[Debatte-Grundeinkommen] Götz Werners Unternimm die Zukunft als Agentur der Steuerfreiheit fürs Kapital?; älteres Mail-Relikt zum Arbeitsfetischismus von Paulus

Debattenliste des Netzwerks Grundeinkommen debatte-grundeinkommen at listen.grundeinkommen.de
Do Nov 6 10:38:41 CET 2014


Hallo Egge,

sehr gut formuliert. So sehe ich das auch.

Gruß Sven.

> Hallo Jens,
>  
> also, ich fang mal bei den Basics an:
> Am Ende eines Produktionszyklus werden die Ergebnisse verteilt. Wenn jeder seinen Reproduktionsaufwand bekommt, bleibt dann noch was übrig – bei heutiger Effizienz jede Menge. Das ist der sog. Mehrwert. Verteilung – jetzt erstmal auf der Sachwertebene – ist praktisch die Verteilung dieses Mehrwertes. Diese zusätzlichen Gebrauchswerte sind ja prinzipiell immer „produktiv erarbeitet“ worden (um bei Deiner Formulierung zu bleiben), können aber durchaus ungerecht verteilt werden (und werden es ja auch), was mit der Zeit immer größere ungerechtfertigte Sachvermögensanhäufungen erzeugt.
>  
> Mit Einbeziehung des Geldes eskaliert das Ganze noch viel schlimmer: Geld ist ja eigentlich dazu da, dass man was dafür kaufen – sozusagen von der übrigen Gesellschaft eine Leistung fordern kann. Das nennt man Kaufkraft. Angehäuftes Geldvermögen ist also angehäufte potentielle Kaufkraft. Gleichzeitig ist es aber eben auch stillgelegtes Geld, welches keine Produktionsgüter nachfragt und deshalb in der Zirkulationssphäre fehlt und durch zusätzliche Geldschöpfung (bzw. Verschuldung) ersetzt werden muss – obwohl die entsprechende Menge an käuflich erwerbbaren Gütern und Leistungen gar nicht da ist.
> Da es nicht mehr an reale Güter gebunden ist, kann man die Geldmenge endlos vermehren, anhäufen, weitervermehren und weiter anhäufen – und zwar typischerweise bei relativ wenigen Personen: Wenn man die reichsten Reichen dieser Welt nebeneinander stellt und jeweils ihr Vermögen zusammenzählt, kommt man bis zum 85sten. Die haben dann zusammen genausoviel Vermögen, wie die gesamte ärmere Hälfte der Weltbevölkerung. 85 : 3‘600‘000‘000!
> Vor 10 Jahren waren es noch die 250 Reichsten, die man da zählen musste.
>  
> Nun gibt es ja jede Menge Untersuchungen und Theorien, wie gut oder schädlich Ungleichverteilung für das Funktionieren von Gesellschaft ist. Fazit ist stets: Gesellschaften mit völliger oder fast völliger Gleichverteilung funktionieren nicht gut. Eine gewisse Ungleichverteilung wirkt sich positiv aus – auch darauf, wie die Gesellschaft von den Menschen wahrgenommen wird. Ist dieses Optimum aber überschritten, funktioniert Gesellschaft mit steigender Ungleichverteilung immer schlechter. 
> Auch empirisch kann man sehen, dass auch nicht unmittelbar ökonomische Werte sich verschlechtern: Kriminalität und Gewaltverbrechensrate steigt, auch die Quote der Ehescheidungen und minderjähriger Mütter. Der Gesundheitszustand verschlechtert sich und die Lebenserwartung sinkt, usw.
>  
> Letztlich werden alle gesellschaftlichen und insbesondere demokratischen Regulationsmechanismen durch Eigentumsmacht ausgehebelt und ersetzt. Ein bloßes Anhalten dieser Entwicklung wäre also relativ nutzlos. Vielmehr muss Ungleichverteilung tatsächlich auf verträgliches Maß nach unten korrigiert werden.
>  
> Und in vergleichbaren Fällen wurde das ja auch schon erfolgreich getan: Nach der Weltwirtschaftskrise in den USA gab es Roosevelts New Deal und nach dem 2. Weltkrieg erhöhten Abgaben in Deutschland unter der Regierung Adenauer. Da gab es jeweils Spitzensteuersätze bis zu 95 % und in Deutschland die Vermögensabgabe auf bestehende Vermögen in Höhe von 50 %. Und allen war klar, dass gezahlt werden muss, weil es nunmal nicht anders geht, wenn man es nicht kriegerisch lösen will – wie die Nazies.
>  
> Fazit der langen Vorrede: Meine Formulierung war wohlüberlegt und genau so gemeint, wie sie dasteht: Um wieder zu einer funktionierenden Gesellschaft zu kommen, gehört das überschüssige Geld  eingezogen, um damit die dem gegenüberstehenden überschüssigen Schulden zu tilgen. Wenn wir es nicht mit zivilen Mitteln schaffen, wird es irgendwann militärisch versucht werden – zumindest war es bisher immer so.
>  
> Falls wir es allerdings außerdem noch schaffen würden, auch die Wiederanhäufung nachhaltig zu verhindern – evtl. auch mittels BGE – dann hätte wir’s endgültig geschafft. Vielleicht irgendwann.
>  
> Also, keine Sorge vor der Umkehrung - im Gegenteil: Sie würde Wohlstand schaffen, selbst wenn sie nicht an Nichtreiche ausgezahlt wird.
>  
> BD, Egge
> 
>  
>  
> Gesendet: Dienstag, 04. November 2014 um 21:32 Uhr
> Von: "Debattenliste des Netzwerks Grundeinkommen" <debatte-grundeinkommen at listen.grundeinkommen.de>
> An: "willi uebelherr" <wube at gmx.net>
> Cc: debatte-grundeinkommen at listen.grundeinkommen.de
> Betreff: Re: [Debatte-Grundeinkommen] Götz Werners Unternimm die Zukunft als Agentur der Steuerfreiheit fürs Kapital?; älteres Mail-Relikt zum Arbeitsfetischismus von Paulus
> Hallo Willi, hallo Egge,
>  
> Da wo Willi dir Egge in dem einen Punkt nicht zustimmen will,
> kann ich wiederum nur Zustimmung erkennen.
> Umverteilung stoppen und umkehren (Egge)
> Umverteilung hin zu den Nichtreichen (Willi)
> Den Unterschied konnte ich nicht wirklich als erheblich genug ansehen.
> Was anderes wäre eine umgekehrte Umverteilung als eine hin zu den bisher Benachteiligten.
> Und das waren nicht die Reichen.
>  
> Mir macht eher eine Umkehrung Sorgen.
> Die für mich passende Analogie wäre die fehlende Gleichberechtigung von Mann und Frau.
> Wird echte Gleichberechtigung hergestellt, würde es aus meiner Sicht keiner Umkehrung 
> bedürfen. Mehr als Gleichberechtigung ginge nicht.
> So ist es mit der Umverteilung.
> Mehr als eine gestoppte Umverteilung macht keinen Sinn. Mehr als Heilung?
> Jemand der keinen Beruf ergreifen musste, weil 'Geld zählen und anlegen'
> für ihn schweißtreibende Arbeit darstellte, der könnte nun auch schon
> Schweiß absondern, wenn er an das Ende seines nun nicht mehr sich
> selbst vermehrenden Besitzes denkt. Gegebenenfalls würde er noch mal
> Geld in die Hand nehmen, um noch mal einen Beruf zu erlernen.
> Man müsste ihm nichts wegnehmen, schon deshalb nicht, weil keiner mit Sicherheit wissen kann,
> wieviel des Besitzes von seinen Vorfahren wirklich produktiv erarbeitet wurde,
> und wieviel über das Zins und Zinseszinspiel durch andere immer wieder dazugekommen ist.
> Es erledigt sich von selbst.
> Es sei denn, man gibt dem guten Mann ein bedingungsloses Grundeinkommen und nimmt
> ihm durch die Hintertür mehr als das wieder weg.
>  
> War das der Plan?
>  
> Viele Grüße
> Jens
> Gesendet: Mittwoch, 29. Oktober 2014 um 17:30 Uhr
> Von: "willi uebelherr" <wube at gmx.net>
> An: debatte-grundeinkommen at listen.grundeinkommen.de
> Betreff: Re: [Debatte-Grundeinkommen] Götz Werners Unternimm die Zukunft als Agentur der Steuerfreiheit fürs Kapital?; älteres Mail-Relikt zum Arbeitsfetischismus von Paulus
> 
> Zunaechst liebe Freunde,
> 
> die Liste des Netzwerks Grundeinkommen entwickelt sich nun offen zum
> reaktionaeren Instrument. Die Moderatoren organisieren die Anonymitaet,
> um jegliche horizontale Kommunikation aufzuloesen. Ein Instrument in der
> Paedagogik aus dem 17. Jahrhundert.
> 
> Ich weiss nicht, ob nun diese Antwort die Liste erreicht. Wir werden
> sehen. Und ich kann dir, lieber Egge, meine Antwort nicht mehr direkt
> senden. Ich habe deine Mail-Adresse nicht.
> 
> Lieber Egge,
> 
> auch wenn ich deinen vollen Namen jetzt nicht mehr erkennen kann, so
> will ich trotzdem dir in den meisten Passagen voll zustimmen. Aber nicht
> in einer.
> 
> "Umverteilung zu stoppen und umzukehren". Die Umverteilung hin zu den
> Reichen ist immer der Zweck des auf Egoismus basierendem Kapitalismus.
> Insofern besteht die Aufgabe fuer uns, die Umverteilung hin zu den
> Nicht-Reichen zu starten. Erst dann koennen wir von "unserer
> Umverteilung" sprechen.
> 
> mit lieben gruessen, willi uebelherr, wube at gmx.net
> 
> 
> Am 29/10/2014 um 5:36 schrieb Debattenliste des Netzwerks Grundeinkommen:
> > "wo wäre die bGE-Bewegung z. B. ohne Götz Werner?" - Antwort: Evtl. auf dem
> > richtigen Weg. Denn ohne Klassenkampf - wenn dieser Begriff schon ausgegraben
> > wird - geht's nur in einer klassenlosen Gesellschaft.
> > Und an die kann ich nun wieder nicht so recht glauben. Zumindest sind wir davon
> > mehr als meilenweit entfernt.
> > Bis dahin besteht die eigentliche Aufgabe ganz schlicht darin, Umverteilung zu
> > stoppen und umzukehren. Mit wem man sich da anlegen muss, ist ja wohl klar.
> > Frag' doch mal bei GW an.
> > guß, Egge
>  
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