[Debatte-Grundeinkommen] Rettungsversuch fürs reine Konsumbesteuerungsmodell, Marx' Liebe zum bGE und ein paar Fragen und Anmerkungen

willi uebelherr wube at gmx.net
Di Aug 19 00:58:26 CEST 2014


Lieber Bert,

es war ein genuss, deine zeilen zu lesen. Ich freue mich immer ueber 
neue geister in diesem umfeld.

Aber ich will auf einige grundsaetzliche schwaechen deiner argumentation 
hinweisen, wie sie mir sichtbar werden.

1) du operierst nur auf der ebene des distributionssystems und laesst 
unsere eigentliche grundlage, die oekonomie, ausser acht. Damit 
unterstuetzt du, ohne deinen willen, die objektzuordnung, wie wir es in 
allen repraesentativen systemen finden. Die menschen sollen anhaengsel 
sein und bleiben.

allerdings finde ich am ende eine klare aufloesung:

"Aber zumindest könnte man dann als Verfechter eines bedingungslosen 
Grundeinkommens auch zugestehen, dass die Argumente von Flassbeck und 
Co. gar nicht so sehr an den Haaren herbeigezogen sind: Eine 
Wohlfahrtsökonomie, die der monetär vermittelten Wertverwertung das 
Wasser abgraben würde, würde auch die Steuermasse und damit die Basis 
des bedingungslosen Grundeinkommens erodieren lassen. Ich würde einfach 
mal hoffnungsfroh davon ausgehen, dass die Gesamtgesellschaft vernünftig 
genug wäre, den sukzessiven Einbruch beim bedingungslosen Grundeinkommen 
durch nicht-monetär vermittelte gemeinnützige Tätigkeiten auszugleichen."

2) schwarzarbeit, die hoechste form selbstorganisierter oekonomie

diese deine verstrickung in gesetzte muster und dogmen kommt beim thema 
"schwarzarbeit" voll zum ausdruck. Aber auch da in innerer zerrissenheit.

"Schwarzmärkte sind aus der Perspektive der Finanzierung eines 
bedingungslosen Grundeinkommens einerseits aus 
Gerechtigkeitsüberlegungen heraus wenig wünschenswert, andererseits 
potentiell ein Riesenproblem, da sie sich dem Kapital neben Landesflucht 
geradezu als Antwort auf eine wie auch immer gestaltete Einführung eines 
bedingungslosen Grundeinkommens in relevanter Höhe aufdrängen könnten."

Schwarzarbeit ist die reinste form selbstorganisierter oekonomie. Und 
das heisst, dass fuer uns die foerderung von "schwarzarbeit" immer ganz 
vorne, platz 2, steht.

3) wertbestimmung

du schreibst:
"Nebenbei lässt sich in diesem Zusammenhang auch darauf hinweisen, dass 
das Zentrum-Peripherie-Modell sehr deutlich macht, dass die in 
unterschiedliche Löhne, Arbeitsbedingungen und Risikoabsicherung 
diversifizierte Arbeiterklasse schillernd belegt, dass die Marxsche 
Wertsubstanz abstrakte Arbeit nicht nur quer zum Verwertungsregime, 
sondern wesentlich auch innerhalb des Verwertungsregimes ein Produkt 
höchst vielfältiger sozialer Auseinandersetzungsformen ist und daher 
unmöglich quantitativ bestimmbar."

Das mag fuer leute aus parasitaeren umgebungen gelten, die keinen bezug 
zu den realen prozessen materieller formung haben. Aber du kommst ja aus 
dem praktischen milieu und hast dich wohl erst spaeter fuer die 
virtuelle welt entschieden.

Es gibt eine klare groesse, die den eigenwert eines resultats 
menschlicher anstrengungen beschreibt: die zeit. Und dies, obwohl Karl 
Marx dies massiv betritten hat. Und dies nicht nur, weil David Ricardo 
dies in seiner Arbeitswerttheorie zum thema machte.

Wir koennen auch unseren eigen verstand benutzen und genau hinsehen. 
Dann werden wir es erkennen.

Ich weiss, die "oesterreichische Schule der Oekonomie" bestreitet dies 
und postuliert in der extremform, dass der wert eines produktes erst auf 
dem markt, also im tausch, entsteht. Und Karl Marx war nicht weit davon 
entfernt mit seinem Gebrauchswert und Tauschwert.

aber nun zum wesentlichen

Das bedingungslose Grundeinkommen ist teil unseres strebens zur 
herstellung einer stabilen sozialen und materiellen existenz fuer alle 
menschen.

Ihre konkrete form ergibt sich aus ihrer bezogenheit und anerkennung 
geldbasierter austausch- und verteilungssysteme, Nur in diesem 
zusammenhang wird das BGE ueberhaupt sinnvoll. Ohne diesen univeralen 
zweck ist es billige propaganda.

Eine transformation unseres gesellschaftlichen seins ist damit nicht 
machbar. Aber es kann prozesse unterstuetzen, die diese transformation 
im auge haben.

Die grundlage unserer existenz sind immer materielle prozesse. Deswegen 
sind leute wie Flassbeck ueberfluessig. Er wird niemanden fehlen, wenn 
er nicht mehr ist. Er ist Parasit und traegt nichts bei.

Das gilt natuerlich fuer viele leute. Auch in dieser liste. Wir stellen 
die forderung, dass sich alle an der herstellung der "materiellen 
reproduktionsbedingungen" beteiligen, sofern sie dazu in der lage sind. 
Und dies beurteilt die gemeinschaft.

Mit der aufloesung aller parasitaeren einrichtungen und instanzen wie 
Staatsbuerokratie, Militaer und Ruestungsproduktion, 
nationale/foerderale Polizeien, Parlamente, Gefaengnisse, Gerichte und 
dergleichen und der verallgemeinerung der notwendigkeit zur beteiligung 
an den notwendigen arbeiten fuer unsere lebensgrundlagen reduziert sich 
der individuelle aufwand massiv.

Mit der gemeinschaftlichen organisation der notwendigen lebensgrundlagen 
fuer alle brauchen wir in diesen bereichen kein geldsystem. Alle 
transportsysteme, materiell und immateriell, wasser, elektrische und 
thermische energie, trinken und essen, haus und kleidung und 
dergleichen. All dies wird grundsaetzlich lokal organisiert.

Wir folgen dabei dem prinzip, dass wir nur jenen aufwand treiben, der 
aus den gewuenschten resultaten tatsaechlich begruendbar ist. Oder wie 
Lao Tse es formulierte:
"Es ist besser, nichts zu tun, als mit viel Aufwand nichts zu schaffen".

Wenn ich nun unter diesen gesichtspunkten deinen text lese, dann 
entsteht fuer mich der eindruck, dass du gern viel schreibst ohne viel 
zu sagen. Mag sein, dies entspricht deiner heutigen berufswahl.

Auch wenn vielleicht meine antwort dir als ablehnend daher kommt. Ich 
bin dir sehr dankbar fuer deinen beitrag und habe mich beim lesen auch 
maechtig gefreut.

mit lieben gruessen, willi
z.zt. Popayan, Colombia




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