Verena im Kontext des Ideologiebegriffs zumindest für mich klargezogen, dass ich auch nicht glaube, dass irgendjemand alles Relevante über unser Thema wissen kann. Der Philosophiegeschichte gilt Leibniz (etwa ein Jahrhundert vor der Französischen Revolution) als der letzte Universalgelehrte. Selbst das halte ich für eine Lüge. Heute wird in jedem akademischen Fachgebiet jedes Jahr mehr publiziert als irgendwer in seinem ganzen Leben lesen könnte. Allwissendheit ist m. E. nicht einmal etwas für die Gattung Mensch, für das menschliche Individuum aber ganz sicher nicht. Jedenfalls nicht als Besitz, sondern höchstens als so etwas metaphorisch Ausgedrücktes wie die Berührung durch den Heiligen Geist. Die 10. Fußnote in Marxens Kapital halte ich für gesamtgesellschaftlich in ihrer Tragweite überhaupt noch gar nicht im Ernst auch nur für vage begriffen: "In der bürgerlichen Gesellschaft herrscht die fictio juris, daß jeder Mensch als Warenkäufer eine enzyklopädische Warenkenntnis besitzt." (MEW23, S. 50) Eine App namens "Planwirtschaft 2.0" könnte solche Kenntnisse vielleicht besitzen, wobei es der dann hoffentlich nicht mehr um Waren, sondern um Stofflichkeiten und Zeithorizonte ginge. Ein einzelner Mensch aber besaß höchstwahrscheinlich in der ganzen Geschichte niemals solche Kenntnisse. Nicht mal die Think Tanks der Deutschen Bank oder der echten Cracks in New York - auch wenn die das vielleicht von sich selber glauben. Von daher mal auf einer Metaebene Waffenstillstand, bitte: Ich glaube nicht daran, dass ich alles klar hätte. Nicht einmal, dass ich es je haben könnte. Wäre nett, wenn du dich zu diesem Glauben auch durchringen könntest, lieber Jens. Du schreibst: "Geld und Boden seien zwei von sehr sehr vielen Formen des Privateigentums. "Nicht das Privateigentum wird zum Problem, sondern bloß zwei von sehrsehr vielen Formen: Geld und Bodeneigentum." Mag sein, aber es sind die wesentlichen. Welche hältst Du für wesentlicher? Und warum?" sowie später: "Wenn Du annerkennen kannst, dass Produktionsmittel nicht a priori ein Kapital sind, dann könntest du die Ursache für diese Erscheinung einer genaueren Prüfung unterziehen." Ich kann anerkennen, dass Produktionsmittel nicht notwendig Kapital sind. A priori halte ich in dem Zusammenhang nicht für die richtige Vokabel, notwendig passender. Wenn ich das nicht anerkennen könnte, könnte ich mir Kapitalismuskritik von vornherein sparen. Aber ich glaube nicht, dass wir auf einer theoretischen Linie einig hinsichtlich dessen sind, was das bedeutet. Menschen können sich zumindest virtuelle voll jenseits der Eigentumskategorie stellen. Mit meiner Frau beispielsweise nutze ich gemeinsam Produktionsmittel des Werkelns, Kochens, Theoriearbeitens ohne dass da irgendwo ein Problem von meins und deins auftauchen würde. Es gab in der Geschichte der Menschheit eine unüberschaubare Menge von Kooperation, manche davon urkommunistisch, sozialistisch, solidarisch, mit Scheißegal-Haltung gegenüber dem Eigentum. Das geht, das kenne ich, das kann man machen. Bitte lasst uns das überall und sofort machen. Mit der Bitte wird's aber leider nicht getan sein, befürchte ich. Irgendwas hält uns am Mana des Eigentums. Und das ist m. E. nicht in erster Linie das Geld oder der Boden, sondern unsere mangelnde Fähigkeit, Verantwortung gesellschaftlich vernünftig zu buchstabieren. Verantwortung fürs eigene Leben, das unserer Mitmenschen und für den gesamten Naturzusammenhang. Dass wir's nicht gut können, hat geschichtlich einen spezifischen und elend langen Grund: Herrschaft von Menschen über Menschen ist das Grundkonzept, nach dem all unsere Vorstellungen von Verantwortung gemodelt sind. Und das seit Jahrtausenden. Da kommt man nicht einfach so raus. Zumal diese Herrschaft sehr materilell andauert. Wir sollten aber echtmal möglichst jetzt und hier rauskommen. Ich bin in meiner letzten Mail leider etwas schnell über den Bodenbegriff gepoltert. Habe mich hinterher geärgert. Boden ist nicht nur Grundlage aller Ernährung, sondern von allem stofflichen Reichtum. Zumindest dann, wenn man einen erweiterten Bodenbegriff verwendet, der auch die Wasseroberflächen und das darunter Liegende miteinschließt, wenn man ihn also ähnlich abstrakt auffasst wie den Begriff der Dreidimensionalität. Was häufig getan wird. Insofern aller stofflicher Reichtum aus Boden resultiert, gibt's auch keinen stofflichen Reichtum, der gänzlich unabhängig vom Boden wäre. Deshalb ist Bodeneigentum aber trotzdem nicht die wesentliche Dimension des Eigentumsbegriffs. Was auf dem Boden steht, wiegt für den Stoffwechselprozess der Menschen unter Umständen schwerer als der Boden selbst, etwa eine chemische Fabrik. Zudem gibt es in einer sich virtualisierenden Gesellschaft so haufenweise nichtstofflichen Reichtum, dass der Boden als Bedingung aller Möglichkeit von Reichtum weiter an Relevanz einbüßt. Keine Lust, auf Quesnay zurückzufallen. Ich hatte es allgemein gesagt: Die Produktionsmittel, wovon Boden bloß eine Form ist, und die Luxuskonsummittel sind m. E. die Formen des Eigentums, die ich aus kapitalismuskritischen Impulsen wichtiger finde als Boden und Geld. Mit dem Geld ist's ähnlich wie mit dem Boden: Das allgemeine Äquivalent ist keine beliebige Ware, auch wenn es grundsätzlich die Gestalt jeder beliebigen Ware annehmen kann. Es hat einen Sonderstatus. Bleibt aber dennoch bloße Einzelform des Eigentums, das als prozessierender Wert durch alle Formen wütet und daher im Zweifelsfall auch aufs Geld verzichten kann. Wir sind einfach komplett konträrer Auffassung, wenn du dies hier schreibst, lieber Jens: "Privateigentum, - welche Form auch immer es innehat - hat seinen Kapitalcharakter von Geldes Gnaden." Nö. Geld hat seinen Kapitalcharakter vom Privateigentum, von dem es selbst bloß eine Form ist. Ohne Privateigentum lässt sich keine Wertverwertung denken. Staatskapitalistisches Privateigentum in den, wie schreibt Jochen so hübsch?, real existierend gehabten sozialistischen Staaten eingeschlossen. Ohne Geld aber lässt sich sehr wohl Wertverwertung denken. Insgesamt sehe ich einfach nicht, dass du irgendein substanzielles Argument auffahren würdest, das meine beiden Punkte in der Frage-Mail zur Gesellschen Geselligkeit auch nur annähernd ernst nehmen würde. Weshalb ich bislang auch nicht geantwortet hatte. Ich hatte da klar gemacht, wie der Zins auch ohne Geld gestrickt werden kann. Und so hat er den größten Teil des Mittelalters hindurch auch funktioniert. Das gesamte Lehenswesen hatte diese Zins-Form in Naturalien. Wenn ich's richtig verstehe, orientiert sich das zinsfeindliche islamic banking heute ebenfalls an solchen naturalen Zins-Formen. Zins wird immer bloß als Geld heckendes Geld aufgefasst. Zins ist aber Wert heckender Wert. Völlig egal, ob das über Geld läuft oder andere Mechanismen der Ausbeutung. Letztlich geht's ja um stofflichen Reichtum und gesellschaftliche Gestaltungsmacht und nicht um Zahlenkolonnen vor Euro-, Dollar- oder sonstigen Währungsentitäten. Geld ist bloß die Scheinebene des gesellschaftlichen Reichtums. Die ist spannend, sicher, aber nicht der Kern unserer Problems. Was ich sehe, ist, dass du dir eine Menge Kopf über die Regulationsmechanismen der Finanzsphäre machst. Vermutlich mehr als ich. Da kann ich größtenteils mitgehen, hier und da aber auch nur mit dem Kopf schütteln, weil du völlig doktrinär einfach irgendwelche Behauptungen raushaust, die ich argumentativ nicht ein Stück erwiesen finde. Was soll das hier beispielsweise heißen: "Der Besitz von Produktionsmitteln ist noch nicht mal eine notwendige Bedingung für die Ausbeutung. Von einer hinreichenden ganz zu schweigen." Willst du sagen, dass Ausbeutung auch ohne Produktionsmittel irgendwie funktionieren könnte? Nicht einmal das Überleben würde ohne die funktionieren. Hinreichend sind Produktionsmittel für den Ausbeutungsbegriff aber in der Tat nicht. Ein privilegiertes Zugriffsrecht muss hinzukommen. Das nennen wir in der Regel Eigentum. Ich will nicht ausschließen, dass wir einfach zu sehr aus unterschiedlichen kulturellen Kontexten kommen, um klar zu kriegen, was wir hier eigentlich verhandeln. Vielleicht ist das, was ich als verworren in deinen Ausführungen empfinde, aus deiner Perspektive tatsächlich klar und verständlich. Ich habe da aber halt erstmal meine Zweifel. Inhaltlich jedenfalls finde ich deine Beiträge eher schmerzlich als klärend. Da deine vorletzte Mail, die ich nicht zuende las, deutlich sarkastische Untertöne hatte, bin ich mir z. B. nicht sicher, ob du tatsächlich überhaupt gar nicht an einem bGE interessiert bist, sondern nur die bGE-VerfechterInnen von Schwundgeld überzeugen möchtest. Falls dem so sein sollte, bin ich dagegen und hätte auch keinen Bock mehr darauf, Schwundgeld mit dir zu verhandeln. Ich bin freilich selber ambivalent: Ein bGE ist mir bloß New Deal und insofern was sozialdemokratisch Sinnvolles. Eigentlich aber will ich ein Ende aller Deals und auch nix von Sozialdemokratie wissen, könnte also aus einer kommunistischen Position heraus das bGE angreifen. Das will ich aber nicht, weil das bGE zumindest Potential hat, das ich sonst leider schlichtweg nirgends entdecken kann. Ebenfalls am 22.09. erhielt ich eine Mail von einem Bernd von Straelen (vanstraelen2002 at yahoo.de), die einen Herrn Bauder ansprach. Sie entrann nur sehr knapp meinen Spam-Lösch-Routinen. Keine Ahnung, ob Bernd von Straelen hier im Verteiler ist. Mir scheint es jedenfalls wahrscheinlich, dass mich diese Mail erreichte, weil ich die Fragen zu Gesell hier aufwarf. Sie enthielt vier PDFs mit Texten von Stefan Wehmeier, der auch eine Internetseite betreibt (ww.deweles.de ). War mir bislang unbekannt und ist mir jetzt gruselig, wenn auch in Teilen interessant. Den fettesten Text habe ich mal an diese Mail angehängt. Den fand ich nämlich tatsächlich zumindest in manchen Hinsichten spannend und eher herausfordernd als das, was du schreibst, lieber Jens. Ich will's nur kurz diskutieren: Das zentrale Argument, das Wehmeier auffährt, um die maßgebliche Bedeutsamkeit von Boden und Geld zu begründen, geht ungefähr so. Wäre Geld der Wertaufbewahrungsfunktion entkleidet, also Schwundgeld, dann wäre die Arbeit dem Kapital im Zweifelsfall genauso viel Wert wie sie's tatsächlich ist und es gäbe keine Ausbeutung mehr. Einerseits hatte ich klargestellt, dass das Kapital nicht bloß in Geldform existiert, sondern sehr wesentlich in Sachform. Daran ist Wehmeier weitgehend desinteressiert. Stattdessen soll der deflationäre Charakter des Geldes die Wirtschaftsakteure notwendig dazu bringen, den vollen Preis der Ware Arbeitskraft anzuerkennen. Wieso, weshalb, warum bleibt ziemlich dunkel. Wird nur intuitiv angekickt: Es geht ja um den stofflichen Reichtum. Verfällt der des Geldes vollautomatisch, dann treibt's die Kapitalisten in die Produktion des stofflichen Reichtums um jeden Preis. Jeder Preis wäre also der volle der Ware Arbeitskraft. Das ist erstens falsch, weil ausreichend Reichtum heute in privater Hand vorhanden ist, um sich darauf auszuruhen. Es ist überhaupt nicht einzusehen, warum Sachvermögensbesitzer ein gesteigertes Interesse an der Produktion um der Produktion willen haben sollten, wenn der a) nicht mehr vernünftig über Geld organisierbar ist, und b) gar keine Ausbeutung mehr zulässt. Zweitens ist das falsch, weil der Begriff des Proletariats meint, dass der größte Teil der Menschheit frei von Produktionsmitteln ist und daher gezwungen, die eigene Arbeit zu verkaufen (will man nicht verhungern oder auf Hartz4-Elendsniveau leben). Die Eigentümer von Sachvermögen sind hingegen überhaupt nicht gezwungen, Arbeit anzukaufen. Das tun sie systemisch bloß, um noch mehr Eigentum zu akkumulieren und um das bestehende Produktiveigentum vor der Konkurrenz zu schützen, die nicht schläft. Oder halt aus persönlicher Juxerei&Dollerei. Konsumtives Sachvermögen aber steht außer jeder Gefahr. Wenn die Gebrüder Aldi sich entschlössen, von heute auf morgen ihre Geschäftstätigkeit einzustellen, dann könnten ihre Familien noch für ein paar Jahrhunderte von dem langlebigen (Konserven-)Zeugs leben, das derzeit in Aldi-Filialen und -Lagerhallen herumsteht. Solange jedenfalls die Gesellschaft nicht Korrekturbedarf am Privateigentumsbegriff anmeldet. Das ungleiche Kräfteverhältnis zwischen jenen, die mehr als genug zum Leben haben, und jenen, die weit weniger als genug zum Leben haben, macht die Ausbeutung strukturell möglich. Daran ändert auch eine Veränderung der Geldstruktur nichts. Und eine Veränderung des Bodeneigentums höchstens extrem langfristig und ohne Zugriffsmöglichkeit auf die heutigen Produktionsmittel. Die Geldstruktur kann noch so deflationär gestrickt werden. Das ist für's Sachvermögen erstmal schlicht unerheblich. Drittens ist das falsch, weil es einen vollen Preis der Ware Arbeitskraft überhaupt nicht als individuellen gibt, sondern nur als gesamtgesellschaftlichen. Die Vorstellung, dass mit einem Schwundgeld Mangel an Arbeitskräften herrschen würde und sich daher gesamtgesellschaftlich dieser volle Preis realisieren würde, sieht davon ab, dass das Sachvermögen einfach auch ohne Arbeit kann, mit zunehmender Automatisierung zunehmend ohne kann. Sollte es aber mit Arbeit wollen, dann sicherlich nicht zum vollen Preis dieser Arbeit solange in den Charaktermasken ein Rendite-/Zins-/Profit-/Mehrwert-Anspruch schwelt. Der wäre mit dem vollen Preis der Arbeit einfach nicht mehr zu realisieren. Klar, könnte man machen. Aber wollen die Eigentümer von Sachvermögen das? Da habe ich meine Zweifel. Hinzu kommt, dass im vollen Preis der Ware Arbeitskraft immer auch ein willkürlicher Faktor drinsteckt: Wieviel Arbeit steckt die Gesellschaft in ihre langlebigen Produktivkapazitäten und nicht in den Konsum der Arbeitenden? Dass man das tut, können auch Arbeiter sinnvoll finden. Aber es ist nicht objektiv bestimmbar, in welchem Maße man das tun sollte. Daher ist der volle Preis der Ware Arbeitskraft ohnehin eine Chimäre. Den gibt's nicht als objektiven. Spannend fand ich an Wehmeiers Text, dass er eine steile These Alfred Sohn-Rethels historisch noch tiefer zu legen versucht: Während Sohn-Rethel den mit der altgriechischen Philosophie selbstbewusst werdenden Logos bis hin zur Kantschen Transzendentalsubjektivität als Resultat des allgemeinen Äquivalents zu fassen versucht, ist Wehmeier schon im religiösen Kontext des alten Testaments die Schwundgeldsache klar. Bereits im alten Ägypten und zu Moses Zeiten waren ihm die Reproduktionsbedingungen der Gattung für alle Zeiten durchsichtig. Das ist ziemlich suggestiv aufbereitet und changiert methodisch zwischen radikalem Atheismus und hoch-blasphemischem Zugriff auf die poetische Kraft der alten Texte. Voll absurd, dass er Marx Unwissenschaftlichkeit ohne jedes Argument vorwirft. Als könnte sich die scientific community auf eine breitere Basis einigen denn die schmale von: Quellen muss man nennen und an Argumentation sollte man orientiert sein. Marx war für seine Zeit einer der wissenschaftlichsten Sozialtheoretiker nach den qualitativ hochwertigeren Standards, die man so aufstellen könnte. Noch absurder wird der Vorwurf an Marx, weil Wehmeier selbst von der Kraft von Metaphern argumentativ auf krasse weise zehrt, ohne dass er gleichzeitig den Gehalt dieser Metaphern anders als in seinen atheistisch aufbereiteten Kram passend interpretierbar zulassen möchte. Das ist echt ideologisch, nämlich die Ausschlachtung von Quellen gegen ihren eigenen Gehalt und den Gehalt des eigenen Denkens. Als wissenschaftlich geht aber im Zweifelsfall auch noch dieses Ideologieprodukt durch. Die Freiheit der Forschung ist ja letztlich ach so tolerant. Hauptsache bleibt ja bloß, dass man Teil des Institionengeflechts ist. Was Wehmeier allerdings wohl nicht ist. Ein eher kleines Element meines bad trips vom 19.09 auf den 20.09. war die Gewissheit, dass es einer wirklich guten Kritik an Nietzsche bedarf. Wehmeiers Text hat dann am 22.09. diese Gewissheit noch einmal zusätzlich geerdet, weil er auch von Nietzsches Kraft willkürlich zehrt. Was literarische Kraft angeht, steht Nietzsche bei mir irgendwo zwischen Freud und Dostojewski. Und über Dostojewski, sieht man mal von den ganzen langatmigen Passagen ab, geht kaum noch irgendwas. Höchstens so leichthin und dennoch schwergewichtig Amüsantes wie Stanislav Lem. Eine inhaltliche Kritik an Nietzsche ist umso dringlicher, weil er diese literarische Kraft hatte. Das sollte offenbar so sein, wird aber auch noch verdaut werden. Wenn auch nicht hier und jetzt von mir. Ok, damit belasse ich's mal zum Schwundgeld-Thema. ********** Lesetipp Die Oktober-Ausgabe der konkret, eines Hamburger Politmagazins im Monatsturnus, von Gremliza herausgegeben, möchte ich euch ans Herz legen. Insbesondere einen Artikel von Georg Seeßlen, wen ich in dem knappen Jahrzehnt meines konkret-Abos als einen der Besseren der Guten erkannte. Der Artikel heißt: "Die Linke hat den besseren Traum" und zieht eine Menge Dinge ziemlich gut klar. Fände ich zumindest eine gute Diskussionsgrundlage für Weiteres ... Insgesamt finde ich's erstaunlich, dass die gesamte Oktober-Ausgabe m. E. einen neuen Gestus trägt (und damit meine ich nicht das neue Design). Während bislang eher die "Fuck off"-Stimmung überwog, dass weder das System noch die unterworfenen Massen von seinen besten Kritikern irgendwas hören möchte und man halt ziemlich ungehörter Rufer in der Wüste ist, gibt es einige Texte in der Oktober-Ausgabe, die m. E. ein völlig neues Selbstbewusstsein atmen. So, als würde System und unterworfene Masse nun doch massiver mal an die Türen derjenigen klopfen, die es schon immer etwas klarer hatten als der ignorante Rest. So, als wäre Gehör zu finden, gar nicht mehr das Problem und als ginge es mal wieder ernsthaft um Klärung hinter den Grenzen der Klarheit. Keine Ahnung, ist vielleicht nur mein Eindruck. Aber mir scheint doch, dass sich da etwas dreht, was sich zumindest auch in meinem Leben gerade dreht. Eine Art Aufbruchsstimmung. Ironischerweise wird das vermutlich die letzte konkret sein, die ich im Abo bekomme. Die Hartz4-Armut hat mir eine Abo-Kündigung aufgenötigt. Auch wenn ich sagte, dass ich Spirituelles hier erstmal gar nicht verhandeln möchte, will ich doch mal leise damit anfangen. Nach einem heftigen Aggro-Konflikt mit einem meiner Cousins, auf den ich hier nicht weiter eingehen möchte, zu dem ich nur sagen möchte, dass er in meiner Pazifisten-Geschichte ziemlich einzigartig ist und mein Pazifisten-Herz ganz schön durchgeschüttelt und wie gesagt unter anderem eine Rippe angebrochen und etliche krassere Schürfwunden in meine Haut geschlagen hat, bin ich mit ihm ins Bremer Viertel-Nachtleben gegangen. Meine Frau hatte uns rausgeworfen, bot sich daher an, war schon tief in der Nacht. Ich hatte nur vier Dinge am Leib: Shirt, Unterhose, kurze Hose, Ehering. Ich will nicht auf Einzelheiten bis auf eine hinaus, aber doch zumindest diese Kontextualisierung geben: In den zwei Jahrzehnten seit den Anfängen meines Nachtlebens hat sich die Dichte zerbrochenen Glases (Flaschen, Gläser) in den Arealen des Bremer Nachtlebens massiv erhöht. Das sagt vermutlich etwas über den allgemeinen Verfall an Hoffnung und Sinn aus. Während die Leute im Nachtleben nie nicht auf den Freak klarkommen, der unbekümmert und barfuß über dieses Scherbenmeer läuft und tanzt, hatte dieser Freak, an dessen Füßen jede Gefahr warum auch immer einfach bloß abperlt, eine in die sinnliche Gewissheit hineinragende Vision: Die des nuklearen Zerblubberns des Bremer Bodens in meinen Fußsohlen. Die Entzauberteren meiner Bekannten neigen dazu, lieber in (Drogen-)Psychosen zu denken als in Durchlässigkeiten. Ich will mir gerade nicht die Mühe machen, den Begriff der Psychose als seinem eigenen Begriff unterworfenen mit Adornos Konzept immanenter Kritik nachzuweisen. Deute nur an, dass das m. E. mehr als geht. Der stark anthroposophisch geprägt Gefährte einer Cousine von mir, die dieser Tage ein zweites Kind in diese Welt entlässt, und meine Frau, die ich mal vage und unzulänglich als Freestyle-Schamanin charakterisiere, haben dann etwa Mitte vergangener Woche aus ihren jeweiligen Weisheiten heraus und ohne Kenntnis meiner Vision, ebenfalls klargemacht, dass sie das kommen sehen. Die kapitalen und imperialen Krisen haben allemal das Potential dazu. Und drei unterschiedliche Quellen für eine Message sind mehr als ich ignorieren mag. Aber die Düsternis darin gefällt mir dennoch nicht. So oder so denke ich, dass es ernsthaft Zeit wird, über grundlegende Veränderungen nicht bloß zu meditieren. Konkret habe ich mich die letzte Woche ein bisschen mit Exil-Plänen befasst. Aber wo will man vor einem nuklearen Winter hinfliehen? Hast du vielleicht eine Idee, Willi? Der Gefährte meiner Cousine favorisiert Costa Rica. Das scheint mir aber zu dicht am Panama-Kanal dran zu sein. Ohnehin ruft mich Indien schon fast ein halbes Jahrzehnt. Wird wohl die beste Option bleiben, wenn auch im Zweifelsfall voll im Getümmel der Auseinandersetzung des Westens mit Asien ... Grundsätzlicher aber ginge es ohnehin noch immer um eine Verhinderung dessen, dass die Vernichtungspotentiale der Zivilisation sich in Vernichtungswirklichkeiten auf großer Stufenleiter verwandeln. Also versuche ich mal einen kleinen Anlauf in demütiger Bescheidenheit. Was besseres, als darum zu beten, dass mehr Liebe ausgeschüttet wird, fällt mir ohnehin eigentlich nicht ein. Möge doch zumindest Mr. David Bowies Starman mal damit anfangen, unsere Köpfe explodieren zu lassen, bitte. Aber als Potential zumindest möchte ich auch den Gedanken der Internationale festhalten, dass wir uns eher selber retten als auf höhere Wesen vertrauen sollten. In meiner ersten Mail an den Verteiler hatte ich klar gemacht, dass ich nicht in einem absoluten Sinn daran glauben kann, dass ein Wandel Richtung bGE über demokratische Mechanismen möglich ist. Selbst wenn man mal die verdummten Wähler von ein paar Klarheiten überzeugen könnte, bleibt ein faschistischer Putsch allemal eine Option. Deshalb ist der eigentliche Adressat meines Schreibens absurder Weise auch gar nicht meine Klasse, sondern die andere und jene Helfershelfer, die in ihrer täglichen Praxis der Gewalt huldigen, also insbesondere Soldaten und die Bürokraten der ganzen geheimen und militärischen Dienste. Zum Einschunkeln vielleicht mal wieder Bettina Wegner: http://youtu.be/D_VgGole85M . Auf deren Denken kommt's nämlich im Zweifelsfall viel mehr an als auf das der zivilen Gesellschaft. Aber ob die auf einen allseitigen Möchtegern&Möchtegarnichtgern-Parvenü wie mich irgendwas geben? Insofern diese Adressaten dies hier mitlesen, und ich bin paranoid genug, um davon überzeugt zu sein, möchte ich noch einmal (und für den Verteiler erstmals) darauf hinweisen, was die Quintessenz meines ersten als solchen anerkannten Spiri-Trips in der Neujahrsnacht 2010 in Nerja und der Sierra Nevada war: Luzifer muss und möchte aus den tiefsten Quellen seines Herzens weinen. Und es ist die Aufgabe von uns Menschen, diese Tränen auszudrücken. Für jene, die ihm näher stehen, ist es die dringlichere Aufgabe als für den Rest. Unendlich traurig ist er, weil es so unendlich um-den-kleinen-Finger-wickel-leicht ist, die Menschen zu ihren schlechteren Neigungen zu verführen. Und weil sie mit der durch ihn repräsentierten Freiheit als Gattung einfach noch immer nichts ernsthaft Sinniges anzustellen verstehen. Ich habe zwar unterdessen ganz andere religionsgeschichtliche Flows am Wickel, interessiere mich eher für Muttergottheiten als für diesen ganzen patriachalen Unfug des Christentums. Aber das, was Freud über Vatermord und Bruderhorde schreibt, dürfte für die Welt der Militärs von immenser Aussagekraft geblieben sein. Insofern Luzifer auch eine schillernde Metapher. Mir fiel vor einem knappen Jahr auf, dass Luzifer dem lateinischen Ursprung nach Morgenstern heißt. Das ist in der Bibel ein Synonym für Jesus. Die Menschheit hat ziemlich lange gebraucht, um zu raffen, dass Morgen- und Abendstern dasselbe und überhaupt gar kein Stern sind, sondern die Venus. Dass Venus eine der relevanten Muttergottheiten ist, könnte im Weiterdenken interessant sein, aber ich will erstmal nur darauf hinaus, dass es neben der göttlichen Trinität offenbar auch eine dialektische Identität von Jesus und Luzifer gibt. Das rollt m. E. die christliche Metaphorik von gut und böse noch einmal sehr grundlegend auf. Meditiert da doch bitte mal ein wenig drüber, ihr, die ihr den roten Knöpfen näher steht als ich. Ansonsten aber befürchte ich ja immer leider bloß, dass die Platte bei "you are sleeping, you do not want to believe" einen Sprung hat wie in diesem Smiths-Lied: http://youtu.be/Cpf6gJU3520 . Schlussendlich kann man nur mit Verweis auf Quantenphysik und alle Erfahrung auf Brechts Dreigroschenoper verweisen: "Ja mach nur einen Plan, sei nur ein großes Licht. Und mach dann noch 'nen zweiten Plan. Gehen tun sie beide nicht." (vgl. http://youtu.be/WENkquBHchM ) Selbst jene Planspiele in den Hochleistungsrechnern der Militärs, die mehr als das BIP ganzer Volkswirtschaften für ihre Konstruktion verschlungen haben, werden niemals genau so funktionieren, wie sie es ihrem Personal glauben machen wollen. Zu viele Unwägbarkeiten im Gesamtsystem. Die Geister, die ihr rufen werdet, werden euch ein- und überholen. Das sollte euch gewiss bleiben. Meinen zweiten Spiri-Trip im Mai 2012 fand ich persönlich dem Inhalt nach anspruchsvoller. Sein Topos war Urvertrauen, das den realitätsgerechten Menschen immer als abhandengekommen erscheint und doch noch ihre wüstesten Barbareien hält. Nachhaltig beeinflussend für mein Leben war er vor allem wegen eines mehr oder weniger mutwilligen Schädelbruchs, den ich mir auf dem Boden aller Flüsse zuzog, und weil das Universum meine Frau und mich aus dem Nichts einander in die Arme schenkte. Von dem Trip gibt's leider keine echte schriftliche Fassung und wird's wohl auch nicht geben, weil ich nicht beliebig in alte Flüsse eintauchen kann. Von meinem ersten Trip aber gibt's eine, wenn auch nur in englischer Sprache, die ich unten reinkopiere, in der Hoffnung, dass man das Luzifer-Thema mal gesellschaftlich ausreichend durcharbeiten könne. Kontext: Ein guter alter Freund, Jan, und ich lernten am vorletzten Tag des Jahres 2009 in Nerja, Andalusien, eine junge Amerikanerin namens Sam kennen. Wir zogen durchs Nachtleben, sangen unter anderem gemeinsam und jeder für sich und jeder zum ersten Mal in seinem Leben Karaoke. Jan und ich verknallten uns ein wenig in Sam, aber bis auf eine intensive Kneipennacht ging's nicht im Ernst um Weiblich- und Männlichkeit. Sam hatte zumindest damals den absurden Job, innerhalb eines süddeutschen US-Militärstützpunkts den Soldaten beizubringen, wie die Deutschen es mit der Mülltrennung halten. Nach meinem Spiri-Trip hatte ich das Bedürfnis, ihn ihr zu erzählen. Suchte im Netz ihre Mail-Adresse, fand sie in einer Art Zeitung jenes Militärstützpunktes und mailte ihr den Text zu. Das einzig klare Indiz in meinem Leben, das die entsprechenden Dienste über meine Person etwas ausführlichere Akten angelegt haben mögen als über den Durchschnittsmenschen folgte dann. Die Mailadresse war nicht die ihre, sonderen die ihres Chefs. Sam schrieb mir daraufhin, dass sie ziemlich peinlich von dem verhört worden war und wohl so etwas wie ein mittlerer Sicherheitsalarm im Stützpunkt ausgerufen worden sei. Wegen 'ner Mail von mir. Bin ich auch dem materiellen Gehalt nach harmloser noch als 'ne Fliege, scheint das in der Geisterwelt irgendwie anders auszusehen. Hi Sam, I was writing on an email for you the last days, but I had a lot of adventure and work in the last days - so I didn't end up with it and send it to you. In the meantime you've written a short email to me and so some things are different while writing to you. So I decided to write some kind of historical-critial email, marking the parts I wrote before I got your last email. For example, I now know that you had the laugh I'm asking you for in the next sentence ... [----- written before January 19th from here ... -----] so, did anyone at least laugh about it? Or are we heading to WWIII - if even the recycling section of US-army in Heidelberg gets hacked, what the hell in the world is safe then nowadays? Sorry, I really am sorry for causing you problems and conflicts with your boss but still can't totally wipe a smile out of my face about the absurdity lying within - because I'm so incredibly harmless and in a way the section you are working for is too, isn't it? Anyway, your email gave me kind of the impression that you aren't that interested in staying in touch, at least not really one bit euphoric in any sense - which might just be in my eyes, u know: I'm unloveable. But anyway, I'll give it at least this more try and see whether there will be any touched reaction of yours - I'm still hoping for. There is a story I wanted to tell you anyway since it happened within about the 44 hours after we said goodbye to you. One reason for me wanting to tell it to you is that it might explain to you why we needed five days to find out your email and to write to you - although we've really been a whole lot crazy for you after our shared night, we really were ;o), and so wouldn't have lost that much time without a good reason. (Well, actually I'm talking about me: Jan is fighting his own demons of closeness and still isn't sure whether he wants to contact you or whether he wants to stay free of anything that might be emotionally touching and therefor: demanding for at least some time - although he and I know that he definitely wants to stay in contact with you.) Another reason I'd like to tell you this story is that it is one of the most important experiences in my whole life and I do think for me it has, well: not really much in any way, but at least: something to do with you - and so I'd like to tell you. I think, if we, Jan and me, wouldn't have met a person at least that open hearted as you were that night in our very first night in Nerja, maybe things would have been a whole lot different for the rest of our trip. I'd like to thank you for that anyway. (But I think I already did that night, didn't I?) But first, before I tell you that story, I really have to state that I'm aching so much about writing in English. You know: I do love writing and in German I've got so many plenty ways to express myself. While writing English even a lot more than while talking in English I do feel so restricted and I feel like making the most simple mistakes all the time. So please excuse me for that, English simply isn't the tongue of my mother or father or anyone I ever was close to (well, not talking about that British girl, Liz, I shared some kisses with when I was 15 and, of course, all those British and American singers I do love a lot). I'm gonna look up some words in a dictionary - and if I've never even heard the word before I will put it in [squared brackets] so that you see at these points that I'm absolutely not sure that I'm talking about the things I'm talking about, ok? ;o) Ok, I think I told you before that we went to bed at about 10 in the morning on the last day of 2009 after that night with you. In the afternoon our third and last companion arrived: Eric. We three stayed all together in this nice house of Jans grandparents untill January 10th. We were a great combo, spend a lot of nice time together. Well, anyway, Jan and I felt [hangoverish] that afternoon, kind of dizzy, sick and tired. If it came to us, we would have skipped the whole New Years Eve-thingy and just went to bed to get some sleep. But while the three of us were talking Eric drank something more than one bottle of red wine on its own and - of course - wanted to dive into nightlife in the evening. So we all went, got in that karaoke bar again, even sang some songs and of course drank a lot of beer. (I was told that Eric had a really heavy headache the next day: a lot of wine and a lot of beer ...) At midnight we were on the Balcón de Europa, you know: that central place of Nerja with view to the sea. A lot of people were on the streets and in the pubs that night. We met that tramp again, Antonio, we first met on the streets in front of those buildings Jan thought all to might be your hotel. I remember giving him a big hug and wishing him a very Happy New Year, he was a nice and sad guy. I do love those - and please don't call me narcissistic all the time. We went from one place to another, had a drink here and there, maybe did some dancing, can't quite remember - and maybe at about 2 or 3 o'Clock Eric and Jan wanted to go home. That was about the time I had had enough beer and dope to shake my tiredness off and to feel the desperate need of seeing what nightlife might bring to a lonely soul like mine. So we said goodnight and I was on my own in a big crowd of people celebrating New Years Eve. I still can remember that there were those two Californian boys, about 16 in age, I was talking to for half an hour first - not far from the bar we met you the night before. A friend of mine (and in [personal union] the most important love-realtionship Jan ever had, though that's past for some years now) is staying in California for some month at the moment. Those kids made me think of her. Anyway, one of those two was quite melancolic (of course I did like him), but the other was shining so incredibly brightly, like a picture of some beloved baby in some fairy tale my mother read to me when I was a small kid. Thinking about what the night and the following day brought to me, I might want to say that he looked a lot like an angel - but well, he was just some really cute Californian boy with ancestors in the Netherlands. Anyway, there are so many things I can't remember of this night - and probably I would deeply bore you anyway if I was telling you all that crap. So I - finally ;o) - come straight to the very heart of my story, or well, let's say: the real beginning of it. Some time later I found myself in that Karaoke bar - again. I'd like to introduce Peter and Donna to you, Peter was that [bald] DJ and master of the microphone you might remember, Donna was that blond barkeeper you might remember as well. I've been to this bar every night I went into the nightlife in Nerja (which probably were about 6 nights all together) and it took me all of those nights to find out that Donna and Peter are a couple and do this bar all on their own - they've been there all the time I have been there and Donna told me that she almost never sees the sun. What a sad thing to say in Nerja! (I got a lot of sun in Nerja, my skin is really brown at the moment, I was in the sea 6 times and there were even some few moments I had to hide behind a cover because the Andalusian sun was burning that strong.) Anyway, the important part for my story is that I met some British woman, Aileen, and the fifth of her children, her son Steven. I talked to Aileen for about 20 minutes I think, she said she was 47 in age, but to me she looked a lot more like 67. She had a lot of [crinkles/wrinkles/foldings] all around her eyes and mouth - in the first place I really thought that she must have had a lot of fun in her life. But a closer look while talking to her told me something completely different: She must have worn her own face like a mask for most of her life, all those signs of happyness weren't signs of happyness but of strained pretending of being happy. In a way she looked so very lost, but at the same time she was so incredibly proud of what she had forced herself to be. I was amazed and shocked by this sad and brute history which had carved itself into her face. But that was just the beginning of what she should mean to me for the next 15 hours. I have to make a little cut, because I do remember that I tried to tell you something that night before which has some affinity to those [scar]-like lines of pretended happyness I saw on Aileens face. Maybe I was to drunk to transport the idea to you - and anyway the idea wasn't, well: isn't that charming at all. I had the impression you're face was showing more happyness than really could have been in your heart in those hours we spend together. In a way I thought about it like a cliché, I got a lot of pictures in my head (probably most of them from the unreal world of television) showing some US-people with a [----- ... to here written before January 19th -----] No wonder I stopped at this point: Difficult thing to describe and I'm fearing a little that it might offend you - though I don't mean it to be offending in any sense. So, well, I try to get into the story again anyway, hoping you don't mislike my curiosity to see whether you want to deal with this reflection of mine. ... showing some US-people with a lot of pretending an airiness which I can't really believe to be in their hearts to this extent. I'm not sure what I should think about this being a cliché or not, I don't know far enough US-people to have any clear opinion on this - and I could name so many german people I've got a feeling very similar to. Anyway, I just got the expression that you play the games of expressing and hiding one's feelings through all those learnt manners of communication, through all those games of more or less trainend, more or less free social behavior, structures of human relations and etiquette in some different way I'm not really used to and I'm not sure if I like it the whole way down. I had the feeling, though I experienced you as a friendly, polite and lovely human, that you act even more friendly, polite and lovely than you are - and that was just a strange feeling ... Anyway, I get back to Aileen and like to state that there is a big difference between that soft impression of you behaving a little too lovely and seeing those deep lines in Aileens face. Corresponding with those lines she somehow found it important to tell me about how absolutly important she thinks discipline is. What a strange thing to tell a flower child wannabe like me. Yeah, the lines in her face told me a lot about her passion for discipline - and she sang some ode on it, too. Time to talk about Steven, because I then asked him what he thinks is the relation his mother has to discipline. I wanted to have another opinion on what I was shocked about, already wondering if there is anything in Aileens life which is not torn to pieces because of her affirmation of dicipline. Steven was talking with someone else that time - but I did recognize him some minutes before (probably when we were introduced to each other by Aileen) and I was amazed by the childishness he had in his appearance. I thought of Steven being 18, maybe he's even older than you, I don't know (at least it was about 4 in the morning and he was drinking alcohol), but his face looked a lot like being 8 and hopelessly lost in a strange world you can't really make any sense out of what the hell it wants you to be. I was impressed by this expression of abandonment he seemed to be lost in. I think he told me about three anecdotes on the question of mommys discipline, two I forgot or more likely: repressed, but one I remember. He told me he often had to stand in some corner of the house he was raised in for hours to internalize the feeling of being ashamped of himself - because he had done something his mother didn't like. Well, call me theatrical, blame it on the alcohol and dope or just believe it like I did then: Aileen for me was Satan himself - though I used to define myself as an atheist. To Steven I said and felt something like that I always had thought of me being the most sad person alive - but since I've met him, I'm not longer sure of that. I really had to leave that place, that karaoke bar, because I really believed I had just had contact with something with no love at all in it, something absolute evil, to me Aileen was Satan in that moment and for the hours to come. I gave her my right middle finger (which I've done about twice in my life before) and said loud and clear "fuck you" - I really thought of her being pure horror to her surroundings. I loudly hit the wall and left the bar. I was almost through that corridor between the door of the karaoke bar and the street, when Steven and Peter came out and called me back. They wanted to talk to me about that "unfriendly gesture" I just showed to Aileen. To Steven I just said that he really does know why I did that, he noded and went back in, to Peter I just said, that Aileen is so damn hard to herself and to everyone around her that I just couldn't take it. He wished a nice evening to me and went back in, too. As I said, I saw Peter and Donna a lot the next week - and they still liked me. In a way they gave me the feeling that I had hit the nail on the head by doing what I did to Aileen - though they didn't say so clearly. At least they did know Aileen and Steven, they all were British people and I'm quite sure that Aileen and Steven haven't been in that bar for the first time that night. Sadly I didn't see Aileen or Steven again - several hours later I wished to say sorry to Aileen ... in the end: who am I to judge her, what do I know about the history that made her become what she has become? And at that later time I even would have shared a tear of Satan himself ... Well, with leaving that karaoke bar and Aileen the journey began I like to call my first spiritual trip in the whole of my life - which ended at about 11 pm on January 1st, so about 19 hours later, when I finally fell in my bed. And which is the story I'd like to tell you. I think I have to state some things about my relation to religion first. In a way I see myself as a critical rationalist and therefor at least as an agnosticist: Okhams razor wouldn't let me believe in any positive religious ideology - of which there are countless many in the world. And that's the position I fell on after my spiritual trip, today I wouldn't call myself an atheist any longer, but an agnosticist. I had some quite speaking and showing experiences of supernaturality, but I'm clear about ME in all my [imbecility] having had those experiences. I would never state them as real, objective or authoritative for anybody else. And of course, I even doubted my own experiences and tried to translate them into a world of causality and reason. But for those 19 hours, causality and reason was one very unimportant part in the whole greatness of being - other parts where a lot more important. But because rationality is so important for my thinking, it's quite hard for me to tell a story in which I wasn't acting or feeling, interpreting or thinking rational more than just a slighly bit from time to time. Anyway, but as a crtical theorist I even see religion and everything that has to do with it as an expression of human needs, as a language of wishes, not as a language of truth or reality. I think of the fourth of the Theses on Feuerbach by Karl Marx to have expressed that in a quite clear way: "Feuerbach starts out from the fact of religious self-alienation, of the duplication of the world into a religious world and a secular one. His work consists in resolving the religious world into its secular basis. But that the secular basis detaches itself from itself and establishes itself as an independent realm in the clouds can only be explained by the cleavages and self-contradictions within this secular basis. The latter must, therefore, in itself be both understood in its contradiction and revolutionized in practice. Thus, for instance, after the earthly family is discovered to be the secret of the holy family, the former must then itself be destroyed in theory and in practice." Because I'm quite convinced of this thought I would have called myself an atheist before New Years Eve. But anyway, in epistemology I follow Adorno a lot more than I follow the critical raionalism. For example the positivism dispute in german sociology is about the topic that reason can't really give a close reason for itself, like, say, it seems to be pure luck that the language of mathematics suits the language of nature which makes the sciences of nature so successful - for most mathematicans there seems to be no bondage of mathematics to any kind of experience. I, like Adorno, don't belive that, there is always at least some kind of bondage to experience. Anyway, for Adornos philosophy the term "Nichtidentisches" has a central meaning, you could translate it as "non-identical". The term tries to express that experience always has to deal with things that are unknown, never experienced before, that the world is always a lot more than the spirit who tries to deal with this world - even in those places like mathematics where the spirit thinks of itself as the only important bondage. Well, because of that, you could say that I was lying when saying I thought of myself as an atheist - because thinking of something which necesseraly always escapes any systematics of theory to be systematically is kind of a reasonable religious constellation. Hm, I hope you aren't bored to death now - and I'm really not sure if I could express my point on my religious feelings. Anyway, they changed somehow on New Years Day. Today I at least believe that there might be some supernatural powers interacting and intervening with the world - which are at least as free as we are and therefor will never be scientifically experienced or described properly by any religious ideology. In a way I feel looked after by something I don't understand in some way today - well, at least protected in some moments, not that I could count on it every single second of my life ... but maybe I'm lucky being helped at some moments I really need it to do something good or important to others or even myself ... Ok, I go back to my story: As I was standing on the street in front of the karaoke bar I just had left I felt that I had to find a place where I could go to and cry the hell out of me - the hell I just had been in contact with. There is so much sadness in my heart for all my life which gives me the feeling of needing a place to weep anyway. But in that moment it was a complete different feeling: I was so incredibly sad because I had been in contact with something with no love in it at all. I desperately needed a place to weep. Well, where should I find such a place somewhere in Andalusia I have never been to before? The only answer I could think of was: in the hearts of all the strangers surrounding me in the early morning of New Years Day in the partyworld of Nerja. So I went to other pubs and discothecs. I started wishing a Happy New Year to just every human I saw on the streets, some hundreds all together. I got a lot of friendly smiles by doing so - and with some people I shared some words, with others I really got in contact with for some while. But there were some people who didn't like me anyway - some hours after I met Aileen I was even hit by some British guy in the Coconut discothec. It was a combo of four people, two man and two woman, about your age I would guess. They left the bar after hitting me, I followed them because I hadn't the slightest clue of why he smacked me in the face. I asked him and he or his friend (I couldn't decide) hit me in the face - again! With that big doorman of the Coconut standing just half a meter away from me. I've got the feeling that the reason for them hitting me had been that I was dancing the way I did that night, that they didn't like me feeling and dancing that free (though at the same time I felt so unfree because I still needed to find a place I could weep in). But I'm not sure of that at all. I talked to quite a lot of people - but not many people really could deal with someone who says he has to find a place to weep in because he - as an atheist - just met Satan. Most of them probably thought I was crazy or joking - and, well, I didn't fell like joking, but crazy I maybe am or was, I'm not the one to decide such questions. At least I found some people I could share some tears with and who gave me joy - so my heart got a lot lighter. I couldn't really find the place I was looking for and therefor my heart stayed extremly heavy - but in a way I found very many places which were [akin] to that place I was looking for and a lot of lightness got in my heavy heart anyway. The most open hearts I found in the worlds of freaks. I should have known that, for I always felt like a freak too. I met a Spanish transsexual in Coconut disco I really could talk to for a while about the problem I was carrying in my heart. And then I entered that gay pub just about hundred meters away from the karaoke bar - and there I found about 10 people I really could talk to and who were really open to me. That gave a lot to me. I had to say NO to at least 6 persons inviting me in their beds - so I guess they liked me too. There was this Spanish [fag/flamer/ponce/queen/queer] who was really nice to me (and with whom I did some nice dancing some nights later). There was this strange couple: Mischa, who was small, anemic, without any muscles, not very tall, a delicate, [filigree], sophisticated boy, very sublime and intelectual - coming from somewhere north of Iran, I didn't really get it. I chated with him about gender for a while - a fun thing to do in a gay pub. And Mischas man was a bull, a really bulky, massive Spanish guy with a deep-red color of skin, a man looking like a mountain - with the mind of a child, friendly, warm and not at all "sicklied o'er with the pale cast of thought" (which Mischa was a lot). I didn't get his name, he couldn't speek anything else but Spanish so Mischa was translating and told me for example that he would like to have sex with me (which meaning he could express by some physical interactions quite good at the same time). Well, I wasn't in the mood for doing homosexual experiments, but later on I wondered if those incredibly strong arms of this friendly, sunburned child of a man wouldn't have been the place I was searching for, where I could have weeped a lot ... I met Fran(cesco), the barkeeper of that bar, I liked him a lot. There is a story I could tell you later on which has something to do with Fran - but that happened about a week later and the story of my New Years Day is long enough anyway. There was this British guy, about 45. He was kind of fat, but very compact, [chunky]. I gave him a massage on his neck and upper back because he looked so incredibly tense. You know those big man looking like they are part of a bar counter and never seem to move away their whole lifes? He looked like he was one of them. He really did enjoy my massage, which was no wonder, because he really needed it, I felt that very clearly. Later he said he made 37 millions Euro with real estates and lives on this money nowadays. I asked him how much time I would have to dedicate to him to make him give me 5 of his millions. I think I was offending him in a way by asking him this - at least he didn't answer. I think, everything less than 3 hours would have been ok for me ... Oh my, you see, in a way Satan joined my way. But I really wondered why he didn't spend his money on people doing massages on him - strange world. But although I needed people to be good to me, to give me shelter and their arms I could weep in, I did a lot of good and nice things to others I think. There was for example this Spanish girl, who was sitting on the [curb], crying like hell. Her handbag were dumped over the place. After wishing her a Happy New Year (which must have sounded like mockery to her) I helped her get her things together and back in her bag. But that definitely wasn't the reason she was crying so strongly for. But because she was sobbing and sniveling a lot and only talking in Spanish I couldn't get it. I gave her some big hugs, tried to be nice to her and helped her with her handbag. I couldn't do more and went on - but at least I did that while there were dozens of people wandering by and ignoring her. Hm, I got to wonder that night if there is a thing in the whole damn world that represents humanity, the unity of mankind and human race in the sense of the Age of Enlightenment more than this three words do: "Happy New Year". I couldn't think of anything and still can't. Therefor I still go on wishing people a Happy New Year - and I think I will do it till December 31st. Yesterday I was told that in China they don't wish each other a Happy New Year. But anyway it's one of the rituals which are celebrated by most of the people in the world, isn't it? And the sense of it is pure human kindness, wishing others happyness for at least 365 days ... I do like it. Another important thing of my spiritual trip at that time besides all the contact to people I had was that I was comunicating with the winds, letting the wind show me the way I had to go, following the direction it pushed me to. I got the deep impression of comunicating with the winds and to have some supernatural powers show me the right path by bringing these winds over me. Once the winds blew me out on the Balcón de Europa. When I finally arrived at the balustrade at exactly that point the wind wanted me to stand and look to the see I looked down and saw a rock at the foot of the balcony, exactly in front of me, saying: "India". That probably meant that I was looking in the direction India is some 8000 kilometers away from Nerja. Anyway I'm thinking of it being a hint to me: I really have to go to India for a year or two. I thought of visiting India once in a while before - but never in a real sense, always like "well, maybe in 20 years ...". Now I really do think I have to go there soon, at least in the next 5 years. Standing there I sent a Happy New Year to the whole of India ... I think that I danced a lot at Coconut in the last hours of the night. I enjoyed dancing, it made my soul lighter in some way. Somehow I had the expression I had to leave - maybe they wanted to close, I can't remember. It might have been 8, 9 or 10 in the morning when I came out of Coconut, no party place open to go - so I had to go back to the house we were staying in. But while walking there and still having the desperate need of finding a place where I can weep I saw the top of the highest mountain around all golden by the kiss of the sun. It was a marvelous day, the sun was shining nicely the whole day. Seeing this golden top of the mountain I thought that I now knew where the place was lying I was looking for. So I went into the mountains. Later I found out that the mountain I wanted to climb is about 1850 meters high. But at that moment it looked like I could reach it in some few hours, so near and almost touchable. Well I was wrong about that. My main problem going into the mountains was that I only drank beer the whole night through, that I did a lot of dancing and that I didn't have any water with me. At the end of the day I was terribly dehydrated - like I've never been before. Anyway, still going up the streets of Nerja trying to reach the mountains I was given a palm leaf of about 2 meter length, at least higher than I am. I mean: I found it but had the experience of been given it as a weapon or a shield, something I could protect myself with. From the moment I went into the mountains I had a lot of spiritual thoughts and pictures in mind, a lot of cristian pictures (which is no wonder because I'm raised in a cristian society: Satan of course is a cristian concept), but it wasn't clearly about cristian religion and I had some hinduistic or budhistic pictures as well - and a lot of thoughts you could call social psychological or even just brute physical, but I experienced them in a spiritual way. Those cristian pictures were just the pictures I got because I am used to them and can decipher the meaning of them - nothing more sense about that ... Well, and till I fell in the Barranco de la Caladilla I had the experience of good and evil powers struggling with each others, well, not exactly fighting, more like dancing with each other, playing. And I tried to dedicate myself to those powers, asking them to play their game within me and my soul and all the things surrounding me for a while. After I fell in the barranco I got a lot more humble and didn't thought of me as one who could carry the whole damn game of those powers I can't name but felt a lot of being in touch with, then. I met a couple, British I think, midthirties probably, when I still was on a street but just left the last houses of Nerja. They were fresh and awake, obviously planning to wander around the mountains for a while - they did have sleep. I told them about my need for a place I could weep in, asked them for water with that huge palm leaf in my hand and had about half a liter of water. I chated with them for two or three minutes, I think they liked me, though I can't really see why. Anyway I think that I gave them the nicest compliment that I have ever given to someone - though I can't exactly remember what I said. Some hundred meters behind that meeting the street no longer went up but down. I wanted to go up, so I left the street and went cross-country. In the beginning that was quite easy, because the trees, all those beautiful pines had a lot of space inbetween them. Later on I had to crawl on all fours through some [brosks] of pines (always with that huge palm leaf I left somewhere at the edge of Maro when I came back to civilisation in the night). I slept for probably about an hour on some [acclivity] in the bright morning sun. Somewhen I ate some huge mushroom I was convinced to be eatable - and later some really tasty plant, almost tasting too strongly fresh for me. Anyway, I said Happy New Year to every tree or bush or plant or stone or any entity I was sensing - and there were a lot of entities I was sensing then that I probably wouldn't sense today and that I wouldn't have sensed the day I met you. I was part of this huge landscape, of the Sierra Nevada and all the powers living there or (like the wind which still was guiding me and guided me till I came back to civilisation, even sometimes is guiding me still today) passing through there. I probably walked cross-country for about three or four hours - which was quite hard. I recognized that the top of the mountain I wanted to reach didn't come so much closer. So I decided that I should reach a path I saw in some distance. I had to walk down the hill I was on for some while to get there. And then I unterstood that ther was this barranco, this chasm between me and that path. That was the reason I had to go down, even a lot more down than the path was I was seeing and I wanted to get on. But somehow I got the expression that the barranco might be a path too - and I was right on that. At least I reached the barranco and stood above some [steep face], about eight meters high. (About a week later, Jan, Eric and I went into the mountains, walking upway that barranco and some other paths I had taken on New Years Day. I've got a picture from the place I fell in the barranco, it's about eight meters.) Well, at first I thought of jumping on to a tree with a very even surface and slighting down at it. The tree stood in the barranco about one or two meters away from my position. I was frightened and decided that it wouldn't be a wise choice to jump onto a tree in eight meter hight. I went two or three meters at the edge of the barranco to see whether there was another possibility to get down there. Because I was clear I wanted to go down there, I threw my palm leaf down (and another weapon I was carrying with me already for some hours and until the place near to Maro I left the palm leaf too: It was a limb of about 1.50 meters of a totally dead and dry tree, very easy to break through, dead for a lot of time, maybe years. It didn't break on my way and it symbolized something like my solidarity with the dead and death itself and my unafraidness of facing death or the dead.) Probably it was a mistake to throw my weapon and shield away, for those moments I obviously was vulnerable - at least I was hurt a lot while not carrying the palm leaf with me. The [acclivity] I was standing on had about 45 degrees and was slippery, my right foot lost foothold and I went down. My spiritual interpretation was that I wasn't trusting enough when not jumping onto that tree with the even surface and therefor experienced angst and - later pain. But after I fell about two meters I stood on some kind of bush or tree growing out of this [steep face], I was perfectly secure standing there. In other situations I probably would have spoken about something like a wonder - but in that situation it was the natural thing to happen. I had been to much in touch with those powers and had given myself to clearly and freely in their arms - they couldn't just have let me fall down and brake my legs. They just gave me a lesson about not trusting them to jump on that tree with the even surface. Well, standing in about six meter hight I was wondering what to do. I couldn't go up, I wasn't very strong that moment - I hadn't had a lot of sleep but a lot of beer and dope. And the edge of the barranco still was very slippery. And I wanted to find away down anyway. Jumping down was still too risky, too high. There was another bush some meter away. I could reach it with my hand and then hang down from it, which gave me about half a meter to the bottom, still five or six to go. Then I saw another bush at about four meter hight, about the hight of my knees and somewhere to the right. I swung to the right, jumped onto that bush, tried to grab it and found myself lying on my back in the barranco, parts of that bush in my hands. I must have fallen about four meters straight on my back. At first I thought that I surely broke my spine, wouldn't be able to move any muscle and would have to wait for hours in terrible pain until someone would come along and help me get into some hospital. I had pain all through my body, but especially at one part of my back. But I recognized, though every movement hurt a lot, I could move freely. The pain didn't leave me for about three days, again and again I had the feeling of a huge knife being hacked into my back when I made some movements - and I couldn't figure out which movements gave me that pain, so I experienced it a lot. Anyway, I found it strange that the part of my back which was hurting most and incredibly strong was just the part I get tense up whenever I work too much. I told you that I'm working with a disabled person, didn't I? Nowadays I work there for four nights and three days in a row - which is quite a lot in one instance. Well, and sometimes a part of my back starts to hurt after some days of work. When I was standing infront of that wall I just fell down from I was wondering if I just got a (really hurting) present, an antidote to my tensioning through my work, a big hit on exactly that part of my body which needed a hit in order to don't be hardening any longer ... I worked last weekend (for six nights and three and a one-third day) and I didn't get that hardening. I have to watch that thing, but maybe I was even right and it had been a present. But anyway, if it was a present, it was the most hurting present I ever got, incredibly hurting. I didn't thought I could go on for longer. And I got the expression that it was already afternoon, the night coming in some time. Exactly opposite to the wall I fell down there was some kind of natural cave in the wall which had been used as a place to build fires. I decided to search for wood, which I did (with this extremly hurting body of mine) for about an hour. I had quite a lot of wood and thought of staying the night there by the fire and walking on to the top of the mountain early the next morning. But the wood was so dry that this huge amount of wood I had gathered together was burning away in about an hour or maybe one and a half. I lay my back as close to the fire as possible, touching those stones dividing the fire from the surroundings. I didn't thought of it in a rational way, I just needed heat, physically I felt so incredible damaged and tired (though emotionally I still was quite happy about the trip I was on). I did a great job by giving a lot of heat to that aching back of mine, quite good idea, especially because I didn't even think about it as useful, but just did what I felt I needed ... At the time the fire almost went out and there was no wood left I could throw into it the night still hadn't come. Though I still got all those incredible pain I felt somehow refreshed. I got more humble and aware of my smallness. I decided to not try to reach the highest top that was shining so golden in the morning sun, but that I would be happy to reach one real top of a mountain, the first I would get to. I was on a path, a big way now, so walking got easyer in a way, but because of all my pain it got a lot harder. Every step was heavy, every 30 or 40 minutes I had to lay down to relax for a while. My back couldn't take all those little hits from each step for a longer time. And lying down and getting up alwas was pure horror, so painful. And lying on the stones wasn't that relaxing too. There was no seat along the whole way - and I estimate that I went up the hill for about five more kilometers and about 200 or 300 meters of difference in altitude. I reached the top of a hill I was happy with at an altitude of about 550 meters, I guess after having a look at google earth. When I went away from the fireplace I met two women wandering, coming down the barranco. I asked them for water and they gave me the rest they had, about a glass of water in a plastic bottle. Somehow a huge portion of dust must have found his way into my right eye, it was very red, inflamed and hurting for about five days. And I was so dry, so out of water that there were no tears to wash that dust away. I think I laughed about this funnyness: I still wanted to go to a place where I could deeply weep, but I couldn't even weep because of dust in my eye because I was so dehydrated. Strange and funny. In a way I prayed. I was asking, begging those powers surrounding me for a lot of things - but in the first place I was begging for Steven, that son of Aileen, to find some way which really will make him happy. In a way I was sad not meeting him again in Nerja some days later, because I would have wanted to see what had happen to him. Maybe I'm wrong, but anyway I'm convinced that at least something has happened in his life and made a difference. Sometimes I was begging for water, probably ten or twenty times, I really did need water a lot by the afternoon. Twice I almost found water immediately after begging - in the first place there lay some waterproof jacket on the ground and water was dripping on it from the mountains: a small puddle. In the second place there was a stone in some natural cave which had kind of the negative of a mug in it - all filled with water. Probably the dropping had formed this hole over centuries or even longer times. I drank and found some leaf which was much formed like a [funnel] I could use to fill that water bottle I was carrying after those two women had given it to me. So I had at least two or three [drams] of water with me. Of course I didn't always get what I was begging for, but sometimes I got it immediately. Night started when I had left the fireplace for an hour I guess. I needed some more hours to walk up the mountain. There was nothing very special up there, except maybe that the winds were quite strong up there and that I might have stepped somewhere I could have fallen some 50 or 100 meters down. But I had my plam leaf with which I fought the winds in a smooth manner, so nothing happened. When I walked down, which probably lasted for about two hours, I had some small and soft light with me for most of the time, about five meters in front of me lighting up just a little bit an area of some meters in a circle. The moon was almost full that night, but I checked it often: The moon just wasn't the source of that light, the light was with me when there were a mountain between me and the moon. And anyway: The moon was lighting up the whole area and not just such a small part of the area in front of me. I got the expression of some female ghost travelling with me, call it angel or anything, I don't care for names. She was soft and protecting and gave me that light. She must have been somewhere behind my left shoulder to give me that light, I felt her there. But whenever I looked behind me there was nothing special, just the night in the Sierra Nevada. My rational thoughts speculated about the inflammation of my red right eye to be a reason for an optical hallucination. Might be, but I got the warm feeling of being directed home by some friendly power anyway. The winds were almost completly gone when I walked down, everything was still and peaceful. At last I reached Maro, small neighbor-village of Nerja. I got to a restaurant where I bought a big bottle of water. Ah, I forgot to tell: Even before I fell in the barranco I realized that my wallet wasn't with me. I should have been worried a lot about that, because in there was my identity card which I needed to fly back to Bremen - and a credit card anybody could use to get things worth about a 2500 Euros I would have to pay for. But I wasn't worried at all on that trip. And I found 10 Euros in my pockets - so I could buy that water. I asked the girl who sold me the water if she could get me a taxi and she did. I found it a very strange thing that there still were such things like taxis - but of course there were and I got back home from Maro quite fast. Jan and Eric weren't home when I came back, because they were at the police station to ask for any sign of me there. They had cooked something before they left and I was so happy to find something to eat. It was about 11 pm when I fell in bed. I had all those pain for some days then, the night between January 2nd and 3rd I even got a [gastro-intestinal] disease, anything leaving my body through every way out my body can offer. Very hard night. Later on I thought of remembering that I might have left my wallet in the Coconut discothec, giving it to some barkeeper there in the fear I might loose it because I was so drunk and stoned. I checked it in the evening of January 3rd or maybe 4th and I was right: It was there, with everything in it. They didn't even get me some expensive bottle of wine on my credit card. Mankind isn't always that bad. The day I wrote you the first email was the first day I didn't feel all ill. So, that's the reason why I needed so much time to find out your email. As I said: Jan wasn't sure if he wanted to follow the importance you already had in his heart or if he better should ignore that importance ... Anyway, it's hard to talk about the spiritual meaning of that whole trip of mine. The most important thing for me probably was about trusting and about accepting the bad and ugly things in life as something I might not like but I have to deal with anyway as a part of the big unity we're all in. And the trip was about my shyness and my reservedness in expressing my feelings, especially any kind of anger. You might not believe this because you know me quite open-hearted, but in many senses I've never been open-hearted. And I think I now am a lot more. Big can opener to me. For the woman I fell in love with the last weeks since I'm back in Bremen I'm probably a lot too open-hearted, much too honest. I'm happy a lot these times because I [have a crush on her], but I fear a lot that I am too extreme, too extremly open for her. So, please Sam, wish me luck. Anyway, long story, I hope you enjoyed it in some way. Tell me anything about your life you like to, Sam. I would be deeply grateful if you do so, because I simply do need the feeling of being in contact with the reality of other souls. Anyway, I wish to you pleasure, lust and freedom. I sent all the emails I sent to you and got from you to Jan too. I know the one he sent to you too. I hope you don't have a problem with that, but I'm still sorry doing it not openly in the first place. As you can see now, a copy of this email goes to Jan. So we can communicate as a group of three or - if anyone of us longs for more privacy - just person to person. From now on I won't send anything to Jan by bcc, nor will I send him an email from you if you decided not to send it to him too ... Bye, Bert Am 28.09.2014 20:52, schrieb Jens Kasten: > Hallo Bert, > dass du dich ein wenig aus der Debatte zurückzuziehen planst, deute > ich mal großzügig noch nicht als ein das Ende der Stipvisite. > Vielleicht wartet der eine oder andere jetzt mal 3 Wochen auf eine > Antwort. Aber er kriegt sie dann doch noch. ;-) > Wobei, wenn ich lese, was Du dann so quasi vorläufig abschließend so > schreibst, sieht es doch wieder so aus, als ob du "tschüss..." > sagen wolltest. > Hier und da ein Stempelchen drauf, weitere Fragen, oder Argumente? > Fehlanzeige. > "Verdächtigungen", Bewertungen allenthalben. So anders war mein > Eindruck die letzten Wochen. > Schade. > Zur angeblichen verkürzten Kapitalismuskritik. Klar es ist nur ein > Eindruck, der sich dir aufdrängt. Kein abschließendes Urteil. > Doch wenn ich jemandem solch ein Riesenplakat umhänge, dann sollten > die Argumente schon fast wasserdicht sein. > Das kann ich so leider nicht annehmen. > Geld und Boden seien zwei von sehr sehr vielen Formen des Privateigentums. > "Nicht das Privateigentum wird zum Problem, sondern bloß zwei von > sehrsehr vielen > Formen: Geld und Bodeneigentum." > Mag sein, aber es sind die wesentlichen. Welche hältst Du für > wesentlicher? Und warum? > Zum Boden. > Boden ist nicht bedingungslos vermehrbar. > Mit der Höhe steigen die Kosten schneller. > Nicht alle wollen höher. > Strände, Küstenlinien, Weinberge und vieles mehr lassen sich nicht > schichten. > Dass die Nahrung für die doppelte Anzahl an Menschen reichen könnte, > wäre eine gute Nachricht. > Damit kämen wir wieder zum Geld. Die Produktion ist in Gefahr. > Nicht die natürlichen Möglichkeiten > Zur Determinierung von Produktionsmitteln, Produktivkräften, > Realkapitalien durch Geld: > So wie ich es schon ausgeführt habe. Privateigentum, - welche Form > auch immer es innehat - hat seinen Kapitalcharakter von Geldes Gnaden. > Und nur solange Geld kurzfristig folgenlos aus dem Warentausch sich > zurückhalten kann, > jedenfalls spürbar länger als alle Produzenten ihre Waren, nur solange > behalten > Produktionsmittel und Produktivkräfte, ob nun Fabrik, Institut, Think > Tank, Technologie, Software, > Verkehrsmittel, Rohstoffe, Automaten, Maschinen, Werkzeuge etc ihren > Kapitalcharakter. > Nur solange sind sie in der Lage aus dem künstlich in der Schwebe > gehaltenen Missverhältnis > zwischen Angebot und Nachfrage ihre Rendite lieferende, die > Umverteilung allen Reichtums > vorantreibende Kraft zu entfalten und zu erhalten. > Nur wenn Geld kurzfristig ohne Folgen für den Geldbesitzer aus dem > Kreislauf > zurückgehalten werden kann, kann die Erschaffung von weiteren > Produktionsmitteln > gebremst, verhindert, ausgesetzt werden, welche den Kapitalstatus der > bestehenden > PM attackieren würden. Neue Kapitalien sind die Konkurrenten der > bestehenden. > Eine qualitätsgleiche Mehrerzeugung bei unveränderter Nachfrage führt > nun mal > folgerichtig zu einem sinkenden Preis. Gleiches gilt bei relativ > vermehrtem Angebot. > Sinkende Preise sind für den Handel der Supergau. Nicht die sinkenden > Preise in einem > Segment, sondern die einfache Tatsache, dass einer in ihrer Höhe > relativ unveränderten > Nachfrage - der Lohnfond ist ein schwerfälliges Gebilde - ein > steigendes Angebot im > Allgemeinen gegenübersteht, also nicht die Nachfrageverschiebung von > einem > Segment in andere, sondern der allgmeine Preisabbau bewirkt, dass die > Zinsen aus > den Einnahmen nur unter größeren Mühen aufgebracht werden können. > Wenn die Nachfrage nach Dieselloks einbricht, dann bricht selten der > Bedarf nach > Mobilität ein und die Kapitalcharaktereigenschaften, wandern von > Pleuelstangen > hin zu kleinsten Elektromotoren als Beispiel. > Plötzlich wird der Zins mit einer anderen Realkapitalie verdient. > Auf die Preise haben die Hersteller keinen bestimmenden Einfluss. > Wenn sich mehr Anbieter um eine nicht adäquat steigende Nachfrage > streiten, dann > bleibt die Ware solange liegen, bis der Handel, und mit ihm die > Produzenten die Preise > herabsetzen. Zu hoch sind die fortwährenden Kosten für die Erhaltung > der Waren. > Kann im gesunkenen Preis, der Betrag für die Kapitalkosten nicht mehr > untergebracht > werden, dann gehen Firmen pleite. Die Banken, die Geldsammelstellen, die > Überschusssammelstellen registrieren sehr fein, die Preisbewegungen > über die > "Zahlungsmoral" der Schuldner. > Meist ist es nicht notwendig, neue Unternehmen davon abzuhalten, den > Kampf gegen > die etablierten aufzunehmen, wenn die Preisbewegungen eine klare > Richtung vorgeben. > Eine klare Richtung nach unten. Außer es sind alte Unternehmen im > "neuen" Gewand. > welche die mittelständischen - die kleineren Ausbeuter - verdrängen > wollen. > Nur wer im aktuell gültigen und tendenziell zu > erwartenden Preisniveau auch die Kapitalkosten für seine Kredite > unterzubringen vermag, > wird sich in das Abenteuer Produktion auf eigenes Risiko stürzen. > Für die Uneinsichtigen gibt es dann Risikoanalysten bei den > Gläubigervertretungen, den > Banken. > Schon hier kann man ahnen, dass es mit der "Überproduktion" nicht weit > her ist. > Sie wird ausgerufen, sobald der Zins in Gefahr ist, nicht sobald > Angebot und Bedarf sich > decken. Während der Bedarf weiterhin groß sein kann, kann die > Nachfrage - also die > vom Geldbesitz determinierte Verbindung von Bedarf und Geld bereits > gedeckt sein. > Wenn Du annerkennen kannst, dass Produktionsmittel nicht a priori ein > Kapital sind, > dann könntest du die Ursache für diese Erscheinung einer genaueren > Prüfung > unterziehen. > Den Anschein hat es schon, weil das Geld in der Lage ist, die > Erschaffung von > konkurrierenden Kapitalien eine Zeit lang zu verhindern. > Es stellt sich einfach trotzig in den Weg. > Die Rentabilitätshürde. > Der Besitz von Produktionsmitteln ist noch nicht mal eine notwendige > Bedingung für die > Ausbeutung. Von einer hinreichenden ganz zu schweigen. > Vielleicht diskutierst du lieber über andere Themen. > Doch wer wie Du vorgibt, dem Kapitalismus an die Eier zu wollen, und > sich über die Natur > des Kapitals nicht hundertprozentig sicher ist, der sollte die > richtigen Fragen > stellen oder die besseren Argumente liefern anstatt Zensuren auszuteilen. > Deine Belesenheit steht für mich außer Zweifel. > Doch erkenne ich Widersprüche und Meidbewegungen wegen Argumentenarmut > kilometerweit. > Finde die Widersprüche in meinen Ausführungen und lege sie offen. > Bewerte nicht mit den Vorurteilen von Robert Kurz und Co. > Dann hätten wir eine fruchtbringende Beziehung > Lass uns beim Kapitalbegriff bleiben. > Sonst kommen wir dem Moloch nie bei. > Ein BGE ist gegenüber der Freigeld/Freilandtheorie nicht die > erweiterte Kapitalismuskritik. > Doch was ist das Kapital? Und wie zieht man ihm den Giftzahn? > Viele Grüße > Jens > *Gesendet:* Sonntag, 21. September 2014 um 16:36 Uhr > *Von:* unversoehnt > *An:* debatte-grundeinkommen at listen.grundeinkommen.de > *Betreff:* [Debatte-Grundeinkommen] nur ein bisschen zu diesem und jenem > Hallo, > > aus verschiedenen Überlegungen heraus möchte ich mich eher wieder ein > wenig aus der Mail-Debatte rausziehen. Aber für die Kommentare zu meinen > Texten möchte ich mich bei den betreffenden Personen in jedem Fall > bedanken, bei Verena etwas ambivalent auch für die vielen erteilten > Hausaufgaben. ;o) > > Anmerkungen möchte ich gerade inhaltlich nur drei machen: > > 1. Liebe Verena, deine Formulierung, dass Manna nicht vom Himmel falle, > halte ich nicht bloß aus spirituellen Überzeugungen heraus für > unrichtig. Spirituelles möchte ich hier erstmal gar nichts verhandeln. > Daher simpel naturalistisch: Die Erde wäre schlicht ein Eisklumpen in > der Kälte des Alls, wenn unser Stern, die liebe Sonne, uns nicht > permanent mit Energie versorgen würde. Alles, was wir in irgendeiner > Weise nutzen, sind und leben, ist letztlich das Geschenk dieses > Energietransfers. Die Erde selbst entstammt m. W. vermutlich zumindest > zum größten Teil ihrer Substanz aus der Sonne. Kosmologisch betrachtet > ist es daher Unfug für so > etwa-300-Grad-über-absolutem-Temperatur-Nullpunkt-Lebewesen wie uns zu > leugnen, dass das vom Himmel qua Sonnenenergie fallende Manna existiert. > Innerhalb von Debatten über Arbeit im Besonderen und im Allgemeinen > verstehe ich selbstverständlich, was du damit sagen wolltest. Da ich > allerdings als Fetischkritiker sehr präzise weiß, dass Mangel mehr mit > den psychosozialen Dimensionen der Wertverwertung zu tun hat als mit > einem objektiven Problem der Menschen innerhalb ihrer > Naturverschlungenheit, bin ich dennoch überaus skeptisch, ob diese > Vorstellung wenigstens in ökonomischen Zusammenhängen richtig ist. Sie > könnte schlicht Mana der Wertverwertung in unseren Seelen sein, die > nahezu undurchdringlichen Schleier einer überproduktiven > Mangelwirtschaft. Frei nach Horkheimers und Adornos Dialektik der > Aufklärung: "Mana, der bewegende Geist, ist keine Projektion, sondern > das Echo der realen Übermacht der [zweiten] Natur in den schwachen > Seelen der [Zivilisierten]." (Adorno, GS3, S. 31) > > 2. Lieber Jens, mir geht es mit deinen Beiträgen ähnlich wie Jochen: Du > sagst zwar viel, klärst aber nichts, was mir nicht ohnehin schon klar > wäre, sondern verwirrst eher hier und da. In punkto Bodenreform bin ich > voll bei Willi: Die Eigentumskategorie ist für'n Arsch, Diebstahl, > goldene Handschellen, ein Gefängnis für unsere Gedanken, Gefühle und > Geschehnisse. Was für alles Eigentum gilt, gilt selbstverständlich auch > für das Eigentum an Boden. Ich verstehe zwar wiederum, dass aus einer > reformatorischen Perspektive das Eigentum an Boden vielleicht nochmal > ein ganz besonderes Thema sein kann, weil es nämlich bis zum derzeitigen > Stand der Produktivkräfte Bedingung der Möglichkeit aller Ernährung ist. > Als Stadtkind bin ich da aber strukturell etwas interesselos und weiß > aus der Glotze von Versuchen, die Nahrungsproduktion unter vollständig > künstlichen Verhältnissen auch auf einigen Etagen von in den Himmel > gebauten Wolkenkratzern unterzubringen. Das würde den Begriff des Bodens > ziemlich radikal verändern. Ein bGE könnte m. E. auf derart vielen > Ebenen zu Veränderungen führen, dass ich erstmal keine Notwendigkeit > sehe, im Kontext von bGE-Debatten über Bodenreformen nachzudenken. Das > könnte sich naturwüchsig ergeben. Ansonsten drängt sich bei deinen > Ausführungen insgesamt halt der klassische Vorwurf von Marxisten an > Schwundgeldtheoretiker auf: "verkürzte Kapitalismuskritik". Nicht das > Privateigentum wird zum Problem, sondern bloß zwei von sehrsehr vielen > Formen: Geld und Bodeneigentum. Ist vielleicht etwas böse polemisch mal > wieder, aber mir scheint, dass es implizit in diesem theoretischen > Ansatz so etwas gibt wie eine Sehnsucht nach den geordneten > Herrschaftsverhältnissen der Feudalära, wo jedem Menschen noch von durch > Kirche und politischem System repräsentiertem Gott seine ganz spezielle > Rolle in der Welt zugedacht war. Nicht wenigen die eines ewigen Sklaven, > eines Ausgestoßenen oder eines ewig im Fegefeuer und für das eine oder > andere Viertelstündchen auf den Scheiterhaufen Brennenden. Während der > Kapitalismus ja mit jedem Glauben an eine spezielle Berufung des > einzelnen Individuums gründlich aufgeräumt hat. Es gibt nur die eine > universelle Berufung, die zum Tanz ums goldene Kalb. Alle haben dabei > selbst zu sehen, wie sie sich am fittesten für diesen Tanz machen > können. Und werden calvinistisch vielleicht als Gewinner innerhalb eines > Systems von Gott angelächelt, das Gewinner und Verlierer hervorbringt > und somit eigentlich alle zumindest AUCH zu Verlierern stempelt, > spätestens nämlich dann, wenn das Individuum dann doch mal seine > Mitmenschen mit dem geweiteten Blick eines liebenden Herzens betrachtet > oder in die letzte Konsequenz des Markts taumelt, den Kampf bis auf > Blut&Knochen hinein in den nuklear blubbernden Staub. > > 3. Lieber Jochen, ein paar Bemerkungen unter uns Marxologen: Ich find's > gut, dass du Jens widersprichst, wenn er den Unsinn verbreitet, dass > Marx das Kapital nicht als Verhältnis begriffen hätte. Seltsam aber > bleibt mir dieser selbstverständliche Glaube an einen Automatismus aller > Naturgeschichte bei vielen Marxisten. Du hattest geschrieben: "In seinen > Frühschriften hat er eine andere Vorstellung von Geschichte, als in den > späten." Das wird häufig angenommen. Mir ist aber nicht klar, womit sich > diese Behauptung belegen ließe. Als Tendenzaussage würde ich ihr auch > sofort zustimmen: Als älterer Herr hatte sich der olle Kalle so > eingehend mit der Schwerkraft der geschichtlichen Verhältnisse > auseinandergesetzt, dass es ihm sicherlich schwerer als in seiner Jugend > fiel, einen radikalen Wandel aller gesellschaftlichen Verhältnisse so > mir nichts dir nichts vorstellbar zu finden wie ein vierjähriges Kind, > wenn es mit seinen ewigen "Warum"-Fragen auf eine echte Absurdität des > Faktischen gestoßen ist und noch gar keine echte Vorstellung von > geschichtlicher Schwerkraft überhaupt hat. Als absolute Aussage leuchtet > sie mir aber kein Stück ein. Erstmal deshalb, weil sich der > Fetischbegriff nicht anders denken lässt als aus der Perspektive eines > Bewusstseins, dass sich nicht nur an die Realität gebunden fühlt, > sondern zumindest so frei gegenüber dieser Realität, dass es sie als Lug > und Trug des Wirklichen aussprechen kann. Blinde Naturgesetzlichkeit der > Geschichte wäre nun wirklich etwas anderes. Dann aber auch im direkten > Vergleich: Sowohl in den Früh- wie in den Spätschriften bleibt die > Konstellation im Kern die gleiche, nämlich sowohl Schwerkraft der > geschichtlichen Wirkzusammenhänge wie auch kritischer Eingriff in diese > durch das revolutionär gesinnte, schreibende und sich organisierende > Subjekt. Ich mach mal einen 2-zu-2-Vergleich: zwei Stellen aus den > Frühschriften, zwei aus dem Kapital, um zu illustrieren, dass sich da > überhaupt nicht so sonderlich viel im Kern bei ihm verändert hat. > > Zur Judenfrage, 1843: > "Wir verwandeln die theologischen Fragen in weltliche. Nachdem die > Geschichte lange genug in Aberglauben aufgelöst worden ist, lösen wir > den Aberglauben in Geschichte auf. Die Frage von dem Verhältnisse der > politischen > Emanzipation zur Religion wird für uns die Frage von dem Verhältnis der > politischen Emanzipation zur menschlichen Emanzipation. Wir kritisieren > die religiöse Schwäche des politischen Staats, indem wir den politischen > Staat, abgesehen von den religiösen Schwächen, in seiner weltlichen > Konstruktion kritisieren. Den Widerspruch des Staats mit einer > bestimmten Religion, etwa dem Judentum, vermenschlichen wir in den > Widerspruch des Staats mit bestimmten weltlichen Elementen, den > Widerspruch des Staats mit der Religion überhaupt, in den Widerspruch > des Staats mit seinen Voraussetzungen überhaupt." (MEW1, S. 352) > Einerseits haben wir hier das naturgeschichtliche Moment der späteren > Basis-Überbau-Dialektik, den Materialismus, also das, was Adorno den > Vorrang des Objekts nennt: Uns geht's um weltliche, menschliche > Geschichte. Die ist hier zwar selber fast noch auf der Seite des > Überbaus: Politik und Staat, noch nicht der spätere Stoffwechsel mit der > Natur in der Form des automatisches Subjekts der Wertverwertung. Zu dem > geht er dann ab 1844 in den ökonomisch-philosophischen Manuskripten > massiv über. Hier ist aber m. E. mit Politik und Staat nicht bloß die > politökonomische Vermittlungssphäre des ideellen Gesamtkapitalisten > gemeint, sondern noch innerhalb des Banns des Hegelschen Staatsrechts > bereits die Politökonomie selbst: Die Selbstproduktion des Menschen in > der tätigen Auseinandersetzung mit seiner Welt. Noch etwas naiv, aber > doch Naturgeschichte, mindestens aber die verhärtete > Gesellschaftsgeschichte, sozusagen Geschichte wenn schon nicht erster, > so doch zweiter Natur. Andererseits geht's ganz selbstverständlich um > Kritik, also um einen verändernden Eingriff des schreibenden Subjekts > Marx in die Realgeschichte. Beides ineins: Blind und automatisch > abrollende Naturgesetzlichkeit und relative Freiheit des Subjekts. > > Zur Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie. Einleitung, 1844: > "Aber, wenn der Protestantismus nicht die wahre Lösung, so war er die > wahre Stellung der Aufgabe. Es galt nun nicht mehr den Kampf des Laien > mit dem Pfaffen außer ihm, es galt den Kampf mit seinem eigenen innern > Pfaffen, seiner pfäffischen Natur. Und wenn die protestantische > Verwandlung der deutschen Laien in Pfaffen die Laienpäpste, die Fürsten > samt ihrer Klerisei, den Privilegierten und den Philistern, > emanzipierte, so wird die philosophische Verwandlung der pfäffischen > Deutschen in Menschen das Volk emanzipieren. Sowenig aber die > Emanzipation bei den Fürsten, so wenig wird die Säkularisation der Güter > bei dem Kirchenraub stehenbleiben, den vor allen das heuchlerische > Preußen ins Werk setzte. Damals scheiterte der Bauernkrieg, die > radikalste Tatsache der deutschen Geschichte, an der Theologie. Heute, > wo die Theologie selbst gescheitert ist, wird die unfreiste Tatsache der > deutschen Geschichte, unser status quo, an der Philosophie zerschellen. > Den Tag vor der Reformation war das offizielle Deutschland der > unbedingteste Knecht von Rom. Den Tag vor seiner Revolution ist es der > unbedingte Knecht von weniger als Rom, von Preußen und Österreich, von > Krautjunkern und Philistern." (MEW1, S. 386) > Hier ist der latente Idealismus noch etwas markanter, sozusagen ein > Standpunkt vor der Basis-Überbau-Dialektik: Realgeschichte zerschellt an > Ideologie. Aber man kann das großzügiger lesen: Die Theologie war ja > nicht so sehr die ideologische Macht, sondern die politökonomisch und > militärstrategisch sehr reale der über den katholischen Fetisch > einerseits, den neuen lutherischen Fetisch andererseits sich > organisierenden Fürsten, die außer in der späteren Schweiz nirgends eine > Bauernrevolution gewähren ließen. Und die preußische Geschichte > zerschellte zwar nicht an der Philosophie, bei großzügiger Lesart wohl > aber die zaristisch-russische Geschichte als Lenin sie im Reisegepäck > hatte. Hier überwiegt eindeutig das kritisch-revolutionäre Moment, das > dem Subjekt mehr zubilligt als der Schwerkraft der geschichtlichen > Verhältnisse. Dennoch wird diese nicht einfach ignoriert: Der status quo > ist als unfreie geschichtliche Tatsache bestimmt. Das rückt dicht heran > an die blinde Naturgesetzlichkeit dieser Geschichte. Die Ambivalenz > lässt sich jedenfalls festhalten, wenn auch freilich nicht so klar wie > im Spätwerk. > > Kapital, Band 1, 1867: > "Auch wenn eine Gesellschaft dem Naturgesetz ihrer Bewegung auf die Spur > gekommen ist - und es ist der letzte Endzweck dieses Werks, das > ökonomische Bewegungsgesetz der modernen Gesellschaft zu enthüllen -, > kann sie naturgemäße Entwicklungsphasen weder überspringen noch > wegdekretieren. Aber sie kann die Geburtswehen abkürzen und mildern." > (MEW23, S.15f) > Erstmal haut er voll auf die Kacke der blinden Naturgesetzlichkeit. Dann > aber scheint plötzlich die Möglichkeit auf, dass Geburtswehen abgekürzt > und gemildert werden können. Marx, und er sicherlich mehr als so > ziemlich jeder andere Theoretiker, war selbst eine Naturkraft, eine > Gewalt der materiellen Wirklichkeit - und sich darüber auch sehr > bewusst. Als eine solche Naturkraft hofft er, vermittels der Pfade des > Geistes und der solidarischen Organisation, einen echten, wenn auch > vielleicht bescheiden formulierten Einfluss auf die Geschichte zu > nehmen. Ich vermute, dass er sich in den 70 Jahren Sowjetsozialismus > ziemlich darüber gegrämt hat, dass dieser Einfluss dann leider in aller > Wirksamkeit doch so bescheiden ausfiel, also ziemlich viel Wälzarbeit im > Grab absolvierte. > > Kapital, Band 1, 1867: > "Schon vor ihm wurden, wenn auch sehr unvollkommene, Maschinen zum > Vorspinnen angewandt, wahrscheinlich zuerst in Italien. Eine kritische > Geschichte der Technologie würde überhaupt nachweisen, wie wenig > irgendeine Erfindung des 18. Jahrhunderts einem einzelnen Individuum > gehört. Bisher existiert kein solches Werk. Darwin hat das Interesse auf > die Geschichte der natürlichen Technologie gelenkt, d.h. auf die Bildung > der Pflanzen- und Tierorgane als Produktionsinstrumente für das Leben > der Pflanzen und Tiere. Verdient die Bildungsgeschichte der produktiven > Organe des Gesellschaftsmenschen, der materiellen Basis jeder besondren > Gesellschaftsorganisation, nicht gleiche Aufmerksamkeit? Und wäre sie > nicht leichter zu liefern, da, wie Vico sagt, die Menschengeschichte > sich dadurch von der Naturgeschichte unterscheidet, daß wir die eine > gemacht und die andre nicht gemacht haben? Die Technologie enthüllt das > aktive Verhalten des Menschen zur Natur, den unmittelbaren > Produktionsprozeß seines Lebens, damit auch seiner gesellschaftlichen > Lebensverhältnisse und > der ihnen entquellenden geistigen Vorstellungen. Selbst alle > Religionsgeschichte, die von dieser materiellen Basis abstrahiert, ist - > unkritisch. Es ist in der Tat viel leichter, durch Analyse den irdischen > Kern der religiösen Nebelbildungen zu finden, als umgekehrt, aus den > jedesmaligen wirklichen Lebensverhältnissen ihre verhimmelten Formen zu > entwickeln. Die letztre ist die einzig materialistische und daher > wissenschaftliche Methode. Die Mängel > des abstrakt naturwissenschaftlichen Materialismus, der den > geschichtlichen Prozeß ausschließt, ersieht man schon aus den abstrakten > und ideologischen Vorstellungen seiner Wortführer, sobald sie sich über > ihre Spezialität hinauswagen." (MEW 23, S. 392f., Fußnote 489) > Hier ist ziemlich viel komprimiert: Basis-Überbau-Dialektik, 4. > Feuerbachthese, das Faible für die Darwinsche Historisierung des > Naturalismus, welches wohl noch am ehesten den ollen Kalle zu > Vorstellungen einer blinden Naturgesetzlichkeit trieb. Aber auch Vico: > Die Menschengeschichte wurde von uns gemacht, wenn auch freilich nicht > von jedem einzelnen von uns persönlich, sondern als Gattungsleistung. > Insofern sie von uns gemacht wird, können wir sie potentiell auch so > machen, wie wir es wollen. Im Rahmen der natürlichen Gegebenheiten, > klar. Und im Rahmen dessen, was uns als geschichtlicher > Systemzusammenhang unserer Gattung tradiert ist. Grundsätzlich aber > bleibt's dabei: Wir machen sie. > > Polittheoretisch finde ich das gerade einen interessanten Flow, der sich > mir durch die bGE-Debatten aufdrängt: Wenn ich mir vorstelle, dass die > realexistierende marxistische Theorieelite mal ein wenig > chaostheoretisch quergelesene Quantenphysik studieren und zu der > Einsicht vordringen würde, dass der Einzelimpuls im Gesamtsystem nicht > bloß Resultante des Gesamtsystems, sondern selber schöpferisches Moment > mit Auswirkungen auf das Gesamtsystem ist (und Marx das mit der > beschränkten Sicht des Naturalismus auf der Höhe der Mitte des 19. > Jhdts. auch bereits eigentlich klar hatte), dann könnte sie vielleicht > recht grundsätzlich die überhebliche Abneigung gegen die > Spiri-Bewegungen, also die Religionen und die ganzen Esoteriken > überwinden und die Hand ausstrecken. Wenn umgekehrt die Spiri-Bewegungen > einerseits mal mit der von Lessing tief im deutschen Sprachraum > verankerten Ringparabel ihre Grabenkämpfe beilegen und außerdem noch > einsehen würden, dass es keinen guten Historiker gibt, der von Marx > unbeleckt ist, es daher also zumindest für die weltliche Geschichte > immer sinnvoll ist, sich anzuhören, was die Marxisten zu sagen haben, > dann ... wäre doch echt eine Menge mehr möglich als bloß ein bGE. Oder > nicht? Naja, who knows ... > > Liebe Grüße, > > Bert > _______________________________________________ > Debatte-Grundeinkommen Mailingliste > JPBerlin - Politischer Provider > Debatte-Grundeinkommen at listen.grundeinkommen.de > https://listi.jpberlin.de/mailman/listinfo/debatte-grundeinkommen -------------- nächster Teil -------------- Ein Dateianhang mit HTML-Daten wurde abgetrennt... URL: -------------- nächster Teil -------------- Ein Dateianhang mit Binärdaten wurde abgetrennt... 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