From unversoehnt at gmx.de Sat Aug 16 16:31:44 2014 From: unversoehnt at gmx.de (unversoehnt) Date: Sat, 16 Aug 2014 16:31:44 +0200 Subject: [Debatte-Grundeinkommen] =?iso-8859-15?q?Rettungsversuch_f=FCrs_r?= =?iso-8859-15?q?eine_Konsumbesteuerungsmodell=2C_Marx=27_Liebe_zum_bGE_un?= =?iso-8859-15?q?d_ein_paar_Fragen_und_Anmerkungen?= Message-ID: <53EF6B50.9050402@gmx.de> Hallo, ich habe mich die vergangenen Tage mal etwas intensiver mit der Idee des bedingungslosen Grundeinkommens befasst und mich in ein paar Debattenbeiträge im Netz reingelesen. In dem Zusammenhang möchte ich Euch gerne "Daumen hoch!" sagen. Ihr macht echt eine gute inhaltliche Arbeit für ein vernünftiges politisches Projekt. Insbesondere diverse Texte von Ronald Blaschke sind mir sehr positiv aufgefallen. Neben dem Aussprechen dieser allgemeinen Ermutigung und Danksagung möchte ich Euch gerne als eine Art Zwischenbilanz für mich auf ein paar Aspekte hinweisen, die mir bei der Auseinandersetzung mit Beiträgen in der Debatte in den Sinn gekommen sind und die Euch vielleicht interessieren/inspirieren könnten. Ich bin neu auf der Debatten-Mailingliste und habe mich bislang nicht in das Mailinglisten-Archiv reingelesen. Von daher sage ich mal "sorry", falls mein Beitrag quer zu laufenden/gelaufenen Debatten steht bzw. Details davon wiederholt. Da der Text dann doch mal wieder etwas ausführlicher geworden ist, gebe ich erstmal einen Überblick: 1. Eine Anmerkung und eine Frage zum Modells des BAG Grundeinkommen in und bei der Partei DIE LINKE, 2. ein Rettungsversuch für das reine Konsumbesteuerungsmodell, das sich wegen der gänzlichen Steuerfreiheit auf Kapital derzeit disqualifiziert, 3. einen Hinweis auf ein anscheinend etwas untergegangenes gutes empirisches Argument gegen den Stammtisch-Glauben, dass ein bedingungsloses Einkommen zu massenhafter Arbeitsverweigerung führen würde, 4. ein an Marx angelehntes Plädoyer fürs bedingungslose Grundeinkommen gegen marxistische, gewerkschaftliche und linkssozialdemokratisch-keynsianische Kritik daran, 5. ein paar Bemerkungen zur Schizophrenie des Schwarzmarkt-Begriffs aus Sicht des bedingungslosen Grundeinkommens 1. Eine Anmerkung und eine Frage zum Modells des BAG Grundeinkommen in und bei der Partei DIE LINKE Beim Modell der BAG Grundeinkommen in und bei der Partei DIE LINKE war ich vor allem über die Berechnung dazu erstaunt, wer nach dem Modell Nettoempfänger/-zahler wäre (vgl. http://www.die-linke-grundeinkommen.de/WordPress/wp-content/uploads/2014/05/BGE_2014_download1.pdf , S. 47f). Je nach Haushaltszusammensetzung bleiben alle Personen mit einem Bruttomonatseinkommen von etwa 7.000 Euro oder etwas weniger in dem Modell Nettoempfänger, obwohl eine gute halbe Billion Euro im Jahr gegenfinanziert wird. Ich wüsste nicht, dass ich irgendjemanden persönlich kenne, der demnach Nettozahler wäre. Quantitativ kann ich die Berechnungsgrundlage nicht beurteilen, nach allem was ich über Gini-Koeffizienten und Reichtumsverteilung weiß, halte ich das Ergebnis aber erstmal für durchaus plausibel. Trotzdem ist es irgendwie immer wieder erstaunlich, sich klar zu machen, wieviel gesellschaftlicher Reichtum in der Hand von wie wenigen Menschen liegt. Da mir das eigentlich bekannt ist und ich dann doch immer wieder darüber erstaunt bin, will ich mal die These in den Raum werfen, dass es für die progressiven gesellschaftlichen Kräfte unter geldvermittelten Wertverwertungsbedingungen eine wirklich sinnvolle agitatorische Aufgabe wäre, so lange so intensiv auf die ungleiche Vermögens- und Einkommensverteilung hinzuweisen, bis es wirklich jedes Gesellschaftsmitglied im Schlaf runterbeten kann. Konkreter gesprochen würde mich interessieren, wieviel Prozent der Gesamtbevölkerung denn überhaupt Nettozahler wären. 20 %, 10 %, 5, 3, eineinhalb? Der Berechnung müssen ja sehr konkrete Zahlen zugrunde liegen. In jedem Fall sollte den Otto-Normal-Verdienern sehr klar gemacht werden, dass sie in diesem Modell Nettoempfänger wären. Mehr nebenbei frage ich mich, warum der BAG nicht im Andenken an Brechts Frage, was der Überfall auf eine Bank gegen die Eröffnung einer Bank sei, nur ein P-Konto für alle Empfangspersonen des bedingungslosen Grundeinkommens fordert und nicht auch eine entsprechende öffentliche Bank, bei der alle automatisch ein Konto erhalten. 2. Ein Rettungsversuch für das reine Konsumbesteuerungsmodell, das sich wegen der gänzlichen Steuerfreiheit auf Kapital derzeit disqualifiziert Irgendwie finde ich es echt schade, dass das einfache Konsumbesteuerungsmodell von der Initiative um Götz Werner sich klar dadurch disqualifiziert, dass es Kapital gänzlich unbesteuert lässt. Es ist so charmant schlicht, sowohl aus Sicht der Finanzämter und damit des Souveräns wie auch aus Sicht der Unternehmen und erst recht aus Sicht von Privatpersonen, die davon nur indirekt etwas mitbekommen würden. Gerade wenn man sich gegen das peinliche Offenlegen der Privatsphäre bei Hartz4-Bedürftigkeitsprüfungen einsetzt, ist schwer einzusehen, warum man es bei der Einkommens-, Vermögens-, Erbschafts- oder Schenkungsbesteuerung selbstverständlich voraussetzt. Wirklich zukunftsweisend scheint mir die Konsumbesteuerung aber vor allem deshalb zu sein, weil sie den Gedanken ernst nimmt, dass die industrielle Arbeit und selbst weite Bereiche von Verwaltungstätigkeiten automatisiert worden sind und weiterhin automatisiert werden dürften, Marx' "automatisches Subjekt" (MEW23, S. 169) also auch stofflich zu sich selbst findet. Geht der Industriearbeitsgesellschaft wirklich zunehmend die Arbeit und damit Wertsubstanz aus oder verschiebt sie sich zumindest zunehmend in das weite Feld der tendenziell vom Wert abgespaltenen und über Transferzahlungen wie die öffentlichen Haushalte, das öffentliche Gesundheitssystem oder eben das bedingungslose Grundeinkommen ja nur sehr formell integrierten sozialen Kulturarbeit, dürfte eine Einkommensbesteuerung immer absurder werden als sie wegen der Absurdität unterschiedlicher Einkommenshöhen und unterschiedlicher Integration von Tätigkeiten in die Wertverwertung heute ohnehin ist. Den Steuerblick stattdessen darauf zu richten, was die Gesellschaft ihren Mitgliedern an konsumtiven Wohltaten angedeihen lässt, scheint mir langfristig tragfähiger, und zwar sowohl aus der Wertverwertungsperspektive einer sozialen Dienstleistungsgesellschaft wie auch aus der Perspektive einer Überschreitung der Wertverwertung zu einem "jeder nach seinen Fähigkeiten, jedem nach seinen Bedürfnissen!" (MEW19, S. 21). Das ist zwar nur ein Bauchgefühl, aber ein ziemlich manifestes. Also folge ich diesem Bauchgefühl mal und versuche das reine Konsumbesteuerungsmodell zu retten. Glasklar ist mir das Problem der vollkommenen Steuerfreiheit fürs Kapital bei der Initiative "Unternimm die Zukunft" um Götz Werner geworden, als ich in der auf ihrer Website verlinkten Dissertation von André Presse den Versuch las, eine Steuerprogressivität der Konsumbesteuerung durch den Quasi-Freibetrag des bedingungslosen Grundeinkommens zu begründen (vgl. http://www.unternimm-die-zukunft.de/media/medialibrary/2011/06/andre-presse_dissertation.pdf , S. 77-79 nach Eigenzählung der Dissertation, S. 97-99 nach PDF-Zählung). Ich unterstelle mal keine ideologische Absicht, sondern eher Betriebsblindheit bei André Presse an dieser Stelle. An anderen Stellen seiner Dissertation ist er sich durchaus darüber bewusst, dass es Kapital gibt. Zur Begründung der Steuerprogressivität der Konsumbesteuerung tut er aber so, als wäre es völlig undenkbar, dass ein Teil der Haushaltseinkommen in Kapital verwandelt, also in irgendeiner Form investiert wird. Stattdessen ist bei ihm das gesamte Haushaltseinkommen unmittelbar identisch mit den Ausgaben für Konsum, also voll durch die Konsumsteuer belastet. Bei dem Teil der Haushaltseinkommen, der unters Kopfkissen, ins Sparschwein oder unter die Geranien im Garten gesteckt wird, also für künftigen Konsum gespart wird, könnte man noch sagen: Ist egal. Wenn das gesparte Geld irgendwann später dann doch für Konsum ausgegeben wird, fällt die Konsumsteuer ja wieder an. Und folge ich den Ausführungen auf http://de.wikipedia.org/wiki/Wirtschaftskreislauf#Erweiterter_Wirtschaftskreislauf_.28einschlie.C3.9Flich_Kreditvergabe.29 zum Sparguthaben bei Banken, ist's mit gespartem Geld auf irgendwelchen Konten letztlich genauso. Geld aber, das in irgendeiner Weise investiert wird, ist komplett raus aus der Konsumbesteuerung. Damit ist auch die von André Presse behauptete und ohnehin recht spärliche Progressionsrate bei der Konsumbesteuerung nicht haltbar: Gerade Haushalte mit hohen Einkommen werden einen relevanten Teil ihres Einkommens in Unternehmungen investieren und sind damit fein raus aus der Konsumbesteuerung, mithin aus der Finanzierung von Gemeinwesen und bedingungslosem Grundeinkommen, weil es ja abgesehen von der Konsumbesteuerung keine weiteren Steuern geben soll. Erst später nahm ich das Dilthey-Modell (vgl. http://www.psgd.info/templates/1/download/dilthey_modell.pdf ) zur Kenntnis, das dieses Problem beim Konsumbesteuerungsmodell ebenfalls klar artikuliert und ensprechende Konsequenzen zieht, die unter anderem Einkommens- und Finanztransaktionsbesteuerung vorsehen. Um einen anderen Ausweg aus dem Problem als im Dilthey-Modell zu nehmen und damit das einfache Konsumbesteuerungsmodell zu retten, liegt es aus der eben skizzierten Problemperspektive nahe, den Teil der Einkommen, der nicht konsumiert, sondern in irgendeiner Form investiert wird, unmittelbar ebenso wie den Konsum zu besteuern. Damit wäre in erster Linie mal die Welt von André Presses Steuerprogressivität bei Kombination von ausschließlicher Konsumbesteuerung und bedingungslosem Grundeinkommen grundsätzlich in Ordnung. Wenn ich das näher durchdenke, so würde ich das Konzept von Mehrwertsteuer und Sozialumsatzsteuer im Dilthey-Modell (http://www.psgd.info/templates/1/download/dilthey_modell.pdf, S. 5-7) zugrunde legen, da mir dieses Konzept ökologischer, schwarzmarktunfreundlicher und international solidarischer erscheint als das im Effekt deutlich exportimperialistische Modell von der Initiative um Götz Werner. Die Sozial-Gewinnsteuer im Dithey-Modell (ebd. S. 8-10) würde ich allerdings verwerfen, weil sie einerseits eine Prüfung der Vermögensverhältnisse von Privatpersonen notwendig macht und damit der Hartz4-Bedarfsprüfung zumindest formell ähnelt und weil sie sich andererseits nur schwerlich als Konsumbesteuerung denken lässt, nämlich nur dann, wenn man Unternehmensgewinne inklusive Unternehmerlöhne als Konsum an der gesellschaftlichen Profitmasse auffassen wollte. Stattdessen schlage ich eine Steuer auf die Verwandlung von Geld in Kapital vor, also auf Vorgänge wie beispielsweise Unternehmensgründung, Beteiligung an einem Unternehmen oder Einspeisung von Geld ins Finanzsystem. Ich nenne das mal einfach Kapitalisierungssteuer. Eine solche Steuer lässt sich m. E. als Konsumsteuer auffassen, als Steuer auf den Konsum der Kapitalisten. Besteuern Mehrwertsteuer und Sozialumsatzsteuer die Wohltaten, die die Gesellschaft ihren Mitgliedern für den persönlichen Verbrauch bereitstellt, so besteuert eine solche Kapitalisierungssteuer die von der Gesellschaft zugestandene Wohltat, gewinnorientiert unter Rückgriff auf die Ressourcen der Gesellschaft handeln zu dürfen. Wer sein Geld ohne Gewinnabsicht institutionalisieren möchte, kann ja einen gemeinnützigen Verein oder eine gemeinnützige Stiftung gründen bzw. sich daran beteiligen, was ich glaube ich unbesteuert lassen wollen würde. Wer aber sein Geld mit Gewinnabsicht institutionalisiert, genießt ein gesellschaftliches Privileg, das entsprechend besteuert gehört. Und zwar ganz unabhängig davon, ob tatsächlich Gewinn erzielt wird oder nicht. Formell juristisch ließen sich die drei Steuerelemente von Mehrwertsteuer, Sozialumsatzsteuer und Kapitalisierungssteuer unter dem allgemeinen Titel Konsumsteuer zu einer einzigen Steuer zusammenfassen. Scheint mir auf den ersten Blick elegant, einfach, effektiv. Bei der Umstellung auf ein solches Steuersystem wäre selbstverständlich alles bereits kapitalisierte Vermögen so zu behandeln als würde es gerade erst kapitalisiert werden, es wäre also sofort steuerpflichtig. Dies wäre nur gerecht, da ja auch unterm Kopfkissen, im Sparschwein, unter den Geranien oder auf Bankkonten gespartes Geld bei einer Umstellung des Steuersystems plötzlich deutlich höher konsumsteuerpflichtig werden würde. Ansonsten aber wird immer nur dann Kapitalisierungssteuer erhoben, wenn sich Geld in Kapital verwandelt. Erwirtschaftet ein Unternehmen Gewinne und erhöht damit sein Eigenkapital, so ist beispielsweise zu jährlichen Stichtagen eine Kapitalisierungssteuer auf diese durch Gewinne bewirkte Kapitalerhöhung zu entrichten. Werden die Gewinne hingegen an die Eigentümer ausgeschüttet, unterbleibt eine Besteuerung. Die fällt ja wieder an, wenn die ausgeschütteten Gewinne entweder verkonsumiert werden oder irgendwo anders investiert werden. Auch bei Erstkapitalisierung, also bei der Verwandlung von Geld in Kapital liegt die Steuerpflicht bei der Unternehmung, der das Kapital zufließt. Sieht man von den unter Umständen immensen Problemen mit Schwarzmarkt und Kapitalflucht ins Ausland ab, könnte eine Einkommens- und Vermögensüberprüfung von Privathaushalten somit gänzlich entfallen. Ich traue mir nicht zu, quantitative Vorschläge zu den jeweiligen Steuern zu machen. Plausibel jedenfalls scheint mir zu sein, dass eine hohe Kapitalisierungssteuer (bei Unterbindung von Vermögensflucht ins Ausland) Anreize dafür geben würde, auf gewinnorientiertes Handeln von vornherein zu verzichten und Vermögen entweder zu verkonsumieren und damit Wertschöpfungsanreize für andere Unternehmen zu setzen oder direkt in gemeinnützige Tätigkeiten zu stecken, die dadurch vielleicht sogar konkurrenzfähig gegenüber gewinnorientierten Unternehmungen werden könnten. Auf diese Weise könnte quasi naturwüchsig aus der kapitalistischen Ökonomie eine Wohlfahrtsökonomie erwachsen. Sieht man von der grundsätzlichen Anreizfeindlichkeit durch die Kapitalisierungssteuer ab, bliebe der Faktor Arbeit und das Kapital überhaupt komplett unbesteuert und zudem über das bedingungslose Grundeinkommen subventioniert, was bei der Initiative um Götz Werner nicht ganz zu Unrecht als geradezu paradiesischer Anreizzustand im Verhältnis von Kapital und Arbeit dargestellt wird. Angesichts dessen, dass der qualitative Inhalt des Verhältnisses von Kapital und Arbeit jenseits des Primärzwecks der Wertverwertung vor allem in der gesellschaftlichen Synthesis, des kooperativen Miteinanders füreinander besteht, ließe sich an solchen Anreizeffekten erst einmal nicht so sonderlich viel Böses finden, jedenfalls nicht im Verhältnis zu heute. Abgesehen von der Schwierigkeit, ein solches Steuermodell gegen die Interessen der heutigen Besitzer von Vermögen politisch durchzusetzen, sehe ich im Moment nur drei strukturelle Probleme: Die Zäsur bei der Einführung eines solchen Modells, der strategische Nachteil von jungem Kapital gegenüber altem Kapital und die tendenziell ungerechte Steuerfreiheit von heutigem Vermögen, das in gegenständlicher Form vorliegt, also z. B. als Villa, Yacht oder Picasso-Gemälde etc. i. Zäsur bei Einführung eines solchen Modells: Folge ich einfach mal dem Modell von André Presse, aus der derzeitigen Staatsquote von knapp 50 % einen allgemeinen Konsumsteuersatz von 50 % des Endpreises bzw. 100 % Aufschlag auf den Preis vor Steuern abzuleiten, hieße das in Bezug auf die Kapitalisierungssteuer, dass alles heute in Deutschland ansässige Kapital bei der Einführung des Modells in der Hälfte seines Volumens steuerpflichtig werden würde. Ich will mir gar nicht ausmalen, was BDI, FDP oder mittelständische Unternehmer von dieser Idee halten und befürchte da auch ein wenig Probleme mit dem Verfassungsgericht. Grundsätzlich aber scheint mir dieses Problem lösbar. Denn erstens funktioniert die Kapitalisierungssteuer ja als so etwas wie die Eintrittskarte ins gewinnorientierte Handeln. Einmal bezahlt, lockt das potentiell ewige Reich einer gänzlich unbesteuerten gewinnorientierten Unternehmung. Das könnte sich vielleicht schon nach ein paar Jahren gegenüber heute rechnen. Zweitens könnte man politische Verfahren finden, die den Druck auf die Unternehmen abfedern, sofort die Hälfte ihres Eigenkapitals ans Finanzamt zu überweisen. Z. B. wäre ein längerer Zeithorizont für die Umstellung des Steuersystems denkbar, meinetwegen 25 Jahre mit einer Kapitalisierungssteuer auf altes Kapital in Höhe von dann nur 2 % im Jahr. Oder man bietet den Unternehmen an, die Steuerschuld ganz oder teilweise in Form einer Beteiligung des Gemeinwesens am Unternehmen zu begleichen und schafft auf kommunaler Ebene politische Gremien, die dann Mitspracherechte an der Unternehmenspolitik und Anteile des Unternehmensgewinns erhalten. Angesichts dessen, welche Zäsur die Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens ohnehin für das Verhältnis von Kapital und Arbeit bedeuten würde, scheint mir eine hälftige Steuer auf heutiges Kapital eher das kleinere Problem zu sein. ii. Strategischer Nachteil von jungem gegenüber altem Kapital: Für jede neue Unternehmung stellt sich die Kapitalisierungssteuer als Kostenfaktor und somit Nachteil in der Konkurrenz dar. Die Kapitalien, die die "Eintrittskarte" Kapitalisierungssteuer bereits vor langer Zeit bezahlt haben, sind besser dran. Daraus ließe sich ein Problem stricken, das ich erstmal einfach nur mit allgemeineren Überlegungen abzuweisen versuchen möchte. Verhindert die Staatsbürokratie wie auch immer weitgehend Schwarzmärkte und steuerflüchtigen Vermögenstransfer ins Ausland, muss jedes Vermögen ja irgendwo hin. Sieht man von der Möglichkeit ab, Papiergeld zum Anheizen des Kamins zu nutzen, bleiben im Prinzip nur Konsum, gemeinnützige Institutionalisierung oder Kapitalisierung. Konsum gibt Produktionsanreize für gewinnorientierte Unternehmen und gemeinnützige Insitutionalisierung steigert die Wohlfahrt. Traut sich ein junges Vermögen nicht, die Kapitalisierungssteuer zu bezahlen, weil sie einen Konkurrenznachteil gegenüber altem Kapital darstellt, tut es somit irgendetwas anderes Nützliches. Auch ok. Zudem werden die alten Einzelkapitalien ja zumindest teilweise ihre Gewinne auch wieder kapitalisieren und werden insofern teilweise selbst zu jungem Kapital mit entsprechendem Konkurrenznachteil. Da das Vermögen irgendwohin muss, wird es sich häufig genug für eine Kapitalisierung entscheiden. Darüber hinaus ließe sich freilich überlegen, ob man die Vererbung/Verschenkung von kapitalisiertem Vermögen nicht ebenfalls der Kapitalisierungssteuer unterwerfen möchte oder sogar müsste. Um die Kapitalisierungssteuer über die Unternehmen sinnvoll einziehen zu können, müssten diese per Gesetz wohl dazu gezwungen werden, in ihren Büchern klar festzuhalten, von welchen Personen das Kapital stammt. Ansonsten wäre schwer zu verhindern, dass sich findige Banker ein Geschäftmodell überlegen, bei dem der Austritt des einen Vermögens aus der kapitalisierten Sphäre einen steuerhinterziehenden Eintritt eines anderen Vermögens in die kapitalisierte Sphäre ermöglicht. Mit anderen Worten müsste jede Veränderung bei der personellen Zuordnung von kapitalisiertem Vermögen in den Unternehmen zur Steuerpflicht in Bezug auf das personell neu zugeordnete kapitalisierte Vermögen führen. Im Effekt wäre dies auch eine Erbschafts- und Schenkungssteuer, insofern jede personelle Übertragung von kapitalisiertem Vermögen zu einer Kapitalisierungssteuerpflicht führt. Damit würde die Kapitalisierungssteuer nicht mehr eine Eintrittskarte ins ewige Reich des gewinnorientierten Handelns sein, sondern nur noch eine Eintrittskarte ins lebenslange Reich des gewinnorientierten Handelns. Das würde den Konkurrenznachteil von jungem Kapital gegenüber altem Kapital zumindest deutlich relativieren. Geht man grundsätzlicher davon aus, dass die Zeit für ein bedingungsloses Grundeinkommen tatsächlich reif ist, wie in der Broschüre des BAG Grundeinkommen in und bei der Partei DIE LINKE (vgl. http://www.die-linke-grundeinkommen.de/WordPress/wp-content/uploads/2014/05/BGE_2014_download1.pdf ) mehrfach betont wird, also mit an Marx angelehnten Worten die Produktivkräfte in einen derart qualitativen Widerspruch mit den Produktionsverhältnissen getreten sind, dass einerseits die eher formelle Egalität der bürgerlichen Rechtsformen mit der Etablierung eines bedingungslosen Grundeinkommens reif geworden ist für einen Übergang zu einer wenigstens teilweisen materiellen Egalität, andererseits die vom Wert abgespaltenen gesellschaftlichen Sphären sich als politisches Selbstbewusstsein einer wohlfahrtsorientierten sozialen Kulturökonomie innerhalb des Verwertungsregimes gegen dieses zu behaupten vermögen, dann würde ich über den Konkurrenznachteil von jungem Kapital gegenüber altem Kapital eh nur noch mit den Achseln zucken. Wünschenswert wäre ja eher, dass Vermögen zunehmend in gemeinnützige Insitutionalisierung wandert und das gewinnorientierte alte Kapital zu einem zunehmend stärker eingehegten Zoo überkommener Sozialpsychologeme, zu einer Art lebendigem Musem bürgerlicher Charaktermasken in einer postbürgerlichen Gesellschaft verkommt. iii. Tendenziell ungerechte Steuerfreiheit von heutigem Vermögen, das in gegenständlicher Form vorliegt: Die skizzierte Konsumsteuer würde alles heute vorhandene und später für Konsum ausgegebene Geldvermögen und alles heute vorhandene Kapital besteuern, nicht jedoch den immensen Reichtum, der in materieller Form in Privathänden liegt, also beispielsweise weder Gold noch privat genutzte Immobilien, weder private Kunstschätze noch die drei Privatjets auf dem Rollfeld im mondänen Garten. Das empfinde ich durchaus als ungerecht wie ich es ohnehin als ungerecht empfinde, dass irgendwer einen privilegierten Zugriff auf gesellschaftlichen Reichtum als irgendjemand anders hat. Da aber die Produktivkapazitäten der Gesamtgesellschaft immens sind und ihre Früchte über den qualitativen Sprung in eine Gesellschaft mit bedingungslosem Grundeinkommen hinein den unteren Einkommensgruppen schwerer vorenthalten werden könnten, kann man damit meines Erachtens leben und wiederum achselzuckend sagen: Ab in den lebendigen Zoo bürgerlicher Charaktermasken mit privat gehaltenen Dingen wie Gold, Privatjets, Villen und Kunstschätzen. Vielleicht habe ich einfach gerade ein Brett vorm Kopf, aber momentan sehe ich tatsächlich keinen wirklich guten Einwand gegen ein solch schlichtes Modell von Konsumbesteuerung einschließlich Kapitalisierungsbesteuerung bei gleichzeitiger Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens. Und wenn sich eine Kapitalisierungsbesteuerung bereits heute kapitalisierten Vermögens politisch einfach nicht durchsetzen ließe, wäre ich auch noch damit einverstanden, die Kapitalisierungssteuer nur auf alles Geld zu legen, das sich künftig in Kapital verwandeln wird. Mehr nebenbei möchte ich noch erwähnen, dass ich keinen Grund für einen einheitlichen Steuersatz einer solchen Konsumsteuer sehe. Insbesondere die von André Presse herausgearbeitete Progression ist dürftig. Produkte und Dienstleistungen des Grundbedarfs (Nahrung, Wohnung, Strom, Wasser, Gesundheit etc.) würde ich lieber niedrig, vielleicht sogar negativ besteuern wollen, also subventionieren. In der Broschüre des BAG Grundeinkommen in und bei der Partei DIE LINKE wird ja auch für eine Ausweitung kostenloser öffentlicher Dienstleistungen plädiert, was ich sinnvoll finde, was sich über eine entsprechende Konsumsteuerpolitik aber auch an die individualistischen Marktteilnehmer delegieren ließe. Für den Normalbedarf könnte man die 100 % von André Presse anvisieren, für insbesondere ressourcenaufwändigen Luxusbedarf meinetwegen auch 200 % oder mehr. Ebenso ließe sich ein eigenständiger Steuersatz für die Kapitalisierungssteuer veranschlagen. Einerseits hätte eine solche Aufsplittung von Steuersätzen den Vorzug, eine materiell begründete Progression zu etablieren. Andererseits wäre die Eingruppierung von Waren und Dienstleistungen in die jeweiligen Steuersätze genauso wie das Verändern der Steuersätze ein gutes wirtschafts-, sozial- und ökologiepolitisches Instrumentarium. Außerdem möchte ich in dem Zusammenhang noch auf ein Argument von André Presse für die Konsumbesteuerung hinweisen: "So werden Importe aus Ländern mit geringen Sozialstandards, etwa China, in Deutschland lediglich mit der Mehrwertsteuer belastet (vgl. WERNER (2008, S. 194)). Die Preise für in Deutschland hergestellte Produkte enthalten hingegen die Steuer- und Abgabenlast des deutschen Sozialstaates. Würde an Stelle aller Steuern und Sozialabgaben nur noch die Konsumsteuer verbleiben, würde diese voll auf die Importgüter angewandt." (http://www.unternimm-die-zukunft.de/media/medialibrary/2011/06/andre-presse_dissertation.pdf , S. 74 in Eigenzählung / S. 94 in PDF-Zählung, vgl. auch S. 79-91/99-101) Solange die Menschheit sich in nationalstaatlichen Konstrukten gegeneinander abgrenzt, scheint mir das ein ziemlich gutes Argument zu sein. Es ist nicht einzusehen, warum Importprodukte weniger Anteil an der Finanzierung von Gemein- und Sozialwesen haben als Binnenmarktprodukte. 3. Ein Hinweis auf ein anscheinend etwas untergegangenes gutes empirisches Argument gegen den Stammtisch-Glauben, dass ein bedingungsloses Einkommen zu massenhafter Arbeitsverweigerung führen würde Die Dissertation von André Presse legt übrigens ein gutes empirisches Argument gegen den Stammtisch-Glauben vor, dass ohne Erwerbszwang niemand mehr arbeiten würde, dass folglich ein bedingungsloses Grundeinkommen zum Zusammenbruch der Wirtschaft führen könnte. Es gibt zwar eine Menge guter Argumente gegen diesen Stammtisch-Glauben, die mir in den beim Netzwerk Grundeinkommen verlinkten Dokumenten begegnet sind. Das von André Presse scheint aber ein wenig untergegangen zu sein. Da ich schätze, dass die Durchsetzung eines bedingungslosen Grundeinkommens über den Weg parlamentarischer Demokratie von kaum etwas so sehr abhängt wie davon, diesen Stammtisch-Glauben zu bekämpfen, möchte ich daher auf dieses Argument hinweisen: André Presse schaut sich das Verhältnis von Arbeitseinkommen und Nichtarbeitseinkommen in verschiedenen Einkommensgruppen an und kommt zu dem "Ergebnis: Das durchschnittliche Haushaltseinkommen (d. m. H.) aus Arbeit ist pro Euro des d. m. H. aus Nichtarbeit umso größer, je größer das d. m. H. aus Nichtarbeit ist. /Dieses empirische Ergebnis kann als Gegenargument zur häufig zu hörenden Meinung dienen, dass umso weniger Arbeitswillige zu finden sein werden, je höhere Einkommen aus Nichtarbeit bereitstehen./" (vgl. http://www.unternimm-die-zukunft.de/media/medialibrary/2011/06/andre- presse_dissertation.pdf , S. 114f nach Eigenzählung der Dissertation, S. 134f nach PDF-Zählung) Methodisch ist die Schlussfolgerung leider nicht haltbar. Es ist denkbar, dass die aggregierten Einkommensgruppen insbesondere der gutverdienenden Haushalte sich aus Personen zusammensetzen, von denen die einen ein hohes Arbeitseinkommen ohne nennenswertes Nichtarbeitseinkommen haben, die anderen ein hohes Nichtarbeitseinkommen ohne nennenswertes Arbeitseinkommen, die Schlussfolgerung also auf der Aggregierung zu Gruppen von Einkommenshaushalten beruht. Außerdem ließe sich die Frage stellen, inwieweit Unternehmerlöhnen tatsächlich "Arbeit" gegenübersteht. Sollte sich André Presses empirisches Ergebnis aber durch eine methodisch haltbare Argumentation bestätigen, wäre es ein Argument, das kein Stammtisch so leicht vom Tisch wischen könnte. M. E. wäre es daher lohnenswert, dieses Ergebnis noch einmal methodisch korrekt zu hinterfragen. 4. Ein an Marx angelehntes Plädoyer fürs bedingungslose Grundeinkommen gegen marxistische, gewerkschaftliche und linkssozialdemokratisch-keynsianische Kritik: Ein wenig irritiert hat mich, dass es deutliche Kritiken am bedingungslosen Grundeinkommen aus marxistischer, gewerkschaftlicher und linkssozialdemokratisch-keynsianischer Perspektive gibt. Die marxistische Fundamentalkritik, die jegliches Herumdoktern an der notwendig ausbeuterischen, kriegerischen, krisenbehafteten und materiell ungleichen Ordnung von Privateigentumsgesellschaften blöde findet, als ein Zerbrechen des Kopfs der Herrschenden, finde ich zwar grundsätzlich richtig. Bloß dabei stehen zu bleiben, dass es kein richtiges Leben im falschen gibt und sich ansonsten mit Aufklärungsverbissenheit und Revolutionsphantasien bis zum St. Nimmerleinstag zu trösten, macht den Scheiß aber auch nicht besser. Zudem hat das Reich der Freiheit in meiner Vorstellung wenig Gemeinsamkeit mit einer Diktatur leninistischer Parteikader. Und es bleibt wahr, dass wir unsere Leben in der Binnenperspektive kapitalistischer Vergesellschaftung fristen und es daher durchaus einen Unterschied macht, ob man bei Arbeitslosigkeit einfach dem Verhungern überantwortet wird oder dem Hartz4-Regime, selbst wenn man noch so prägnant zynisch durchdeklinieren kann, dass die Bismarcksche Sozialgesetzgebung nur den allgemeinen Boden für den Erfolg des deutschnationalen Verwertungsregimes absichert. Und vielleicht hat sich ja hinter dem Rücken der materiellen Gewalten in den kulturindustriell überfluteten Köpfen der tendenziell nivellierten Mittelschichtgesellschaften sogar wirklich ein zivilgesellschaftlicher Horizont aufgetan, der Habermas' 'zwanglosem Zwang des besseren Arguments' eine Chance gegen Adornos triftigere Einsicht zuzugestehen bereit ist: "Zuinnerst ahnt der Geist, daß seine stabile Herrschaft gar keine des Geistes ist, sondern ihre ultima ratio an der physischen Gewalt besitzt, über welche sie verfügt." (Adorno, Negative Dialektik, GS6, S. 179) In Gremlizas /konkret/ stand vor einer Weile sinngemäß zu lesen, dass sich der Kampf für ein bedingungsloses Grundeinkommen deshalb nicht lohne, weil das Kapital ein solches in relevanter Höhe niemals zulassen würde und man stattdessen gleich ein Ende der Privateigentumskategorie fordern könne, weil beides gleichermaßen auf revolutionären Klassenkampf hinauslaufe. Das finde ich durchaus nicht lapidar gesagt. Ich halte es zumindest für möglich, dass in einer Situation, in der es eine parlamentarische Mehrheit für ein bedingungsloses Grundeinkommen in relevanter Höhe gebe, sich ein empirischer Beweis für den alten Schnack ergeben würde, dass Wahlen nichts ändern, weil sie sonst verboten wären. Aber auch das wäre eine historische Zäsur, die mir besser erschiene als bloß tatenlos der schleichenden Restauration aller gesellschaftlichen Verhältnisse zuzusehen und sich ansonsten mit der reinen Lehre einzuigeln. Es wäre sozusagen die empirische Probe auf die These, dass wir in einer zivilen Gesellschaft leben. Was die Idee eines bedingungslosen Grundeinkommens aus Marxscher Sicht so sympathisch macht, ist das in ihr liegende Potential einer zumindest tendenziellen materiellen Überwindung des schmerzlich vermittelten Auseinanderreissens von Gattungswesen und Individuum durch die Kategorie des Privateigentums. Während aus der Binnenperspektive der Privateigentümer sich ja immer irgendwie Maggie Thatchers Behauptung aufdrängt, dass es keine Gesellschaft gebe, sondern nur Individuen, wovon die anderen zudem noch die Satresche Hölle insofern darstellen, als an ihrer Freiheit die eigene zu enden habe, müsste eigentlich jeder vergesellschaftete Narr unmittelbar einsehen, was Marx zum Verhältnis von Gesellschaft und Individuum sehr prägnant sagt: "Das individuelle und das Gattungsleben des Menschen sind nicht /verschieden/, so sehr auch -- und dies notwendig -- die Daseinsweise des individuellen Lebens eine mehr /besondre/ oder mehr /allgemeine/ Weise des Gattungslebens ist, oder je mehr das Gattungsleben ein mehr /besondres/ oder /allgemeines/ individuelles Leben ist." (MEW40, S. 539) Die Freiheit des Individuums ist daher auch weniger durch die anderen Individuuen beschränkt, sondern vielmehr überhaupt erst ermöglicht. Mag der frühbürgerliche Naturrechts-Unfug von Maggie Thatcher, die entgegen der Guillotine-Sehnsüchte von Morrissey friedlich und alt im Bett entschlief, auch den ideellen Anarchisten diesseits und jenseits der Klassenschranke die Herzen erwärmen. Der bis zur Volksgemeinschaftshölle verhausschweinte und bis über beide Ohren vernetzte deutsche Michel kann im Ernst nicht auch nur für einen Moment glauben, dass seine Individualität abgesehen vielleicht von einem kläglich überschießenden Rest des Nichtidentischen etwas anderes sei als "das ensemble der gesellschaftlichen Verhältnisse" (MEW3, S. 6). Die Idee des bedingungslosen Grundeinkommens nimmt diese Tatsache ernst und fordert aus der Perspektive des Kategorienapparats von Marx' /Kapital/ die Implementierung der bloßen, politisch anerkannten Existenz jedes Individuums als eines Teils der Gesellschaft in die durch historisch überaus willkürliche Prozesse quantitativ bestimmte Wertsubstanz der abstrakten Arbeit. Anders gesagt: Durch das bedingungslose Grundeinkommen wäre ein Teil der Wertsubstanz nicht länger abstrakte Arbeit, sondern abstraktes politisches Selbstbewusstsein der Gattung in der Form politischer Anerkennung jeglicher Individualität unabhängig von der Arbeit. Das wäre kein Kommunismus, aber zumindest ein Fortschritt in der kapitalistischen Binnengeschichte von der abstrakten Individualität des Privateigentums fort und hin zu einer konkreten Individualität innerhalb des politisch selbstbewussten Gattungswesens. Es würde insofern wohl Marx' wohlwollenden Blick auf die Nachgeborenen finden. Überhaupt gewinnt das sozialdemokratische Renegatenprojekt, der Ware Arbeitskraft einen einigermaßen erträglichen Platz in der bürgerlichen Ordnung durch langwierige Stellschraubenkorrekturen angedeihen zu lassen, durch die im Kern ja durchaus bloß sozialdemokratische Forderung eines bedingungslosen Grundeinkommens vielleicht mal einen echten Sinn in Hinblick auf die Abschaffung der Ware Arbeitskraft. Vielleicht lehne ich mich damit etwas weit aus dem Fenster, aber ich will mal die geschichtsphilosophische These wagen, dass der Untergang des Realsozialismus auch etwas damit zu tun hat, dass der marktanarchische Kapitalismus formell näher am Verein freier Menschen steht als die partei- und staatsbürokratisch verwalteten sogenannten Diktaturen der Proletariate. Während Marx sich im Verein freier Menschen die Ausschöpfung des vollen Entfaltungspotentials der Individuen im Gehaltensein durch die Gattung ausmalt, betrieben die Realsozialismen ja eher volksgemeinschaftliche Abwehrkämpfe gegen die Bedrohung durch den imperialistischen Klassenfeind einerseits, durch die ewige Naturnotwendigkeit des Stoffwechsels mit der Natur andererseits. Das war im Detail sicherlich auch ehrenhaft, im großen Wurf aber blieb es ein ziemlich widerwärtiges Herrschaftssystem. Kann man dem Kapitalverhältnis der bürgerlichen Gesellschaft bis zum Ende seiner Tage vorwerfen, dass es den Individuen nur eine formelle, nicht aber eine materielle Freiheit im Gehaltensein der Gattung erlaubt, mit zunehmender Spezialisierung und institutionalisierter Differenzierung vielleicht sogar zunehmend weniger erlaubt, so konstruiert es für die am Markt erfolgreich Unternehmenden und als Funktionseliten erfolgreich ihre Arbeitskraft Verkaufenden aber zumindest den Schein materieller Freiheit der eigenen Lebendigkeit und durch die dramatische Produktivkraftentfesselung für immer breitere Bevölkungsschichten zumindest den konsumtiven Lifestyle-Glauben eines freien Lebens. Dieser Schein von Freiheit dürfte die sozialpsychologische Basis für den Glauben an eine einfache Umsetzbarkeit eines bedingungslosen Grundeinkommens abgeben. Würde es in relevanter Höhe eingeführt, würde die bürgerliche Gesellschaft einen kleinen Schritt über die formelle Freiheit hinaus tun. Und zwar weniger deshalb, weil niemand sich mehr als Individuum gesellschaftlich unnötig gewordene Existenzsorgen machen müsste, sondern vielmehr, weil die asketischen Individuen, die mit einem bedingungslosen Grundeinkommen auszukommen imstande sind, ein emanzipiertes Verhältnis zu den vom Kapital besessenen Produktivkapazitäten und den mit ihnen organisch verwachsenen Funktionseliten einnehmen würden und damit dem freien Tätigsein überhaupt erst zu einem nachbürgerlichen Begriff verhelfen könnten. Mit anderen Worten könnte das bedingungslose Grundeinkommen das Nadelöhr sein, durch das die formelle Freiheit der bürgerlichen Gesellschaft gezwungen werden muss, um der Menschheit eine materiell freie Lebendigkeit, einen Verein freier Menschen abzugewinnen. Dass Marx sich den Verein freier Menschen als nomadischen Lebensstil innerhalb der sesshaften Produktionsmittel ausmalt, halte ich für richtungsweisend: "Sowie nämlich die Arbeit verteilt zu werden anfängt, hat jeder einen bestimmten ausschließlichen Kreis der Tätigkeit, der ihm aufgedrängt wird, aus dem er nicht heraus kann; er ist Jäger, Fischer oder Hirt oder kritischer Kritiker und muß es bleiben, wenn er nicht die Mittel zum Leben verlieren will -- während in der kommunistischen Gesellschaft, wo jeder nicht einen ausschließlichen Kreis der Tätigkeit hat, sondern sich in jedem beliebigen Zweige ausbilden kann, die Gesellschaft die allgemeine Produktion regelt und mir eben dadurch möglich macht, heute dies, morgen jenes zu tun, morgens zu jagen, nachmittags zu fischen, abends Viehzucht zu treiben, nach dem Essen zu kritisieren, wie ich gerade Lust habe, ohne je Jäger, Fischer, Hirt oder Kritiker zu werden." (MEW3, S. 33) Anders lässt sich ein Ende dessen, wofür Marx den denunziatorischen Begriff der Charaktermaske verwendet, kaum denken, ein Ende des Verwachsenseins der Individuen mit ihrer mehr oder weniger lebenslang ausgeführten spezifischen Funktion in der Wertverwertungsgesellschaft. Ehrlich gesagt ist mir kein Vorschlag einer Transformation der kapitalistischen in eine tendenziell kommunistische Geellschaft bekannt, der so friedlich und naturwüchsig funktionieren könnte wie die Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens. Ich weise darauf hin, dass diese Argumente fürs bedingungslose Grundeinkommen nicht neu sind, sondern mir im Wesentlichen bereits in diesem Text von Katja Kipping und Ronald Blaschke begegnet sind: http://www.archiv-grundeinkommen.de/kipping/Und-es-geht-doch-um.pdf . Bemerkenswert wiederum finde ich, dass die Initiative um Götz Werner ohne jede Nähe zu Marx meines Erachtens am schönsten und prägnantesten für eine Befreiung lebendiger menschlicher Tätigkeit vom Joch der Verwertungslogik und des Eigentums an Produktionsmitteln plädiert. Irgendwie wundert's mich immer, dass es marxistische Strömungen gibt, die viel lieber ideelle Anarchisten auf ihren fiktiven Inseln der höheren theoretischen Wahrheit bleiben möchten als auch nur einmal zuzugeben, dass Marx und der gesamte Marxismus ein Produkt der bürgerlichen Gesellschaft ist, das die zivilisatorische Kraft dieser Vergesellschaftungsform neben anderen Phänomenen belegen kann. Die Matrix hat uns weit mehr als Neo, Morpheus und Trinity je ahnen werden. Dass die Antroposophen um Götz Werner und offenbar auch etliche Christengemeinschaften sich durchaus mit der Idee des bedingungslosen Grundeinkommens anfreunden können, weil sich in ihren spezifischen Religionsinhalten die Vermitteltheit von Individuum und Gattung ohnehin deutlich spiegelt, wenn auch vielleicht spirituell überhöht, könnte man als marxistischer Gegner des bedingungslosen Grundeinkommens auch so deuten, dass es mal wieder ernsthaft Zeit für bestimmte Negation aktueller Religionstrends ist, weil die Geschichte ja selbst im Kapitalismus nicht stillsteht und Marx recht klar konstatierte: "die Kritik der Religion ist die Voraussetzung aller Kritik" (MEW1, S. 378). Wenn selbst Antroposophen und Christen halbbewusst wittern, dass der Widerspruch zwischen Produktivkräften und Produktionsverhältnissen zum qualitativen Sprung anhebt und die Überproduktionskrisen zombieesk ihre Kinder fressen, dann dürfte das doch irgendetwas über den aktuellen Stand der historischen Selbstüberschreitungsaufgabe des Kapitalverhältnisses aussagen. Würde ich zumindest mutmaßen. Da mir aufgefallen ist, dass es Tendenzen innerhalb der Debatte ums bedingungslose Grundeinkommen gibt, historische Protagonisten der Idee des bedingungslosen Grundeinkommens auszugraben, und mir dabei der Name Mandel nicht aufgefallen ist, möchte ich nebenbei darauf hinweisen, dass mir irgendwann in den 90ern erstmals die Idee des bedingungslosen Grundeinkommens begegnete, nämlich in Schriften des Marxisten Ernest Mandel (vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Ernest_Mandel ), die glaube ich aus den 70ern stammten, also aus der Periode des Wiedereintritts der westlichen Gesellschaften in eine Verwertungsphase mit Massenarbeitslosigkeit. Ich erinnere mich nicht mehr sehr detailliert, fand Mandel aber recht nett und klar zu lesen. Sein Kernargument für ein bedingungsloses Grundeinkommen dürfte die damit verbundene Stärkung der Verhandlungsposition der Ware Arbeitskraft/der Gewerkschaften gegenüber dem Kapital gewesen sein. Dass es innerhalb der Gewerkschaften Leute gibt, die der Idee eines bedingungslosen Grundeinkommens skeptisch gegenüberstehen, mag viele Gründe haben. Um sich eine allgemeinere Folie zu denken, wie man diesen absurd wirkenden Umstand erklären kann, scheint mir folgender Absatz von Karl Reitter richtungsweisend: "Als ein Faktor der Auflösung traditioneller sozialer Identitäten ist die technologische und organisatorische Umstrukturierung der Produktion, aber auch der Verwaltungs- und Forschungsinstitutionen, zu nennen. Idealtypisch läßt sich folgende Struktur feststellen: Das Zentrum des Betriebes besteht aus einer kleinen Gruppe fest angestellter Personen, entlohnt und beschäftigt nach geltenden kollektivvertraglichen Bedingungen. In konzentrischen Kreisen lagern sich um diesen Kern die Gruppe der Teil- und Leiharbeiter, diejenigen, die auf Basis von Werkverträgen arbeiten und schließlich die Gruppe der scheinbar Selbständigen, die zumeist auf Gedeih und Verderb auf die Aufträge ihres maskierten Arbeitgebers angewiesen sind. Dieses Muster findet sich quer durch alle gesellschaftlichen Bereiche, Produktionsstätten sind davon ebenso betroffen, wie Dienstleistungsbetriebe, Forschungs- und Verwaltungseinrichtungen und die Universitäten. Sie betrifft Bereiche mit hochqualifizierter Tätigkeit ebenso wie Reinigungsbetriebe, Frauen ebenso wie Männer. Dieses Zentrum -- Peripheriemodell findet sich weiters nicht nur auf arbeitsrechtlichem Gebiet, es umfaßt die Organisation der Produktion selbst. Die Phase des Fordismus, mit gigantischen Produktionsstätten, tausenden Arbeitern, die täglich das selbe Fabrikstor durchschritten und zu den gleichen Bedingungen arbeiteten, gehört der Geschichte an. Der gigantischen Konzentration der Kapitale entspricht keineswegs die Konzentration der Produktion, im Gegenteil. Auslagerungen, kleine, flexible Einheiten sind das Gebot der gegenwärtigen Epoche. Die technologischen Erfindungen, das Anschwellen des sogenannten tertiären Sektors (Dienstleistungen, Verwaltung) zu Lasten der materiellen Produktion, haben sein übriges getan. Der ehrwürdige Beruf, die kontinuierliche Ausübung der Erwerbsarbeit, gestützt auf fachlich erworbenes Wissen und speziellen Fähigkeiten, verbunden mit einem gesellschaftlich klar umrissenen Habitus, wird vom Job abgelöst. Im Job Karriere zu machen erfordert vor allem formale Qualifikationen. Ungebrochene Mobilität, die Bereitschaft, sich ohne Widerspruch den Erfordernissen eines sich ständig wandelnden Arbeitsmarkt anzupassen, vorauseilenden Gehorsam und bedingungslose Identifikation mit gesellschaftlichen Werten und Normen." (vgl. http://www.linke-buecher.de/arbeitslosigkeit/Warum-garantiertes-Grundeinkommen---von---mailbox.univie.ac.at-Karl.Reitter.htm ) Ich würde mutmaßen, dass sich ein größerer Teil der aktiven Leute in den Gewerkschaften eher dem Produktionszentrum zugehörig fühlt und am liebsten so tun würde, als gäbe es die ganzen Phänomene der prekarisierten Peripherie nicht. Wenigstens wohl sollte es sie im Angedenken an den Wirtschaftswunder-Korporatismus nicht geben und daher erscheint ein bedingungsloses Grundeinkommen als falscher Weg. Richtiger wäre demnach wohl, per Arbeitskampf die Peripherie wieder ins Zentrum zu ziehen und mit guter Wirtschaftspolitik für Vollbeschäftigung zu sorgen. Dann würde sich auch niemand mehr auf der faulen Haut ausruhen und jaja, wir schaffen das Bruttosozialprodukt. Vielleicht irre ich mich da ja auch, aber sozialpsychologisch finde ich es naheliegend, dass insbesondere Gewerkschaftsleute mit den aus meiner Elterngeneration überkommenen sogenannten Normalarbeitsbiographien sich nicht mit einem über das bedingungslose Grundeinkommen etablierten Recht auf Faulheit anfreunden können. Ich bin Jahrgang 1977, in meiner Generation dürften solche sogenannten Normalarbeitsbiographien schon deutlich seltener geworden sein. Und ich kann nicht sehen, dass die Gewerkschaften diesem Trend seit mindestens der Wende 1989 irgendetwas Substantielles entgegenzusetzen fähig gewesen wären, eher wohl im Gegenteil. Versöhnlich gedacht, sollte man in Diskussionen mit solchen Menschen in den Gewerkschaften wohl auf dieser Erosion der alten Arbeitswelt herumreiten und immer wieder klarstellen, dass ein bedingungsloses Grundeinkommen eine derart mächtige Verbesserung der Verhandlungsposition der Gewerkschaften gegenüber den Unternehmen darstellen würde, dass es wie gesagt nicht sehr realistisch, aber darum um so wichtiger ist, dem Kapital dieses Zugeständnis abzuringen. Da ich mir eine breite Anhängerschaft für die Idee des bedingungslosen Grundeinkommens wünsche, möchte ich unversöhnliche Betrachtungen in diesem Zusammenhang lieber nicht anstellen, obgleich sie sich mir mit Blick auf das Transformationspotential eines bedingungslosen Grundeinkommens in Bezug auf kapitalistische Charaktermasken bzw. verhärtete Identitäten aufdrängen. Also doch zumindest dieser Satz: Die Abweisung der Idee des bedingungslosen Grundeinkommens in Gewerkschaftskreisen verteidigt besitzstandschauvinistisch das Privileg des gutsituierten Teils der arbeitenden Bevölkerung gegenüber dem prekarisierten und arbeitslosen Teil der Arbeitsbevölkerung, sich relativ stabil in den Produktionszentren der Wertverwerung angesiedelt zu haben, und denunziert darüber hinaus womöglich das mit einem bedingungslosen Grundeinkommen faktisch etablierte Recht auf Faulheit, während es sich mit dem faulen Luxuskonsum der oberen Zehntausend genauso arrangiert und abgefunden hat wie mit dem Privateigentum an Produktionsmitteln. Nebenbei lässt sich in diesem Zusammenhang auch darauf hinweisen, dass das Zentrum-Peripherie-Modell sehr deutlich macht, dass die in unterschiedliche Löhne, Arbeitsbedingungen und Risikoabsicherung diversifizierte Arbeiterklasse schillernd belegt, dass die Marxsche Wertsubstanz abstrakte Arbeit nicht nur quer zum Verwertungsregime, sondern wesentlich auch innerhalb des Verwertungsregimes ein Produkt höchst vielfältiger sozialer Auseinandersetzungsformen ist und daher unmöglich quantitativ bestimmbar. Während ich wohl wenig Zweifel daran gelassen habe, dass ich theoretische Wahrheit eher bei Marx und der alten Frankfurter Schule sehe als bei kapitalismusimmanenten Theorien, sind mir die Leute um Flassbeck oder etwa die Memorandum-Gruppe zumindest ein wenig sympathisch. Ich würde vermuten, dass das damit zu tun hat, dass ich einem kleinbürgerlichen Milieu entstamme, dessen subjektives Interesse eher in einer keynsianischen Binnenmarktsstärkung als in einem Verein freier Menschen oder dem vermeintlich objektiven Interesse des Proletariats liegt. Außerdem ist es freilich auch immer weit weniger psychisch belastend, sich mit aufs reiche Deutschland fixierten Zivilgesellschaftstheorien zu befassen, während sich mit Marx und der alten Frankfurter Schule ja so unangenehme internationale Phänomene wie Krieg, Hunger und Sklaverei systematisch nicht ausblenden lassen. Wenn ich das halbwegs richtig überblicke, finde ich die Binnemarktsstärkungs-Theorien vor allem deshalb daneben, weil sie sich im Wesentlichen nur über In- und Output sowie Verteilung den Kopf zerbrechen, weniger aber über die qualitativen Formen der Lebenszusammenhänge, in denen Produktion und Konsum stattfinden. Ich mag da ein wenig sensibel sein, insofern mir schon der weithin anerkannte Spruch, dass Lehrjahre keine Herrenjahre seien, einen großen Ringelreigen von Alltagsbarbareien vors innere Auge stellt. Ein Miteinander füreinander, das nicht auf wechselseitigem Verständnis, Einsicht in gesellschaftlich vermittelte Naturnotwendigkeiten und inhaltlicher Autorität beruht, sondern auf irgendwelchen weisungskoordinierenden Abhängigkeiten und einem ungleichen Zugriff auf gesellschaftliche Ressourcen, scheint mir ganz grundsätzlich eklig. Aber selbst wenn man gewillt ist, in der Debatte von der qualitativen Gestaltung der Lebenszeit der Gesellschaft zu abstrahieren und sich stattdessen nur auf volkswirtschaftliche Kreislaufvorstellungen reduziert, dürfte es gänzlich unmöglich sein, einen irgendwie kohärenten inneren Zusammenhang zwischen der Höhe eines heutigen Einkommens und der gesellschaftlichen Produktivität der diesem Einkommen zugrunde liegenden Tätigkeiten zu behaupten. Nur z. B.: Was soll an der Tätigkeit einer Steuerberaterin produktiver sein als an der Tätigkeit eines Straßenmusikers, was an der Tätigkeit eines Arbeisvermittlers produktiver als an der Tätigkeit eines Hausmanns, was an der Tätigkeit eines Rüstungsingenieurs produktiver als an der Tätigkeit einer Krankenschwester? Die Einkommensverteilung gaukelt heute immer bloß vor, dass es einen inneren Zusammenhang zwischen den Leistungen eines Individuums und der gesamtgesellschaftlichen Produktivität gibt, während dieser Zusammenhang in Wirklichkeit das Resultat höchst willkürlicher und komplexer historischer Prozesse ist. Deshalb können sich die Marxologen ja auch bis zum Ende aller Tage über die metaphysische Substanz des Werts bei Marx wundern: Abstrakte Arbeit, gesellschaftlich notwendige Durchschnittsarbeitszeit, was mag das bloß sein? Der Inbegriff eines historisch sedimentierten Fetischs halt, nicht mehr, nicht weniger. Zudem ist mir völlig unklar, wo bei den Kreislaufmodellen der Keynsianer eigentlich der gesamte aufgehäufte Reichtum in materieller Form, die Produktions- und langlebigen Konsumtionsmittel, also Marx' tote Arbeit überhaupt theoretische Beachtung findet. Argumentieren Flassbeck und Co. sinngemäß, dass ein bedingungsloses Grundeinkommen nicht nur das Lumpenproletariat zur Arbeitsvermeidung animieren würde, sondern auch die anscheinend bei der FDP abgeguckten Leistungsträger, und dass dies ein Problem für die Gesamtproduktivität der Gesellschaft wäre (vgl. http://www.monde-diplomatique.de/pm/2012/11/09.mondeText1.artikel,a0014.idx,6 ), dann würde ich sie erstmal auffordern, einen schlüssigen Beleg für die These zu erbringen, dass es tatsächlich einen inneren Zusammenhang zwischen Einkommenshöhe und individueller Produktivität gibt. Sofern sich denn überhaupt ein schlüssiger Begriff von individueller Produktivität konstruieren lässt. Ein solcher Beleg ist meiner Einschätzung nach systematisch nicht zu erbringen. Zudem stehen Teile der Argumentationen für ein bedingungsloses Grundeinkommen ja nicht ganz willkürlich auf dem Standpunkt, dass die Automatisierungstendenzen in Produktion und Verwaltung zu einer gesamtgesellschaftlichen Verschiebung des Begriffs der Produktivität führen, der sich mit klassisch fordistischen Vorstellungen überhaupt nicht mehr deckt. Dienstleistungsgesellschaften verschieben die Wertbestimmtheit der Arbeit dem reinen Volumen nach notwendig deutlich von einer stofflichen Warenbindung fort und hin zu einer entstofflichten Form sozialer und kultureller Beziehungsmuster und ideell-symbolischer Güter. Ansonsten finde ich die Beiträge von Harald Schauff (vgl. http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=18773 ) und Ronald Blaschke (vgl. https://www.grundeinkommen.de/content/uploads/2012/11/rb-hw_rezension-irrweg-grundeinkommen_121114.pdf ) ziemlich prägnante Kritiken an diesem keynsianisch orientierten Angriff gegen die Idee eines bedingungslosen Grundeinkommens und möchte nur auf ein kleines Detailargument hinweisen, das sich in dem Zusammenhang noch anbringen ließe: Die Aufblähung des Volumens an Konsumentenkrediten und die Zunahme von Privatinsolvenzen dürfte zwar angesichts des Umverteilungsvolumens eines bedingungslosen Grundeinkommens in relevanter Höhe kaum der Rede wert sein, stellt aber zumindest ein Detailbeleg dafür dar, dass die Inflationsangst von Flassbeck und Co. so begründet kaum sein kann. Zudem lässt sich bei den Keynsianern ja immer die Frage aufwerfen, wer denn eigentlich die soziale Basis für die Umsetzung ihrer Pläne sein soll. Rot-Grün, die vor gar nicht langer Zeit Oscar Laffontaine dissten und Hartz4 einführten? Da es seit Wende und Wiedervereinigung meines Wissens in der EU nirgends ernsthafte sozialpolitische Fortschritte, sondern nur Rückschritte gegeben hat, betreibt die Keynsianer-Fraktion nicht weniger Wunschdenken als die Anhängerschaft der Idee eines bedingungslosen Grundeinkommens. Letzteres könnte immerhin die Wahlbeteiligung der Unterschichten wieder in die Höhe treiben und so etwas wie der kleinste gemeinsame Nenner für alle sein, die das starke Gefühl haben, dass es so ja nun wirklich nicht mehr weiter gehen kann. Angesichts der internationalen Spannungen im Zuge einer kriselnden Wertverwertung fände ich es übrigens nicht falsch, für die Idee eines bedingungslosen Grundeinkommens Rosa Luxemburgs "Sozialismus oder Barbarei" als Slogan zu annektieren: "bedingungsloses Grundeinkommen oder Barbarei". Denn mindestens aus keynsianischer Perspektive müsste völlig klar sein, dass die Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens insofern ein Jungbrunnen fürs Kapital darstellt, als es immense zusätzliche konsumtive Anreizimpulse für die Produktionssphären setzt. Durch internationale Konflikte die Abschöpfung ausländischen Mehrwerts zu organisieren und/oder Überproduktionskapazitäten zu zerstören, könnte dann fürs Kapital weniger attraktiv bzw. notwendig erscheinen. Ansonsten möchte ich zumindest auch positiv zu Flassbeck und Co. vermerken, dass mir noch nirgends sonst der sich aufdrängende Gedanke so klar formuliert begegnet ist, dass der sogenannte Neoliberalismus in seiner Konsequenz die Restauration bis zum Rückfall ins Feudalsystem betreibt: "Gehören zunehmende Ungleichheit und Verarmung der unteren Einkommensschichten auf Dauer und unter den Bedingungen der Globalisierung unvermeidlich zum Marktmechanismus dazu? Wenn ja - davon sind die Neoliberalen überzeugt -, muss die Frage gestellt und beantwortet werden, ob die Marktwirtschaft heute und vor allem in Zukunft noch mit einer demokratischen Gesellschaftsordnung in Einklang zu bringen ist. Denn wenn die Reparaturversuche der sozialen Schäden, die die Marktwirtschaft dann offenbar systematisch anrichtet, mittels der Sekundärverteilungsmöglichkeiten des Staates das System Marktwirtschaft selbst wiederum schädigen oder zumindest beeinträchtigen, scheinen sich die Anforderungen des Wirtschaftssystems und die des politischen Systems logisch zu widersprechen. Dann aber wäre der Kampf gegen Armut und gesellschaftliche Spaltung innerhalb eines marktwirtschaftlichen Systems letzten Endes zum Scheitern verurteilt. Aufrichtiger wäre dann schon die Suche nach einem anderen politischen System, in dem sich ökonomische Ungleichheit und politische Teilhabe entsprechen (etwa in einem Ständestaat mit Klassenwahlrecht)." (vgl. http://www.monde-diplomatique.de/pm/2012/11/09.mondeText1.artikel,a0014.idx,6 ) New Model Army freilich sangen bereits 1990 und damit lange vor dem Höhepunkt der "Standort Deutschland"-Debatte: "The council tries to bribe the rich just to stay in town". Ich kann zwar nicht behaupten, dass er sich ernsthaft auf irgendwelche Erfahrungstatsachen stützen könnte, aber irgendwie habe ich den Eindruck, dass der Hegelsche Weltgeist in den nächsten Jahrzehnten einen politischen Fortschritt der Menschheit wenn überhaupt, dann wohl eher von Asien, wesentlich wohl China und Indien her organisieren wird. Verzichtet der Weltgeist auf ein grundlegendes Neumischen der Karten durch drastische Klimakatastrophe und im Zuge der Verwertungskrisen sich aufdrängende gesellschaftliche Katastrophen à la world war 3, dann findet er im Anschluss an die Phase der nachholenden Industrialisierung in Asien vielleicht mal Muße, die bürgerliche Egalität in eine materielle umzuformen. Vielleicht sehe ich das zu optimistisch, aber wenn Asien erstmal ökonomisches und militärisches Zentrum des Globus geworden ist, könnte aus Maos Wühlmausarbeit und der Liebe zur Oppulenz im Hinduismus heraus ja ein asiatischer Exportimperialismus den Europäern und vielleicht sogar den Amis ein bedingungsloses Grundeinkommen nach dem Muster aufzwingen, das im Dilthey-Modell skizziert wird. Und Afrika hoffentlich einfach schenken. Während ich für Deutschland und damit wohl leider auch Europa eher befürchte, dass es sich für absehbare Zeit aus einem manifest-vorbewussten Glauben der Mehrheit an eine Wahrheit der guseisernen "Arbeit macht frei"-KZ-Sprüche der Nazis heraus verbietet, der Liebe zur freien Tätigkeit von Antroposophen und Marxschen Frühschriften und dem Recht auf Faulheit der Spaßgesellschaftsfraktionen durch ein bedingungsloses Grundeinkommen auch nur den Hauch einer Chance einzuräumen. Aber selbst wenn dem so sein sollte, wer will so lange bloß warten und hoffen? 5. Ein paar Bemerkungen zur Schizophrenie des Schwarzmarkt-Begriffs aus Sicht des bedingungslosen Grundeinkommens Der kritische Beitrag von Antje Schrupp (vgl. http://antjeschrupp.com/2013/06/29/7244/ ) zu einem anderen Artikel der Mitautorin des eben erwähnten Angriffs auf die Idee des bedingungslosen Grundeinkommens von Flassbeck und Co., Friederike Spiecker, der ziemlich ähnlich gestrickt ist wie der Artikel in Le Monde (vgl. http://www.flassbeck-economics.de/grundeinkommen-falsches-mittel-aufgrund-falscher-analyse/ ), hat mich dazu animiert, mal ein wenig über den Schwarzmarktbegriff zu meditieren. Ist für Dialektiker abstrakt ja immer klar, dass sich jeder beliebige Gegenstand als schizophren erweist, wenn er nur genau genug angeschaut wird, so ist es doch immer wieder überraschend, was sich konkret an den jeweiligen Gegenständen ergeben kann. Schwarzmärkte sind aus der Perspektive der Finanzierung eines bedingungslosen Grundeinkommens einerseits aus Gerechtigkeitsüberlegungen heraus wenig wünschenswert, andererseits potentiell ein Riesenproblem, da sie sich dem Kapital neben Landesflucht geradezu als Antwort auf eine wie auch immer gestaltete Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens in relevanter Höhe aufdrängen könnten. Dem dürfte zwar der hohe Grad an Systemintegration der meisten Wertkreisläufe entgegen stehen, aber ich würde dieses Problem dennoch nicht unterschätzen. Am Rande möchte ich in dem Zusammenhang erwähnen, dass schon heute bspw. die Illegalität von vielen Rauschsubstanzen nicht nur wegen der damit einhergehenden unnötigen Verelendung von Konsumenten ein Skandal ist, sondern auch wegen der in dieser illegalisierten ökonomischen Sphäre vorfindlichen Arbeitsbedingungen und wegen der immensen Steuerhinterziehung dieser wegen der Illegalität freilich gar nicht erst besteuerten Märkte. Antje Schrupp legt implizit wohl das von Roswitha Scholz in die marxistische Debatte eingeführte Wertabspaltungstheorem (vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Roswitha_Scholz ) zugrunde, das ich inhaltlich richtig finde. Der gender pay gap ist dafür ja nur ein soziologisch-empirischer Ausdruck. Ich würde sagen, dass die Wertabspaltung ein Teilaspekt von dem ist, was es unmöglich macht, Marx' Begriff der Wertsubstanz, also die abstrakte Arbeit, in irgendeiner Weise sinnvoll quantitativ zu bestimmen. Grundlegend fasst die abstrakte Arbeit das Ergebnis aller möglichen sozialen Auseinandersetzungsformen in Geschichte und Gegenwart in einer Kategorie zusammen und wäre daher nur aus einer göttlichen Perspektive konkret bestimmbar. Alle Wertkategorien sind halt geschichtlich-gesellschaftlicher Natur, so sehr ihr Verwachsensein mit Dingen und ihr höchst abstrakter Bezug auf Lebenszeit auch darüber hinwegtäuschen mag. Interessant in Bezug auf den Begriff des Schwarzmarkts ist das Wertabspaltungstheorem, weil es den Blick auf alle nicht-monetären Tätigkeitsformen weitet. Antje Schrupp kann sich zwar angesichts der monetären Missachtung von kulturgeschichtlich weiblich konnotierten Tätigkeiten, also angesichts von gender pay gap und dem Aufladen von Tätigkeiten zur Reproduktion der Ware Arbeitskraft auf vornehmlich weibliche Schultern, darüber belustigt zeigen: "Haha. Hausfrauen als passionierte Steuerhinterzieherinnen, das finde ich geradezu mal lustig." (http://antjeschrupp.com/2013/06/29/7244/ ) Und Friederike Spiecker ist so sehr in ihrem arbeitsfetischistischen Wahn drin, Inflationsgespenster aus der möglichen Arbeitszeitreduzierung von imaginierten Leistungsträgern abzuleiten, dass sie gegenüber der Wertverwertungsarbeit nur zwei alternative Tätigkeitsformen sieht, die beide mehr oder weniger auf Eigenbrödlerei hinauslaufen: "Wieviel Steuern sollte der Staat z.B. für das Bild eines Malers kassieren, das der an irgendjemanden verschenkt oder bei sich zu Hause ausstellt? Solange das Bild keinen Käufer findet, kann der Staat darauf bzw. auf die Arbeit des Malers keine Steuern erheben. Das gilt natürlich auch für alle Arbeiten, die jemand für sich selbst erledigt, die sozusagen weg von der Arbeitsteilung und hin in Richtung Autarkie gehen. Lasse ich meine Wohnung putzen und bezahle dafür, kann der Staat diese Aktivität besteuern. Mache ich selbst sauber, kann der Staat meine Arbeit nicht besteuern." (vgl. http://www.flassbeck-economics.de/grundeinkommen-falsches-mittel-aufgrund-falscher-analyse/ ) Es gibt aber neben privatistischer Tätigkeit für sich selbst oder für Freunde und Bekannte eine dritte Alternative, die für die Gruppe um Flassbeck viel erschütternder sein müsste und den eigentlich emanzipatorischen Gehalt des bedingungslosen Grundeinkommens verdeutlich: nicht-gewinnorientierte, nicht-monetär vermittelte Kooperativen mit ausreichendem Zugriff auf Produktionsmittel. Ich hatte das oben im Zusammenhang mit meinem Rettungsversuch des reinen Konsumbesteuerungsmodells angedacht: gemeinnützige Vereine könnten auf der Basis eines bedingungslosen Grundeinkommens eventuell durchaus konkurrenzfähig gegenüber gewinnorientierten Unternehmungen werden. Das würde ich sogar geradezu als Notwendigkeit empfinden, weil ansonsten das bedingungslose Grundeinkommen doch nur Armutsbekämpfung, Recht auf Faulheit und Hilfe im Klassenkampf für die unterliegende Klasse wäre, nicht aber Transzendierung der Klassengesellschaft. Auch dazu ließe sich "immerhin" sagen, aber das Herz will, was das Herz will, und das ist nun einmal unter anderem der Verein freier Menschen. Es gibt freilich auch heute nicht-gewinnorientierte, nicht-monetär vermittelte Kooperativen, etwa die Open-Source-Bewegung oder bestimmte Aspekte von Religionsgemeinschaften, Wohlfahrtsverbänden und vieles mehr. Aber auf der Basis eines bedingungslosen Grundeinkommens wäre hoffentlich eine drastische Ausweitung solcher Kooperativen zu beobachten. Um's mal plastisch auszupinseln: Was würde die deutsche Autolobby dazu sagen, wenn ein paar reiche Ökofreaks mit der Hilfe vieler ehrenamtlich Aktiver ein flächendeckendes Car-Sharing-Modell mit Elektroautos in der gesamten EU zum Nulltarif oder niedrigem Vereinsmitgliedsbeitrag als gemeinnützigen Verein aufziehen würden? Wettbewerbsverzerrung? Steuerhinterziehung, Schwarzarbeit und Schwarzmarkt á la Friederike Spiecker im großen Stil? Um's ein bisschen allgemeiner zu sagen: Sollte Adorno Recht haben und "die Menschen sind immer noch besser als ihre Kultur" (Adorno, Minima Moralia, GS4, S. 51), dann würde sich auf der Grundlage eines bedingungslosen Grundeinkommens die Möglichkeit ergeben, dass alle als unethisch empfundenen Aktivitäten von gewinnorientierten Unternehmen relativ flott durch als zumindest weniger unethisch empfundene Aktivitäten auf gemeinnütziger Basis ersetzt werden würden. Alle als unethisch empfundene Aktivitäten von gewinnorientierten Unternehmen? Ja, was bliebe denn da noch vom Kapitalismus? Als jemand, der eine solche Entwicklung begrüßen würde, könnte man freilich sagen: Fein. Hoffen wir einfach mal, dass das in vernünftigen Bahnen geschieht, die Gemeinnützigkeit nicht bloß gefaked wird, sich das bedingungslose Grundeinkommen sukzessive durch eine andere Form der Ökonomie ohnehin erübrigt und mit der Wertverwertung alsbald Schluss ist. Aber zumindest könnte man dann als Verfechter eines bedingungslosen Grundeinkommens auch zugestehen, dass die Argumente von Flassbeck und Co. gar nicht so sehr an den Haaren herbeigezogen sind: Eine Wohlfahrtsökonomie, die der monetär vermittelten Wertverwertung das Wasser abgraben würde, würde auch die Steuermasse und damit die Basis des bedingungslosen Grundeinkommens erodieren lassen. Ich würde einfach mal hoffnungsfroh davon ausgehen, dass die Gesamtgesellschaft vernünftig genug wäre, den sukzessiven Einbruch beim bedingungslosen Grundeinkommen durch nicht-monetär vermittelte gemeinnützige Tätigkeiten auszugleichen. Es wäre aber immerhin auch denkbar, dass die bei gemeinnützigen Tätigkeiten fehlende gesamtgesellschaftliche Regulation über Marktmechanismen zu großen Diskrepanzen führen könnte, zu großer Wohlfahrt hier und Mangel am Nötigsten dort. Zumindest im Hinterkopf sollte diese Möglichkeit bleiben. Vielleicht kann ja mal jemand eine App namens "Planwirtschaft 2.0 " basteln, die den Bedarf der Gesellschaft am Nötigsten im Blick behält ... By the way: Falls jemand eine Idee hat, wie ein Magister-Philosoph das täglich Brot für sich, seine Frau und unsere beiden Katzen während des Wartens auf die Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens erwirtschaften könnte, vielleicht z. B. mit polit-theoretischer Arbeit, dann wäre ich für einen Hinweis wirklich dankbar. Erwerbslosigkeit rockt nicht im Ernst. Könnte ja sein. Ansonsten hilft vielleicht Hartz4-Regime-Drangsalierten das Konzept des Initiativbewerbungs-Spammens, das ich hiermit mal versuche. Als ich letzten Oktober erstmals den ALG2-Status ergatterte, hat mir meine Arbeitsvermittlerin per Eingliederungsvereinbarung 8 Bewerbungsinitiativen pro Monat aufgedrückt. Trotz relativ engagierter Sichtung der Stellenmärkte komme ich nicht einmal auf die Hälfte der Vorgabe, und das auch nur, weil ich diverse Bewerbungen verschickte, die so ernst nicht gemeint waren. In dieser Form eine Initiativbewerbung an eine Mailingliste von x Personen zu verschicken, dürfte Planübererfüllung bedeuten. Falls mir jemand sagen kann, wie groß x ist, könnte ich kommende Woche während meines nächsten Gesprächs mit einem neuen Arbeitsvermittler vielleicht sogar argumentieren, dass mein Soll nach der Formel (x + 43 abgeschickte Bewerbungen - 10 Monate * 8 Bewerbungen) / 8 Bewerbungen für entsprechend viele künftige Monate eigentlich erfüllt ist. Vermutlich weiß kaum jemand so viel über die Absurditäten von Hartz4 wie die Leute, die in der Arbeitsagentur arbeiten. Ihnen zu spiegeln, dass auch ALG2-Empfänger diese Absurditäten zumindest ein Stück weit klar haben, kann aber wohl dennoch kaum schaden. Fast unnötig zu erwähnen, dass ich in den 18 Monaten seit der Kündigung meines letzten Jobs und des damit verbundenen Erstkontakts zur Arbeitsagentur keinen einzigen Vermittlungsvorschlag von irgendeinem Arbeits"vermittler" erhalten habe. Mit lieben Grüßen aus Bremen, Bert Grashoff -------------- nächster Teil -------------- Ein Dateianhang mit HTML-Daten wurde abgetrennt... URL: From AndreasSTL at gmx.de Mon Aug 18 14:21:08 2014 From: AndreasSTL at gmx.de (Andreas) Date: Mon, 18 Aug 2014 14:21:08 +0200 Subject: [Debatte-Grundeinkommen] Geldstrom-Varianten beim BGE. Sozial oder nicht. In-Reply-To: <53EF6B50.9050402@gmx.de> References: <53EF6B50.9050402@gmx.de> Message-ID: <53F1EFB4.8020306@gmx.de> Hallo, bei der BGE-Diskussion scheint manchmal der soziale Aspekt in Vergessenheit zu geraten. Deshalb zur Erinnerung : Sozial ist es, wenn das Geld und die damit verbundene Macht über andere Menschen von denen genommen wird, die zu viel Geld bzw. Macht haben UND dieses Geld und die damit verbundene Macht über andere Menschen denen gegeben wird wird, die zu wenig Geld bzw. Macht haben bzw. fast machtlos sind. Alles andere ist nicht sozial. Unter "sozial" hat man früher eine Verteilung von oben (Reiche) nach unten (Bedürftige) verstanden, als Ausgleich dafür, dass die Marktwirtschaft von unten nach oben verteilt. VG A.S. -------------- nächster Teil -------------- Ein Dateianhang mit HTML-Daten wurde abgetrennt... URL: From eusidee at web.de Mon Aug 18 16:08:41 2014 From: eusidee at web.de (Ernst Ullrich Schultz) Date: Mon, 18 Aug 2014 16:08:41 +0200 Subject: [Debatte-Grundeinkommen] Kapitalbesteuerung versus Konsumsteuer Message-ID: <000001cfbaed$ea88e7d0$bf9ab770$@de> Liebe Freunde des Grundeinkommens, hier ein kurzer Debattenbeitrag zu Steuerfrage Etiketten, bis einem schwindelig wird Schon als ich mein erstes Gehalt bekam, fiel mir eine Merkwürdigkeit auf. Auf dem Lohnzettel, der an der Lohntüte angeheftet war, fanden sich Angaben über die Sozialabgaben, aufgelistet als Arbeitnehmeranteil zur Renten- und Krankenversicherung. Ich erfuhr bald, dass es auch einen Arbeitgeberanteil gibt. Schön dachte ich, die Firma trägt auch zu meiner sozialen Absicherung bei. Später erfuhr ich von hitzigen Debatten über diese Anteile. Die arbeitgeberfreundliche Seite wollte den Arbeitgeberanteil zu Ungunsten der Arbeitnehmer schmälern, die Linke stemmt sich dagegen. Was aber, so dachte ich ganz naiv, wenn der eine Anteil höher und der andere niedriger wird, was ändert sich in meiner Lohntüte? Doch gar nichts, oder? So geht es auch mit den Steuern. Da will die Linke das Kapital drastisch besteuern. Wunderbar, alle Konzerne müssen zum Beispiel 30% mehr Kapitalsteuer zahlen. Steuern sind betriebswirtschaftliche Kosten, die irgendwie wieder hereinkommen müssen. Drei Möglichkeiten gibt es, damit die Betriebe nicht Pleite gehen: Man mindert die Einkommen der Konzerninhaber, um den unwahrscheinlichsten Fall zuerst zu nennen, man kürzt die Gehälter der abhängig Beschäftigten oder drittens als den wahrscheinlichsten Fall, man erhöht einfach die Preise um 30% und der Konsument bezahlt es. Das kann man auch, da die Konkurrenz ebenso betroffen ist. Nun gibt es Leute, die wollen lieber den Konsum besteuern. Also wird auf alles, was produziert wird, nochmal 30% draufgeschlagen. Das Kapital ist fein raus, braucht nichts bezahlen. Aber Halt! Der Konsument bezahlt doch auch 30% mehr. Wo ist der Unterschied? Ganz einfach, Kapitalsteuer hört sich besser an als Konsumsteuer. Herzlichst, Ernst Ullrich Schultz eus Ernst Ullrich Schultz Matthiesgarten 16 22395 Hamburg 040 604 97 30 -------------- nächster Teil -------------- Ein Dateianhang mit HTML-Daten wurde abgetrennt... URL: From wube at gmx.net Tue Aug 19 00:58:26 2014 From: wube at gmx.net (willi uebelherr) Date: Mon, 18 Aug 2014 17:58:26 -0500 Subject: [Debatte-Grundeinkommen] =?windows-1252?q?Rettungsversuch_f=FCrs_?= =?windows-1252?q?reine_Konsumbesteuerungsmodell=2C_Marx=27_Liebe_zum_bGE_?= =?windows-1252?q?und_ein_paar_Fragen_und_Anmerkungen?= In-Reply-To: <53EF6B50.9050402@gmx.de> References: <53EF6B50.9050402@gmx.de> Message-ID: <53F28512.9010303@gmx.net> Lieber Bert, es war ein genuss, deine zeilen zu lesen. Ich freue mich immer ueber neue geister in diesem umfeld. Aber ich will auf einige grundsaetzliche schwaechen deiner argumentation hinweisen, wie sie mir sichtbar werden. 1) du operierst nur auf der ebene des distributionssystems und laesst unsere eigentliche grundlage, die oekonomie, ausser acht. Damit unterstuetzt du, ohne deinen willen, die objektzuordnung, wie wir es in allen repraesentativen systemen finden. Die menschen sollen anhaengsel sein und bleiben. allerdings finde ich am ende eine klare aufloesung: "Aber zumindest könnte man dann als Verfechter eines bedingungslosen Grundeinkommens auch zugestehen, dass die Argumente von Flassbeck und Co. gar nicht so sehr an den Haaren herbeigezogen sind: Eine Wohlfahrtsökonomie, die der monetär vermittelten Wertverwertung das Wasser abgraben würde, würde auch die Steuermasse und damit die Basis des bedingungslosen Grundeinkommens erodieren lassen. Ich würde einfach mal hoffnungsfroh davon ausgehen, dass die Gesamtgesellschaft vernünftig genug wäre, den sukzessiven Einbruch beim bedingungslosen Grundeinkommen durch nicht-monetär vermittelte gemeinnützige Tätigkeiten auszugleichen." 2) schwarzarbeit, die hoechste form selbstorganisierter oekonomie diese deine verstrickung in gesetzte muster und dogmen kommt beim thema "schwarzarbeit" voll zum ausdruck. Aber auch da in innerer zerrissenheit. "Schwarzmärkte sind aus der Perspektive der Finanzierung eines bedingungslosen Grundeinkommens einerseits aus Gerechtigkeitsüberlegungen heraus wenig wünschenswert, andererseits potentiell ein Riesenproblem, da sie sich dem Kapital neben Landesflucht geradezu als Antwort auf eine wie auch immer gestaltete Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens in relevanter Höhe aufdrängen könnten." Schwarzarbeit ist die reinste form selbstorganisierter oekonomie. Und das heisst, dass fuer uns die foerderung von "schwarzarbeit" immer ganz vorne, platz 2, steht. 3) wertbestimmung du schreibst: "Nebenbei lässt sich in diesem Zusammenhang auch darauf hinweisen, dass das Zentrum-Peripherie-Modell sehr deutlich macht, dass die in unterschiedliche Löhne, Arbeitsbedingungen und Risikoabsicherung diversifizierte Arbeiterklasse schillernd belegt, dass die Marxsche Wertsubstanz abstrakte Arbeit nicht nur quer zum Verwertungsregime, sondern wesentlich auch innerhalb des Verwertungsregimes ein Produkt höchst vielfältiger sozialer Auseinandersetzungsformen ist und daher unmöglich quantitativ bestimmbar." Das mag fuer leute aus parasitaeren umgebungen gelten, die keinen bezug zu den realen prozessen materieller formung haben. Aber du kommst ja aus dem praktischen milieu und hast dich wohl erst spaeter fuer die virtuelle welt entschieden. Es gibt eine klare groesse, die den eigenwert eines resultats menschlicher anstrengungen beschreibt: die zeit. Und dies, obwohl Karl Marx dies massiv betritten hat. Und dies nicht nur, weil David Ricardo dies in seiner Arbeitswerttheorie zum thema machte. Wir koennen auch unseren eigen verstand benutzen und genau hinsehen. Dann werden wir es erkennen. Ich weiss, die "oesterreichische Schule der Oekonomie" bestreitet dies und postuliert in der extremform, dass der wert eines produktes erst auf dem markt, also im tausch, entsteht. Und Karl Marx war nicht weit davon entfernt mit seinem Gebrauchswert und Tauschwert. aber nun zum wesentlichen Das bedingungslose Grundeinkommen ist teil unseres strebens zur herstellung einer stabilen sozialen und materiellen existenz fuer alle menschen. Ihre konkrete form ergibt sich aus ihrer bezogenheit und anerkennung geldbasierter austausch- und verteilungssysteme, Nur in diesem zusammenhang wird das BGE ueberhaupt sinnvoll. Ohne diesen univeralen zweck ist es billige propaganda. Eine transformation unseres gesellschaftlichen seins ist damit nicht machbar. Aber es kann prozesse unterstuetzen, die diese transformation im auge haben. Die grundlage unserer existenz sind immer materielle prozesse. Deswegen sind leute wie Flassbeck ueberfluessig. Er wird niemanden fehlen, wenn er nicht mehr ist. Er ist Parasit und traegt nichts bei. Das gilt natuerlich fuer viele leute. Auch in dieser liste. Wir stellen die forderung, dass sich alle an der herstellung der "materiellen reproduktionsbedingungen" beteiligen, sofern sie dazu in der lage sind. Und dies beurteilt die gemeinschaft. Mit der aufloesung aller parasitaeren einrichtungen und instanzen wie Staatsbuerokratie, Militaer und Ruestungsproduktion, nationale/foerderale Polizeien, Parlamente, Gefaengnisse, Gerichte und dergleichen und der verallgemeinerung der notwendigkeit zur beteiligung an den notwendigen arbeiten fuer unsere lebensgrundlagen reduziert sich der individuelle aufwand massiv. Mit der gemeinschaftlichen organisation der notwendigen lebensgrundlagen fuer alle brauchen wir in diesen bereichen kein geldsystem. Alle transportsysteme, materiell und immateriell, wasser, elektrische und thermische energie, trinken und essen, haus und kleidung und dergleichen. All dies wird grundsaetzlich lokal organisiert. Wir folgen dabei dem prinzip, dass wir nur jenen aufwand treiben, der aus den gewuenschten resultaten tatsaechlich begruendbar ist. Oder wie Lao Tse es formulierte: "Es ist besser, nichts zu tun, als mit viel Aufwand nichts zu schaffen". Wenn ich nun unter diesen gesichtspunkten deinen text lese, dann entsteht fuer mich der eindruck, dass du gern viel schreibst ohne viel zu sagen. Mag sein, dies entspricht deiner heutigen berufswahl. Auch wenn vielleicht meine antwort dir als ablehnend daher kommt. Ich bin dir sehr dankbar fuer deinen beitrag und habe mich beim lesen auch maechtig gefreut. mit lieben gruessen, willi z.zt. Popayan, Colombia From pius.lischer at bluewin.ch Tue Aug 19 09:43:25 2014 From: pius.lischer at bluewin.ch (Pius Lischer) Date: Tue, 19 Aug 2014 09:43:25 +0200 Subject: [Debatte-Grundeinkommen] Geldstrom-Varianten beim BGE. Sozial oder nicht. In-Reply-To: <53F1EFB4.8020306@gmx.de> References: <53EF6B50.9050402@gmx.de> <53F1EFB4.8020306@gmx.de> Message-ID: <53F3001D.5040701@bluewin.ch> Am 8/18/2014 14:21, schrieb Andreas: Hallo Geld ist ein Tauschmittel für Leistung (KWh). KWh vermehren sich nicht durch Zinsen und Wechselkursgewinne. Zinsen und Währungen abschaffen. Warum Nicht??? Gruss von Pius > Hallo, > > bei der BGE-Diskussion scheint manchmal der soziale Aspekt in > Vergessenheit zu geraten. > > Deshalb zur Erinnerung : > > Sozial ist es, > wenn das Geld und die damit verbundene Macht über andere Menschen von > denen genommen wird, die zu viel Geld bzw. Macht haben > UND > dieses Geld und die damit verbundene Macht über andere Menschen denen > gegeben wird wird, die zu wenig Geld bzw. Macht haben bzw. fast > machtlos sind. > > Alles andere ist nicht sozial. > > Unter "sozial" hat man früher eine Verteilung von oben (Reiche) nach > unten (Bedürftige) verstanden, als Ausgleich dafür, dass die > Marktwirtschaft von unten nach oben verteilt. > > VG > A.S. > > > > _______________________________________________ > Debatte-Grundeinkommen Mailingliste > JPBerlin - Politischer Provider > Debatte-Grundeinkommen at listen.grundeinkommen.de > https://listi.jpberlin.de/mailman/listinfo/debatte-grundeinkommen --- Diese E-Mail ist frei von Viren und Malware, denn der avast! Antivirus Schutz ist aktiv. http://www.avast.com -------------- nächster Teil -------------- Ein Dateianhang mit HTML-Daten wurde abgetrennt... URL: From pius.lischer at bluewin.ch Tue Aug 19 10:29:17 2014 From: pius.lischer at bluewin.ch (Pius Lischer) Date: Tue, 19 Aug 2014 10:29:17 +0200 Subject: [Debatte-Grundeinkommen] Kapitalbesteuerung versus Konsumsteuer In-Reply-To: <000001cfbaed$ea88e7d0$bf9ab770$@de> References: <000001cfbaed$ea88e7d0$bf9ab770$@de> Message-ID: <53F30ADD.5020809@bluewin.ch> Am 8/18/2014 16:08, schrieb Ernst Ullrich Schultz: Hallo Liebe Freunde des Grundeinkommens Land und Energie hat niemand erschaffen und sind darumAllgemeingüter.. Warum das Grundeinkommen nicht mit Lenkungsabgaben für Land und Energie finanzieren? Warum nicht alle Steuern und sozialen Zwangsaabgaben durch Lenkungsabgaben ersetzen? Bitte mit Begründung antworten. Mit den besten Wünschen Pius > > Liebe Freunde des Grundeinkommens, > > hier ein kurzer Debattenbeitrag zu Steuerfrage > > ** > > *Etiketten, bis einem schwindelig wird* > > Schon als ich mein erstes Gehalt bekam, fiel mir eine Merkwürdigkeit > auf. Auf dem Lohnzettel, der an der Lohntüte angeheftet war, fanden > sich Angaben über die Sozialabgaben, aufgelistet als > /Arbeitnehmeranteil/ zur Renten- und Krankenversicherung. Ich erfuhr > bald, dass es auch einen Arbeitgeberanteil gibt. Schön dachte ich, die > Firma trägt auch zu meiner sozialen Absicherung bei. Später erfuhr ich > von hitzigen Debatten über diese Anteile. Die arbeitgeberfreundliche > Seite wollte den Arbeitgeberanteil zu Ungunsten der Arbeitnehmer > schmälern, die Linke stemmt sich dagegen. Was aber, so dachte ich ganz > naiv, wenn der eine Anteil höher und der andere niedriger wird, was > ändert sich in meiner Lohntüte? Doch gar nichts, oder? > > So geht es auch mit den Steuern. Da will die Linke das Kapital > drastisch besteuern. Wunderbar, alle Konzerne müssen zum Beispiel 30% > mehr Kapitalsteuer zahlen. Steuern sind betriebswirtschaftliche > Kosten, die irgendwie wieder hereinkommen müssen. Drei Möglichkeiten > gibt es, damit die Betriebe nicht Pleite gehen: Man mindert die > Einkommen der Konzerninhaber, um den unwahrscheinlichsten Fall zuerst > zu nennen, man kürzt die Gehälter der abhängig Beschäftigten oder > drittens als den wahrscheinlichsten Fall, man erhöht einfach die > Preise um 30% und der Konsument bezahlt es. Das kann man auch, da die > Konkurrenz ebenso betroffen ist. > > Nun gibt es Leute, die wollen lieber den Konsum besteuern. Also wird > auf alles, was produziert wird, nochmal 30% draufgeschlagen. Das > Kapital ist fein raus, braucht nichts bezahlen. Aber Halt! Der > Konsument bezahlt doch auch 30% mehr. Wo ist der Unterschied? Ganz > einfach, Kapitalsteuer hört sich besser an als Konsumsteuer. > > Herzlichst, > > Ernst Ullrich Schultz > > *eus**Ernst Ullrich Schultz Matthiesgarten 16 22395 Hamburg 040 604 > 97 30*** > > > > _______________________________________________ > Debatte-Grundeinkommen Mailingliste > JPBerlin - Politischer Provider > Debatte-Grundeinkommen at listen.grundeinkommen.de > https://listi.jpberlin.de/mailman/listinfo/debatte-grundeinkommen --- Diese E-Mail ist frei von Viren und Malware, denn der avast! Antivirus Schutz ist aktiv. http://www.avast.com -------------- nächster Teil -------------- Ein Dateianhang mit HTML-Daten wurde abgetrennt... URL: From axel.tigges at gmail.com Tue Aug 19 12:34:46 2014 From: axel.tigges at gmail.com (axel tigges) Date: Tue, 19 Aug 2014 12:34:46 +0200 Subject: [Debatte-Grundeinkommen] Debatte-Grundeinkommen Nachrichtensammlung, Band 106, Eintrag 3 In-Reply-To: References: Message-ID: Am 19. August 2014 12:32 schrieb < debatte-grundeinkommen-request at listen.grundeinkommen.de>: > Um E-Mails an die Liste Debatte-Grundeinkommen zu schicken, nutzen Sie > bitte die Adresse > > debatte-grundeinkommen at listen.grundeinkommen.de > > Um sich via Web von der Liste zu entfernen oder draufzusetzen: > > https://listi.jpberlin.de/mailman/listinfo/debatte-grundeinkommen > > oder, via E-Mail, schicken Sie eine E-Mail mit dem Wort 'help' in > Subject/Betreff oder im Text an > > debatte-grundeinkommen-request at listen.grundeinkommen.de > > Sie koennen den Listenverwalter dieser Liste unter der Adresse > > debatte-grundeinkommen-owner at listen.grundeinkommen.de > > erreichen > > Wenn Sie antworten, bitte editieren Sie die Subject/Betreff auf einen > sinnvollen Inhalt der spezifischer ist als "Re: Contents of > Debatte-Grundeinkommen digest..." > > Meldungen des Tages: > > 1. Re: Rettungsversuch fürs reine Konsumbesteuerungsmodell, > Marx' Liebe zum bGE und ein paar Fragen und Anmerkungen > (willi uebelherr) > 2. Re: Geldstrom-Varianten beim BGE. Sozial oder nicht. > (Pius Lischer) > 3. Re: Kapitalbesteuerung versus Konsumsteuer (Pius Lischer) > > > ---------- Weitergeleitete Nachricht ---------- > From: willi uebelherr > To: debatte-grundeinkommen at listen.grundeinkommen.de > Cc: > Date: Mon, 18 Aug 2014 17:58:26 -0500 > Subject: Re: [Debatte-Grundeinkommen] Rettungsversuch fürs reine > Konsumbesteuerungsmodell, Marx' Liebe zum bGE und ein paar Fragen und > Anmerkungen > > Lieber Bert, > > es war ein genuss, deine zeilen zu lesen. Ich freue mich immer ueber neue > geister in diesem umfeld. > > Aber ich will auf einige grundsaetzliche schwaechen deiner argumentation > hinweisen, wie sie mir sichtbar werden. > > 1) du operierst nur auf der ebene des distributionssystems und laesst > unsere eigentliche grundlage, die oekonomie, ausser acht. Damit > unterstuetzt du, ohne deinen willen, die objektzuordnung, wie wir es in > allen repraesentativen systemen finden. Die menschen sollen anhaengsel sein > und bleiben. > > allerdings finde ich am ende eine klare aufloesung: > > "Aber zumindest könnte man dann als Verfechter eines bedingungslosen > Grundeinkommens auch zugestehen, dass die Argumente von Flassbeck und Co. > gar nicht so sehr an den Haaren herbeigezogen sind: Eine > Wohlfahrtsökonomie, die der monetär vermittelten Wertverwertung das Wasser > abgraben würde, würde auch die Steuermasse und damit die Basis des > bedingungslosen Grundeinkommens erodieren lassen. Ich würde einfach mal > hoffnungsfroh davon ausgehen, dass die Gesamtgesellschaft vernünftig genug > wäre, den sukzessiven Einbruch beim bedingungslosen Grundeinkommen durch > nicht-monetär vermittelte gemeinnützige Tätigkeiten auszugleichen." > > 2) schwarzarbeit, die hoechste form selbstorganisierter oekonomie > > diese deine verstrickung in gesetzte muster und dogmen kommt beim thema > "schwarzarbeit" voll zum ausdruck. Aber auch da in innerer zerrissenheit. > > "Schwarzmärkte sind aus der Perspektive der Finanzierung eines > bedingungslosen Grundeinkommens einerseits aus Gerechtigkeitsüberlegungen > heraus wenig wünschenswert, andererseits potentiell ein Riesenproblem, da > sie sich dem Kapital neben Landesflucht geradezu als Antwort auf eine wie > auch immer gestaltete Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens in > relevanter Höhe aufdrängen könnten." > > Schwarzarbeit ist die reinste form selbstorganisierter oekonomie. Und das > heisst, dass fuer uns die foerderung von "schwarzarbeit" immer ganz vorne, > platz 2, steht. > > 3) wertbestimmung > > du schreibst: > "Nebenbei lässt sich in diesem Zusammenhang auch darauf hinweisen, dass > das Zentrum-Peripherie-Modell sehr deutlich macht, dass die in > unterschiedliche Löhne, Arbeitsbedingungen und Risikoabsicherung > diversifizierte Arbeiterklasse schillernd belegt, dass die Marxsche > Wertsubstanz abstrakte Arbeit nicht nur quer zum Verwertungsregime, sondern > wesentlich auch innerhalb des Verwertungsregimes ein Produkt höchst > vielfältiger sozialer Auseinandersetzungsformen ist und daher unmöglich > quantitativ bestimmbar." > > Das mag fuer leute aus parasitaeren umgebungen gelten, die keinen bezug zu > den realen prozessen materieller formung haben. Aber du kommst ja aus dem > praktischen milieu und hast dich wohl erst spaeter fuer die virtuelle welt > entschieden. > > Es gibt eine klare groesse, die den eigenwert eines resultats menschlicher > anstrengungen beschreibt: die zeit. Und dies, obwohl Karl Marx dies massiv > betritten hat. Und dies nicht nur, weil David Ricardo dies in seiner > Arbeitswerttheorie zum thema machte. > > Wir koennen auch unseren eigen verstand benutzen und genau hinsehen. Dann > werden wir es erkennen. > > Ich weiss, die "oesterreichische Schule der Oekonomie" bestreitet dies und > postuliert in der extremform, dass der wert eines produktes erst auf dem > markt, also im tausch, entsteht. Und Karl Marx war nicht weit davon > entfernt mit seinem Gebrauchswert und Tauschwert. > > aber nun zum wesentlichen > > Das bedingungslose Grundeinkommen ist teil unseres strebens zur > herstellung einer stabilen sozialen und materiellen existenz fuer alle > menschen. > > Ihre konkrete form ergibt sich aus ihrer bezogenheit und anerkennung > geldbasierter austausch- und verteilungssysteme, Nur in diesem zusammenhang > wird das BGE ueberhaupt sinnvoll. Ohne diesen univeralen zweck ist es > billige propaganda. > > Eine transformation unseres gesellschaftlichen seins ist damit nicht > machbar. Aber es kann prozesse unterstuetzen, die diese transformation im > auge haben. > > Die grundlage unserer existenz sind immer materielle prozesse. Deswegen > sind leute wie Flassbeck ueberfluessig. Er wird niemanden fehlen, wenn er > nicht mehr ist. Er ist Parasit und traegt nichts bei. > > Das gilt natuerlich fuer viele leute. Auch in dieser liste. Wir stellen > die forderung, dass sich alle an der herstellung der "materiellen > reproduktionsbedingungen" beteiligen, sofern sie dazu in der lage sind. Und > dies beurteilt die gemeinschaft. > > Mit der aufloesung aller parasitaeren einrichtungen und instanzen wie > Staatsbuerokratie, Militaer und Ruestungsproduktion, nationale/foerderale > Polizeien, Parlamente, Gefaengnisse, Gerichte und dergleichen und der > verallgemeinerung der notwendigkeit zur beteiligung an den notwendigen > arbeiten fuer unsere lebensgrundlagen reduziert sich der individuelle > aufwand massiv. > > Mit der gemeinschaftlichen organisation der notwendigen lebensgrundlagen > fuer alle brauchen wir in diesen bereichen kein geldsystem. Alle > transportsysteme, materiell und immateriell, wasser, elektrische und > thermische energie, trinken und essen, haus und kleidung und dergleichen. > All dies wird grundsaetzlich lokal organisiert. > > Wir folgen dabei dem prinzip, dass wir nur jenen aufwand treiben, der aus > den gewuenschten resultaten tatsaechlich begruendbar ist. Oder wie Lao Tse > es formulierte: > "Es ist besser, nichts zu tun, als mit viel Aufwand nichts zu schaffen". > > Wenn ich nun unter diesen gesichtspunkten deinen text lese, dann entsteht > fuer mich der eindruck, dass du gern viel schreibst ohne viel zu sagen. Mag > sein, dies entspricht deiner heutigen berufswahl. > > Auch wenn vielleicht meine antwort dir als ablehnend daher kommt. Ich bin > dir sehr dankbar fuer deinen beitrag und habe mich beim lesen auch maechtig > gefreut. > > mit lieben gruessen, willi > z.zt. Popayan, Colombia > > > > > ---------- Weitergeleitete Nachricht ---------- > From: Pius Lischer > To: debatte-grundeinkommen at listen.grundeinkommen.de > Cc: > Date: Tue, 19 Aug 2014 09:43:25 +0200 > Subject: Re: [Debatte-Grundeinkommen] Geldstrom-Varianten beim BGE. Sozial > oder nicht. > Am 8/18/2014 14:21, schrieb Andreas: > > Hallo > > Geld ist ein Tauschmittel für Leistung (KWh). > > KWh vermehren sich nicht durch Zinsen und Wechselkursgewinne. > > Zinsen und Währungen abschaffen. > > Warum Nicht??? > > Gruss von Pius > > Hallo, > > bei der BGE-Diskussion scheint manchmal der soziale Aspekt in > Vergessenheit zu geraten. > > Deshalb zur Erinnerung : > > Sozial ist es, > wenn das Geld und die damit verbundene Macht über andere Menschen von > denen genommen wird, die zu viel Geld bzw. Macht haben > UND > dieses Geld und die damit verbundene Macht über andere Menschen denen > gegeben wird wird, die zu wenig Geld bzw. Macht haben bzw. fast machtlos > sind. > > Alles andere ist nicht sozial. > > Unter "sozial" hat man früher eine Verteilung von oben (Reiche) nach unten > (Bedürftige) verstanden, als Ausgleich dafür, dass die Marktwirtschaft von > unten nach oben verteilt. > > VG > A.S. > > > > _______________________________________________ > Debatte-Grundeinkommen Mailingliste > JPBerlin - Politischer ProviderDebatte-Grundeinkommen at listen.grundeinkommen.dehttps://listi.jpberlin.de/mailman/listinfo/debatte-grundeinkommen > > > > > ------------------------------ > > > Diese E-Mail ist frei von Viren und Malware, denn der avast! Antivirus > Schutz ist aktiv. > > > > ---------- Weitergeleitete Nachricht ---------- > From: Pius Lischer > To: debatte-grundeinkommen at listen.grundeinkommen.de > Cc: > Date: Tue, 19 Aug 2014 10:29:17 +0200 > Subject: Re: [Debatte-Grundeinkommen] Kapitalbesteuerung versus > Konsumsteuer > Am 8/18/2014 16:08, schrieb Ernst Ullrich Schultz: > > Hallo Liebe Freunde des Grundeinkommens > > Land und Energie hat niemand erschaffen und sind darumAllgemeingüter.. > Warum das Grundeinkommen nicht mit Lenkungsabgaben für Land und Energie > finanzieren? > Warum nicht alle Steuern und sozialen Zwangsaabgaben durch Lenkungsabgaben > ersetzen? > > Bitte mit Begründung antworten. > > Mit den besten Wünschen Pius > > Liebe Freunde des Grundeinkommens, > > hier ein kurzer Debattenbeitrag zu Steuerfrage > > > > *Etiketten, bis einem schwindelig wird* > > Schon als ich mein erstes Gehalt bekam, fiel mir eine Merkwürdigkeit auf. > Auf dem Lohnzettel, der an der Lohntüte angeheftet war, fanden sich Angaben > über die Sozialabgaben, aufgelistet als *Arbeitnehmeranteil* zur Renten- > und Krankenversicherung. Ich erfuhr bald, dass es auch einen > Arbeitgeberanteil gibt. Schön dachte ich, die Firma trägt auch zu meiner > sozialen Absicherung bei. Später erfuhr ich von hitzigen Debatten über > diese Anteile. Die arbeitgeberfreundliche Seite wollte den > Arbeitgeberanteil zu Ungunsten der Arbeitnehmer schmälern, die Linke stemmt > sich dagegen. Was aber, so dachte ich ganz naiv, wenn der eine Anteil höher > und der andere niedriger wird, was ändert sich in meiner Lohntüte? Doch gar > nichts, oder? > > So geht es auch mit den Steuern. Da will die Linke das Kapital drastisch > besteuern. Wunderbar, alle Konzerne müssen zum Beispiel 30% mehr > Kapitalsteuer zahlen. Steuern sind betriebswirtschaftliche Kosten, die > irgendwie wieder hereinkommen müssen. Drei Möglichkeiten gibt es, damit die > Betriebe nicht Pleite gehen: Man mindert die Einkommen der Konzerninhaber, > um den unwahrscheinlichsten Fall zuerst zu nennen, man kürzt die Gehälter > der abhängig Beschäftigten oder drittens als den wahrscheinlichsten Fall, > man erhöht einfach die Preise um 30% und der Konsument bezahlt es. Das kann > man auch, da die Konkurrenz ebenso betroffen ist. > > Nun gibt es Leute, die wollen lieber den Konsum besteuern. Also wird auf > alles, was produziert wird, nochmal 30% draufgeschlagen. Das Kapital ist > fein raus, braucht nichts bezahlen. Aber Halt! Der Konsument bezahlt doch > auch 30% mehr. Wo ist der Unterschied? Ganz einfach, Kapitalsteuer hört > sich besser an als Konsumsteuer. > > > > Herzlichst, > > Ernst Ullrich Schultz > > > > > > *eus** Ernst Ullrich Schultz Matthiesgarten 16 22395 Hamburg 040 604 > 97 30* > > > > > _______________________________________________ > Debatte-Grundeinkommen Mailingliste > JPBerlin - Politischer ProviderDebatte-Grundeinkommen at listen.grundeinkommen.dehttps://listi.jpberlin.de/mailman/listinfo/debatte-grundeinkommen > > > > > ------------------------------ > > > Diese E-Mail ist frei von Viren und Malware, denn der avast! Antivirus > Schutz ist aktiv. > > > _______________________________________________ > Debatte-Grundeinkommen mailing list > Debatte-Grundeinkommen at listen.grundeinkommen.de > https://listi.jpberlin.de/mailman/listinfo/debatte-grundeinkommen > > Hinweis: > Neben diesem Debattenverteiler gibt es noch den Info-Verteiler: > http://listi.jpberlin.de/mailman/listinfo/grundeinkommen-info > > -------------- nächster Teil -------------- Ein Dateianhang mit HTML-Daten wurde abgetrennt... URL: From pebaum at web.de Tue Aug 19 17:42:43 2014 From: pebaum at web.de (Peter Baum) Date: Tue, 19 Aug 2014 17:42:43 +0200 Subject: [Debatte-Grundeinkommen] Grundeinkommen ja - aber warum bedingungslos? Message-ID: <201408191742.43789.pebaum@web.de> Guten Tag, ich stelle mal das folgende "bedingte Grundeinkommen" zur Diskussion: * Die Kinder bekommen ein Grundeinkommen vom Staat, weil sie erst in der Zukunft ihren Beitrag zur Existenz der Gesellschaft leisten können. * Die Alten bekommen ein Grundeinkommen vom Staat, weil sie in der Vergangenheit ihren Beitrag zur Existenz der Gesellschaft leisten konnten. * Die Kranken bekommen ein Grundeinkommen vom Staat, weil sie keinen Beitrag zur Existenz der Gesellschaft leisten können. * Die Erwerbslosen bekommen ein Grundeinkommen vom Staat, weil sie keiner Erwerbsarbeit nachgehen (können). * Menschen, die einer Erwerbsarbeit nachgehen, beziehen dadurch schon ein Grundeinkommen und bekommen keines vom Staat. Begründungen dazu: Das Grundeinkommen für Kinder, Alte und Kranke ist unstrittig und versteht sich von selbst. Das Grundeinkommen für Erwerbslose sollte unabhängig vom Grund der Erwerbslosigkeit gezahlt werden, damit die unwürdigen Auflagen der Agentur für Arbeit und die damit verbundene Verwaltung überflüssig werden. Erwerbstätige mit ausreichendem Lohn/Gehalt benötigen kein Grundeinkommen vom Staat, weil sie schon ein ausreichendes Einkommen haben. Es gibt drei Gründe für diese Regelung: 1. Der Staat hat dadurch mehr Mittel zur Verfügung, um zusätzliche Erwerbsarbeit, z.B. in der Bildung und Kultur zu finanzieren. 2. Das Preisgefüge wird nicht verfälscht. Die Preise für Waren und Dienstleistungen bilden die tatsächlichen (Personal)kosten ab. 3. Würde auch für die Erwerbstätigen ein Grundeinkommen vom Staat bezahlt, würde dieses die Lohn- und Gehaltskosten eines Unternehmens reduzieren, was zu Preissenkungen führen sollte. Damit subventioniert der Staat die personalintensiven Produkte. Die Kosten für Luxusgüter werden dann zum Teil der Allgemeinheit aufgebürdet. Falls das Grundeinkommen durch die Mehrwertsteuer finanziert wird, würde dann der Arme den Reichen beim Kauf seiner Yacht unterstützen. Peter Baum From unversoehnt at gmx.de Tue Aug 19 21:45:11 2014 From: unversoehnt at gmx.de (unversoehnt) Date: Tue, 19 Aug 2014 21:45:11 +0200 Subject: [Debatte-Grundeinkommen] Willis Wertbestimmung In-Reply-To: References: Message-ID: <53F3A947.30901@gmx.de> Hallo Willi, vielen Dank für die Blumen. Freut mich wirklich, wenn du dich über meine Zeilen freuen konntest. :o) Aber wenn ich dich richtig verstehe, hätten diese Zeilen niemals Werthaltiges darstellen können, selbst wenn ich sie als Artikel in einem Buch verkauft hätte. Du sagst es nicht wirklich glasklar, aber angesichts dessen, dass du das Distributionssystem als repräsentative Objektzuordnung der Ökonomie entgegenstellst und Flassbeck, "Staatsbuerokratie, Militaer und Ruestungsproduktion, nationale/foerderale Polizeien, Parlamente, Gefaengnisse, Gerichte und dergleichen" als parasitäre Erscheinungen klassifizierst, die deiner Meinung nach offenbar in keinerlei schöpferischem Zusammenhang zu "den notwendigen arbeiten fuer unsere lebensgrundlagen" stehen, drängt sich der Verdacht auf, dass du eine sehr stofflich gedachte Arbeitswerttheorie vertrittst. Sehr frei an Brecht angeleht vielleicht ungefähr so: Erst kommt das gemeinschaftliche Arbeiten fürs Fressen, dann fallen die parasitären Moralisten darüber her. Oder vielleicht vertrittst du auch eine anarchistische Position à la "Weg mit dem Staat". Polemisch ließe sich fragen: Meinst du mit "den notwendigen arbeiten fuer unsere lebensgrundlagen" die im Neandertal oder die im Hier und Jetzt? Im Hier und Jetzt sind offenbar auch alle von dir als parasitär eingestuften Tätigkeiten gesellschaftlich notwendig, zumindest de fakto als solche anerkannt. Aber ich möchte nicht polemisch sein. Ob ein Rückzug in kleine, regionale Wirtschaftseinheiten z. B. aus ökologischen Gründen oder wegen der Sehnsucht nach heimeligen und unmittelbar transparenten Beziehungen zwischen den Menschen wünschenswert wäre, darüber streiten sich in meiner Brust diverse Herzen. Bremen wird mir mit zunehmendem Alter jedensfalls eher ein Hort von Stressoren als ein weltstädtisches Kulturdorf mit Straßenbahn und Flughafen. Es ist meiner Ansicht nach aber völlig unerheblich, wie man sich dazu als Individuum stellt. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Weltgesellschaft in irgendeiner relevanten Weise rollback in der Dichte ihres Beziehungsgestrüpps üben wird. Eher wird die Entwicklung weiter auf ein global village zulaufen. Und das Kosmopoliten-Herz in meiner Brust würde es auch gar nicht anders wollen. Nur eine drastische Weltkatastrophe könnte das meines Erachtens verhindern, und eine solche wünsche ich mir nicht. Das habe ich vor allem gesagt, um klar zu stellen, dass ich ein Zurück bis zu Quesnay in der Arbeitswertlehre nicht als Option für die Zukunft sehe und wahrscheinlich auch nicht wünschenswert fände. Von der Utopie her gedacht bin ich auch weder ein Anhänger von "gleichem Lohn für gleiche Arbeit" oder dem wenigstens etwas besseren "gleicher Lohn für alle Arbeit und Schluß mit Privateigentum an Produktionsmitteln", sondern ein Anhänger von Marx' "jeder nach seinen Fähigkeiten, jedem nach seinen Bedürfnissen". Mit anderen Worten: Von der Utopie aus gedacht scheiß ich auf allen Wert, auf alle formellen Vermittlungsfetische zwischen Produktion und Distribution. Die Wertbestimmtheit interessiert mich daher nur in Bezug auf die Analyse des Faktischen. Und aus der lässt sich meines Erachtens nicht sinnvoll das ausklammern, was du "repräsentative Objektzuordnung" nennst. Wenn die Staatsquote bei knapp 50 % liegt, dann heißt das für mich faktisch auch, dass etwa die Hälfte des gesellschaftlichen Wertvolumens jenseits aller wertvermittelten Schwarzmärkte als Staatskonsum bestimmt werden muss, der systemisch in die Marxsche abstrakte Arbeit implementiert ist - wie auch immer man sich das konkret über den Kategorienapparat des ja ohnehin von Marx nicht vollendeten und von diversen Problemen belagerten Kapitals vermittelt vorstellen mag. Wieso also nicht ein bedingungsloses Grundeinkommen in diese abstrakte Arbeit implementieren? Falls du wirklich eine komplett stoffliche Wertvorstellung hast, also der Meinung bist, dass nur Arbeit wertschaffend ist, die irgendetwas herstellt, was man anfassen kann, dann sind wir in der Tat weit auseinander. Wert ist substanziell ein gesellschaftliches Vermittlungsverhältnis, das unter anderem an Dingen klebt, aber auch z. B. an der Tätigkeit von Ärzten, Mathematikern und Popstars. Sind Googles Algorithmen wertstiftend? Oder die Arbeit eines Statikers? Oder die Schriftstellerei von Joanne K. Rowling? Falls nein: Warum fließt Wert dann in monetärer Form ohne Goldbindungsstandard in die jeweiligen Taschen? Die stoffliche Wertvorstellung macht m. E. nur Sinn im Hinblick auf Naturnotwendigkeiten nach dem Muster voneinander abhängiger Bedingungen der Möglichkeit: Würde die Gesamtgesellschaft so unproduktiv sein, dass alle am Hungern wären, dann würden sich die Individuen mit ihren Wertgegenständen (Geld, Gold, Zigaretten oder gleich Knarre, Heugabel, Faustring) um die letzten Krumen Brot streiten und keinerlei werthaltiges Interesse an dem neuesten Hollywood-Streifen zeigen. Ist das Fressen aber erledigt, zeigen sich bei den Menschen noch ganz andere Bedürfnisse, die teilweise ins Verwertungsregime integriert sind, teilweise aber auch nicht wie etwa die eigene romantische Liebe (obwohl: die mit Parship und Konsorten ja auch zunehmend). Maslows Bedürfnispyramide (vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Maslowsche_Bedürfnispyramide ) ließe sich zwar sicher im Detail kritisieren, gibt aber zumindest einen Eindruck davon, wie sich solch ein Muster voneinander abhängiger Bedingungen der Möglichkeit grundsätzlich denken ließe. Der notwendige Zusammenhang von Wertsetzung durch Arbeit einerseits, Wertrealisierung durch gesellschaftliche Anerkennung der Arbeit im vollzogenen Tausch andererseits, scheint mir übrigens auch glasklar. "Ich weiss, die "oesterreichische Schule der Oekonomie" bestreitet dies und postuliert in der extremform, dass der wert eines produktes erst auf dem markt, also im tausch, entsteht." Er entsteht da nicht, sondern in der abstrakten Arbeit, die aber im Zweifelsfall überhaupt gar nichts mit konkreter Arbeit zu tun hat. Man denke dabei etwa an die Absurdität einer ehemaligen Sprite-Werbung: "Image ist nichts. Dein Durst ist alles." Image ist sehr wohl wertsetztend. Und dazu bedarf es nicht unbedingt irgendwelcher konkreter Arbeit. Ohne Tausch bzw. Kauf und Verkauf aber würde der Wert nicht existieren. Alle konkrete Arbeit, die irgendetwas herstellt, was unverkäuflich bleibt, ist einfach keine abstrakte Arbeit. Wert muss über den Markt realisiert werden. Freundlich gesagt ist Wert so etwas wie ein gesellschaftliches Anerkennungsverhältnis. Fetisch trifft die implizite Brutalität und konstitutive Unbewusstheit der Sache aber besser. Ich halte es übrigens zumindest für möglich, dass sich Marx' "automatisches Subjekt" noch während meiner Lebensspanne tatsächlich komplett stofflich realisiert. Ein paar Durchbrüche der KI-Forscher und wir stehen vielleicht vor einer ganz neuen historischen Situation, in der die Kapitalistenklasse vollkommen ohne Arbeiterklasse auskommen kann. Nicht auszuschließen, dass Auschwitz nur eine Testreihe des Weltgeists war und die eigentliche Wahrheit des Neoliberalismus nicht Feudalismus, sondern Vernichtung von 98 % der Weltbevölkerung als überflüssig ist. Diese Befürchtung ist glaube ich der Kern meines manifesten Bauchgefühls, dass eine Konsumbesteuerung zur Gegenfinanzierung eines bedingungslosen Grundeinkommens sinnvoller ist: Was wäre, wenn es wegen echter Vollautomation überhaupt keine Wertbestimmtheit der Arbeit mehr gäbe? Welche Einkommen außer denen der Kapitalistenklasse sollten sich dann noch besteuern lassen? Würde eine solche Einkommenssteuer nicht eine Massenvernichtung des arbeitslosen Pöbels näher legen als eine Besteuerung des Konsums, die nicht ganz so offensichtlich auf den Tatbestand einer reinen Transfergesellschaft von Eigentümern an Nichteigentümer verweisen würde? In Bremen gehört übrigens die Erzählung von den sieben Faulen zum touristisch ausgeschlachteten Kulturerbe (vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Sieben_Faulen ). Die Pointe der Geschichte besteht darin, dass die Nutzung von produktivkraftsteigernden Produktionsmitteln von der Umgebung als Faulheit ausgelegt wird. Know How ist produktiv und daher auch durchaus wertsetzend. Das ist ja die ganze Message der Weberaufstände (vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Weberaufstand ), die sich vermutlich in abgewandelten Formen heute tagtäglich irgendwo vollziehen. Falls dein Parasiten-Begriff weniger auf einer stofflichen Arbeitswerttheorie fußt, sondern eher auf einem anarchistischen Motiv, dann kann ich auch nur wieder sagen, dass da viele Herzen in meiner Brust schlagen. Einerseits schwitzt die Staatsbürokratie insbesondere qua Gewaltmonopol drastische Widerwärtigkeiten aus. Andererseits sind zumindest die paar bürgerlichen Staatsgebilde auf dem Globus aber am ehesten noch als das zu interpretieren, was sich politisch selbstbewusstes Gattungswesen nennen ließe. National verstümmelt, von Wertverwertungssachzwängen inhaltlich beschnitten, insitutionell gegen die eigene Bevölkerung verselbständigt. Aber doch noch am ehesten so etwas wie selbstbewusstes Gattungswesen. Dass Hartz4 besser ist als verhungern, hatte ich schon gesagt. Dem reinen Finanzvolumen nach ist die Sozialstaatlichkeit Deutschlands ziemlich beachtlich. Ohne Staat wären die Fortschritte des sozialdemokratischen Renegatenprojekts überhaupt nicht realisierbar gewesen. Was ist mit Schulen und öffentlichen Universitäten? Nur subjektformierende Kadettenanstalten? Oder doch zumindest auch humanistisch, produktivkraftsteigernd, aufklärend? Auch an der formellen Egalität bürgerlicher Staaten lässt sich m. E. nicht nur Schlechtes finden, so sehr diese formelle Egalität ohne materielle Egalität auch eklig bleibt. Da du dir ja Gedanken über mein biographisches Verhältnis zu konkreter Arbeit und virtualisierender Werttheorie machst, kann ich das vielleicht ein bisschen anekdotisch erden: Nach meinem Abi und einem Jahr Mädchen-für-alles-Zivildienst bei einem Bildungs- und Freizeitträger für geistig und körperlich Behinderte habe ich eineinhalb Jahrzehnte an der Bremer Uni herumstudiert. Während meiner Abi-Zeit hatte ich aber bereits eine ziemlich ätzende konkrete Buckel-Arbeit auf Minijob-Basis in einem Speditionslager. Während des Studiums habe ich erst ein paar Jahre in einem Baguette-Laden gejobbt und bin dann 13 Jahre lang auf Teilzeitbasis in der von der Bremer AWO organisierten individuellen Betreuung Schwerstbehinderter hängen geblieben. Ich kenne insofern durchaus sowohl eine Menge virtueller Uni-Realität als auch eine Menge körperlicher Arbeit. Gegen körperliche Arbeit habe ich grundsätzlich auch nichts, sehne mich aber auch nicht unbedingt danach. Ich bin durchaus technikaffin und begrüße Automatisierung, habe aber auch so etwas wie einen Großschwager, dessen Handywellen-Paranoia mich mitunter darüber grübeln lässt, wie tief der von Morpheus zitierte Hasenbau aus Alice im Wunderland wohl tatsächlich ist. Während der Zeit bei der AWO gab's so etwas wie Arbeitskämpfe, die mich ver.di-Mitglied haben werden lassen. Wobei ich eher böse sagen würde, dass der Betriebsrat einem Kindergarten ähnelt und die SPD-verfilzten Funktionseliten des Wohlfahrtverbands, der sich am "freiheitlich-demokratischen Sozialismus" (vgl. http://www.awo-bremen.de/ueber-uns/leitbild ) orientiert, bei mir eher den Eindruck erweckt haben, den Verband als Gans zu betrachten, die man für die eigenen Taschen ausschlachten kann. Von Arbeitskampf lässt sich insofern nicht sprechen, eher wohl von Mediation der bitteren Pillen, die das ausführende Personal zu schlucken hatte. Interessant fand ich jedenfalls, dass meine Arbeit als persönliche Assistenz für Schwerstbehinderte, übrigens ein recht deutlich weiblich konnotiertes Arbeitsfeld, das Arbeitskampfmittel des Streiks ethisch völlig unmöglich macht. Unmittelbar von Arbeitsniederlegung betroffen wären Leute, die erstens täglich auf Hilfe angewiesen sind und zweitens überhaupt keinen Anteil an der Finanzierung der Arbeit haben. Ein bisschen weiter gedacht, war mein Lohn finanziert über Transferleistungen des Sozialstaats und der gesetzlichen Krankenversicherungen. Mit anderen Worten: Wenn man der Meinung ist, dass nur warenproduzierende Arbeit wertsetzend sein kann, war diese Arbeit eindeutig parasitär: finanziert über Steuern, Lohnnebenkosten und den Finanziers der Bremer Staatsschulden. Insofern war es auch innerhalb des allgemeinen sozialpolitischen Rollbacks kein großes Wunder, dass ich während der 13 Jahre keine einzige Tariferhöhung, dafür aber die mit Lohndrückerei verbundene Auslagerung in eine Tochtergesellschaft des Verbandes erlebte, im Effekt etwa 25 % Reallohnverlust in den 13 Jahren. Und null Chance, da politisch oder gewerkschaftlich irgendwie im Ernst zu intervenieren. Der Job im Speditionslager und der im Baguetteladen dürften aber noch als warenproduzierende Tätigkeiten durchgehen. Während der Speditionslager-Job insofern völlig entfremdet war, als er keinerlei Bezug zu den Nutznießern der Warenverschiebung herstellte, ließ mich der Job im Baguetteladen immer mit dem unbefriedigenden Gefühl zurück, dass die Leute sich ihr Futter auch selber kredenzen könnten. Und das, obwohl ich durchaus selber phasenweise passionierter Nutzer von Futterbringdiensten gewesen bin. Der Job bei der AWO hingegen war eindeutig unmittelbar nützlich für zumindest ein einziges Gesellschaftsmitglied, nämlich die jeweilige Klientin bzw. den jeweiligen Klienten. Drastisch nützlich, aber weder warenproduzierend noch auf einem freien Markt verkäuflich, da meine KlientInnen einem kleinbürgerlichen und proletarischen Milieu entstammten und sich so etwas unmöglich aus eigener Tasche hätten leisten können. Mit der Umstellung auf die Bachelor-Master-Struktur hat die Bremer Uni den Magisterstudenten eine Deadline gesetzt. Also habe ich mich doch mal dazu aufgerafft, meinen Abschluss zu machen. Fast zeitgleich verstarb der Klient, den ich etwa 7 Jahre lang für die AWO betreut hatte. Guter Zeitpunkt, um damit aufzuhören. Ist mir sozial und intellektuell einfach zu tumb, körperlich in höherem Alter kaum zu leisten, monetär deutlich unterdurchschnittlich gratifiziert. Und für irgendwas muss der Akademikerstatus ja eigentlich auch nütze sein. Die Kündigungsschutzzeit verbrachte ich dann auf einer sehr flexiblen Teilzeitstelle bei vier unterschiedlichen KlientInnen. Das Zentrum-Peripherie-Modell macht sogar bei der kleinen ISB der AWO Bremen einen spezifischen Sinn: Für mich hat's einen erheblichen Unterschied gemacht, ob ich bei einem Klienten in einem festen Rhythmus gearbeitet habe oder bei diversen KlientInnen mit Springerflexibilität. Ach ja, dann habe ich vor fast einem Jahrzehnt noch ein bisschen freiberuflich als Korrektor gearbeitet und war in dem Zusammenhang sogar mal für ein Vierteljahr Projektmanager bei einer Internet-Klitsche, die mit einem vielversprechenden Projekt binnen kürzester Zeit Multimillionäre hätte produzieren können. Aber die Finanzkrise zerschoss die Fremdkapitalakkreditierung und das Ganze ist eher unschön den Bach runtergegangen. Wiederum eher ein virtuelles Feld: Textpolizei und Management. Aber die Management-Phase hat mich für ein Vierteljahr mal eine 80- bis 100-Stunden-Woche kennengelehrt. Insbesondere die Arbeit bei der AWO hielt meine Staatsfeindlichkeit in engen Grenzen: Ohne Sozialstaat gäbe es so etwas gar nicht. Jedenfalls nicht innerhalb der heutigen Rahmenbedingungen. Klärt das was? Liebe Grüße, Bert Grashoff From eusidee at web.de Tue Aug 19 22:06:08 2014 From: eusidee at web.de (Ernst Ullrich Schultz) Date: Tue, 19 Aug 2014 22:06:08 +0200 Subject: [Debatte-Grundeinkommen] Bewusstseinsfrage Message-ID: <000501cfbbe9$04820e40$0d862ac0$@de> Liebe Verena, liebe MitstreiterInnen, meine kurze Einlassung über die Konsumsteuer war nur als ein Beispiel gemeint, nicht als konkreter Vorschlag. Es galt denjenigen, die eine gefühlsmäßige Aversion gegen Konsumsteuer haben und alten Ideologien anhängen. Die Debatte müsste eigentlich noch tiefer gehen. Sind wir wirklich bereit, zu teilen? Wie weit ist das gesellschaftliche Bewusstsein, den anderen Menschen bedingungslos mit Einkommen zu versorgen? Da nützen die besten Finanzierungsmodelle nichts, wenn Einer es dem Anderen nicht so recht gönnt. Vor einiger Zeit schlug ich in diesem Forum ein soziales Netzwerk vor, dass sich die Einführung eines BGE durch einen gemeinsamen Fonds auf freiwilliger Basis, aber mit verbindlichen Absprachen, vornimmt. Das Echo war mehr als dürftig. Herzlichst, Ernst Ullrich Schultz eus Ernst Ullrich Schultz Matthiesgarten 16 22395 Hamburg 040 604 97 30 -------------- nächster Teil -------------- Ein Dateianhang mit HTML-Daten wurde abgetrennt... URL: From kh.stammberger at web.de Wed Aug 20 01:51:33 2014 From: kh.stammberger at web.de (kh.stammberger at web.de) Date: Wed, 20 Aug 2014 01:51:33 +0200 Subject: [Debatte-Grundeinkommen] =?utf-8?q?Rettungsversuch_f=C3=BCrs_rein?= =?utf-8?q?e_Konsumbesteuerungsmodell=2C_Marx=27_Liebe_zum_bGE_und_ein_paa?= =?utf-8?q?r_Fragen_und_Anmerkungen?= In-Reply-To: <53F28512.9010303@gmx.net> References: <53EF6B50.9050402@gmx.de>, <53F28512.9010303@gmx.net> Message-ID: Ein Dateianhang mit HTML-Daten wurde abgetrennt... URL: From wube at gmx.net Wed Aug 20 04:49:46 2014 From: wube at gmx.net (willi uebelherr) Date: Tue, 19 Aug 2014 21:49:46 -0500 Subject: [Debatte-Grundeinkommen] Kapitalbesteuerung versus Konsumsteuer In-Reply-To: <53F30ADD.5020809@bluewin.ch> References: <000001cfbaed$ea88e7d0$bf9ab770$@de> <53F30ADD.5020809@bluewin.ch> Message-ID: <53F40CCA.3090308@gmx.net> Am 19/08/2014 um 03:29 schrieb Pius Lischer: > Am 8/18/2014 16:08, schrieb Ernst Ullrich Schultz: > > Hallo Liebe Freunde des Grundeinkommens > > Land und Energie hat niemand erschaffen und sind darum Allgemeingüter.. > Warum das Grundeinkommen nicht mit Lenkungsabgaben für Land und Energie > finanzieren? > Warum nicht alle Steuern und sozialen Zwangsaabgaben durch > Lenkungsabgaben ersetzen? > > Bitte mit Begründung antworten. > > Mit den besten Wünschen Pius Lieber Pius, deine Referenz zu Ernst Ullrich Schultz ist natuerlich falsch. Du hast deine Frage zum ersten Mal am 27.01.2014 gestellt und keine Antwort erhalten. Ich wuerde dir gerne antworten, wie ich dazu stehe. Aber noch ist mir der Begriff "Lenkungsabgaben" nicht klar. Ich interpretiere erstmal: lenkende Abgaben. Also eine Art von Abgaben, die die dann folgenden Prozesse lenken sollten. Konsequent zur Nichtnutzung von Land und Energie? Vielleicht. Solange Land und Energie nicht als Allgemeingueter allen zur Verfuegung stehen, werden auf deren Nutzung Abgaben erhoben. Die implizite Folge: die Aufloesung aller Abgaben. Zu Recht, wuerde ich sagen und dir zustimmen. Rollen wir doch mal die Sache anders herum auf. Wozu Abgaben? Wofuer brauchen wir Agaben, egal ob Lenkungsabgaben oder Steuern, Zoelle, Zinsen? Es gibt nur einen Grund und hat in unserer Geschichte immer nur einen Grund gegeben: Um jene zu tragen, direkt oder indirekt wertbestimmt, die nichts zur Schaffung von Werten beitragen. Die also nur ge- oder verbrauchen. Parasiten eben. Damit ist aber deine Frage nicht begruendet beantwortet und ich gebe dir, mit Freude und Dank, das Wort zurueck. mit lieben gruessen, willi Popayan, Colombia From wube at gmx.net Wed Aug 20 17:04:19 2014 From: wube at gmx.net (willi uebelherr) Date: Wed, 20 Aug 2014 10:04:19 -0500 Subject: [Debatte-Grundeinkommen] Grundeinkommen ja - aber warum bedingungslos? In-Reply-To: <201408191742.43789.pebaum@web.de> References: <201408191742.43789.pebaum@web.de> Message-ID: <53F4B8F3.9050904@gmx.net> Lieber Peter, ich unterstuetze deinen Vorschlag. Dort wo die existenzielle Grundlage nicht existiert, wird sie geschaffen. So verstehe ich deinen Vorschlag. Gut, die Ausdehnung nutzloser Taetigkeiten ueber den Staat, nur um Menschen zu beschaeftigen, unterstuetze ich natuerlich nicht. Wir reduzieren den zeitlichen Aufwand fuer alle, damit sich auch alle beteiligen koennen. Das ist natuerlich jetzt von hinten aufgezaeumt. Dein Vorschlag geht fuer mich in die richtige Richtung. Deine Anbindung an Staatsideologien naturlich nicht. Die Menschen muessen es schon selbst organisieren. Sonst wird niemals was daraus. Hochdeutsch: Sonst wird es nie geschehen. mit lieben gruessen, willi Popayan, Colombia Am 19/08/2014 um 10:42 schrieb Peter Baum: > Guten Tag, > > ich stelle mal das folgende "bedingte Grundeinkommen" zur Diskussion: > > * Die Kinder bekommen ein Grundeinkommen vom Staat, weil sie erst in der > Zukunft ihren Beitrag zur Existenz der Gesellschaft leisten können. > * Die Alten bekommen ein Grundeinkommen vom Staat, weil sie in der > Vergangenheit ihren Beitrag zur Existenz der Gesellschaft leisten konnten. > * Die Kranken bekommen ein Grundeinkommen vom Staat, weil sie keinen Beitrag > zur Existenz der Gesellschaft leisten können. > * Die Erwerbslosen bekommen ein Grundeinkommen vom Staat, weil sie keiner > Erwerbsarbeit nachgehen (können). > * Menschen, die einer Erwerbsarbeit nachgehen, beziehen dadurch schon ein > Grundeinkommen und bekommen keines vom Staat. > > Begründungen dazu: > > Das Grundeinkommen für Kinder, Alte und Kranke ist unstrittig und versteht > sich von selbst. > > Das Grundeinkommen für Erwerbslose sollte unabhängig vom Grund der > Erwerbslosigkeit gezahlt werden, damit die unwürdigen Auflagen der Agentur > für Arbeit und die damit verbundene Verwaltung überflüssig werden. > > Erwerbstätige mit ausreichendem Lohn/Gehalt benötigen kein Grundeinkommen vom > Staat, weil sie schon ein ausreichendes Einkommen haben. Es gibt drei Gründe > für diese Regelung: > > 1. Der Staat hat dadurch mehr Mittel zur Verfügung, um zusätzliche > Erwerbsarbeit, z.B. in der Bildung und Kultur zu finanzieren. > > 2. Das Preisgefüge wird nicht verfälscht. Die Preise für Waren und > Dienstleistungen bilden die tatsächlichen (Personal)kosten ab. > > 3. Würde auch für die Erwerbstätigen ein Grundeinkommen vom Staat bezahlt, > würde dieses die Lohn- und Gehaltskosten eines Unternehmens reduzieren, was > zu Preissenkungen führen sollte. > Damit subventioniert der Staat die personalintensiven Produkte. Die Kosten > für Luxusgüter werden dann zum Teil der Allgemeinheit aufgebürdet. > Falls das Grundeinkommen durch die Mehrwertsteuer finanziert wird, würde dann > der Arme den Reichen beim Kauf seiner Yacht unterstützen. > > Peter Baum From wube at gmx.net Wed Aug 20 18:06:18 2014 From: wube at gmx.net (willi uebelherr) Date: Wed, 20 Aug 2014 11:06:18 -0500 Subject: [Debatte-Grundeinkommen] Willis Wertbestimmung In-Reply-To: <53F3A947.30901@gmx.de> References: <53F3A947.30901@gmx.de> Message-ID: <53F4C77A.30901@gmx.net> Liebe freunde, ich bin natuerlich etwas enttaeuscht darueber, was mir da an reaktionaerem Gedankenmuell entgegen schlaegt. Aber in diesen reaktionaeren Sumpf will ich nicht folgen. Deswegen nur noch mal kurz das wesentliche. Hallo Bert, ich verwende jetzt deine Anrede. Vielleicht entspricht sie mehr den realen Gegebenheiten. Ja, es gibt ein wichtiges Lied von Brecht, in dem es heisst: " ..., es macht uns ein Geschwaetz nicht satt und bringt kein Essen her". Auf meine Hinweise auf lokal unabhaengige Oekonomien mit "zurueck zu den Neandertalern" zu antworten, ist mir wirklich zu primitiv. Ich gestehe, ich habe mir deinen Text nicht vollstaendig durchgelesen. Der Anfang genuegt. Liebe Freunde, bei dieser Gelegenheit will, oder sollte ich, einige meiner/unserer Grundsaetze fuer eine neue Welt erlaeutern. Ich formuliere unsere Entwicklungsprinzipien so: a) massiv dezentral b) massiv parallel c) massiv redundant Das sind die Entwicklungsprinzipien der Natur. Sie haben sich bewaehrt und als hoechst sinnvoll erwiesen. Deswegen arbeite ich fuer lokale, hoechst selbstaendige und unabhaengige Oekonmien auf der Basis lokaler technischer Infrastrukturen und der lokalen Unabhaengigkeit in der Technologie. Damit tritt die freie Technologie als wichtigstes Element in den Vordergrund. Unser wichtigstes Instrument ist das globale Internet, die "Inter-connection of local Net-works". Es wird frei und kostenlos allen Menschen zur verfuegung stehen, weil die Menschen selbst dieses Netzwerk in ihrer Region erstellen. Damit wird der Weg frei fuer: "global denken, lokal handeln". Gemeinsam suchen wir die besten Loesungen. Angewendet werden sie immer lokal. Das hat natuerlich fuer Europa und Nordamerika fatale Konsequenzen. Die Sklaverei wird beendet. Die Menschen in diesen Regionen muessen wieder selbst fuer sich sorgen. Unser Prinzip ist: wenn wir nicht importieren muessen, dann muessen wir auch nicht exportieren. Weder Natur noch menschliche Lebenszeit. Auf diesem Weg werden alle militaerischen und polizeilichen Einrichtungen und damit die staatlichen Gewaltsysteme aufgeloest. Und damit existiert auch kein Staat mehr. Auch nicht in der Vorstellung, weil real existiert kein Staat. So entsteht dann das, was wir "Planeta de Comunas" nennen. Der Planet Erde, ein Gebiet autonomer Comunas (Kommunen im historischen Sinne). Ohne Zentralismen, ohne Gewaltinstanzen, ohne Staaten. Basierend auf der gegenseitigen Hilfe und Unterstuetzung, der globalen Kooperation. mit lieben gruessen, willi Popayan, Colombia Am 19/08/2014 um 14:45 schrieb unversoehnt: > Hallo Willi, > > vielen Dank für die Blumen. Freut mich wirklich, wenn du dich über meine > Zeilen freuen konntest. :o) > > Aber wenn ich dich richtig verstehe, hätten diese Zeilen niemals > Werthaltiges darstellen können, selbst wenn ich sie als Artikel in einem > Buch verkauft hätte. Du sagst es nicht wirklich glasklar, aber > angesichts dessen, dass du das Distributionssystem als repräsentative > Objektzuordnung der Ökonomie entgegenstellst und Flassbeck, > "Staatsbuerokratie, Militaer und Ruestungsproduktion, > nationale/foerderale Polizeien, Parlamente, Gefaengnisse, Gerichte und > dergleichen" als parasitäre Erscheinungen klassifizierst, die deiner > Meinung nach offenbar in keinerlei schöpferischem Zusammenhang zu "den > notwendigen arbeiten fuer unsere lebensgrundlagen" stehen, drängt sich > der Verdacht auf, dass du eine sehr stofflich gedachte > Arbeitswerttheorie vertrittst. Sehr frei an Brecht angeleht vielleicht > ungefähr so: Erst kommt das gemeinschaftliche Arbeiten fürs Fressen, > dann fallen die parasitären Moralisten darüber her. Oder vielleicht > vertrittst du auch eine anarchistische Position à la "Weg mit dem Staat". > > Polemisch ließe sich fragen: Meinst du mit "den notwendigen arbeiten > fuer unsere lebensgrundlagen" die im Neandertal oder die im Hier und > Jetzt? Im Hier und Jetzt sind offenbar auch alle von dir als parasitär > eingestuften Tätigkeiten gesellschaftlich notwendig, zumindest de fakto > als solche anerkannt. > > Aber ich möchte nicht polemisch sein. Ob ein Rückzug in kleine, > regionale Wirtschaftseinheiten z. B. aus ökologischen Gründen oder wegen > der Sehnsucht nach heimeligen und unmittelbar transparenten Beziehungen > zwischen den Menschen wünschenswert wäre, darüber streiten sich in > meiner Brust diverse Herzen. Bremen wird mir mit zunehmendem Alter > jedensfalls eher ein Hort von Stressoren als ein weltstädtisches > Kulturdorf mit Straßenbahn und Flughafen. Es ist meiner Ansicht nach > aber völlig unerheblich, wie man sich dazu als Individuum stellt. Ich > kann mir nicht vorstellen, dass die Weltgesellschaft in irgendeiner > relevanten Weise rollback in der Dichte ihres Beziehungsgestrüpps üben > wird. Eher wird die Entwicklung weiter auf ein global village zulaufen. > Und das Kosmopoliten-Herz in meiner Brust würde es auch gar nicht anders > wollen. Nur eine drastische Weltkatastrophe könnte das meines Erachtens > verhindern, und eine solche wünsche ich mir nicht. > > Das habe ich vor allem gesagt, um klar zu stellen, dass ich ein Zurück > bis zu Quesnay in der Arbeitswertlehre nicht als Option für die Zukunft > sehe und wahrscheinlich auch nicht wünschenswert fände. Von der Utopie > her gedacht bin ich auch weder ein Anhänger von "gleichem Lohn für > gleiche Arbeit" oder dem wenigstens etwas besseren "gleicher Lohn für > alle Arbeit und Schluß mit Privateigentum an Produktionsmitteln", > sondern ein Anhänger von Marx' "jeder nach seinen Fähigkeiten, jedem > nach seinen Bedürfnissen". Mit anderen Worten: Von der Utopie aus > gedacht scheiß ich auf allen Wert, auf alle formellen > Vermittlungsfetische zwischen Produktion und Distribution. > > Die Wertbestimmtheit interessiert mich daher nur in Bezug auf die > Analyse des Faktischen. Und aus der lässt sich meines Erachtens nicht > sinnvoll das ausklammern, was du "repräsentative Objektzuordnung" > nennst. Wenn die Staatsquote bei knapp 50 % liegt, dann heißt das für > mich faktisch auch, dass etwa die Hälfte des gesellschaftlichen > Wertvolumens jenseits aller wertvermittelten Schwarzmärkte als > Staatskonsum bestimmt werden muss, der systemisch in die Marxsche > abstrakte Arbeit implementiert ist - wie auch immer man sich das konkret > über den Kategorienapparat des ja ohnehin von Marx nicht vollendeten und > von diversen Problemen belagerten Kapitals vermittelt vorstellen mag. > Wieso also nicht ein bedingungsloses Grundeinkommen in diese abstrakte > Arbeit implementieren? > > Falls du wirklich eine komplett stoffliche Wertvorstellung hast, also > der Meinung bist, dass nur Arbeit wertschaffend ist, die irgendetwas > herstellt, was man anfassen kann, dann sind wir in der Tat weit > auseinander. Wert ist substanziell ein gesellschaftliches > Vermittlungsverhältnis, das unter anderem an Dingen klebt, aber auch z. > B. an der Tätigkeit von Ärzten, Mathematikern und Popstars. Sind Googles > Algorithmen wertstiftend? Oder die Arbeit eines Statikers? Oder die > Schriftstellerei von Joanne K. Rowling? Falls nein: Warum fließt Wert > dann in monetärer Form ohne Goldbindungsstandard in die jeweiligen Taschen? > > Die stoffliche Wertvorstellung macht m. E. nur Sinn im Hinblick auf > Naturnotwendigkeiten nach dem Muster voneinander abhängiger Bedingungen > der Möglichkeit: Würde die Gesamtgesellschaft so unproduktiv sein, dass > alle am Hungern wären, dann würden sich die Individuen mit ihren > Wertgegenständen (Geld, Gold, Zigaretten oder gleich Knarre, Heugabel, > Faustring) um die letzten Krumen Brot streiten und keinerlei > werthaltiges Interesse an dem neuesten Hollywood-Streifen zeigen. Ist > das Fressen aber erledigt, zeigen sich bei den Menschen noch ganz andere > Bedürfnisse, die teilweise ins Verwertungsregime integriert sind, > teilweise aber auch nicht wie etwa die eigene romantische Liebe (obwohl: > die mit Parship und Konsorten ja auch zunehmend). Maslows > Bedürfnispyramide (vgl. > http://de.wikipedia.org/wiki/Maslowsche_Bedürfnispyramide ) ließe sich > zwar sicher im Detail kritisieren, gibt aber zumindest einen Eindruck > davon, wie sich solch ein Muster voneinander abhängiger Bedingungen der > Möglichkeit grundsätzlich denken ließe. > > Der notwendige Zusammenhang von Wertsetzung durch Arbeit einerseits, > Wertrealisierung durch gesellschaftliche Anerkennung der Arbeit im > vollzogenen Tausch andererseits, scheint mir übrigens auch glasklar. > "Ich weiss, die "oesterreichische Schule der Oekonomie" bestreitet dies > und postuliert in der extremform, dass der wert eines produktes erst auf > dem markt, also im tausch, entsteht." Er entsteht da nicht, sondern in > der abstrakten Arbeit, die aber im Zweifelsfall überhaupt gar nichts mit > konkreter Arbeit zu tun hat. Man denke dabei etwa an die Absurdität > einer ehemaligen Sprite-Werbung: "Image ist nichts. Dein Durst ist > alles." Image ist sehr wohl wertsetztend. Und dazu bedarf es nicht > unbedingt irgendwelcher konkreter Arbeit. Ohne Tausch bzw. Kauf und > Verkauf aber würde der Wert nicht existieren. Alle konkrete Arbeit, die > irgendetwas herstellt, was unverkäuflich bleibt, ist einfach keine > abstrakte Arbeit. Wert muss über den Markt realisiert werden. Freundlich > gesagt ist Wert so etwas wie ein gesellschaftliches > Anerkennungsverhältnis. Fetisch trifft die implizite Brutalität und > konstitutive Unbewusstheit der Sache aber besser. > Ich halte es übrigens zumindest für möglich, dass sich Marx' > "automatisches Subjekt" noch während meiner Lebensspanne tatsächlich > komplett stofflich realisiert. Ein paar Durchbrüche der KI-Forscher und > wir stehen vielleicht vor einer ganz neuen historischen Situation, in > der die Kapitalistenklasse vollkommen ohne Arbeiterklasse auskommen > kann. Nicht auszuschließen, dass Auschwitz nur eine Testreihe des > Weltgeists war und die eigentliche Wahrheit des Neoliberalismus nicht > Feudalismus, sondern Vernichtung von 98 % der Weltbevölkerung als > überflüssig ist. Diese Befürchtung ist glaube ich der Kern meines > manifesten Bauchgefühls, dass eine Konsumbesteuerung zur > Gegenfinanzierung eines bedingungslosen Grundeinkommens sinnvoller ist: > Was wäre, wenn es wegen echter Vollautomation überhaupt keine > Wertbestimmtheit der Arbeit mehr gäbe? Welche Einkommen außer denen der > Kapitalistenklasse sollten sich dann noch besteuern lassen? Würde eine > solche Einkommenssteuer nicht eine Massenvernichtung des arbeitslosen > Pöbels näher legen als eine Besteuerung des Konsums, die nicht ganz so > offensichtlich auf den Tatbestand einer reinen Transfergesellschaft von > Eigentümern an Nichteigentümer verweisen würde? > > In Bremen gehört übrigens die Erzählung von den sieben Faulen zum > touristisch ausgeschlachteten Kulturerbe (vgl. > http://de.wikipedia.org/wiki/Sieben_Faulen ). Die Pointe der Geschichte > besteht darin, dass die Nutzung von produktivkraftsteigernden > Produktionsmitteln von der Umgebung als Faulheit ausgelegt wird. Know > How ist produktiv und daher auch durchaus wertsetzend. Das ist ja die > ganze Message der Weberaufstände (vgl. > http://de.wikipedia.org/wiki/Weberaufstand ), die sich vermutlich in > abgewandelten Formen heute tagtäglich irgendwo vollziehen. > > Falls dein Parasiten-Begriff weniger auf einer stofflichen > Arbeitswerttheorie fußt, sondern eher auf einem anarchistischen Motiv, > dann kann ich auch nur wieder sagen, dass da viele Herzen in meiner > Brust schlagen. Einerseits schwitzt die Staatsbürokratie insbesondere > qua Gewaltmonopol drastische Widerwärtigkeiten aus. Andererseits sind > zumindest die paar bürgerlichen Staatsgebilde auf dem Globus aber am > ehesten noch als das zu interpretieren, was sich politisch > selbstbewusstes Gattungswesen nennen ließe. National verstümmelt, von > Wertverwertungssachzwängen inhaltlich beschnitten, insitutionell gegen > die eigene Bevölkerung verselbständigt. Aber doch noch am ehesten so > etwas wie selbstbewusstes Gattungswesen. Dass Hartz4 besser ist als > verhungern, hatte ich schon gesagt. Dem reinen Finanzvolumen nach ist > die Sozialstaatlichkeit Deutschlands ziemlich beachtlich. Ohne Staat > wären die Fortschritte des sozialdemokratischen Renegatenprojekts > überhaupt nicht realisierbar gewesen. Was ist mit Schulen und > öffentlichen Universitäten? Nur subjektformierende Kadettenanstalten? > Oder doch zumindest auch humanistisch, produktivkraftsteigernd, > aufklärend? Auch an der formellen Egalität bürgerlicher Staaten lässt > sich m. E. nicht nur Schlechtes finden, so sehr diese formelle Egalität > ohne materielle Egalität auch eklig bleibt. > > Da du dir ja Gedanken über mein biographisches Verhältnis zu konkreter > Arbeit und virtualisierender Werttheorie machst, kann ich das vielleicht > ein bisschen anekdotisch erden: Nach meinem Abi und einem Jahr > Mädchen-für-alles-Zivildienst bei einem Bildungs- und Freizeitträger für > geistig und körperlich Behinderte habe ich eineinhalb Jahrzehnte an der > Bremer Uni herumstudiert. Während meiner Abi-Zeit hatte ich aber bereits > eine ziemlich ätzende konkrete Buckel-Arbeit auf Minijob-Basis in einem > Speditionslager. Während des Studiums habe ich erst ein paar Jahre in > einem Baguette-Laden gejobbt und bin dann 13 Jahre lang auf > Teilzeitbasis in der von der Bremer AWO organisierten individuellen > Betreuung Schwerstbehinderter hängen geblieben. Ich kenne insofern > durchaus sowohl eine Menge virtueller Uni-Realität als auch eine Menge > körperlicher Arbeit. Gegen körperliche Arbeit habe ich grundsätzlich > auch nichts, sehne mich aber auch nicht unbedingt danach. Ich bin > durchaus technikaffin und begrüße Automatisierung, habe aber auch so > etwas wie einen Großschwager, dessen Handywellen-Paranoia mich mitunter > darüber grübeln lässt, wie tief der von Morpheus zitierte Hasenbau aus > Alice im Wunderland wohl tatsächlich ist. Während der Zeit bei der AWO > gab's so etwas wie Arbeitskämpfe, die mich ver.di-Mitglied haben werden > lassen. Wobei ich eher böse sagen würde, dass der Betriebsrat einem > Kindergarten ähnelt und die SPD-verfilzten Funktionseliten des > Wohlfahrtverbands, der sich am "freiheitlich-demokratischen Sozialismus" > (vgl. http://www.awo-bremen.de/ueber-uns/leitbild ) orientiert, bei mir > eher den Eindruck erweckt haben, den Verband als Gans zu betrachten, die > man für die eigenen Taschen ausschlachten kann. Von Arbeitskampf lässt > sich insofern nicht sprechen, eher wohl von Mediation der bitteren > Pillen, die das ausführende Personal zu schlucken hatte. Interessant > fand ich jedenfalls, dass meine Arbeit als persönliche Assistenz für > Schwerstbehinderte, übrigens ein recht deutlich weiblich konnotiertes > Arbeitsfeld, das Arbeitskampfmittel des Streiks ethisch völlig unmöglich > macht. Unmittelbar von Arbeitsniederlegung betroffen wären Leute, die > erstens täglich auf Hilfe angewiesen sind und zweitens überhaupt keinen > Anteil an der Finanzierung der Arbeit haben. Ein bisschen weiter > gedacht, war mein Lohn finanziert über Transferleistungen des > Sozialstaats und der gesetzlichen Krankenversicherungen. Mit anderen > Worten: Wenn man der Meinung ist, dass nur warenproduzierende Arbeit > wertsetzend sein kann, war diese Arbeit eindeutig parasitär: finanziert > über Steuern, Lohnnebenkosten und den Finanziers der Bremer > Staatsschulden. Insofern war es auch innerhalb des allgemeinen > sozialpolitischen Rollbacks kein großes Wunder, dass ich während der 13 > Jahre keine einzige Tariferhöhung, dafür aber die mit Lohndrückerei > verbundene Auslagerung in eine Tochtergesellschaft des Verbandes > erlebte, im Effekt etwa 25 % Reallohnverlust in den 13 Jahren. Und null > Chance, da politisch oder gewerkschaftlich irgendwie im Ernst zu > intervenieren. Der Job im Speditionslager und der im Baguetteladen > dürften aber noch als warenproduzierende Tätigkeiten durchgehen. Während > der Speditionslager-Job insofern völlig entfremdet war, als er keinerlei > Bezug zu den Nutznießern der Warenverschiebung herstellte, ließ mich der > Job im Baguetteladen immer mit dem unbefriedigenden Gefühl zurück, dass > die Leute sich ihr Futter auch selber kredenzen könnten. Und das, obwohl > ich durchaus selber phasenweise passionierter Nutzer von > Futterbringdiensten gewesen bin. Der Job bei der AWO hingegen war > eindeutig unmittelbar nützlich für zumindest ein einziges > Gesellschaftsmitglied, nämlich die jeweilige Klientin bzw. den > jeweiligen Klienten. Drastisch nützlich, aber weder warenproduzierend > noch auf einem freien Markt verkäuflich, da meine KlientInnen einem > kleinbürgerlichen und proletarischen Milieu entstammten und sich so > etwas unmöglich aus eigener Tasche hätten leisten können. Mit der > Umstellung auf die Bachelor-Master-Struktur hat die Bremer Uni den > Magisterstudenten eine Deadline gesetzt. Also habe ich mich doch mal > dazu aufgerafft, meinen Abschluss zu machen. Fast zeitgleich verstarb > der Klient, den ich etwa 7 Jahre lang für die AWO betreut hatte. Guter > Zeitpunkt, um damit aufzuhören. Ist mir sozial und intellektuell einfach > zu tumb, körperlich in höherem Alter kaum zu leisten, monetär deutlich > unterdurchschnittlich gratifiziert. Und für irgendwas muss der > Akademikerstatus ja eigentlich auch nütze sein. Die Kündigungsschutzzeit > verbrachte ich dann auf einer sehr flexiblen Teilzeitstelle bei vier > unterschiedlichen KlientInnen. Das Zentrum-Peripherie-Modell macht sogar > bei der kleinen ISB der AWO Bremen einen spezifischen Sinn: Für mich > hat's einen erheblichen Unterschied gemacht, ob ich bei einem Klienten > in einem festen Rhythmus gearbeitet habe oder bei diversen KlientInnen > mit Springerflexibilität. Ach ja, dann habe ich vor fast einem Jahrzehnt > noch ein bisschen freiberuflich als Korrektor gearbeitet und war in dem > Zusammenhang sogar mal für ein Vierteljahr Projektmanager bei einer > Internet-Klitsche, die mit einem vielversprechenden Projekt binnen > kürzester Zeit Multimillionäre hätte produzieren können. Aber die > Finanzkrise zerschoss die Fremdkapitalakkreditierung und das Ganze ist > eher unschön den Bach runtergegangen. Wiederum eher ein virtuelles Feld: > Textpolizei und Management. Aber die Management-Phase hat mich für ein > Vierteljahr mal eine 80- bis 100-Stunden-Woche kennengelehrt. > > Insbesondere die Arbeit bei der AWO hielt meine Staatsfeindlichkeit in > engen Grenzen: Ohne Sozialstaat gäbe es so etwas gar nicht. Jedenfalls > nicht innerhalb der heutigen Rahmenbedingungen. > > Klärt das was? > > Liebe Grüße, > > Bert Grashoff > > > > _______________________________________________ > Debatte-Grundeinkommen Mailingliste > JPBerlin - Politischer Provider > Debatte-Grundeinkommen at listen.grundeinkommen.de > https://listi.jpberlin.de/mailman/listinfo/debatte-grundeinkommen > From unversoehnt at gmx.de Wed Aug 20 18:25:32 2014 From: unversoehnt at gmx.de (unversoehnt) Date: Wed, 20 Aug 2014 18:25:32 +0200 Subject: [Debatte-Grundeinkommen] galoppierende Inflation Message-ID: <53F4CBFC.1080207@gmx.de> Hallo, wer auch immer für die Moderation der Mailingliste zuständig ist: Mich würde noch immer interessieren, wie groß x = Empfangspersonen der Mailingliste ist. Ansonsten weiß ich die moderierende Tätigkeit durchaus zu schätzen, möchte aber dennoch meinem Unmut darüber Ausdruck verleihen, dass mir das Verfahren nicht sehr übersichtlich zu sein scheint. Trotzdem: Danke für die Mühe. Der Beitrag von Ernst Ullrich Schultz zum Thema Konsumsteuer versus Kapitalsteuer hat mir glaube ich verständlich gemacht, woher die Inflationsangst der Leute um Flassbeck resultieren könnte. Ich finde es wahrscheinlich, dass ein bedingungsloses Grundeinkommen zumindest mittelfristig, wenn auch vielleicht nicht im Chaos der Einführungsphase, die Gesamtproduktivität der Gesellschaft erhöhen würde. Dass sich alle nur auf ihrer faulen Haut ausruhen wollen würden, kann ich mir nicht vorstellen, jedenfalls nicht für Deutschland, wo das Arbeitsethos viel zu stark kulturgeschichtlich verankert ist. Zudem würden sich viele Menschen in der staatlichen Sozialverwaltung und unter Umständen auch Steuerberater nach neuer Arbeit umgucken müssen, die nur produktiver sein kann als alles, was sie heute so tun. Das ungenutzte Produktivitätspotential einer vom Druck zum Verkauf befreiten Ware Arbeitskraft würde ich quantitativ als gigantisch einschätzen. Die Gesellschaft würde von sozialpsychologischen Folgekosten der Drangsalierung der Arbeiterklasse befreit werden. Und in den unangenehmen Tätigkeitsfeldern ergäbe sich ein Rationalisierungs- und Automatisierungsdruck, der wiederum zum Produktivitätswachstum führen würde. Die für die Inflationsangst stark gemachten Argumente bei Flassbeck und Co., auch die Produktiven würden sich in die Hängematte legen, überzeugen mich deshalb nicht einmal im Ansatz. Der Beitrag von Ernst Ullrich Schultz aber lässt sich so interpretieren, dass es egal ist, wie man's dreht und wendet, das Kapital bleibt immer der Gewinner. Frei nach Jurrasic Park: Das Kapital findet einen Weg. Stellen wir uns mal vor, wir bekommen ein bedingungsloses Grundeinkommen politisch umgesetzt, das so oder so unmittelbar nur durch Umverteilung von oben nach unten finanziert werden könnte, ein von Kapitalseite finanzierter faschistischer Putsch unterbleibt, aber die Deutsche Bank postuliert weiterhin stellvertretend für alle Kapitaleigner einen Renditeanspruch von 25 % im Jahr, der über eine entsprechende Preispolitik über alle Branchen hinweg durchgepeitscht wird. Inflation halt. Aus Sicht eines parlamentarischen Souveräns, der ein bedingungsloses Grundeinkommen ernsthaft will, müsste das bedingungslose Grundeinkommen unmittelbar wieder angehoben werden, die Gewerkschaften müssten ebenfalls auf Lohnerhöhungen bestehen, das Kapital weiterhin auf seinem Renditeanspruch, die Preise würden noch weiter steigen etc. pp. Galoppierende Inflation. Die würde zum Stillstand kommen, wenn mindestens eine der drei Parteien nachgibt oder sich die Gesamtproduktivität der Gesellschaft derart entfesselt, dass alle drei Parteien das erhalten, was sie haben wollen. Ist vielleicht ein etwas simples Bild, ich bin kein Ökonom. Insbesondere die Spiele, die das Kapital in den Finanzsphären spielt, sind mir so durchsichtig nicht gerade. Grundlegend gegen solche Befürchtungen ließe sich einwenden, dass das Kapital nicht ein Subjekt ist, sondern in viele Einzelkapitalien mit durchaus unterschiedlichen Interessen zerfällt. Denkbar auch, dass die bereits heute vorhandenen Überproduktionskapazitäten das Problem sowieso null und nichtig erscheinen lassen, weil wir uns ja eher in einer deflationären Phase befinden. Auch gut möglich, dass die hörigkeitsgläubigen Deutschen einfach schlucken, was der Souverän entscheidet und sich einfach produktiv in die neuen Rahmenbedingungen fügen. Da ich persönlich keine Kapitalisten kenne, kann ich nicht im Ernst beurteilen, ob deren Selbstbewusstsein so aufgebläht ist, dass sie sich schon aus Prinzip als über dem Souverän stehend empfinden. Das wird von radikalen Linken zwar immer gemutmaßt, aber empirisch beurteilen kann ich's fürs Hier und Jetzt zumindest nicht. Vom Grundprinzip her dürfte das Gespenst einer galoppierenden Inflation aber vermutlich durchaus plausibel sein. Als Konsequenz ergibt sich daraus für Verfechter eines bedingungslosen Grundeinkommens m. E.: 1. Es macht keinen Sinn, die Höhe eines bedingungslosen Grundeinkommens monetär zu bestimmen. Sinnvoller ist eine Bestimmung über repräsentative Warenkörbe, deren Preise gesetzlich am besten mit der Aktualisierungsgeschwindigkeit der Frankfurter Börse automatisch die monetäre Ausschüttungshöhe des bedingungslosen Grundeinkommens bestimmen. Das wäre eine Geste des Souveräns an die Finanzmärkte nach dem Motto: Wir meinen das schon ernst und lassen uns da nicht von euch verarschen. 2. Wenn die Inflation mit der Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens tatsächlich ohnehin befürchtet werden muss, macht es eigentlich gar keinen Sinn, sich über eine Gegenfinanzierung des bedingungslosen Grundeinkommens einen großen Kopf zu machen. Warum dann nicht gleich dazu übergehen, das bedingungslose Grundeinkommen über eine Geldmengenerhöhung durch die EZB zu finanzieren? Klar, weil sich das in Deutschland nicht verkaufen lässt und die EZB formell eigenständig agiert. Aber solange die Debatten ohnehin theoretisch bleiben, scheint mir das zumindest eine berechtigte Frage zu sein. Soll heißen: Es würde mich interessieren, ob irgendjemand dazu etwas Profundes sagen kann. In seinem anderen Beitrag schrieb Ernst Ullrich Schultz: "Vor einiger Zeit schlug ich in diesem Forum ein soziales Netzwerk vor, dass sich die Einführung eines BGE durch einen gemeinsamen Fonds auf freiwilliger Basis, aber mit verbindlichen Absprachen, vornimmt. Das Echo war mehr als dürftig." Finde ich kein Wunder. Das ist ein privatistischer Vorschlag ohne jede gesellschaftliche Durchschlagskraft, der zudem voraussetzt, dass es unter den Verfechtern eines bedingungslosen Grundeinkommens eine Menge Vermögensbesitzer gibt, die so einen Fond füttern können und wollen. Das ist eine Voraussetzung, die ich nicht sehr plausibel finde, eher gar nicht plausibel. Zudem entsprechen "verbindliche Absprachen" nicht dem Konzept der Bedingungslosigkeit. Ebenso ist der Vorschlag für ein bedingtes Grundeinkommen von Peter Baum daran zu erinnern, was die Essentials des Netzwerk Grundeinkommens sind: "Ein Grundeinkommen ist ein Einkommen, das eine politische Gemeinschaft bedingungslos jedem ihrer Mitglieder gewährt. Es soll * die Existenz sichern und gesellschaftliche Teilhabe ermöglichen, * einen individuellen Rechtsanspruch darstellen sowie * ohne Bedürftigkeitsprüfung und * ohne Zwang zu Arbeit oder anderen Gegenleistungen garantiert werden." (vgl. https://www.grundeinkommen.de/die-idee ) Gegen die Bedürftigkeitsprüfung wird unter anderm Art. 1 GG ins Feld geführt: Sie ist würdelos. Und zwar so sehr, dass es heute verdeckte Armut in relevantem Ausmaß gibt, Leute, die eigentlich Anspruch auf Hartz4 hätten, aber ihn nicht geltend machen. Und Hartz4 ist schon kläglich. Zudem gibt's technische Gründe: unnötiger Verwaltungsaufwand der Sozialbürokratie für Bedarfsprüfungen. Dann die gesamte Kombilohnproblematik. Nicht zuletzt wäre ein Grundeinkommen auch eine wichtige Stütze für die vom Kapital zunehmend in die Zange genommene Arbeiterklasse. Substanziell scheint mir aber vor allem der Grundstock an materieller Gleichheit durch ein bedingungsloses Grundeinkommen wichtig: Alle würden sich als von der Gesellschaft materiell akzeptiert und gehalten fühlen können. Alle hätten somit auch ein ganz neues Urvertrauensverhältnis zur Gesellschaft. Mit einem bedingten Grundeinkommen kann man das vergessen. Und dich, lieber Willi, möchte ich dann doch noch einmal ein wenig zum Nachdenken über deinen laxen Gebrauch des Parasiten-Begriffs bewegen. Dass ich ihn inhaltlich nicht sehr plausibel finde, hatte ich ja in dem Wertbestimmungs-Beitrag erläutert. Dass ich ihn aber auch widerlich finde, möchte ich dann doch noch einmal hinterherschicken und vor allem mit seinem geschichtlichen Gebrauch begründen, vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Wirtsvolk Du hattest in deinem Beitrag an Pius geschrieben: "Rollen wir doch mal die Sache anders herum auf. Wozu Abgaben? Wofuer brauchen wir Agaben, egal ob Lenkungsabgaben oder Steuern, Zoelle, Zinsen? Es gibt nur einen Grund und hat in unserer Geschichte immer nur einen Grund gegeben: Um jene zu tragen, direkt oder indirekt wertbestimmt, die nichts zur Schaffung von Werten beitragen. Die also nur ge- oder verbrauchen. Parasiten eben." Das "nur" im vorletzten Satz macht nicht einmal Sinn für wirklich drakonische urgeschichtliche Autokraten: Wieviele antike Bauten ziehen heute das Interesse großer Touristenströme an, obgleich oder sogar weil sie ohne die blutige Herrschaft von menschenschindenden Despoten nie erschaffen worden wären? Rennaissance-Fürsten oder dem aufgeklärten Absolutismus lässt sich bei allen Schweinereien eine Menge Positives abgewinnen. Die Vielfalt heutiger Staatsfunktionen triffst du schon überhaupt nicht: Willst du sagen, dass der staatliche Straßenbau nur einen Verbrauch der Staatsbürokratie darstellt und nicht auch eine Leistung für die Allgemeinheit? Guck dir vielleicht mal die Entwicklung des Verhältnisses der Beschäftigten in den drei Sektoren an: https://www.destatis.de/DE/ZahlenFakten/Indikatoren/LangeReihen/Arbeitsmarkt/lrerw013.html Wenn ich dich richtig verstehe, ist der übergroße Teil der Erwerbspersonen, nämlich die Dienstleister, deiner Meinung nach letztlich auch parasitär. Ganz im Ernst: Ich kann gar nicht verstehen, warum du dich in dieser Mailingliste tummelst. Ein bedingungsloses Grundeinkommen wäre auch Recht auf Faulheit, also ein Freifahrtschein für alle möglichen Leute, die kein Bock auf schaffen, schaffen, schaffen haben, sondern lieber andere arbeiten lassen. Klar, die gibt's auch heute en masse. Aber wieso sich dafür einsetzen? Würde mich interessieren. Naja, soviel "Kritik im Handgemenge" (MEW1, S. 381) muss dann auch erstmal reichen, liebe Grüße, Bert Grashoff -------------- nächster Teil -------------- Ein Dateianhang mit HTML-Daten wurde abgetrennt... URL: From v.nedden at freenet.de Wed Aug 20 20:58:56 2014 From: v.nedden at freenet.de (V.Nedden) Date: Wed, 20 Aug 2014 20:58:56 +0200 Subject: [Debatte-Grundeinkommen] Bewusstseinsfrage In-Reply-To: <000501cfbbe9$04820e40$0d862ac0$@de> References: <000501cfbbe9$04820e40$0d862ac0$@de> Message-ID: Lieber Ernst Ulrich, vielen Dank für deine Antwort. Auch ich beschäftige mich seit einiger Zeit mit der Bewußtseinsfrage in Sachen bedingungsloses Grundeinkommen. Bereits der Film „Grundeinkommen – ein Kulturimpuls“ von Häni und Schmidt benennt ein Umdenken als Voraussetzung für die Idee des bGE, aber auch der Konsumbesteuerung ist. Bei der Linken, vorwiegend auch hier im Forum, bemerke ich verstärkt pauschalen Neid, gerade in Bezug auf Kapitaleinkünfte. Hierzu gehören nicht nur die sog. Bonzen, die es noch zu meiner Studienzeit in linken Kreisen zu beschimpfen galt (ich habe damals reichlich mitgeschimpft, aber auch von wirtschaftlichen Dingen noch keine Ahnung gehabt!), sondern auch die Oma mit dem Sparbuch oder der kleinen Geldanlage, mit der sie sich die Rente aufbessert, oder ganz normale Leute, die aus Haftungsgründen eine GmbH als Unternehmensform wählen, statt ein Einzelunternehmen zu führen, um hiermit ihre Familie zu ernähren. All diese Personen haben Einkünfte aus Kapitalvermögen, die in gleicher Höhe wie andere Einkünfte derzeit allgemein besteuert werden. Die Linke wird mir zustimmen können, daß sie diesen Personen nicht ans ohnehin schon schmale Portemonnaie will. Es sind also grundlegende wirtschaftliche und gesellschaftliche Fragen zu stellen, z.B.: Wollen wir wirklich unsere innere Leere mit immer stärkerem Konsum, welches auch bereits heute unser aller Einkommen finanziert, stopfen? Was passiert, wenn uns die neugewonnenen EU-Länder und „Drittweltländer“, die unseren Konsum und unsere Gier heute erst ermöglichen, ausgehen? Wie können wir der (Hab-)Gier des immer größeren Wirtschaftswachstums, der nun auch den fernen Osten allmählich durchzieht, bremsen? Wie gehen wir mit unseren eigenen Ansprüchen und finanziellen Verpflichtungen, aber auch mit unseren neidvollen Empfindungen und Verlockungen um? Gibt es Alternativen, die eine Allgemeingültigkeit haben? Fest steht für mich, daß der Kapitalismus früher oder später mangels weiterer Ausbeutemöglichkeiten zum Scheitern verurteilt ist. Nach meinen aktuellen Überlegungen und Lektüren bietet der Pail-Kanon des Buddhismus auch auf die Probleme der „westlichen Welt“ allgemeingültige Antworten, den ich der interessierten Leserschaft ans Herz legen und sie auffordern möchte, diesen anhand des eigenen Intellekts und eigener Erfahrungen zu überprüfen (z.T. auch entgeltfrei oder gegen Spende zu beziehen über den Verlag Beyerlein und Steinschulte, Mail: verlag.beyerlein at buddhareden.de). Ein bedingungsloses Grundeinkommen ist mit einem geeigneten Konzept, welches sich nicht wieder an der Erwerbsbesteuerung orientiert, geeignet, eine Menge Leid von uns zu nehmen, z.B. indem die Erwerbsschwelle wegfällt, Geschiedenen eine Menge finanzieller Last genommen wird, Alleinerziehende ohne Druck die Möglichkeit erhalten, langsam in das Berufsleben einzusteigen, die Jugend eine Perspektive erhält u.v.m. Mittlerweile bin ich überzeugt, daß die Ego-Debatte intensiviert werden sollte, um ein Umdenken in der Gesellschaft und damit auch ein bedingungsloses Grundeinkommen zu forcieren. Ich sehe auch bereits viele Initiativen, die auf privater Ebene eine Art (Grund-)einkommen eingeführt haben, sei es auf „Nachbarschaftshilfe“-Basis, sei es durch bGE-Kreise in kleinem Rahmen, aber auch über in weiten Kreisen der Gesellschaft verbreitete „Schwarzarbeit“. In allen diesen Fällen wird jedoch – steuerlich gesehen – ebenfalls die Gemeinschaft geschädigt, denn es werden keine Steuern abgeführt, die der Gemeinschaft aller Bundesbürger wieder zugutekämen und ein Grundeinkommen erhöhen könnten. Statt dessen steht vielfach nicht nur das eigene Überleben sondern auch der individuelle Vorteil im Vordergrund. Ein/e jede/r mag sich daher auch selbst unter verschiedenen Blickwinkeln die Frage stellen, ob er/sie bereit ist, das eigene Ego im Sinne der Gemeinschaft zurückzustellen und zu minimieren. Herzliche Grüße Verena Nedden ______________________________________ Stell dir vor, es ist Einkommen, und alle haben es! www.konsumsteuersystem.de Von: Debatte-Grundeinkommen [mailto:debatte-grundeinkommen-bounces at listen.grundeinkommen.de] Im Auftrag von Ernst Ullrich Schultz Gesendet: Dienstag, 19. August 2014 22:06 An: debatte-grundeinkommen at listen.grundeinkommen.de Betreff: [Debatte-Grundeinkommen] Bewusstseinsfrage Liebe Verena, liebe MitstreiterInnen, meine kurze Einlassung über die Konsumsteuer war nur als ein Beispiel gemeint, nicht als konkreter Vorschlag. Es galt denjenigen, die eine gefühlsmäßige Aversion gegen Konsumsteuer haben und alten Ideologien anhängen. Die Debatte müsste eigentlich noch tiefer gehen. Sind wir wirklich bereit, zu teilen? Wie weit ist das gesellschaftliche Bewusstsein, den anderen Menschen bedingungslos mit Einkommen zu versorgen? Da nützen die besten Finanzierungsmodelle nichts, wenn Einer es dem Anderen nicht so recht gönnt. Vor einiger Zeit schlug ich in diesem Forum ein soziales Netzwerk vor, dass sich die Einführung eines BGE durch einen gemeinsamen Fonds auf freiwilliger Basis, aber mit verbindlichen Absprachen, vornimmt. Das Echo war mehr als dürftig. Herzlichst, Ernst Ullrich Schultz eus Ernst Ullrich Schultz Matthiesgarten 16 22395 Hamburg 040 604 97 30 -------------- nächster Teil -------------- Ein Dateianhang mit HTML-Daten wurde abgetrennt... URL: From eusidee at web.de Thu Aug 21 15:26:06 2014 From: eusidee at web.de (Ernst Ullrich Schultz) Date: Thu, 21 Aug 2014 15:26:06 +0200 Subject: [Debatte-Grundeinkommen] Bewusstseinsfrage In-Reply-To: References: <000501cfbbe9$04820e40$0d862ac0$@de> Message-ID: <000001cfbd43$76dedfd0$649c9f70$@de> Liebe Verena, liebe MitstreiterInnen, vielen Dank für den Beitrag, liebe Verena. Aus meiner Sicht kann ich nichts hinzufügen. Wenn es um Steuerpolitik geht, bin ich nichts so bewandert, freue mich aber, wenn Fachfrauen und Männer es schaffen, über den riesigen Tellerrand der umfangreichsten Gesetzgebung der Welt – das deutsche Steuerrecht - zu schauen und sich einen gesunden Menschenverstand zu bewahren. Einer davon war, leider neulich verstorben, Benediktus Hardorp – Unternehmensberater und Steuerexperte. Diesen Menschen habe ich sehr verehrt, da er schon sehr früh Konsumsteuer und Grundeinkommen durchdacht und darüber referiert hat. Es lohnt sich, ihn zu lesen. Übrigens, von einem „bedingten“ Grundeinkommen halte ich nichts. Wo grenzen wir das ab? Alleinerziehende haben es zum Beispiel oft schwer, aus eigener Kraft genügend Einkommen zu erwerben. Herzlichst, Ernst Ullrich Schultz eus Ernst Ullrich Schultz Matthiesgarten 16 22395 Hamburg 040 604 97 30 -------------- nächster Teil -------------- Ein Dateianhang mit HTML-Daten wurde abgetrennt... URL: From wube at gmx.net Thu Aug 21 17:54:24 2014 From: wube at gmx.net (willi uebelherr) Date: Thu, 21 Aug 2014 10:54:24 -0500 Subject: [Debatte-Grundeinkommen] galoppierende Inflation In-Reply-To: <53F4CBFC.1080207@gmx.de> References: <53F4CBFC.1080207@gmx.de> Message-ID: <53F61630.1020305@gmx.net> Hallo Bert, "das Recht auf Faulheit" ist fuer mich ein Grundrecht. Neben dieser Schrift von Paul Lafargue, dem Schwiegersohn von Karl Marx, habe ich noch einige andere auf meiner grossen Reise dabei. "Die Ezyklopaedie der Faulheit" von Wolfgang Schneider, "die Rede an den kleinen Mann" von Wilhelm Reich, "kein frieden um Israel" von Walter Hollstein und natuerlich das kommunistische Manifest. Alte und neue Schriften. Das Zitat von Lao Tse habe ich aus dem Buch "Die Ezyklopaedie der Faulheit". Es geht nicht um Nichts-Tun, sondern um den Raum zur Reflektion, zum Nachdenken, zur Musse. Und wir sollten uns im klaren sein: wenn wir den Unsinn von heute aufloesen und die notwendigen Arbeiten auf fast alle verteilen, auch Angelika Merkel und Frank-Walter Steinmeier und Bert Grashof, dann reduziert sich der mittlere Aufwand auf 4-8 Stunden pro Woche. Dann bleibt genug Zeit, um im Buero zu sitzen und den ganzen Tag aus dem Fenster zu schauen oder sich hinter Monitor und Papierstapeln zu verstecken. > Vom Grundprinzip her dürfte das Gespenst einer galoppierenden > Inflation aber vermutlich durchaus plausibel sein. Als Konsequenz > ergibt sich daraus für Verfechter eines bedingungslosen > Grundeinkommens m. E.: > > 1. Es macht keinen Sinn, die Höhe eines bedingungslosen > Grundeinkommens monetär zu bestimmen... > > 2. ... macht es eigentlich gar keinen Sinn, sich über eine > Gegenfinanzierung des bedingungslosen Grundeinkommens einen großen > Kopf zu machen... Die wesentlichen Massnahmen nennst du nicht. a) Wenn wir ein Geldsystem wollen, dann schaffen wir eines, das wir selbst kontrollieren. b) Indem wir mehr und mehr die Grundbereiche der "materiellen Reproduktionsbedinngungen" aus der Geldsphaere entfernen, also die anti-Kapitalisierung des Lebens, reduziert sich die Geldsphaere auf Randbereiche. Und wofuer brauchen WIR einen Staat? Das musst du mir erklaeren. Strassen bauen, die Wassersysteme organisieren, dezentrale Versorgung mit elektrischer und thermischer Energie? Dafuer brauchen wir keinen Staat. Dafuer brauchen wir creative, konstruktive und produktive Menschen. All das, was die Kinder in sich tragen, wenn sie nicht zur Schule gehen. Klar. Mit polit-Funktionaeren, mit Gewerkschaftsfuersten, mit Buerokraten und pseudo-Philosophen geht das nicht. Die wollen sich nicht schmutzig machen, nicht nachdenkebn, nicht die Schwere des Verstehen der Wissenschaft der Natur auf sich nehmen. Sie sind erwaehlt fuer leere Phrasen und sinnloses Geschwaetz. Billiges Theater. mit lieben gruessen, willi Popayan, Colombia Am 20/08/2014 um 11:25 schrieb unversoehnt: > Hallo, > > wer auch immer für die Moderation der Mailingliste zuständig ist: Mich > würde noch immer interessieren, wie groß x = Empfangspersonen der > Mailingliste ist. Ansonsten weiß ich die moderierende Tätigkeit durchaus > zu schätzen, möchte aber dennoch meinem Unmut darüber Ausdruck > verleihen, dass mir das Verfahren nicht sehr übersichtlich zu sein > scheint. Trotzdem: Danke für die Mühe. > > Der Beitrag von Ernst Ullrich Schultz zum Thema Konsumsteuer versus > Kapitalsteuer hat mir glaube ich verständlich gemacht, woher die > Inflationsangst der Leute um Flassbeck resultieren könnte. Ich finde es > wahrscheinlich, dass ein bedingungsloses Grundeinkommen zumindest > mittelfristig, wenn auch vielleicht nicht im Chaos der Einführungsphase, > die Gesamtproduktivität der Gesellschaft erhöhen würde. Dass sich alle > nur auf ihrer faulen Haut ausruhen wollen würden, kann ich mir nicht > vorstellen, jedenfalls nicht für Deutschland, wo das Arbeitsethos viel > zu stark kulturgeschichtlich verankert ist. Zudem würden sich viele > Menschen in der staatlichen Sozialverwaltung und unter Umständen auch > Steuerberater nach neuer Arbeit umgucken müssen, die nur produktiver > sein kann als alles, was sie heute so tun. Das ungenutzte > Produktivitätspotential einer vom Druck zum Verkauf befreiten Ware > Arbeitskraft würde ich quantitativ als gigantisch einschätzen. Die > Gesellschaft würde von sozialpsychologischen Folgekosten der > Drangsalierung der Arbeiterklasse befreit werden. Und in den > unangenehmen Tätigkeitsfeldern ergäbe sich ein Rationalisierungs- und > Automatisierungsdruck, der wiederum zum Produktivitätswachstum führen > würde. Die für die Inflationsangst stark gemachten Argumente bei > Flassbeck und Co., auch die Produktiven würden sich in die Hängematte > legen, überzeugen mich deshalb nicht einmal im Ansatz. > > Der Beitrag von Ernst Ullrich Schultz aber lässt sich so interpretieren, > dass es egal ist, wie man's dreht und wendet, das Kapital bleibt immer > der Gewinner. Frei nach Jurrasic Park: Das Kapital findet einen Weg. > Stellen wir uns mal vor, wir bekommen ein bedingungsloses Grundeinkommen > politisch umgesetzt, das so oder so unmittelbar nur durch Umverteilung > von oben nach unten finanziert werden könnte, ein von Kapitalseite > finanzierter faschistischer Putsch unterbleibt, aber die Deutsche Bank > postuliert weiterhin stellvertretend für alle Kapitaleigner einen > Renditeanspruch von 25 % im Jahr, der über eine entsprechende > Preispolitik über alle Branchen hinweg durchgepeitscht wird. Inflation > halt. > Aus Sicht eines parlamentarischen Souveräns, der ein bedingungsloses > Grundeinkommen ernsthaft will, müsste das bedingungslose Grundeinkommen > unmittelbar wieder angehoben werden, die Gewerkschaften müssten > ebenfalls auf Lohnerhöhungen bestehen, das Kapital weiterhin auf seinem > Renditeanspruch, die Preise würden noch weiter steigen etc. pp. > Galoppierende Inflation. Die würde zum Stillstand kommen, wenn > mindestens eine der drei Parteien nachgibt oder sich die > Gesamtproduktivität der Gesellschaft derart entfesselt, dass alle drei > Parteien das erhalten, was sie haben wollen. > > Ist vielleicht ein etwas simples Bild, ich bin kein Ökonom. Insbesondere > die Spiele, die das Kapital in den Finanzsphären spielt, sind mir so > durchsichtig nicht gerade. Grundlegend gegen solche Befürchtungen ließe > sich einwenden, dass das Kapital nicht ein Subjekt ist, sondern in viele > Einzelkapitalien mit durchaus unterschiedlichen Interessen zerfällt. > Denkbar auch, dass die bereits heute vorhandenen > Überproduktionskapazitäten das Problem sowieso null und nichtig > erscheinen lassen, weil wir uns ja eher in einer deflationären Phase > befinden. Auch gut möglich, dass die hörigkeitsgläubigen Deutschen > einfach schlucken, was der Souverän entscheidet und sich einfach > produktiv in die neuen Rahmenbedingungen fügen. Da ich persönlich keine > Kapitalisten kenne, kann ich nicht im Ernst beurteilen, ob deren > Selbstbewusstsein so aufgebläht ist, dass sie sich schon aus Prinzip als > über dem Souverän stehend empfinden. Das wird von radikalen Linken zwar > immer gemutmaßt, aber empirisch beurteilen kann ich's fürs Hier und > Jetzt zumindest nicht. > > Vom Grundprinzip her dürfte das Gespenst einer galoppierenden Inflation > aber vermutlich durchaus plausibel sein. Als Konsequenz ergibt sich > daraus für Verfechter eines bedingungslosen Grundeinkommens m. E.: > > 1. Es macht keinen Sinn, die Höhe eines bedingungslosen Grundeinkommens > monetär zu bestimmen. Sinnvoller ist eine Bestimmung über repräsentative > Warenkörbe, deren Preise gesetzlich am besten mit der > Aktualisierungsgeschwindigkeit der Frankfurter Börse automatisch die > monetäre Ausschüttungshöhe des bedingungslosen Grundeinkommens > bestimmen. Das wäre eine Geste des Souveräns an die Finanzmärkte nach > dem Motto: Wir meinen das schon ernst und lassen uns da nicht von euch > verarschen. > > 2. Wenn die Inflation mit der Einführung eines bedingungslosen > Grundeinkommens tatsächlich ohnehin befürchtet werden muss, macht es > eigentlich gar keinen Sinn, sich über eine Gegenfinanzierung des > bedingungslosen Grundeinkommens einen großen Kopf zu machen. Warum dann > nicht gleich dazu übergehen, das bedingungslose Grundeinkommen über eine > Geldmengenerhöhung durch die EZB zu finanzieren? Klar, weil sich das in > Deutschland nicht verkaufen lässt und die EZB formell eigenständig > agiert. Aber solange die Debatten ohnehin theoretisch bleiben, scheint > mir das zumindest eine berechtigte Frage zu sein. Soll heißen: Es würde > mich interessieren, ob irgendjemand dazu etwas Profundes sagen kann. > > > In seinem anderen Beitrag schrieb Ernst Ullrich Schultz: "Vor einiger > Zeit schlug ich in diesem Forum ein soziales Netzwerk vor, dass sich die > Einführung eines BGE durch einen gemeinsamen Fonds auf freiwilliger > Basis, aber mit verbindlichen Absprachen, vornimmt. Das Echo war mehr > als dürftig." > > Finde ich kein Wunder. Das ist ein privatistischer Vorschlag ohne jede > gesellschaftliche Durchschlagskraft, der zudem voraussetzt, dass es > unter den Verfechtern eines bedingungslosen Grundeinkommens eine Menge > Vermögensbesitzer gibt, die so einen Fond füttern können und wollen. Das > ist eine Voraussetzung, die ich nicht sehr plausibel finde, eher gar > nicht plausibel. Zudem entsprechen "verbindliche Absprachen" nicht dem > Konzept der Bedingungslosigkeit. > > Ebenso ist der Vorschlag für ein bedingtes Grundeinkommen von Peter Baum > daran zu erinnern, was die Essentials des Netzwerk Grundeinkommens sind: > "Ein Grundeinkommen ist ein Einkommen, das eine politische Gemeinschaft > bedingungslos jedem ihrer Mitglieder gewährt. Es soll > > * die Existenz sichern und gesellschaftliche Teilhabe ermöglichen, > * einen individuellen Rechtsanspruch darstellen sowie > * ohne Bedürftigkeitsprüfung und > * ohne Zwang zu Arbeit oder anderen Gegenleistungen garantiert > werden." (vgl. https://www.grundeinkommen.de/die-idee ) > > Gegen die Bedürftigkeitsprüfung wird unter anderm Art. 1 GG ins Feld > geführt: Sie ist würdelos. Und zwar so sehr, dass es heute verdeckte > Armut in relevantem Ausmaß gibt, Leute, die eigentlich Anspruch auf > Hartz4 hätten, aber ihn nicht geltend machen. Und Hartz4 ist schon > kläglich. Zudem gibt's technische Gründe: unnötiger Verwaltungsaufwand > der Sozialbürokratie für Bedarfsprüfungen. Dann die gesamte > Kombilohnproblematik. Nicht zuletzt wäre ein Grundeinkommen auch eine > wichtige Stütze für die vom Kapital zunehmend in die Zange genommene > Arbeiterklasse. Substanziell scheint mir aber vor allem der Grundstock > an materieller Gleichheit durch ein bedingungsloses Grundeinkommen > wichtig: Alle würden sich als von der Gesellschaft materiell akzeptiert > und gehalten fühlen können. Alle hätten somit auch ein ganz neues > Urvertrauensverhältnis zur Gesellschaft. Mit einem bedingten > Grundeinkommen kann man das vergessen. > > > Und dich, lieber Willi, möchte ich dann doch noch einmal ein wenig zum > Nachdenken über deinen laxen Gebrauch des Parasiten-Begriffs bewegen. > Dass ich ihn inhaltlich nicht sehr plausibel finde, hatte ich ja in dem > Wertbestimmungs-Beitrag erläutert. Dass ich ihn aber auch widerlich > finde, möchte ich dann doch noch einmal hinterherschicken und vor allem > mit seinem geschichtlichen Gebrauch begründen, vgl. > http://de.wikipedia.org/wiki/Wirtsvolk > > Du hattest in deinem Beitrag an Pius geschrieben: > "Rollen wir doch mal die Sache anders herum auf. Wozu Abgaben? Wofuer > brauchen wir Agaben, egal ob Lenkungsabgaben oder Steuern, Zoelle, Zinsen? > > Es gibt nur einen Grund und hat in unserer Geschichte immer nur einen > Grund gegeben: Um jene zu tragen, direkt oder indirekt wertbestimmt, die > nichts zur Schaffung von Werten beitragen. Die also nur ge- oder > verbrauchen. Parasiten eben." > > Das "nur" im vorletzten Satz macht nicht einmal Sinn für wirklich > drakonische urgeschichtliche Autokraten: Wieviele antike Bauten ziehen > heute das Interesse großer Touristenströme an, obgleich oder sogar weil > sie ohne die blutige Herrschaft von menschenschindenden Despoten nie > erschaffen worden wären? Rennaissance-Fürsten oder dem aufgeklärten > Absolutismus lässt sich bei allen Schweinereien eine Menge Positives > abgewinnen. Die Vielfalt heutiger Staatsfunktionen triffst du schon > überhaupt nicht: Willst du sagen, dass der staatliche Straßenbau nur > einen Verbrauch der Staatsbürokratie darstellt und nicht auch eine > Leistung für die Allgemeinheit? Guck dir vielleicht mal die Entwicklung > des Verhältnisses der Beschäftigten in den drei Sektoren an: > https://www.destatis.de/DE/ZahlenFakten/Indikatoren/LangeReihen/Arbeitsmarkt/lrerw013.html > > Wenn ich dich richtig verstehe, ist der übergroße Teil der > Erwerbspersonen, nämlich die Dienstleister, deiner Meinung nach > letztlich auch parasitär. Ganz im Ernst: Ich kann gar nicht verstehen, > warum du dich in dieser Mailingliste tummelst. Ein bedingungsloses > Grundeinkommen wäre auch Recht auf Faulheit, also ein Freifahrtschein > für alle möglichen Leute, die kein Bock auf schaffen, schaffen, schaffen > haben, sondern lieber andere arbeiten lassen. Klar, die gibt's auch > heute en masse. Aber wieso sich dafür einsetzen? Würde mich interessieren. > > > Naja, soviel "Kritik im Handgemenge" (MEW1, S. 381) muss dann auch > erstmal reichen, liebe Grüße, > > Bert Grashoff > From wube at gmx.net Thu Aug 21 18:23:35 2014 From: wube at gmx.net (willi uebelherr) Date: Thu, 21 Aug 2014 11:23:35 -0500 Subject: [Debatte-Grundeinkommen] Bewusstseinsfrage In-Reply-To: References: <000501cfbbe9$04820e40$0d862ac0$@de> Message-ID: <53F61D07.3020607@gmx.net> Liebe Verena, ich hoffe, dass mein Beitreten in eure Diskussion nicht als unangenehm empfunden wird. Auch ich danke dir sehr fuer deine Antwort. Aber ich will auch etwas aufgreifen. "Ich sehe auch bereits viele Initiativen, die auf privater Ebene eine Art (Grund-)einkommen eingeführt haben, sei es auf ?Nachbarschaftshilfe?-Basis, sei es durch bGE-Kreise in kleinem Rahmen, aber auch über in weiten Kreisen der Gesellschaft verbreitete ?Schwarzarbeit?. In allen diesen Fällen wird jedoch ? steuerlich gesehen ? ebenfalls die Gemeinschaft geschädigt, denn es werden keine Steuern abgeführt, die der Gemeinschaft aller Bundesbürger wieder zugutekämen und ein Grundeinkommen erhöhen könnten..." Der Zweck der Oekonmie ist die Herstellung unserer materiellen Lebensgrundlagen. Solange das Staats-Konstrukt, real existiert es nicht, nicht in diesem Sinne aktiv ist, ist es gut und notwendig, alle Steuern und Abgaben zu umgehen. Und das geht am einfachsten ueber die unmittelbare Kooperation der Menschen in ihren lokalen Lebensraeumen. mit lieben gruessen, willi Popayan, Colombia Am 20/08/2014 um 13:58 schrieb V.Nedden: > Lieber Ernst Ulrich, > > vielen Dank für deine Antwort. > > Auch ich beschäftige mich seit einiger Zeit mit der Bewußtseinsfrage in > Sachen bedingungsloses Grundeinkommen. Bereits der Film ?Grundeinkommen ? > ein Kulturimpuls? von Häni und Schmidt benennt ein Umdenken als > Voraussetzung für die Idee des bGE, aber auch der Konsumbesteuerung ist. > > Bei der Linken, vorwiegend auch hier im Forum, bemerke ich verstärkt > pauschalen Neid, gerade in Bezug auf Kapitaleinkünfte. Hierzu gehören nicht > nur die sog. Bonzen, die es noch zu meiner Studienzeit in linken Kreisen zu > beschimpfen galt (ich habe damals reichlich mitgeschimpft, aber auch von > wirtschaftlichen Dingen noch keine Ahnung gehabt!), sondern auch die Oma mit > dem Sparbuch oder der kleinen Geldanlage, mit der sie sich die Rente > aufbessert, oder ganz normale Leute, die aus Haftungsgründen eine GmbH als > Unternehmensform wählen, statt ein Einzelunternehmen zu führen, um hiermit > ihre Familie zu ernähren. All diese Personen haben Einkünfte aus > Kapitalvermögen, die in gleicher Höhe wie andere Einkünfte derzeit allgemein > besteuert werden. Die Linke wird mir zustimmen können, daß sie diesen > Personen nicht ans ohnehin schon schmale Portemonnaie will. > > Es sind also grundlegende wirtschaftliche und gesellschaftliche Fragen zu > stellen, z.B.: > > Wollen wir wirklich unsere innere Leere mit immer stärkerem Konsum, welches > auch bereits heute unser aller Einkommen finanziert, stopfen? > > Was passiert, wenn uns die neugewonnenen EU-Länder und ?Drittweltländer?, > die unseren Konsum und unsere Gier heute erst ermöglichen, ausgehen? > > Wie können wir der (Hab-)Gier des immer größeren Wirtschaftswachstums, der > nun auch den fernen Osten allmählich durchzieht, bremsen? > > Wie gehen wir mit unseren eigenen Ansprüchen und finanziellen > Verpflichtungen, aber auch mit unseren neidvollen Empfindungen und > Verlockungen um? > > Gibt es Alternativen, die eine Allgemeingültigkeit haben? > > Fest steht für mich, daß der Kapitalismus früher oder später mangels > weiterer Ausbeutemöglichkeiten zum Scheitern verurteilt ist. > > Nach meinen aktuellen Überlegungen und Lektüren bietet der Pail-Kanon des > Buddhismus auch auf die Probleme der ?westlichen Welt? allgemeingültige > Antworten, den ich der interessierten Leserschaft ans Herz legen und sie > auffordern möchte, diesen anhand des eigenen Intellekts und eigener > Erfahrungen zu überprüfen (z.T. auch entgeltfrei oder gegen Spende zu > beziehen über den Verlag Beyerlein und Steinschulte, Mail: > verlag.beyerlein at buddhareden.de). > > Ein bedingungsloses Grundeinkommen ist mit einem geeigneten Konzept, welches > sich nicht wieder an der Erwerbsbesteuerung orientiert, geeignet, eine Menge > Leid von uns zu nehmen, z.B. indem die Erwerbsschwelle wegfällt, > Geschiedenen eine Menge finanzieller Last genommen wird, Alleinerziehende > ohne Druck die Möglichkeit erhalten, langsam in das Berufsleben > einzusteigen, die Jugend eine Perspektive erhält u.v.m. > > Mittlerweile bin ich überzeugt, daß die Ego-Debatte intensiviert werden > sollte, um ein Umdenken in der Gesellschaft und damit auch ein > bedingungsloses Grundeinkommen zu forcieren. > > Ich sehe auch bereits viele Initiativen, die auf privater Ebene eine Art > (Grund-)einkommen eingeführt haben, sei es auf ?Nachbarschaftshilfe?-Basis, > sei es durch bGE-Kreise in kleinem Rahmen, aber auch über in weiten Kreisen > der Gesellschaft verbreitete ?Schwarzarbeit?. In allen diesen Fällen wird > jedoch ? steuerlich gesehen ? ebenfalls die Gemeinschaft geschädigt, denn es > werden keine Steuern abgeführt, die der Gemeinschaft aller Bundesbürger > wieder zugutekämen und ein Grundeinkommen erhöhen könnten. Statt dessen > steht vielfach nicht nur das eigene Überleben sondern auch der individuelle > Vorteil im Vordergrund. > > Ein/e jede/r mag sich daher auch selbst unter verschiedenen Blickwinkeln die > Frage stellen, ob er/sie bereit ist, das eigene Ego im Sinne der > Gemeinschaft zurückzustellen und zu minimieren. > > Herzliche Grüße > > Verena Nedden > > ______________________________________ > > Stell dir vor, es ist Einkommen, und alle haben es! > > www.konsumsteuersystem.de > From wube at gmx.net Thu Aug 21 19:09:53 2014 From: wube at gmx.net (willi uebelherr) Date: Thu, 21 Aug 2014 12:09:53 -0500 Subject: [Debatte-Grundeinkommen] Bewusstseinsfrage In-Reply-To: References: <000501cfbbe9$04820e40$0d862ac0$@de> Message-ID: <53F627E1.3000301@gmx.net> Liebe Freunde, ich will den grossartigen Beitrag von Verena fuer eine 2. Antwort verwenden. Egoismus oder Kommunismus Diese Grundpolaritaet durchzieht unsere ganze Welt. Fuer mich ist es die fundamentale Polaritaet. Nicht Kapitalismus oder Sozialismus. Egoismus steht fuer das ich, das mein. Kommunismus steht fuer das wir, die Gemeinschaft. Wir haben dabei aber ein grosses Problem, wie es Wilhelm Reich und Erich Fromm sehr gut beschrieben haben. Wir kommen zum WIR, dem Kommunismus, nur ueber das entwickelte ICH. Uber unser Selbstwertgefuehl, ueber unser Erkennen von uns selbst. Wir nennen diese Phase den Narzissmus. Es ist die Phase zu Beginn unseres Lebens bis etwa 7-9 Jahre. In dieser Zeit koennen wir uns selbst erkennen, uns selbst wert werden, und dann verstehen, dass unsere individuelle Existenz von der Gemeinschaft getragen wird. Auf der basis dieser rationalen Erkenntnis gehen wir zum Kommunismus ueber. Zum WIR. Wir stellen die Gemeinschaft an die erste Stelle. Wir wissen, starke und stabile Gemeinschaften sind die Grundlage fuer starke und stabile Persoenlichkeiten. Wenn wir uns heute umsehen, in den Parteien, den Staatsinstitutionen, den Parlamenten, den Finanzsystemen, den Staatsverbaenden, dann sehen wir erwachsene Menschen, die zumeist in ihrer fruehkindlichen Entwicklung stecken geblieben sind. Sie rennen tagtaeglich ihrem ICH hinterher. Sie brauchen die Anhaeufung von materiellen Dingen, weil sie mit sich selbst nicht ins Reine kommen. Verena hat es auch thematisiert. Die individuelle Leere. mit lieben gruessen, willi Popayan, Colombia Am 20/08/2014 um 13:58 schrieb V.Nedden: > Lieber Ernst Ulrich, > > vielen Dank für deine Antwort. > > Auch ich beschäftige mich seit einiger Zeit mit der Bewußtseinsfrage in > Sachen bedingungsloses Grundeinkommen. Bereits der Film ?Grundeinkommen ? > ein Kulturimpuls? von Häni und Schmidt benennt ein Umdenken als > Voraussetzung für die Idee des bGE, aber auch der Konsumbesteuerung ist. > > Bei der Linken, vorwiegend auch hier im Forum, bemerke ich verstärkt > pauschalen Neid, gerade in Bezug auf Kapitaleinkünfte. Hierzu gehören nicht > nur die sog. Bonzen, die es noch zu meiner Studienzeit in linken Kreisen zu > beschimpfen galt (ich habe damals reichlich mitgeschimpft, aber auch von > wirtschaftlichen Dingen noch keine Ahnung gehabt!), sondern auch die Oma mit > dem Sparbuch oder der kleinen Geldanlage, mit der sie sich die Rente > aufbessert, oder ganz normale Leute, die aus Haftungsgründen eine GmbH als > Unternehmensform wählen, statt ein Einzelunternehmen zu führen, um hiermit > ihre Familie zu ernähren. All diese Personen haben Einkünfte aus > Kapitalvermögen, die in gleicher Höhe wie andere Einkünfte derzeit allgemein > besteuert werden. Die Linke wird mir zustimmen können, daß sie diesen > Personen nicht ans ohnehin schon schmale Portemonnaie will. > > Es sind also grundlegende wirtschaftliche und gesellschaftliche Fragen zu > stellen, z.B.: > > Wollen wir wirklich unsere innere Leere mit immer stärkerem Konsum, welches > auch bereits heute unser aller Einkommen finanziert, stopfen? > > Was passiert, wenn uns die neugewonnenen EU-Länder und ?Drittweltländer?, > die unseren Konsum und unsere Gier heute erst ermöglichen, ausgehen? > > Wie können wir der (Hab-)Gier des immer größeren Wirtschaftswachstums, der > nun auch den fernen Osten allmählich durchzieht, bremsen? > > Wie gehen wir mit unseren eigenen Ansprüchen und finanziellen > Verpflichtungen, aber auch mit unseren neidvollen Empfindungen und > Verlockungen um? > > Gibt es Alternativen, die eine Allgemeingültigkeit haben? > > Fest steht für mich, daß der Kapitalismus früher oder später mangels > weiterer Ausbeutemöglichkeiten zum Scheitern verurteilt ist. > > Nach meinen aktuellen Überlegungen und Lektüren bietet der Pail-Kanon des > Buddhismus auch auf die Probleme der ?westlichen Welt? allgemeingültige > Antworten, den ich der interessierten Leserschaft ans Herz legen und sie > auffordern möchte, diesen anhand des eigenen Intellekts und eigener > Erfahrungen zu überprüfen (z.T. auch entgeltfrei oder gegen Spende zu > beziehen über den Verlag Beyerlein und Steinschulte, Mail: > verlag.beyerlein at buddhareden.de). > > Ein bedingungsloses Grundeinkommen ist mit einem geeigneten Konzept, welches > sich nicht wieder an der Erwerbsbesteuerung orientiert, geeignet, eine Menge > Leid von uns zu nehmen, z.B. indem die Erwerbsschwelle wegfällt, > Geschiedenen eine Menge finanzieller Last genommen wird, Alleinerziehende > ohne Druck die Möglichkeit erhalten, langsam in das Berufsleben > einzusteigen, die Jugend eine Perspektive erhält u.v.m. > > Mittlerweile bin ich überzeugt, daß die Ego-Debatte intensiviert werden > sollte, um ein Umdenken in der Gesellschaft und damit auch ein > bedingungsloses Grundeinkommen zu forcieren. > > Ich sehe auch bereits viele Initiativen, die auf privater Ebene eine Art > (Grund-)einkommen eingeführt haben, sei es auf ?Nachbarschaftshilfe?-Basis, > sei es durch bGE-Kreise in kleinem Rahmen, aber auch über in weiten Kreisen > der Gesellschaft verbreitete ?Schwarzarbeit?. In allen diesen Fällen wird > jedoch ? steuerlich gesehen ? ebenfalls die Gemeinschaft geschädigt, denn es > werden keine Steuern abgeführt, die der Gemeinschaft aller Bundesbürger > wieder zugutekämen und ein Grundeinkommen erhöhen könnten. Statt dessen > steht vielfach nicht nur das eigene Überleben sondern auch der individuelle > Vorteil im Vordergrund. > > Ein/e jede/r mag sich daher auch selbst unter verschiedenen Blickwinkeln die > Frage stellen, ob er/sie bereit ist, das eigene Ego im Sinne der > Gemeinschaft zurückzustellen und zu minimieren. > > Herzliche Grüße > > Verena Nedden From unversoehnt at gmx.de Fri Aug 22 09:39:33 2014 From: unversoehnt at gmx.de (unversoehnt) Date: Fri, 22 Aug 2014 09:39:33 +0200 Subject: [Debatte-Grundeinkommen] Willis Wertbestimmung In-Reply-To: <53F4C77A.30901@gmx.net> References: <53F3A947.30901@gmx.de> <53F4C77A.30901@gmx.net> Message-ID: <53F6F3B5.4070108@gmx.de> Hallo lieber Willi, "reaktionärer Gedankenmüll/Sumpf" empfand ich als kränkend. Daher möchte ich mich bei dir entschuldigen, weil ich vermute, dass dich zuvor irgendetwas in meinen Zeilen gekränkt und so eine Reaktion nahegelegt hat. Das war nicht meine Absicht. Und das meine ich so schlicht und ehrlich, wie ich's schreibe. Ich kenne dich nicht und sehe den Sinn einer Debatte in erster Linie im Austausch von Sichtweisen, Argumenten, Meinungen, Vermutungen etc., um im gemeinsamen Austausch einen vielleicht etwas geschärfteren Blick auf das jeweilige Thema zu entwickeln. Und das, dachte ich zumindest, ist in dieser Mailingliste erstmal das bedingungslose Grundeinkommen ... in das dann aber freilich viele Themen mitreinspielen. Inhaltlich jedenfalls fand ich den Reaktions-Vorwurf nicht angemessen. Das Neandertal-Bild hatte ich selber als Polemik ausgewiesen, dann hatte ich ein wenig aus meiner persönlichen Perspektive über den Zug zu lokal unabhängigen Ökonomien nachgedacht und auch auf allgemeinere Gründe dafür verwiesen. Der Themenfokus aber war für mich die Wertsubstanz, und die erscheint mir aus genannten Gründen wesentlich besser als Fetisch bestimmt denn als Arbeitszeit. Dass du dich für "lokale, hoechst selbstaendige und unabhaengige Oekonmien auf der Basis lokaler technischer Infrastrukturen und der lokalen Unabhaengigkeit in der Technologie" einsetzt, finde ich sympathisch. Wie gesagt, bin ich durchaus am überlegen, ob eine solche Tätigkeit für mich nicht ebenfalls eine Option wäre. Nur bin ich als Metropolen-Stadtkind ohne allzu großes technisches KnowHow dafür biographisch erstmal nicht sehr gut vorbereitet, habe höchstens einen theoretischen, aber keinen sozialen Bezug dazu. Als gesamtgesellschaftliche Perspektive jedoch hätte eine dezentralisierte Ökonomie nicht nur fatale Konsequenzen für Europa und Nordamerika, sondern für alle urbanisierten Regionen überall in der Welt. Und in denen, wird gelegentlich in der Glotze gesagt, leben bald Dreiviertel aller Menschen. Daher bin ich grundsätzlich skeptisch, ob das Konzept lokaler Ökonomien eine gesamtgesellschaftliche Wirksamkeit entfalten kann, oder eher Eskapismus bleibt. Schwer vorzustellen, dass New York, Rio, Tokyo sich in solche Ökonomien verwandeln könnten. Noch schwerer vorzustellen, dass sich der Trend zur Urbanisierung umkehrt. Das heißt aber wie gesagt nicht, dass ich deinen Einsatz dafür nicht sympathisch fände und im Zweifelsfall vermutlich deutlich besser als so ziemlich alles, was ich im letzten Jahr so mit meinem Leben angefangen habe. Insbesondere dein Satz "Die Sklaverei wird beendet." hat mich zumindest nochmal grundsätzlicher zum Nachdenken übers bGE gebracht. Am Dilthey-Modell fand ich erstmal sympathisch, dass es die Import-Export-Beziehungen auf die Basis eines Sozialtransfers stellen möchte. Das hat ein gewisses Potential, auch wenn's quer zum von dir favorisierten Autarkie-Gedanken steht. Der politische Kontext der bGE-Debatte erschien mir ohnehin erstmal nur Deutschland und vielleicht noch die EU zu sein und nur vermittels des Dilthey-Modells vielleicht indirekt die Welt. Wenn man sich grundsätzlicher vergegenwärtigt, dass noch mein prekärer Anteil am gesellschaftlichen Reichtum Deutschlands auf Krieg, Hunger und Sklaverei überall in der Welt fußt, lässt sich wieder die gesamte bGE-Debatte als innerimperiales falsches Leben abtun, als reaktionär. Dem würde ich grundsätzlich nur entgegenhalten können, dass das bGE zumindest einen Entwicklungshorizont für gelebte Solidarität eröffnen würde und insofern vielleicht auch für eine Sensibilierung der metropolen Öffentlichkeit für den Zusammenhang von Reichtum hier und Armut, Gewalt, Verelendung dort. Eine solche Sensibilität kann ich sonst so in meinem Alltag fast gar nicht wahrnehmen. Ich lebe in einer Welt, in der man den Kindern in Schulbüchern beibringen muss, dass es keine Spaghetti-Bäume gibt, Plastikfleisch nicht in Kühltruhen heranwächst und App-Konsum zur Überschuldung noch vor der Volljährigkeit führen kann. Der Kapitalismus kennt viele Formen von Verelendung, in Deutschland vor allem psychosoziale. Grundsätzlich ist denke ich allen klar, dass ein bGE nicht der heilige Gral ist, der alle Probleme beseitigt. Als politisches Projekt könnte es meines Erachtens aber tatsächlich Nadelöhr sein, das, was den Unterschied ums Ganze machen könnte. Das kann ich beim Autarkie-Konzept zumindest für meine Lebensumgebung so nicht sehen. Liebe Grüße, Bert Grashoff Am 20.08.2014 18:06, schrieb willi uebelherr: > > Liebe freunde, > > ich bin natuerlich etwas enttaeuscht darueber, was mir da an > reaktionaerem Gedankenmuell entgegen schlaegt. Aber in diesen > reaktionaeren Sumpf will ich nicht folgen. Deswegen nur noch mal kurz > das wesentliche. > > > Hallo Bert, > > ich verwende jetzt deine Anrede. Vielleicht entspricht sie mehr den > realen Gegebenheiten. > > Ja, es gibt ein wichtiges Lied von Brecht, in dem es heisst: > " ..., > es macht uns ein Geschwaetz nicht satt > und bringt kein Essen her". > > Auf meine Hinweise auf lokal unabhaengige Oekonomien mit "zurueck zu > den Neandertalern" zu antworten, ist mir wirklich zu primitiv. Ich > gestehe, ich habe mir deinen Text nicht vollstaendig durchgelesen. Der > Anfang genuegt. > > > Liebe Freunde, > > bei dieser Gelegenheit will, oder sollte ich, einige meiner/unserer > Grundsaetze fuer eine neue Welt erlaeutern. > > Ich formuliere unsere Entwicklungsprinzipien so: > a) massiv dezentral > b) massiv parallel > c) massiv redundant > > Das sind die Entwicklungsprinzipien der Natur. Sie haben sich bewaehrt > und als hoechst sinnvoll erwiesen. > > Deswegen arbeite ich fuer lokale, hoechst selbstaendige und > unabhaengige Oekonmien auf der Basis lokaler technischer > Infrastrukturen und der lokalen Unabhaengigkeit in der Technologie. > > Damit tritt die freie Technologie als wichtigstes Element in den > Vordergrund. Unser wichtigstes Instrument ist das globale Internet, > die "Inter-connection of local Net-works". Es wird frei und kostenlos > allen Menschen zur verfuegung stehen, weil die Menschen selbst dieses > Netzwerk in ihrer Region erstellen. > > Damit wird der Weg frei fuer: "global denken, lokal handeln". > Gemeinsam suchen wir die besten Loesungen. Angewendet werden sie immer > lokal. > > Das hat natuerlich fuer Europa und Nordamerika fatale Konsequenzen. > Die Sklaverei wird beendet. Die Menschen in diesen Regionen muessen > wieder selbst fuer sich sorgen. > > Unser Prinzip ist: wenn wir nicht importieren muessen, dann muessen > wir auch nicht exportieren. Weder Natur noch menschliche Lebenszeit. > > Auf diesem Weg werden alle militaerischen und polizeilichen > Einrichtungen und damit die staatlichen Gewaltsysteme aufgeloest. Und > damit existiert auch kein Staat mehr. Auch nicht in der Vorstellung, > weil real existiert kein Staat. > > So entsteht dann das, was wir "Planeta de Comunas" nennen. Der Planet > Erde, ein Gebiet autonomer Comunas (Kommunen im historischen Sinne). > Ohne Zentralismen, ohne Gewaltinstanzen, ohne Staaten. Basierend auf > der gegenseitigen Hilfe und Unterstuetzung, der globalen Kooperation. > > mit lieben gruessen, willi > Popayan, Colombia > > > > Am 19/08/2014 um 14:45 schrieb unversoehnt: >> Hallo Willi, >> >> vielen Dank für die Blumen. Freut mich wirklich, wenn du dich über meine >> Zeilen freuen konntest. :o) >> >> Aber wenn ich dich richtig verstehe, hätten diese Zeilen niemals >> Werthaltiges darstellen können, selbst wenn ich sie als Artikel in einem >> Buch verkauft hätte. Du sagst es nicht wirklich glasklar, aber >> angesichts dessen, dass du das Distributionssystem als repräsentative >> Objektzuordnung der Ökonomie entgegenstellst und Flassbeck, >> "Staatsbuerokratie, Militaer und Ruestungsproduktion, >> nationale/foerderale Polizeien, Parlamente, Gefaengnisse, Gerichte und >> dergleichen" als parasitäre Erscheinungen klassifizierst, die deiner >> Meinung nach offenbar in keinerlei schöpferischem Zusammenhang zu "den >> notwendigen arbeiten fuer unsere lebensgrundlagen" stehen, drängt sich >> der Verdacht auf, dass du eine sehr stofflich gedachte >> Arbeitswerttheorie vertrittst. Sehr frei an Brecht angeleht vielleicht >> ungefähr so: Erst kommt das gemeinschaftliche Arbeiten fürs Fressen, >> dann fallen die parasitären Moralisten darüber her. Oder vielleicht >> vertrittst du auch eine anarchistische Position à la "Weg mit dem >> Staat". >> >> Polemisch ließe sich fragen: Meinst du mit "den notwendigen arbeiten >> fuer unsere lebensgrundlagen" die im Neandertal oder die im Hier und >> Jetzt? Im Hier und Jetzt sind offenbar auch alle von dir als parasitär >> eingestuften Tätigkeiten gesellschaftlich notwendig, zumindest de fakto >> als solche anerkannt. >> >> Aber ich möchte nicht polemisch sein. Ob ein Rückzug in kleine, >> regionale Wirtschaftseinheiten z. B. aus ökologischen Gründen oder wegen >> der Sehnsucht nach heimeligen und unmittelbar transparenten Beziehungen >> zwischen den Menschen wünschenswert wäre, darüber streiten sich in >> meiner Brust diverse Herzen. Bremen wird mir mit zunehmendem Alter >> jedensfalls eher ein Hort von Stressoren als ein weltstädtisches >> Kulturdorf mit Straßenbahn und Flughafen. Es ist meiner Ansicht nach >> aber völlig unerheblich, wie man sich dazu als Individuum stellt. Ich >> kann mir nicht vorstellen, dass die Weltgesellschaft in irgendeiner >> relevanten Weise rollback in der Dichte ihres Beziehungsgestrüpps üben >> wird. Eher wird die Entwicklung weiter auf ein global village zulaufen. >> Und das Kosmopoliten-Herz in meiner Brust würde es auch gar nicht anders >> wollen. Nur eine drastische Weltkatastrophe könnte das meines Erachtens >> verhindern, und eine solche wünsche ich mir nicht. >> >> Das habe ich vor allem gesagt, um klar zu stellen, dass ich ein Zurück >> bis zu Quesnay in der Arbeitswertlehre nicht als Option für die Zukunft >> sehe und wahrscheinlich auch nicht wünschenswert fände. Von der Utopie >> her gedacht bin ich auch weder ein Anhänger von "gleichem Lohn für >> gleiche Arbeit" oder dem wenigstens etwas besseren "gleicher Lohn für >> alle Arbeit und Schluß mit Privateigentum an Produktionsmitteln", >> sondern ein Anhänger von Marx' "jeder nach seinen Fähigkeiten, jedem >> nach seinen Bedürfnissen". Mit anderen Worten: Von der Utopie aus >> gedacht scheiß ich auf allen Wert, auf alle formellen >> Vermittlungsfetische zwischen Produktion und Distribution. >> >> Die Wertbestimmtheit interessiert mich daher nur in Bezug auf die >> Analyse des Faktischen. Und aus der lässt sich meines Erachtens nicht >> sinnvoll das ausklammern, was du "repräsentative Objektzuordnung" >> nennst. Wenn die Staatsquote bei knapp 50 % liegt, dann heißt das für >> mich faktisch auch, dass etwa die Hälfte des gesellschaftlichen >> Wertvolumens jenseits aller wertvermittelten Schwarzmärkte als >> Staatskonsum bestimmt werden muss, der systemisch in die Marxsche >> abstrakte Arbeit implementiert ist - wie auch immer man sich das konkret >> über den Kategorienapparat des ja ohnehin von Marx nicht vollendeten und >> von diversen Problemen belagerten Kapitals vermittelt vorstellen mag. >> Wieso also nicht ein bedingungsloses Grundeinkommen in diese abstrakte >> Arbeit implementieren? >> >> Falls du wirklich eine komplett stoffliche Wertvorstellung hast, also >> der Meinung bist, dass nur Arbeit wertschaffend ist, die irgendetwas >> herstellt, was man anfassen kann, dann sind wir in der Tat weit >> auseinander. Wert ist substanziell ein gesellschaftliches >> Vermittlungsverhältnis, das unter anderem an Dingen klebt, aber auch z. >> B. an der Tätigkeit von Ärzten, Mathematikern und Popstars. Sind Googles >> Algorithmen wertstiftend? Oder die Arbeit eines Statikers? Oder die >> Schriftstellerei von Joanne K. Rowling? Falls nein: Warum fließt Wert >> dann in monetärer Form ohne Goldbindungsstandard in die jeweiligen >> Taschen? >> >> Die stoffliche Wertvorstellung macht m. E. nur Sinn im Hinblick auf >> Naturnotwendigkeiten nach dem Muster voneinander abhängiger Bedingungen >> der Möglichkeit: Würde die Gesamtgesellschaft so unproduktiv sein, dass >> alle am Hungern wären, dann würden sich die Individuen mit ihren >> Wertgegenständen (Geld, Gold, Zigaretten oder gleich Knarre, Heugabel, >> Faustring) um die letzten Krumen Brot streiten und keinerlei >> werthaltiges Interesse an dem neuesten Hollywood-Streifen zeigen. Ist >> das Fressen aber erledigt, zeigen sich bei den Menschen noch ganz andere >> Bedürfnisse, die teilweise ins Verwertungsregime integriert sind, >> teilweise aber auch nicht wie etwa die eigene romantische Liebe (obwohl: >> die mit Parship und Konsorten ja auch zunehmend). Maslows >> Bedürfnispyramide (vgl. >> http://de.wikipedia.org/wiki/Maslowsche_Bedürfnispyramide ) ließe sich >> zwar sicher im Detail kritisieren, gibt aber zumindest einen Eindruck >> davon, wie sich solch ein Muster voneinander abhängiger Bedingungen der >> Möglichkeit grundsätzlich denken ließe. >> >> Der notwendige Zusammenhang von Wertsetzung durch Arbeit einerseits, >> Wertrealisierung durch gesellschaftliche Anerkennung der Arbeit im >> vollzogenen Tausch andererseits, scheint mir übrigens auch glasklar. >> "Ich weiss, die "oesterreichische Schule der Oekonomie" bestreitet dies >> und postuliert in der extremform, dass der wert eines produktes erst auf >> dem markt, also im tausch, entsteht." Er entsteht da nicht, sondern in >> der abstrakten Arbeit, die aber im Zweifelsfall überhaupt gar nichts mit >> konkreter Arbeit zu tun hat. Man denke dabei etwa an die Absurdität >> einer ehemaligen Sprite-Werbung: "Image ist nichts. Dein Durst ist >> alles." Image ist sehr wohl wertsetztend. Und dazu bedarf es nicht >> unbedingt irgendwelcher konkreter Arbeit. Ohne Tausch bzw. Kauf und >> Verkauf aber würde der Wert nicht existieren. Alle konkrete Arbeit, die >> irgendetwas herstellt, was unverkäuflich bleibt, ist einfach keine >> abstrakte Arbeit. Wert muss über den Markt realisiert werden. Freundlich >> gesagt ist Wert so etwas wie ein gesellschaftliches >> Anerkennungsverhältnis. Fetisch trifft die implizite Brutalität und >> konstitutive Unbewusstheit der Sache aber besser. >> Ich halte es übrigens zumindest für möglich, dass sich Marx' >> "automatisches Subjekt" noch während meiner Lebensspanne tatsächlich >> komplett stofflich realisiert. Ein paar Durchbrüche der KI-Forscher und >> wir stehen vielleicht vor einer ganz neuen historischen Situation, in >> der die Kapitalistenklasse vollkommen ohne Arbeiterklasse auskommen >> kann. Nicht auszuschließen, dass Auschwitz nur eine Testreihe des >> Weltgeists war und die eigentliche Wahrheit des Neoliberalismus nicht >> Feudalismus, sondern Vernichtung von 98 % der Weltbevölkerung als >> überflüssig ist. Diese Befürchtung ist glaube ich der Kern meines >> manifesten Bauchgefühls, dass eine Konsumbesteuerung zur >> Gegenfinanzierung eines bedingungslosen Grundeinkommens sinnvoller ist: >> Was wäre, wenn es wegen echter Vollautomation überhaupt keine >> Wertbestimmtheit der Arbeit mehr gäbe? Welche Einkommen außer denen der >> Kapitalistenklasse sollten sich dann noch besteuern lassen? Würde eine >> solche Einkommenssteuer nicht eine Massenvernichtung des arbeitslosen >> Pöbels näher legen als eine Besteuerung des Konsums, die nicht ganz so >> offensichtlich auf den Tatbestand einer reinen Transfergesellschaft von >> Eigentümern an Nichteigentümer verweisen würde? >> >> In Bremen gehört übrigens die Erzählung von den sieben Faulen zum >> touristisch ausgeschlachteten Kulturerbe (vgl. >> http://de.wikipedia.org/wiki/Sieben_Faulen ). Die Pointe der Geschichte >> besteht darin, dass die Nutzung von produktivkraftsteigernden >> Produktionsmitteln von der Umgebung als Faulheit ausgelegt wird. Know >> How ist produktiv und daher auch durchaus wertsetzend. Das ist ja die >> ganze Message der Weberaufstände (vgl. >> http://de.wikipedia.org/wiki/Weberaufstand ), die sich vermutlich in >> abgewandelten Formen heute tagtäglich irgendwo vollziehen. >> >> Falls dein Parasiten-Begriff weniger auf einer stofflichen >> Arbeitswerttheorie fußt, sondern eher auf einem anarchistischen Motiv, >> dann kann ich auch nur wieder sagen, dass da viele Herzen in meiner >> Brust schlagen. Einerseits schwitzt die Staatsbürokratie insbesondere >> qua Gewaltmonopol drastische Widerwärtigkeiten aus. Andererseits sind >> zumindest die paar bürgerlichen Staatsgebilde auf dem Globus aber am >> ehesten noch als das zu interpretieren, was sich politisch >> selbstbewusstes Gattungswesen nennen ließe. National verstümmelt, von >> Wertverwertungssachzwängen inhaltlich beschnitten, insitutionell gegen >> die eigene Bevölkerung verselbständigt. Aber doch noch am ehesten so >> etwas wie selbstbewusstes Gattungswesen. Dass Hartz4 besser ist als >> verhungern, hatte ich schon gesagt. Dem reinen Finanzvolumen nach ist >> die Sozialstaatlichkeit Deutschlands ziemlich beachtlich. Ohne Staat >> wären die Fortschritte des sozialdemokratischen Renegatenprojekts >> überhaupt nicht realisierbar gewesen. Was ist mit Schulen und >> öffentlichen Universitäten? Nur subjektformierende Kadettenanstalten? >> Oder doch zumindest auch humanistisch, produktivkraftsteigernd, >> aufklärend? Auch an der formellen Egalität bürgerlicher Staaten lässt >> sich m. E. nicht nur Schlechtes finden, so sehr diese formelle Egalität >> ohne materielle Egalität auch eklig bleibt. >> >> Da du dir ja Gedanken über mein biographisches Verhältnis zu konkreter >> Arbeit und virtualisierender Werttheorie machst, kann ich das vielleicht >> ein bisschen anekdotisch erden: Nach meinem Abi und einem Jahr >> Mädchen-für-alles-Zivildienst bei einem Bildungs- und Freizeitträger für >> geistig und körperlich Behinderte habe ich eineinhalb Jahrzehnte an der >> Bremer Uni herumstudiert. Während meiner Abi-Zeit hatte ich aber bereits >> eine ziemlich ätzende konkrete Buckel-Arbeit auf Minijob-Basis in einem >> Speditionslager. Während des Studiums habe ich erst ein paar Jahre in >> einem Baguette-Laden gejobbt und bin dann 13 Jahre lang auf >> Teilzeitbasis in der von der Bremer AWO organisierten individuellen >> Betreuung Schwerstbehinderter hängen geblieben. Ich kenne insofern >> durchaus sowohl eine Menge virtueller Uni-Realität als auch eine Menge >> körperlicher Arbeit. Gegen körperliche Arbeit habe ich grundsätzlich >> auch nichts, sehne mich aber auch nicht unbedingt danach. Ich bin >> durchaus technikaffin und begrüße Automatisierung, habe aber auch so >> etwas wie einen Großschwager, dessen Handywellen-Paranoia mich mitunter >> darüber grübeln lässt, wie tief der von Morpheus zitierte Hasenbau aus >> Alice im Wunderland wohl tatsächlich ist. Während der Zeit bei der AWO >> gab's so etwas wie Arbeitskämpfe, die mich ver.di-Mitglied haben werden >> lassen. Wobei ich eher böse sagen würde, dass der Betriebsrat einem >> Kindergarten ähnelt und die SPD-verfilzten Funktionseliten des >> Wohlfahrtverbands, der sich am "freiheitlich-demokratischen Sozialismus" >> (vgl. http://www.awo-bremen.de/ueber-uns/leitbild ) orientiert, bei mir >> eher den Eindruck erweckt haben, den Verband als Gans zu betrachten, die >> man für die eigenen Taschen ausschlachten kann. Von Arbeitskampf lässt >> sich insofern nicht sprechen, eher wohl von Mediation der bitteren >> Pillen, die das ausführende Personal zu schlucken hatte. Interessant >> fand ich jedenfalls, dass meine Arbeit als persönliche Assistenz für >> Schwerstbehinderte, übrigens ein recht deutlich weiblich konnotiertes >> Arbeitsfeld, das Arbeitskampfmittel des Streiks ethisch völlig unmöglich >> macht. Unmittelbar von Arbeitsniederlegung betroffen wären Leute, die >> erstens täglich auf Hilfe angewiesen sind und zweitens überhaupt keinen >> Anteil an der Finanzierung der Arbeit haben. Ein bisschen weiter >> gedacht, war mein Lohn finanziert über Transferleistungen des >> Sozialstaats und der gesetzlichen Krankenversicherungen. Mit anderen >> Worten: Wenn man der Meinung ist, dass nur warenproduzierende Arbeit >> wertsetzend sein kann, war diese Arbeit eindeutig parasitär: finanziert >> über Steuern, Lohnnebenkosten und den Finanziers der Bremer >> Staatsschulden. Insofern war es auch innerhalb des allgemeinen >> sozialpolitischen Rollbacks kein großes Wunder, dass ich während der 13 >> Jahre keine einzige Tariferhöhung, dafür aber die mit Lohndrückerei >> verbundene Auslagerung in eine Tochtergesellschaft des Verbandes >> erlebte, im Effekt etwa 25 % Reallohnverlust in den 13 Jahren. Und null >> Chance, da politisch oder gewerkschaftlich irgendwie im Ernst zu >> intervenieren. Der Job im Speditionslager und der im Baguetteladen >> dürften aber noch als warenproduzierende Tätigkeiten durchgehen. Während >> der Speditionslager-Job insofern völlig entfremdet war, als er keinerlei >> Bezug zu den Nutznießern der Warenverschiebung herstellte, ließ mich der >> Job im Baguetteladen immer mit dem unbefriedigenden Gefühl zurück, dass >> die Leute sich ihr Futter auch selber kredenzen könnten. Und das, obwohl >> ich durchaus selber phasenweise passionierter Nutzer von >> Futterbringdiensten gewesen bin. Der Job bei der AWO hingegen war >> eindeutig unmittelbar nützlich für zumindest ein einziges >> Gesellschaftsmitglied, nämlich die jeweilige Klientin bzw. den >> jeweiligen Klienten. Drastisch nützlich, aber weder warenproduzierend >> noch auf einem freien Markt verkäuflich, da meine KlientInnen einem >> kleinbürgerlichen und proletarischen Milieu entstammten und sich so >> etwas unmöglich aus eigener Tasche hätten leisten können. Mit der >> Umstellung auf die Bachelor-Master-Struktur hat die Bremer Uni den >> Magisterstudenten eine Deadline gesetzt. Also habe ich mich doch mal >> dazu aufgerafft, meinen Abschluss zu machen. Fast zeitgleich verstarb >> der Klient, den ich etwa 7 Jahre lang für die AWO betreut hatte. Guter >> Zeitpunkt, um damit aufzuhören. Ist mir sozial und intellektuell einfach >> zu tumb, körperlich in höherem Alter kaum zu leisten, monetär deutlich >> unterdurchschnittlich gratifiziert. Und für irgendwas muss der >> Akademikerstatus ja eigentlich auch nütze sein. Die Kündigungsschutzzeit >> verbrachte ich dann auf einer sehr flexiblen Teilzeitstelle bei vier >> unterschiedlichen KlientInnen. Das Zentrum-Peripherie-Modell macht sogar >> bei der kleinen ISB der AWO Bremen einen spezifischen Sinn: Für mich >> hat's einen erheblichen Unterschied gemacht, ob ich bei einem Klienten >> in einem festen Rhythmus gearbeitet habe oder bei diversen KlientInnen >> mit Springerflexibilität. Ach ja, dann habe ich vor fast einem Jahrzehnt >> noch ein bisschen freiberuflich als Korrektor gearbeitet und war in dem >> Zusammenhang sogar mal für ein Vierteljahr Projektmanager bei einer >> Internet-Klitsche, die mit einem vielversprechenden Projekt binnen >> kürzester Zeit Multimillionäre hätte produzieren können. Aber die >> Finanzkrise zerschoss die Fremdkapitalakkreditierung und das Ganze ist >> eher unschön den Bach runtergegangen. Wiederum eher ein virtuelles Feld: >> Textpolizei und Management. Aber die Management-Phase hat mich für ein >> Vierteljahr mal eine 80- bis 100-Stunden-Woche kennengelehrt. >> >> Insbesondere die Arbeit bei der AWO hielt meine Staatsfeindlichkeit in >> engen Grenzen: Ohne Sozialstaat gäbe es so etwas gar nicht. Jedenfalls >> nicht innerhalb der heutigen Rahmenbedingungen. >> >> Klärt das was? >> >> Liebe Grüße, >> >> Bert Grashoff >> >> >> >> _______________________________________________ >> Debatte-Grundeinkommen Mailingliste >> JPBerlin - Politischer Provider >> Debatte-Grundeinkommen at listen.grundeinkommen.de >> https://listi.jpberlin.de/mailman/listinfo/debatte-grundeinkommen >> > From v.nedden at freenet.de Fri Aug 22 21:01:53 2014 From: v.nedden at freenet.de (V.Nedden) Date: Fri, 22 Aug 2014 21:01:53 +0200 Subject: [Debatte-Grundeinkommen] Bewusstseinsfrage In-Reply-To: <000001cfbd43$76dedfd0$649c9f70$@de> References: <000501cfbbe9$04820e40$0d862ac0$@de> <000001cfbd43$76dedfd0$649c9f70$@de> Message-ID: Lieber Ernst Ullrich, seit der Veröffentlichung meines Konzeptes stand ich mit Dr. Hardorp in brieflichem Kontakt, dem ich selbstverständlich nach Frau Dr. Merkel als erstem das Konzept zu lesen gegeben hatte, um mit ihm die wissenschaftliche Auseinandersetzung zu suchen. Persönlich habe ich ihn, der nach seiner Angabe die Idee der Konsumsteuer von Rudolph Steiner übernommen hat, in München im September 2012 kennen lernen dürfen und ihn danach auch in Mannheim besucht, um mit ihm die Exportproblematik im Konsumsteuersystem zu erörtern. Darin weicht das gemeinschaftliche Konsumsteuersystem von der Konzeption Dr. Hardorps ab, der das um die Erwerbsbelastung reduzierte Nettoprodukt ohne Erhebung von Konsumsteuer in das Ausland gelangen lassen will. Das gemeinschaftliche Konsumsteuersystem beläßt hingegen die Sozialkonsumsteuer wie bisher die Einkommensteuer und Sozialversicherungsabgaben im Inland, da sonst innerhalb eines Jahres der Staatsbankrott sicher ist. Leider habe ich mit ihm keine Einigung erzielen können. Er war der Ansicht, daß durch das bisherige Bestimmungslandprinzip bei der Umsatzsteuer, was er auch auf die Konsumsteuer anwenden wollte, eine größere Verteilungswirkung gerade in Bezug auf ärmere „Drittwelt“-Staaten stattfinden würde. Ein wohlgemeinter anthroposophischer Ansatz, der allerdings aus meiner Sicht wegen der im Vergleich zu heute noch weitergehenden Ausbeute von Niedriglohnländern nicht haltbar ist. Damals war bereits abzusehen, daß er bald sterben werde und ich bin froh, ihm noch persönlich versprechen zu können, die Idee der Konsumbesteuerung als fachliche Nachfolgerin weiter zu verfolgen. Alleinerziehende sind wegen der Erwerbsschwelle besonders auf ein bedingungsloses Grundeinkommen angewiesen. Mir selbst hat es in dieser Situation immens geholfen, ein Jahr lang vom Europäischen Sozialfonds ein (allerdings bedingtes) Grundeinkommen zu erhalten, mit dem ich meine Selbständigkeit aufbauen konnte. Den monatlichen Betrag von damals 2.000,- DM habe ich durch Einkommensteuer und Umsatzsteuer übrigens mittlerweile um ein Vielfaches „zurückgezahlt“! Ein schönes Wochenende wünscht Verena Nedden Von: Ernst Ullrich Schultz [mailto:eusidee at web.de] Gesendet: Donnerstag, 21. August 2014 15:26 An: 'V.Nedden'; debatte-grundeinkommen at listen.grundeinkommen.de Betreff: AW: [Debatte-Grundeinkommen] Bewusstseinsfrage Liebe Verena, liebe MitstreiterInnen, vielen Dank für den Beitrag, liebe Verena. Aus meiner Sicht kann ich nichts hinzufügen. Wenn es um Steuerpolitik geht, bin ich nichts so bewandert, freue mich aber, wenn Fachfrauen und Männer es schaffen, über den riesigen Tellerrand der umfangreichsten Gesetzgebung der Welt – das deutsche Steuerrecht - zu schauen und sich einen gesunden Menschenverstand zu bewahren. Einer davon war, leider neulich verstorben, Benediktus Hardorp – Unternehmensberater und Steuerexperte. Diesen Menschen habe ich sehr verehrt, da er schon sehr früh Konsumsteuer und Grundeinkommen durchdacht und darüber referiert hat. Es lohnt sich, ihn zu lesen. Übrigens, von einem „bedingten“ Grundeinkommen halte ich nichts. Wo grenzen wir das ab? Alleinerziehende haben es zum Beispiel oft schwer, aus eigener Kraft genügend Einkommen zu erwerben. Herzlichst, Ernst Ullrich Schultz eus Ernst Ullrich Schultz Matthiesgarten 16 22395 Hamburg 040 604 97 30 -------------- nächster Teil -------------- Ein Dateianhang mit HTML-Daten wurde abgetrennt... URL: From wube at gmx.net Sat Aug 23 18:51:54 2014 From: wube at gmx.net (willi uebelherr) Date: Sat, 23 Aug 2014 11:51:54 -0500 Subject: [Debatte-Grundeinkommen] Willis Wertbestimmung In-Reply-To: <53F6F3B5.4070108@gmx.de> References: <53F3A947.30901@gmx.de> <53F4C77A.30901@gmx.net> <53F6F3B5.4070108@gmx.de> Message-ID: <53F8C6AA.2070403@gmx.net> Lieber Bert, sehr danke ich dir fuer deine Hand. Und auch ich will mich bei dir entschuldigen fuer den harten Wortwechsel. Aus diesem Text erkenne ich, wie sehr du dir die Fragen fuer eine Zukunft stellst. Und damit ist die wichtigste Vorraussetzung gegeben. "Fragend suchen wir unseren Weg" (Subcomandante Marcos, heute Galeano). Ich verstehe sehr gut, dass urbane Zentren, Metropolen, niemals lebensfaehig werden. Sie sind kranke Konstrukte, die krank machen. Von daher beschaeftige ich mich nicht mit Theorien zu "Urbania". Auch nicht mit "urbanic garden". Vielmehr geht es mir darum, den Druck zur Uebersiedlung in die Stadt aufzuloesen. Und das sind im wesentlichen 2 Dinge: a) der Landraub und die damit verbundene Aufloesung existenzieller Basen b) die kulturelle Entleerung laendlicher Regionen Die Konzentration in Staedten, wie wir es in Latein Amerika sehen, ist Resultat gezielter Massnahmen und nicht zufaelliges Zivilisationsprodukt. Wir koennen natuerlich die Zivilisation selbst als Ursache begreifen, wenn sie als kulturelle Verklaerung von Sklavenhalterei begriffen wird und nicht als Emanzipationsprozess der Menschen. In dem Text zur "juedischen Frage" hat sich Karl Marx sehr intensiv damit beschaeftigt. Alle Menschen sind fuer diesen Prozess der Emanzipation, der Entstehung von Souveraenitat, der Entwicklung zum "autonomen Subjekt" wichtig und hilfreich. Jeder Mensch kann sich mit der Wissenschaft der Natur beschaeftigen und eintauchen. Dazu brauchen wir keine Zertifikate. Nur unseren Willen. "Und wo ein Wille ist, da ist auch ein Weg". Auch aus diesem Grund bin ich begeisterter Anhaenger der Idee des bGE. Weil es die Entstehung von marktfreien Raeumen unterstuetzt und damit die Grundlagen der Entwicklung von lokaler Souveraenitaet und Autonomie staerkt. Und, indem wir uns von der Sphaere der "spekulativen Wertabstraktion" im Geldsystem entfernen, entstehen wieder reale Basen fuer unsere Lebensfuehrung. Ohne die internationale Sklaverei. mit dank und lieben gruessen, willi Popayan, Colombia Am 22/08/2014 um 02:39 schrieb unversoehnt: > Hallo lieber Willi, > > "reaktionärer Gedankenmüll/Sumpf" empfand ich als kränkend. Daher möchte > ich mich bei dir entschuldigen, weil ich vermute, dass dich zuvor > irgendetwas in meinen Zeilen gekränkt und so eine Reaktion nahegelegt > hat. Das war nicht meine Absicht. Und das meine ich so schlicht und > ehrlich, wie ich's schreibe. Ich kenne dich nicht und sehe den Sinn > einer Debatte in erster Linie im Austausch von Sichtweisen, Argumenten, > Meinungen, Vermutungen etc., um im gemeinsamen Austausch einen > vielleicht etwas geschärfteren Blick auf das jeweilige Thema zu > entwickeln. Und das, dachte ich zumindest, ist in dieser Mailingliste > erstmal das bedingungslose Grundeinkommen ... in das dann aber freilich > viele Themen mitreinspielen. > Inhaltlich jedenfalls fand ich den Reaktions-Vorwurf nicht angemessen. > Das Neandertal-Bild hatte ich selber als Polemik ausgewiesen, dann hatte > ich ein wenig aus meiner persönlichen Perspektive über den Zug zu lokal > unabhängigen Ökonomien nachgedacht und auch auf allgemeinere Gründe > dafür verwiesen. Der Themenfokus aber war für mich die Wertsubstanz, und > die erscheint mir aus genannten Gründen wesentlich besser als Fetisch > bestimmt denn als Arbeitszeit. > > Dass du dich für "lokale, hoechst selbstaendige und unabhaengige > Oekonmien auf der Basis lokaler technischer Infrastrukturen und der > lokalen Unabhaengigkeit in der Technologie" einsetzt, finde ich > sympathisch. Wie gesagt, bin ich durchaus am überlegen, ob eine solche > Tätigkeit für mich nicht ebenfalls eine Option wäre. Nur bin ich als > Metropolen-Stadtkind ohne allzu großes technisches KnowHow dafür > biographisch erstmal nicht sehr gut vorbereitet, habe höchstens einen > theoretischen, aber keinen sozialen Bezug dazu. > Als gesamtgesellschaftliche Perspektive jedoch hätte eine > dezentralisierte Ökonomie nicht nur fatale Konsequenzen für Europa und > Nordamerika, sondern für alle urbanisierten Regionen überall in der > Welt. Und in denen, wird gelegentlich in der Glotze gesagt, leben bald > Dreiviertel aller Menschen. Daher bin ich grundsätzlich skeptisch, ob > das Konzept lokaler Ökonomien eine gesamtgesellschaftliche Wirksamkeit > entfalten kann, oder eher Eskapismus bleibt. Schwer vorzustellen, dass > New York, Rio, Tokyo sich in solche Ökonomien verwandeln könnten. Noch > schwerer vorzustellen, dass sich der Trend zur Urbanisierung umkehrt. > Das heißt aber wie gesagt nicht, dass ich deinen Einsatz dafür nicht > sympathisch fände und im Zweifelsfall vermutlich deutlich besser als so > ziemlich alles, was ich im letzten Jahr so mit meinem Leben angefangen > habe. > > Insbesondere dein Satz "Die Sklaverei wird beendet." hat mich zumindest > nochmal grundsätzlicher zum Nachdenken übers bGE gebracht. Am > Dilthey-Modell fand ich erstmal sympathisch, dass es die > Import-Export-Beziehungen auf die Basis eines Sozialtransfers stellen > möchte. Das hat ein gewisses Potential, auch wenn's quer zum von dir > favorisierten Autarkie-Gedanken steht. Der politische Kontext der > bGE-Debatte erschien mir ohnehin erstmal nur Deutschland und vielleicht > noch die EU zu sein und nur vermittels des Dilthey-Modells vielleicht > indirekt die Welt. Wenn man sich grundsätzlicher vergegenwärtigt, dass > noch mein prekärer Anteil am gesellschaftlichen Reichtum Deutschlands > auf Krieg, Hunger und Sklaverei überall in der Welt fußt, lässt sich > wieder die gesamte bGE-Debatte als innerimperiales falsches Leben abtun, > als reaktionär. Dem würde ich grundsätzlich nur entgegenhalten können, > dass das bGE zumindest einen Entwicklungshorizont für gelebte > Solidarität eröffnen würde und insofern vielleicht auch für eine > Sensibilierung der metropolen Öffentlichkeit für den Zusammenhang von > Reichtum hier und Armut, Gewalt, Verelendung dort. Eine solche > Sensibilität kann ich sonst so in meinem Alltag fast gar nicht > wahrnehmen. Ich lebe in einer Welt, in der man den Kindern in > Schulbüchern beibringen muss, dass es keine Spaghetti-Bäume gibt, > Plastikfleisch nicht in Kühltruhen heranwächst und App-Konsum zur > Überschuldung noch vor der Volljährigkeit führen kann. Der Kapitalismus > kennt viele Formen von Verelendung, in Deutschland vor allem > psychosoziale. Grundsätzlich ist denke ich allen klar, dass ein bGE > nicht der heilige Gral ist, der alle Probleme beseitigt. Als politisches > Projekt könnte es meines Erachtens aber tatsächlich Nadelöhr sein, das, > was den Unterschied ums Ganze machen könnte. Das kann ich beim > Autarkie-Konzept zumindest für meine Lebensumgebung so nicht sehen. > > Liebe Grüße, > > Bert Grashoff From sozial at gmail.com Sat Aug 23 23:27:01 2014 From: sozial at gmail.com (Manfred Bartl) Date: Sat, 23 Aug 2014 23:27:01 +0200 Subject: [Debatte-Grundeinkommen] galoppierende Inflation In-Reply-To: <53F4CBFC.1080207@gmx.de> References: <53F4CBFC.1080207@gmx.de> Message-ID: Hallo, Bert! Ich bin zwar auch kein Ökonom, aber nachdem ich mich nun eine Dekade auf dem Feld von Politik, Ökonomie und Philosophie tummle, habe ich wohl eine gewisse Erfahrung im Umgang mit diesen Themenkomplexen. Wenn ich es richtig betrachte - korrigiert mich bitte unbedingt, wenn ich falsch liegen sollte -, ist das bedingungslose Grundeinkommen in erster Linie ein Inflationsdämpfer! Nicht umsonst bezeichnet man das Aufkommen an Grundeinkommen umgekehrt auch als Grundumsatz der Wirtschaft, weil definitionsgemäß restlos ALLES, was als Grundeinkommen ausgezahlt wird, in der einen oder anderen Form unmittelbar im gleichen Monat, in dem es ausbezahlt wird, über die Wirtschaft wieder umgesetzt wird. Dieses Geld zeichnet sich also dadurch aus, dass es aus der Wirtschaft entnommen wird und noch im gleichen Monat - volkswirtschaftlich also praktisch unmittelbar - in den Wirtschaftskreislauf zurückfließt. Das Geld hat in der Zwischenzeit wohl kaum Gelegenheit, auf irgendeine Weise auf die Geldmenge einzuwirken. Alle damit angeschafften Sachwerte haben noch ziemlich genau denselben monetären Wert, den sie mit ihrer Produktion an (Lohn-)Kosten verschlungen haben. Du versuchst, Inflation als bloße Verteuerung durch Lohnforderungen hier und Kostensteigerungen dort abzubilden. Inflation ist aber die Dynamik der (steigenden) Geldmenge im Vergleich zu den Produktwerten. Das bedingungslose Grundeinkommen wirkt sich aber auf die Geldmenge nicht aus. Bei seiner Einführung mögen die Preise von Grundversorgungsgütern und -dienstleistungen etwas ansteigen, weil die Nachfrage danach ansteigt, aber da die Höhe des Grundeinkommens an den Preisindex genau jener Grundversorgungsgütern und -dienstleistungen gekoppelt ist, zieht das Grundeinkommen volkswirtschaftlich betrachtet praktisch ebenso schnell nach. Auf Arbeitskostenseite verschwinden die volkswirtschaftlichen Kosten der Arbeitslosigkeit definitionsgemäß vollständig, weil es Arbeitslosigkeit im heutigen Sinne nicht mehr gibt, sondern nur noch Sabbaticals. Die Kosten für die Sabbaticals - also schlicht die Nicht-Produktivität - hingegen werden bei weitem nicht so weit ansteigen, dass sie denen der heutigen Arbeitslosigkeit entsprechen könnten, weil zugleich natürlich ein gehöriger Rationalisierungsschub einsetzt. Wer würde seine Lebenszeit noch verschwenden wollen, indem man Parkraumbewirtschaftung betriebe (das Berufsbild der "Politesse" wird vollständig von der Bildfläche verschwinden) oder an der Kasse einer Lebensmittelverteilstelle säße (auch das Berufsbild der "KassiererIn" verschwindet - ich betone es - vollständig!)?? Problematisch ist in erster Linie der Gewerkschaftseffekt. Heute glauben viele GewerkschafterInnen, dass das BGE die Gewerkschaften schächen würde, weil niemand mehr um seine Existenzgrundlage kämpfen müsste. Das ist natürlich ein hanebüchenes Argument, weil es davon ausgeht, dass die Gewerkschaften (noch) gar nicht existierten und die ArbeitnehmerInnen würden sich erst im Moment der Einführung des BGE organisieren. Das ist offenkundig totaler Quatsch! Tatsächlich ist es vielmehr so, dass wir Gewerkschaften doch nun wirklich schon sehr lange haben und dass somit kein/e organisierte/r (!!!) ArbeitnehmerIn mehr um die Existenzgrundlage kämpfen müsste und mit der - bereits existierenden und nun aus lauter sorglos jederzeit Streikenden bestehenden - Gewerkschaft eine praktisch unschlagbare Streitmacht entstünde! Wenn die Gewerkschaften das endlich kapieren würden, könnte eine gewisse Anfangsinflation bei der Einführung des BGE resultieren, aber die werden wir wohl verschmerzen können, wenn das BGE wiederum an die Preise gekoppelt ist ;-) Mit solidarischen Grüßen Manfred -- Manfred Bartl Rheinallee 19 55118 Mainz Tel. 06131 / 371 472 Handy 0179 / 11 70 216 E-Mail: sozial at gmail.com NachDenkSeiten-Gesprächskreis Mainz: http://denknachmainz.wordpress.com/ NachDenkSeiten: http://www.nachdenkseiten.de/ From sozial at gmail.com Sun Aug 24 00:00:31 2014 From: sozial at gmail.com (Manfred Bartl) Date: Sun, 24 Aug 2014 00:00:31 +0200 Subject: [Debatte-Grundeinkommen] galoppierende Inflation In-Reply-To: <53F4CBFC.1080207@gmx.de> References: <53F4CBFC.1080207@gmx.de> Message-ID: Hallo, Bert! Es war wohl richtig, global auf Deine Ausführungen zur Inflation einzugehen, die ich irgendwann nicht mehr lesen wollte, weil es eben noch lange keine Inflation (also Geldentwertung) gibt, bloß weil sich die Preisspirale dreht. Steigende Preise sind keine Inflation, solange die Kaufkraft gleich schnell steigt! Beim zweiten Überfliegen finde ich auf einmal, dass Du mit Deinen Forderungen teilweise schon weiter bist als bei Deinen Prämissen ;-) Punkt 1 ist absolut richtig! Dasselbe Argument hatte ich gebracht ;-) Wenn man heute den Vorschlag macht, "das BGE soll 1000/1500 Euro betragen", dann meint man damit AUSCHLIESSLICH die HEUTIGE Kaufkraft von 1000/1500 Euro - nicht etwa 1000/1500 Euro im Wirtschaftssystem "Bedingungsloses Grundeinkommen"! Die lässt sich m.E. beim besten Willen nicht berechnen. Darum sind für mich alle "durchgerechneten BGE-Modelle" in dieser Hinsicht wertlos, weil sie etwas vorgaukeln, nämlich die Berechenbarkeit, die Kontrollierbarkeit im Sinne eines Zauberlehrlings, der die Geister wieder loswerden könnte, die er gerufen hatte. Die meisten dieser Modelle können durchaus etwas aufzeigen, aber genau DAS ist ihr Wert, nicht das Durchrechnen insgesamt! Punkt 2 ist insofern richtig, als es in der Tat keinen Sinn macht, sich über die "Gegenfinanzierung" des bedingungslosen Grundeinkommen irgendeinen Kopf zu machen. Das BGE ist ein bloßes Verteilungsmodell für den essenziellen Teil des Nationaleinkommens - nämlich dem für die Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums aller in Deutschland am Wirtschaften beteiligten Menschen dienenden, etwa die Hälfte des Nationaleinkommens umfassenden Anteil - und zwar ein gerechtes Modell! Der Vorteil des BGE ist ja nicht in erster Linie der eines effizienteren Wirtschaftssystems (auch wenn es das tatsächlich ist), sondern der eines GERECHTEREN Wirtschaftssystems! Wenn man sich also vergegenwärtigt, dass der zur Finanzierung des BGE benötigte monetäre Einsatz per "Maschinensteuer" aus der Wertschöpfung der Unternehmen generiert wird und praktisch unmittelbar in die Wirtschaft zurückfließt, dann erkennt man sehr schnell, dass man sich darüber keinen Kopf machen muss ;-) Nur die Begründung über eine Inflation ist halt - meiner Meinung nach - grundlos bzw. falsch. Übrigens: Ich habe Karl-Heinz Brodbeck nach seiner Vorstellung des BGE befragt und sein Tenor war sehr interessant: BGE überhaupt nicht als Geld auszuzahlen oder auch nur als geldwerte Ware auszugeben, sondern die Produkte des täglichen Lebens marktfern zu produzieren und geldlos abzugeben ;-) Mit solidarischen Grüßen Manfred On 8/20/14, unversoehnt wrote: > Vom Grundprinzip her dürfte das Gespenst einer galoppierenden Inflation > aber vermutlich durchaus plausibel sein. Als Konsequenz ergibt sich > daraus für Verfechter eines bedingungslosen Grundeinkommens m. E.: > > 1. Es macht keinen Sinn, die Höhe eines bedingungslosen Grundeinkommens > monetär zu bestimmen. Sinnvoller ist eine Bestimmung über repräsentative > Warenkörbe, deren Preise gesetzlich am besten mit der > Aktualisierungsgeschwindigkeit der Frankfurter Börse automatisch die > monetäre Ausschüttungshöhe des bedingungslosen Grundeinkommens > bestimmen. Das wäre eine Geste des Souveräns an die Finanzmärkte nach > dem Motto: Wir meinen das schon ernst und lassen uns da nicht von euch > verarschen. > > 2. Wenn die Inflation mit der Einführung eines bedingungslosen > Grundeinkommens tatsächlich ohnehin befürchtet werden muss, macht es > eigentlich gar keinen Sinn, sich über eine Gegenfinanzierung des > bedingungslosen Grundeinkommens einen großen Kopf zu machen. Warum dann > nicht gleich dazu übergehen, das bedingungslose Grundeinkommen über eine > Geldmengenerhöhung durch die EZB zu finanzieren? Klar, weil sich das in > Deutschland nicht verkaufen lässt und die EZB formell eigenständig > agiert. Aber solange die Debatten ohnehin theoretisch bleiben, scheint > mir das zumindest eine berechtigte Frage zu sein. Soll heißen: Es würde > mich interessieren, ob irgendjemand dazu etwas Profundes sagen kann. -- Manfred Bartl Rheinallee 19 55118 Mainz Tel. 06131 / 371 472 Handy 0179 / 11 70 216 E-Mail: sozial at gmail.com NachDenkSeiten-Gesprächskreis Mainz: http://denknachmainz.wordpress.com/ NachDenkSeiten: http://www.nachdenkseiten.de/ From sozial at gmail.com Sun Aug 24 00:05:09 2014 From: sozial at gmail.com (Manfred Bartl) Date: Sun, 24 Aug 2014 00:05:09 +0200 Subject: [Debatte-Grundeinkommen] galoppierende Inflation In-Reply-To: <53F61630.1020305@gmx.net> References: <53F4CBFC.1080207@gmx.de> <53F61630.1020305@gmx.net> Message-ID: Hallo, Willi! On 8/21/14, willi uebelherr wrote: > a) Wenn wir ein Geldsystem wollen, dann schaffen wir eines, das wir > selbst kontrollieren. Eigentlich selbstredend. Ist halt eine Frage der Macht, erst einmal zu erkennen, dass es sich aktuell nicht so verhält und wie man das ändert. > b) Indem wir mehr und mehr die Grundbereiche der "materiellen > Reproduktionsbedinngungen" aus der Geldsphaere entfernen, also die > anti-Kapitalisierung des Lebens, reduziert sich die Geldsphaere auf > Randbereiche. Sehr gut! Das ist ja quasi Brodbeck! :-) > Und wofuer brauchen WIR einen Staat? > > Das musst du mir erklaeren. Strassen bauen, die Wassersysteme > organisieren, dezentrale Versorgung mit elektrischer und thermischer > Energie? Dafuer brauchen wir keinen Staat. Dafuer brauchen wir creative, > konstruktive und produktive Menschen. All das, was die Kinder in sich > tragen, wenn sie nicht zur Schule gehen. Ich bin zwar irgendwo auch (?) Anarchist, aber das musst Du mir mal erklären, wie sich "der Staat" von sowas wie "kreativen, konstruktiven und produktiven Menschen" unterscheidet. In meinen Augen ist das - solange es den Anarchismus noch nicht gibt - ein und dasselbe ;-) Mit solidarischen Grüßen Manfred -- Manfred Bartl Rheinallee 19 55118 Mainz Tel. 06131 / 371 472 Handy 0179 / 11 70 216 E-Mail: sozial at gmail.com NachDenkSeiten-Gesprächskreis Mainz: http://denknachmainz.wordpress.com/ NachDenkSeiten: http://www.nachdenkseiten.de/ From unversoehnt at gmx.de Sun Aug 24 20:32:33 2014 From: unversoehnt at gmx.de (unversoehnt) Date: Sun, 24 Aug 2014 20:32:33 +0200 Subject: [Debatte-Grundeinkommen] galoppierende Inflation In-Reply-To: <53F61630.1020305@gmx.net> References: <53F4CBFC.1080207@gmx.de> <53F61630.1020305@gmx.net> Message-ID: <53FA2FC1.1010803@gmx.de> Lieber Willi, mal ein Vorschlag zur Güte: Würdest du mir beipflichten, dass Bettina Wegener, wenn nicht für ihr Lebenswerk, dann zumindest für den Song "Wenn alle Menschen dieser Erde" (vgl. http://youtu.be/mPqhV5u-MM4 ) ihr täglich Brot im Schweiße ihres Angesichts auf Bühne und im Studio "verdient" hat, auch wenn dieses Brot über den Markt vermittelt eigentlich mit dem Schweiß ganz anderer, und zwar sehr sehr vieler anderer Menschen hergestellt worden ist? Mit anderen Worten: Bist du wenigstens in irgendeiner Weise bereit anzuerkennen, dass soziale Kulturarbeit nicht bloß ein Drückebergertum vor den "schmutzigen Arbeiten" ist, sondern zumindest hier und da eine echt bereichernde Leistung? Bist du, nicht wahr? Sonst würdest du ja wohl kein Geld für Bücher zum Fenster rauswerfen. Ich bin aus meiner Stadtkindperspektive ziemlich dicht bei Götz Werner: Ein bGE wäre ein drastischer Schub für das vom Fordismus nur schwer intergrierbare Feld sozialer Kulturarbeit. Sie würde definitiv mehr Raum einnehmen als heute, davon bin ich ziemlich überzeugt. Und das finde ich auch sinnvoll. Du rennst bei mir einerseits weit offene Türen ein und bastelst dir andererseits in deiner Vorstellung von mir einen Pappkameraden, auf den du deine Dart-Pfeile abschießen kannst. Offene Türen: Staat ist genau wie Wert ein Fetisch, menschengemacht und daher auch von Menschen sowohl zu verändern wie auch grundsätzlich abzuschaffen. Ich bin da voll bei dir. Wenn mich ein Mensch mit Interesse und null Ahnung fragen würde: "Wat meenst'en damit eijentlick: 'Dia leckt dich'?", würde ich vermutlich zuerst an die 28. Fußnote in Marx' Kapital denken: "Es ist mit solchen Reflexionsbestimmungen überhaupt ein eigenes Ding. Dieser Mensch ist z.B. nur König, weil sich andre Menschen als Untertanen zu ihm verhalten. Sie glauben umgekehrt Untertanen zu sein, weil er König ist." (MEW23, S. 72) Ich find's durchaus ehrenhaft von dir, dass du in Bezug auf den Staat auf die eine Seite des Gedankens hinweist: Staat ist nur Staat, weil die Menschen ihn machen. Sie könnten das auch bleiben lassen und es würde keinen Staat geben. Aber ich habe den Eindruck, dass du die andere Seite des Gedankens einfach eskapistisch wegignorieren möchtest: Insofern alle daran glauben, dass der Staat existiert, und sich auch entsprechend verhalten, existiert der Staat tatsächlich als gesellschaftliche Macht, vor der das Individuum im Zweifelsfall so hilflos steht wie der Hartz4-Empfänger vor der SGB-Bürokratie, die Demonstrantin vorm Wasserwerfer oder das Kriegsopfer vor der Militärdrohne. Das ist der düstere Sinn des Fetisch-Begriffs: Die Fetische sind realgeschichtliche Mächte. Und weil sie das sind, ist es schon fast wieder unerheblich, ob die Individuen klar haben, dass man eigentlich alles auch ganz anders machen könnte, wenn wir uns erstmal einig sind. Solange wir uns nämlich nicht einig sind, den Staat in die Tonne zu kloppen oder wenigstens in ein sinnvolleres Institutionengeflecht zu verwandeln, solange bleibt der Staat diese Macht, der alle zu gehorchen haben und die uns in vielerlei Hinsicht echt auf die Eier geht. Es sei denn freilich, man findet irgendwo auf der Welt noch ein Fleckchen, wo man zumindest so tun kann, als gäbe es keine Staaten, weil sich kein Staat näher für dieses Fleckchen interessiert. Das mag für ein Individuum eine echte Option sein, zugestanden, aber es bleibt halt erst einmal privatistischer Eskapismus. Wenn man diese Dialektik der Staatsform akzeptiert, fängt's an komplizierter zu werden: Staaten stellen sich dann ganz wirklich und in echt als sehr komplexe Organisationsschemen der Menschheit dar, die nicht nur in ihren Köpfen existieren, sondern eben als realgeschichtliche Mächte auch in eingeschliffenen Verhaltensweisen der Menschen und in allgegenwärtiger dinglicher Form z. B. als Tatütata-Karosse, Finanzamt-Gebäude oder Sitzfleisch-Parlament. "Erst einmal jedoch wäre die Gesellschaft als universaler Block, um die Menschen und in ihnen, zu erkennen." (Adorno, Gesellschaft, GS8, S. 19) Grundsätzlich bin ich mit dir der Meinung, dass Staat in der heutigen Form verzichtbar ist und die produktiven Leistungen, die über die Staatsbürokratie heute tatsächlich vermittelt werden, auch wieder unmittelbar an "den Menschen" rückgebunden werden könnten. Da das kein einzelner Mensch leisten kann und vermutlich nicht einmal die unterdrückte, aber auch integrierte Mehrheit gegen den Willen der Herrschenden, selbst wenn sich denn diese unterdrückte, aber auch integrierte Mehrheit mal über ein paar Grundsätze einigen könnte, wie man es ganz anders anstellen könnte, sehe ich überall nur falsches Leben, privatistischen Eskapismus und bestenfalls Entwicklungshorizonte auf einen Verein freier Menschen zu. Das bGE könnte m. E. ein solcher Entwicklungshorizont sein. Da ich wie gesagt einfach nicht daran glauben kann, dass man den Urbanisierungstrend umkehren und wirklich gesamtgesellschaftlich zu lokalen Autarkie-Einheiten übergehen kann, würde ich einen anderen Entwicklungshorizont z. B. eher in einer App namens "Planwirtschaft 2.0" sehen. Grundsätzlich ist mit der vernetzten Digitalwelt das Produktionsmittel vorhanden, das ein "jeder nach seinen Fähigkeiten, jedem nach seinen Bedürfnissen" auf weltgesellschaftlicher Ebene erlauben würde. Eine Software könnte Markt und Staat ersetzen, wenn sie alle gesellschaftlichen Ressourcen, Produktivkräfte, Zeithorizonte, Probleme und Bedürfnisse auf eine Weise vermitteln würde, die es allen Einzelnen erlaubt, sinnvoller Teil eines transparenten Ganzen zu sein ohne dass dieses Ganze als fremde Macht und beherrschender Druck empfunden wird. Ich habe daher auch ein völlig schizophrenes Verhältnis zu Datenschutz-Debatten. Einerseits glaube ich, dass NSA und Verfassungsschutz im Zweifelsfall mehr über mich wissen als ich selbst und daher alle Datenschutz-Debatten ohnehin Firlefanz und mit dem Trend zur digitalen Selbstdarstellung offenbar auch der Volksabstimmung mit den Füßen entgegengesetzt sind. Andererseits verstehe und respektiere ich das Bedürfnis der Menschen nach intimen Rückzugsmöglichkeiten, sehe aber grundsätzlicher, dass die sogenannte informationelle Selbstbestimmung ein Produkt des Privateigenums ist, das das Privateigentum gegen das Interesse der Allgemeinheit absichert. Wäre die Menschheit tatsächlich versöhntes Gattungswesen, spräche überhaupt nichts dagegen, dass jedes einzelne Leben noch bis in alle intimsten Details allen anderen Menschen bekannt sein könnte, wenn die sich denn aus was für Gründen auch immer dafür interessieren. Im Gegenteil: Die allgegenwärtige Transparenz der gesamten Menschheit für jeden einzelnen Menschen wäre m. E. eher eine Bedingung der Möglichkeit für einen wirklichen Verein freier Menschen. Nachdem ich das geschrieben habe, befürchte ich Stalker- und sonstwelche Perversionen, letztlich homo homini lupus als grundsätzlichen Einwand und möchte daher sagen: Null Bock gerade, das zu verhandeln. Ich glaube daran, dass die Menschen im Verein freier Menschen wesentlich mehr an ihrem zivilisatorischen Potential interessiert wären als unter Wertverwertungsbedingungen und es daher leichter als heute wäre, mit den individuellen Perversionen innerhalb der Gattung umzugehen. Aber das ist zugegebnermaßen spekulativ und müsste sich realgeschichtlich ohnehin aus den zivilisatorischen Potentialen ergeben, die innerhalb der Wertverwertung herangereift sind. Pappkamerad: In den 13 Jahren als persönliche Assistenz von Schwerstbehinderten habe ich soviel meiner Lebenszeit mit den Toilettengängen anderer Menschen verbracht, dass ich's nichtmal vage quantitativ abschätzen kann. Soll ich dir Bilder davon malen, welche Kontaktarten ich zu Exkrementen und anderen Körperflüssigkeiten anderer Menschen gehabt habe? Auch laufe ich gerne barfuß herum, solange es im viel zu kalten Bremen warm genug ist. Die "äh-bäbä-igittigitt"-Blicke der Spießerfraktionen auf meine chronisch schwarzen Fußsohlen sind kaum zum Aushalten. Ja, viele Städter haben echt ein problematisches Verhältnis zu Dreck. Gut, ich habe keinen biographischen Bezug zum Erzdreck von Bergleuten, zum Öldreck von Mechanikern oder zum Teerdreck von Bauarbeitern. Aber du wirst wohl kaum von dir behaupten können, dass du dich schon in allen Formen von Dreck gewälzt hättest, oder? Zumindest den Dreck einer 25.000-Hähnchen-pro-Monat-Produktionsstätte habe ich bei Gelegenheit im Tätigsein für den widerwärtigen Fleisch-Produktionsprozess tief in meine Lungen gesogen. Soll heißen: Deinen "Die wollen sich nicht schmutzig machen"-Schuh ziehe ich mir nicht an, sondern tanze lieber barfüßig in der dampfenden Kacke. Und das ist kein bisschen metaphorisch gemeint, sondern in Bezug auf Hühnerkacke schon passiert. Auch habe ich durchaus meine Interessen an der Wissenschaft der Natur, z. B. einen halbwegs guten Überblick über die moderne Physik. Quantenphysik finde ich insbesondere mit Blick auf spirituelle Fragen echt spannend. Ich habe auch mal drei Semester Technomathematik mit Nebenfach Elektrotechnik studiert, für einen Nicht-Informatiker überdurchschnittliche Programmierkenntnisse und einiges an Do-It-Yourself-Erfahrungen. Deine Vorstellung von "dem" Philosophen ist schlicht ein Vorurteil. Solltest du so etwas sagen wollen wie "behalte dein Blabla für dich, spam mich nicht zu und fang lieber mal an, das Gemüsebeet umzugraben" würde ich dich höflich an des King of Pop 'Man in the mirror' (vgl. http://youtu.be/90C-Wx_uGdM ) und ans Greifen an die eigene Nase gemahnen und im Weiteren für freundliche gegenseitige Ignoranz plädieren wollen. Du bist ja ohnehin frei, diese Zeilen nicht zur Kenntnis zu nehmen. Ich würde allerdings vermuten, dass unsere Behakelei eher nach dem Sprichwort 'was sich neckt, das liebt sich' darauf verweist, dass wir uns sympathischer sind als wir tun. Mir macht's auch ein bisschen Freude und ich finde es durchaus klärend in ein paar grundsätzlicheren Sichtweisen. Aber wir wandeln auf einem schmalen Grat zum offtopic-Gequatsche. Im Rahmen der Mailingliste würde ich mich lieber in nächster Zeit erstmal auf das von Verena Nedden ausgearbeitete Konzept fokussieren wollen. Da es inhaltlich sehr konkret konzipiert ist und offenkundig ein paar Grundüberzeugungen von mir auf die Probe stellt, scheint mir eine Auseinandersetzung damit sinnvoller und herausfordernder als ein Verhandeln über den Begriff der 'wahren Arbeit' jenseits der Arbeit als Anwendung der Ware Arbeitskraft oder über den Begriff der 'wahren Gemeinschaft' jenseits von Staats- und Wertformierungen der vergesellschafteten Menschen. Da mich zudem private Gegebenheiten ohnehin eher wieder von der neuen Sucht bGE abziehen, würde es mich freuen, wenn du wenigstens meinem Vorschlag zur Güte nach dem Motto 'ach Bert, passt schon' beipflichten könntest. ;o) Liebe Grüße, Bert Grashoff Am 21.08.2014 17:54, schrieb willi uebelherr: > > Hallo Bert, > > "das Recht auf Faulheit" ist fuer mich ein Grundrecht. Neben dieser > Schrift von Paul Lafargue, dem Schwiegersohn von Karl Marx, habe ich > noch einige andere auf meiner grossen Reise dabei. "Die Ezyklopaedie > der Faulheit" von Wolfgang Schneider, "die Rede an den kleinen Mann" > von Wilhelm Reich, "kein frieden um Israel" von Walter Hollstein und > natuerlich das kommunistische Manifest. > > Alte und neue Schriften. Das Zitat von Lao Tse habe ich aus dem Buch > "Die Ezyklopaedie der Faulheit". Es geht nicht um Nichts-Tun, sondern > um den Raum zur Reflektion, zum Nachdenken, zur Musse. Und wir sollten > uns im klaren sein: wenn wir den Unsinn von heute aufloesen und die > notwendigen Arbeiten auf fast alle verteilen, auch Angelika Merkel und > Frank-Walter Steinmeier und Bert Grashof, dann reduziert sich der > mittlere Aufwand auf 4-8 Stunden pro Woche. Dann bleibt genug Zeit, um > im Buero zu sitzen und den ganzen Tag aus dem Fenster zu schauen oder > sich hinter Monitor und Papierstapeln zu verstecken. > > > Vom Grundprinzip her dürfte das Gespenst einer galoppierenden > > Inflation aber vermutlich durchaus plausibel sein. Als Konsequenz > > ergibt sich daraus für Verfechter eines bedingungslosen > > Grundeinkommens m. E.: > > > > 1. Es macht keinen Sinn, die Höhe eines bedingungslosen > > Grundeinkommens monetär zu bestimmen... > > > > 2. ... macht es eigentlich gar keinen Sinn, sich über eine > > Gegenfinanzierung des bedingungslosen Grundeinkommens einen großen > > Kopf zu machen... > > Die wesentlichen Massnahmen nennst du nicht. > > a) Wenn wir ein Geldsystem wollen, dann schaffen wir eines, das wir > selbst kontrollieren. > > b) Indem wir mehr und mehr die Grundbereiche der "materiellen > Reproduktionsbedinngungen" aus der Geldsphaere entfernen, also die > anti-Kapitalisierung des Lebens, reduziert sich die Geldsphaere auf > Randbereiche. > > Und wofuer brauchen WIR einen Staat? > > Das musst du mir erklaeren. Strassen bauen, die Wassersysteme > organisieren, dezentrale Versorgung mit elektrischer und thermischer > Energie? Dafuer brauchen wir keinen Staat. Dafuer brauchen wir > creative, konstruktive und produktive Menschen. All das, was die > Kinder in sich tragen, wenn sie nicht zur Schule gehen. > > Klar. Mit polit-Funktionaeren, mit Gewerkschaftsfuersten, mit > Buerokraten und pseudo-Philosophen geht das nicht. Die wollen sich > nicht schmutzig machen, nicht nachdenkebn, nicht die Schwere des > Verstehen der Wissenschaft der Natur auf sich nehmen. Sie sind > erwaehlt fuer leere Phrasen und sinnloses Geschwaetz. Billiges Theater. > > mit lieben gruessen, willi > Popayan, Colombia > > > > Am 20/08/2014 um 11:25 schrieb unversoehnt: >> Hallo, >> >> wer auch immer für die Moderation der Mailingliste zuständig ist: Mich >> würde noch immer interessieren, wie groß x =mpfangspersonen der >> Mailingliste ist. Ansonsten weiß ich die moderierende Tätigkeit durchaus >> zu schätzen, möchte aber dennoch meinem Unmut darüber Ausdruck >> verleihen, dass mir das Verfahren nicht sehr übersichtlich zu sein >> scheint. Trotzdem: Danke für die Mühe. >> >> Der Beitrag von Ernst Ullrich Schultz zum Thema Konsumsteuer versus >> Kapitalsteuer hat mir glaube ich verständlich gemacht, woher die >> Inflationsangst der Leute um Flassbeck resultieren könnte. Ich finde es >> wahrscheinlich, dass ein bedingungsloses Grundeinkommen zumindest >> mittelfristig, wenn auch vielleicht nicht im Chaos der Einführungsphase, >> die Gesamtproduktivität der Gesellschaft erhöhen würde. Dass sich alle >> nur auf ihrer faulen Haut ausruhen wollen würden, kann ich mir nicht >> vorstellen, jedenfalls nicht für Deutschland, wo das Arbeitsethos viel >> zu stark kulturgeschichtlich verankert ist. Zudem würden sich viele >> Menschen in der staatlichen Sozialverwaltung und unter Umständen auch >> Steuerberater nach neuer Arbeit umgucken müssen, die nur produktiver >> sein kann als alles, was sie heute so tun. Das ungenutzte >> Produktivitätspotential einer vom Druck zum Verkauf befreiten Ware >> Arbeitskraft würde ich quantitativ als gigantisch einschätzen. Die >> Gesellschaft würde von sozialpsychologischen Folgekosten der >> Drangsalierung der Arbeiterklasse befreit werden. Und in den >> unangenehmen Tätigkeitsfeldern ergäbe sich ein Rationalisierungs- und >> Automatisierungsdruck, der wiederum zum Produktivitätswachstum führen >> würde. Die für die Inflationsangst stark gemachten Argumente bei >> Flassbeck und Co., auch die Produktiven würden sich in die Hängematte >> legen, überzeugen mich deshalb nicht einmal im Ansatz. >> >> Der Beitrag von Ernst Ullrich Schultz aber lässt sich so interpretieren, >> dass es egal ist, wie man's dreht und wendet, das Kapital bleibt immer >> der Gewinner. Frei nach Jurrasic Park: Das Kapital findet einen Weg. >> Stellen wir uns mal vor, wir bekommen ein bedingungsloses Grundeinkommen >> politisch umgesetzt, das so oder so unmittelbar nur durch Umverteilung >> von oben nach unten finanziert werden könnte, ein von Kapitalseite >> finanzierter faschistischer Putsch unterbleibt, aber die Deutsche Bank >> postuliert weiterhin stellvertretend für alle Kapitaleigner einen >> Renditeanspruch von 25 % im Jahr, der über eine entsprechende >> Preispolitik über alle Branchen hinweg durchgepeitscht wird. Inflation >> halt. >> Aus Sicht eines parlamentarischen Souveräns, der ein bedingungsloses >> Grundeinkommen ernsthaft will, müsste das bedingungslose Grundeinkommen >> unmittelbar wieder angehoben werden, die Gewerkschaften müssten >> ebenfalls auf Lohnerhöhungen bestehen, das Kapital weiterhin auf seinem >> Renditeanspruch, die Preise würden noch weiter steigen etc. pp. >> Galoppierende Inflation. Die würde zum Stillstand kommen, wenn >> mindestens eine der drei Parteien nachgibt oder sich die >> Gesamtproduktivität der Gesellschaft derart entfesselt, dass alle drei >> Parteien das erhalten, was sie haben wollen. >> >> Ist vielleicht ein etwas simples Bild, ich bin kein Ökonom. Insbesondere >> die Spiele, die das Kapital in den Finanzsphären spielt, sind mir so >> durchsichtig nicht gerade. Grundlegend gegen solche Befürchtungen ließe >> sich einwenden, dass das Kapital nicht ein Subjekt ist, sondern in viele >> Einzelkapitalien mit durchaus unterschiedlichen Interessen zerfällt. >> Denkbar auch, dass die bereits heute vorhandenen >> Überproduktionskapazitäten das Problem sowieso null und nichtig >> erscheinen lassen, weil wir uns ja eher in einer deflationären Phase >> befinden. Auch gut möglich, dass die hörigkeitsgläubigen Deutschen >> einfach schlucken, was der Souverän entscheidet und sich einfach >> produktiv in die neuen Rahmenbedingungen fügen. Da ich persönlich keine >> Kapitalisten kenne, kann ich nicht im Ernst beurteilen, ob deren >> Selbstbewusstsein so aufgebläht ist, dass sie sich schon aus Prinzip als >> über dem Souverän stehend empfinden. Das wird von radikalen Linken zwar >> immer gemutmaßt, aber empirisch beurteilen kann ich's fürs Hier und >> Jetzt zumindest nicht. >> >> Vom Grundprinzip her dürfte das Gespenst einer galoppierenden Inflation >> aber vermutlich durchaus plausibel sein. Als Konsequenz ergibt sich >> daraus für Verfechter eines bedingungslosen Grundeinkommens m. E.: >> >> 1. Es macht keinen Sinn, die Höhe eines bedingungslosen Grundeinkommens >> monetär zu bestimmen. Sinnvoller ist eine Bestimmung über repräsentative >> Warenkörbe, deren Preise gesetzlich am besten mit der >> Aktualisierungsgeschwindigkeit der Frankfurter Börse automatisch die >> monetäre Ausschüttungshöhe des bedingungslosen Grundeinkommens >> bestimmen. Das wäre eine Geste des Souveräns an die Finanzmärkte nach >> dem Motto: Wir meinen das schon ernst und lassen uns da nicht von euch >> verarschen. >> >> 2. Wenn die Inflation mit der Einführung eines bedingungslosen >> Grundeinkommens tatsächlich ohnehin befürchtet werden muss, macht es >> eigentlich gar keinen Sinn, sich über eine Gegenfinanzierung des >> bedingungslosen Grundeinkommens einen großen Kopf zu machen. Warum dann >> nicht gleich dazu übergehen, das bedingungslose Grundeinkommen über eine >> Geldmengenerhöhung durch die EZB zu finanzieren? Klar, weil sich das in >> Deutschland nicht verkaufen lässt und die EZB formell eigenständig >> agiert. Aber solange die Debatten ohnehin theoretisch bleiben, scheint >> mir das zumindest eine berechtigte Frage zu sein. Soll heißen: Es würde >> mich interessieren, ob irgendjemand dazu etwas Profundes sagen kann. >> >> >> In seinem anderen Beitrag schrieb Ernst Ullrich Schultz: "Vor einiger >> Zeit schlug ich in diesem Forum ein soziales Netzwerk vor, dass sich die >> Einführung eines BGE durch einen gemeinsamen Fonds auf freiwilliger >> Basis, aber mit verbindlichen Absprachen, vornimmt. Das Echo war mehr >> als dürftig." >> >> Finde ich kein Wunder. Das ist ein privatistischer Vorschlag ohne jede >> gesellschaftliche Durchschlagskraft, der zudem voraussetzt, dass es >> unter den Verfechtern eines bedingungslosen Grundeinkommens eine Menge >> Vermögensbesitzer gibt, die so einen Fond füttern können und wollen. Das >> ist eine Voraussetzung, die ich nicht sehr plausibel finde, eher gar >> nicht plausibel. Zudem entsprechen "verbindliche Absprachen" nicht dem >> Konzept der Bedingungslosigkeit. >> >> Ebenso ist der Vorschlag für ein bedingtes Grundeinkommen von Peter Baum >> daran zu erinnern, was die Essentials des Netzwerk Grundeinkommens sind: >> "Ein Grundeinkommen ist ein Einkommen, das eine politische Gemeinschaft >> bedingungslos jedem ihrer Mitglieder gewährt. Es soll >> >> * die Existenz sichern und gesellschaftliche Teilhabe ermöglichen, >> * einen individuellen Rechtsanspruch darstellen sowie >> * ohne Bedürftigkeitsprüfung und >> * ohne Zwang zu Arbeit oder anderen Gegenleistungen garantiert >> werden." (vgl. https://www.grundeinkommen.de/die-idee ) >> >> Gegen die Bedürftigkeitsprüfung wird unter anderm Art. 1 GG ins Feld >> geführt: Sie ist würdelos. Und zwar so sehr, dass es heute verdeckte >> Armut in relevantem Ausmaß gibt, Leute, die eigentlich Anspruch auf >> Hartz4 hätten, aber ihn nicht geltend machen. Und Hartz4 ist schon >> kläglich. Zudem gibt's technische Gründe: unnötiger Verwaltungsaufwand >> der Sozialbürokratie für Bedarfsprüfungen. Dann die gesamte >> Kombilohnproblematik. Nicht zuletzt wäre ein Grundeinkommen auch eine >> wichtige Stütze für die vom Kapital zunehmend in die Zange genommene >> Arbeiterklasse. Substanziell scheint mir aber vor allem der Grundstock >> an materieller Gleichheit durch ein bedingungsloses Grundeinkommen >> wichtig: Alle würden sich als von der Gesellschaft materiell akzeptiert >> und gehalten fühlen können. Alle hätten somit auch ein ganz neues >> Urvertrauensverhältnis zur Gesellschaft. Mit einem bedingten >> Grundeinkommen kann man das vergessen. >> >> >> Und dich, lieber Willi, möchte ich dann doch noch einmal ein wenig zum >> Nachdenken über deinen laxen Gebrauch des Parasiten-Begriffs bewegen. >> Dass ich ihn inhaltlich nicht sehr plausibel finde, hatte ich ja in dem >> Wertbestimmungs-Beitrag erläutert. Dass ich ihn aber auch widerlich >> finde, möchte ich dann doch noch einmal hinterherschicken und vor allem >> mit seinem geschichtlichen Gebrauch begründen, vgl. >> http://de.wikipedia.org/wiki/Wirtsvolk >> >> Du hattest in deinem Beitrag an Pius geschrieben: >> "Rollen wir doch mal die Sache anders herum auf. Wozu Abgaben? Wofuer >> brauchen wir Agaben, egal ob Lenkungsabgaben oder Steuern, Zoelle, >> Zinsen? >> >> Es gibt nur einen Grund und hat in unserer Geschichte immer nur einen >> Grund gegeben: Um jene zu tragen, direkt oder indirekt wertbestimmt, die >> nichts zur Schaffung von Werten beitragen. Die also nur ge- oder >> verbrauchen. Parasiten eben." >> >> Das "nur" im vorletzten Satz macht nicht einmal Sinn für wirklich >> drakonische urgeschichtliche Autokraten: Wieviele antike Bauten ziehen >> heute das Interesse großer Touristenströme an, obgleich oder sogar weil >> sie ohne die blutige Herrschaft von menschenschindenden Despoten nie >> erschaffen worden wären? Rennaissance-Fürsten oder dem aufgeklärten >> Absolutismus lässt sich bei allen Schweinereien eine Menge Positives >> abgewinnen. Die Vielfalt heutiger Staatsfunktionen triffst du schon >> überhaupt nicht: Willst du sagen, dass der staatliche Straßenbau nur >> einen Verbrauch der Staatsbürokratie darstellt und nicht auch eine >> Leistung für die Allgemeinheit? Guck dir vielleicht mal die Entwicklung >> des Verhältnisses der Beschäftigten in den drei Sektoren an: >> https://www.destatis.de/DE/ZahlenFakten/Indikatoren/LangeReihen/Arbeitsmarkt/lrerw013.html >> >> >> Wenn ich dich richtig verstehe, ist der übergroße Teil der >> Erwerbspersonen, nämlich die Dienstleister, deiner Meinung nach >> letztlich auch parasitär. Ganz im Ernst: Ich kann gar nicht verstehen, >> warum du dich in dieser Mailingliste tummelst. Ein bedingungsloses >> Grundeinkommen wäre auch Recht auf Faulheit, also ein Freifahrtschein >> für alle möglichen Leute, die kein Bock auf schaffen, schaffen, schaffen >> haben, sondern lieber andere arbeiten lassen. Klar, die gibt's auch >> heute en masse. Aber wieso sich dafür einsetzen? Würde mich >> interessieren. >> >> >> Naja, soviel "Kritik im Handgemenge" (MEW1, S. 381) muss dann auch >> erstmal reichen, liebe Grüße, >> >> Bert Grashoff >> > From unversoehnt at gmx.de Sun Aug 24 23:47:35 2014 From: unversoehnt at gmx.de (unversoehnt) Date: Sun, 24 Aug 2014 23:47:35 +0200 Subject: [Debatte-Grundeinkommen] =?utf-8?q?galoppierende_Inflation=2C_Gel?= =?utf-8?q?dmenge=2C_Zweifel_am_Paradigma_=C3=B6konomischer_Kontrolle?= In-Reply-To: References: <53F4CBFC.1080207@gmx.de> Message-ID: <53FA5D77.3020802@gmx.de> Hallo Manfred, deine Beiträge finde ich gut. Von Geldmengentheorie habe ich einfach echt keinen Plan, letztlich auch nicht vom aktuellen Stand der gesellschaftlichen Gesamtreproduktion. Wäre perspektivisch eine Hausaufgabe, wenn ich denn am Ball bleibe. Wenn denn eine wirklich ökonomische Beurteilung der politischen Forderung nach einem bGE von mindestens 1.000 Euro heutiger Kaufkraft versucht werden soll, ginge es wohl grundsätzlich darum, auf einer wertstofflichen Ebene zu verstehen, was eine Verschiebung der Wertmenge von oben nach unten und von der fordistischen Produktionssphäre fort in die soziale und kulturelle Produktionssphäre innerhalb der dynamischen Systemzusammenhänge für Folgen hätte. Wie groß sind z. B. die gesellschaftlichen Überproduktionskapazitäten, die heute einfach deshalb nicht genutzt werden, weil es keine werthaltige Nachfrage gibt? Welche Automatisierungspotentiale bleiben nur deshalb ungenutzt, weil Arbeit halt billiger ist oder weil Arbeit systemisch ja auch zur Absicherung des sozialen Friedens bis zu einem gewissen Grad einfach integriert werden muss? Wieviele Arbeitsplätze würden in der Sozialbürokratie und bei einem einfach-transparenten Steuermodell auch in den Buchhaltungen und bei den Steuerberatern einfach überflüssig werden? Gibt's denn nicht irgendwelche marxistischen Volkswirtschaftler, die sich dieser Aufgabe stellen? Ansonsten hast du freilich recht: Prognosen sind schwierig, insbesondere wenn sie sich auf eine grundlegend veränderte Zukunft beziehen. Die Auswirkungen auf das Verhältnis von Kapital und Arbeit lassen sich meines Erachtens realistisch überhaupt nicht beurteilen. Die Idee von der Initiative um Götz Werner, alle Löhne zur Stunde Null einfach um die Höhe des bGE zu kürzen, halte ich für eine Schapsidee, die sich gar nicht darüber bewusst ist, dass es auch Klassenkampf von unten gibt und auf der Grundlage eines bGE zu völlig anderen Konditionen. Ist irgendwie lustig: Dass die organisierte Arbeiterschaft auf Grundlage des bGE mal ernsthaft die Arme verschränkt und monetäre Forderungen stellt, ist schon gar keine Denkmöglichkeit mehr. Götz Werner scheint sich das einfach humanistisch umzudenken: Geht ja eher um die Art und Weise des Miteinanders füreinander. Wen juckt Geld? Das finde ich voll sympathisch, aber ökonomisch dann ja leider auch wieder gaga. Ich glaube auch nicht, dass man sich bloß von der Steuerarithmetik an die Sache herantasten kann. Letztlich geht's um eine Kulturrevolution, um eine Revitalisierung der Idee des dritten Wegs, der sozialen Marktwirtschaft und im besseren Fall um die Transformation kapitalistischen Wirtschaftens zu einem Wohlfahrtswirtschaften, weshalb es fragwürdig ist, das überhaupt rein ökonomisch betrachten zu wollen. Gut, ich bin noch nicht sehr tief in die ganze Materie eingestiegen, aber ich würde jetzt erstmal als Arbeitsthese für mich festhalten, dass letztlich jeder Designvorschlag für ein bGE eher agitatorischen als ökonomisch vernünftig begründbaren Charakter hat. Meine Überlegungen waren zugegebenermaßen völlig laienhaft und sollten eigentlich nur ein gewisses Problembewusstsein schärfen, insbesondere für die Möglichkeit, dass ein bGE unter Klassenkampfbedingungen auch voll nach hinten losgehen könnte, da es ja mit einer tendenziellen Abschaffung der bestehenden Sozialsysteme einhergehen würde. Im Dilthey-Modell wird ja nicht ganz zu Unrecht gefordert, das bGE der Höhe nach an das wertmäßige gesellschaftliche Gesamtproduktionsvolumen zu koppeln, weil abgesehen von den immensen stofflich aufgehäuften Reichtümern halt wertmäßig nur verteilt werden kann, was auch wertmäßig produziert wird. Das erscheint mir ökonomisch vernünftig und politisch unvernünftig. Was mich z. B. sozialpsychologisch auch ernsthaft wundert: Nur mal so nebenbei habe ich hier und da Bemerkungen über Auswirkungen auf die Familienführung gelesen. Scheint kaum ein Thema in der Debatte zu sein. Dabei finde ich es relativ offensichtlich, dass ein bGE eine echte Antwort auf das ja immer mal wieder ziemlich heftig in den Mainstream-Debatten problematisierte Phänomen der 'aussterbenden Deutschen' zumindest sein könnte, also sich die Angst vorm Kinderkriegen mehr oder weniger in Luft auflösen würde. Bei einem bGE in relevanter Höhe auch für Kinder hätte man ja einen krassen Anreizeffekt. Allein dieser Anreizeffekt ist ökonomisch schon wieder überhaupt nicht beurteilbar. Wieviele Schulen, Lehrer, Kinderärzte etc. brauchen wir denn dann demnächst? Ansonsten bleibe ich wohl bei meinem Bauchgefühl, zu dem sich hier bislang niemand geäußert hat: Eine nach Grund-/Normal-/Luxusbedarf gestaffelte Konsumsteuer plus Kapitalisierungssteuer scheint mir zumindest erstmal die klarste Formulierung für das, was ich mir verteilungstheoretisch zur Gegenfinanzierung von Staat, Sozialsystemen und bGE wünschen würde. Verena Nedden behauptet aber fachlich fundiert, dass die Steuerprogression heute eigentlich eine Chimäre ist, bloß ein paar Prozentpünktelchen. Im Gegenteil gibt es aus Hartz4-Kombilohn-Perspektive eine drastische Steuerdegression, voll absurd. Ich habe ja ohnehin keinen Hehl daraus gemacht, dass ich das ganze Konzept von Wert und Privateigentum fürn Arsch und für geschichtlich ein bisschen überfällig lange durch- und ausagiert halte. Insbesondere wenn man klar hat, dass mindestens international die Frage des Privateigentums eine um Leben, Tod, Sklaverei, Krieg und Ökokatastrophe ist. Da muss doch auch noch mal was ganz anderes gehen. Liebe Grüße, Bert Grashoff Am 24.08.2014 00:00, schrieb Manfred Bartl: > Hallo, Bert! > > Es war wohl richtig, global auf Deine Ausführungen zur Inflation > einzugehen, die ich irgendwann nicht mehr lesen wollte, weil es eben > noch lange keine Inflation (also Geldentwertung) gibt, bloß weil sich > die Preisspirale dreht. Steigende Preise sind keine Inflation, solange > die Kaufkraft gleich schnell steigt! > > Beim zweiten Überfliegen finde ich auf einmal, dass Du mit Deinen > Forderungen teilweise schon weiter bist als bei Deinen Prämissen ;-) > > Punkt 1 ist absolut richtig! Dasselbe Argument hatte ich gebracht ;-) > Wenn man heute den Vorschlag macht, "das BGE soll 1000/1500 Euro > betragen", dann meint man damit AUSCHLIESSLICH die HEUTIGE Kaufkraft > von 1000/1500 Euro - nicht etwa 1000/1500 Euro im Wirtschaftssystem > "Bedingungsloses Grundeinkommen"! Die lässt sich m.E. beim besten > Willen nicht berechnen. Darum sind für mich alle "durchgerechneten > BGE-Modelle" in dieser Hinsicht wertlos, weil sie etwas vorgaukeln, > nämlich die Berechenbarkeit, die Kontrollierbarkeit im Sinne eines > Zauberlehrlings, der die Geister wieder loswerden könnte, die er > gerufen hatte. Die meisten dieser Modelle können durchaus etwas > aufzeigen, aber genau DAS ist ihr Wert, nicht das Durchrechnen > insgesamt! > > Punkt 2 ist insofern richtig, als es in der Tat keinen Sinn macht, > sich über die "Gegenfinanzierung" des bedingungslosen Grundeinkommen > irgendeinen Kopf zu machen. Das BGE ist ein bloßes Verteilungsmodell > für den essenziellen Teil des Nationaleinkommens - nämlich dem für die > Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums aller in > Deutschland am Wirtschaften beteiligten Menschen dienenden, etwa die > Hälfte des Nationaleinkommens umfassenden Anteil - und zwar ein > gerechtes Modell! Der Vorteil des BGE ist ja nicht in erster Linie der > eines effizienteren Wirtschaftssystems (auch wenn es das tatsächlich > ist), sondern der eines GERECHTEREN Wirtschaftssystems! Wenn man sich > also vergegenwärtigt, dass der zur Finanzierung des BGE benötigte > monetäre Einsatz per "Maschinensteuer" aus der Wertschöpfung der > Unternehmen generiert wird und praktisch unmittelbar in die Wirtschaft > zurückfließt, dann erkennt man sehr schnell, dass man sich darüber > keinen Kopf machen muss ;-) > > Nur die Begründung über eine Inflation ist halt - meiner Meinung nach > - grundlos bzw. falsch. > > Übrigens: Ich habe Karl-Heinz Brodbeck nach seiner Vorstellung des BGE > befragt und sein Tenor war sehr interessant: BGE überhaupt nicht als > Geld auszuzahlen oder auch nur als geldwerte Ware auszugeben, sondern > die Produkte des täglichen Lebens marktfern zu produzieren und geldlos > abzugeben ;-) > > Mit solidarischen Grüßen > > Manfred > > > > On 8/20/14, unversoehnt wrote: >> Vom Grundprinzip her dürfte das Gespenst einer galoppierenden Inflation >> aber vermutlich durchaus plausibel sein. Als Konsequenz ergibt sich >> daraus für Verfechter eines bedingungslosen Grundeinkommens m. E.: >> >> 1. Es macht keinen Sinn, die Höhe eines bedingungslosen Grundeinkommens >> monetär zu bestimmen. Sinnvoller ist eine Bestimmung über repräsentative >> Warenkörbe, deren Preise gesetzlich am besten mit der >> Aktualisierungsgeschwindigkeit der Frankfurter Börse automatisch die >> monetäre Ausschüttungshöhe des bedingungslosen Grundeinkommens >> bestimmen. Das wäre eine Geste des Souveräns an die Finanzmärkte nach >> dem Motto: Wir meinen das schon ernst und lassen uns da nicht von euch >> verarschen. >> >> 2. Wenn die Inflation mit der Einführung eines bedingungslosen >> Grundeinkommens tatsächlich ohnehin befürchtet werden muss, macht es >> eigentlich gar keinen Sinn, sich über eine Gegenfinanzierung des >> bedingungslosen Grundeinkommens einen großen Kopf zu machen. Warum dann >> nicht gleich dazu übergehen, das bedingungslose Grundeinkommen über eine >> Geldmengenerhöhung durch die EZB zu finanzieren? Klar, weil sich das in >> Deutschland nicht verkaufen lässt und die EZB formell eigenständig >> agiert. Aber solange die Debatten ohnehin theoretisch bleiben, scheint >> mir das zumindest eine berechtigte Frage zu sein. Soll heißen: Es würde >> mich interessieren, ob irgendjemand dazu etwas Profundes sagen kann. From ninayagami at web.de Mon Aug 25 05:07:18 2014 From: ninayagami at web.de (Nina Yagami) Date: Mon, 25 Aug 2014 05:07:18 +0200 Subject: [Debatte-Grundeinkommen] Weltsituation Message-ID: Ein Dateianhang mit HTML-Daten wurde abgetrennt... URL: From wube at gmx.net Tue Aug 26 02:14:53 2014 From: wube at gmx.net (willi uebelherr) Date: Mon, 25 Aug 2014 19:14:53 -0500 Subject: [Debatte-Grundeinkommen] galoppierende Inflation In-Reply-To: References: <53F4CBFC.1080207@gmx.de> <53F61630.1020305@gmx.net> Message-ID: <53FBD17D.8020008@gmx.net> Lieber Manfred, in deinen beiden Argumenten deiner Antwort liegt ein tiefer Widersprich. Zuerst referenzierst du die Machtlosigkeit der Menschen, um dann sie selbst zum machthabenden Souveraen zu erklaeren. Aber das funktioniert nicht. Ich denke, wir sind uns im Klaren, dass wir, wenn wir ein Geldsystem benutzen wollen, dieses auch selbst gestalten muessen. Da fuehrt ja kein Weg vorbei. Und den meisten Menschen geht es wie den sogenannten Experten: sie nutzen es, ohne es komplett zu verstehen. Insofern muessen sie alle sich damit beschaeftigen. Fuer mich ist die Frage nach der Selbstbestimmung erst mal keine Machtfrage, sondern eine Frage des Wollens. Erst dann, etwas spaeter, kann es vielleicht an deiner "Machtfrage" etwas kratzen. Aber direkt verhindert kann es nie. Diese Zeiten sind explizit vorbei. Das ist uebrigens auch mein Hinweis, warum wir, wenn wir um das geldbasierte bGE diskutieren, uns wenig um die Finanzierungsfragen kuemmern muessen. Wir muessen uns mehr darum kuemmern, dass alle Menschen verstehen, dass es um die grundsaetzliche, also bedingungslose Sicherung der sozialen und materiellen Existenz aller Menschen geht. Und nur in Geldsphaeren es die Form eines bGE annimmt. Worum wir uns allerdings kuemmern muessen ist die Balance von Konsumtion und Produktion. Wir koennen immer mehr produzieren als wir brauchen. Aber nie umgekehrt. Zum Staat. Hier zeigst du ploetzlich eine merkwuerdige Naivitaet, die ich dir nie unterstellt haette. Bist du wirklich der Meinung: "wir sind der Staat"? Mein lieber Manfred, wir sind hier nicht in der Vorschule. Du hast einen sehr klaren Blick fuer deine Umgebung, deine Seinsbedingungen. Aber mit dieser Aussage wirst du ploetzlich religioes. Menschen existieren. Wir. In unseren Lebensraeumen. Wir sind eingebettet in unsere realen sozialen Verhaeltnisse. Aber der Staat? Wie sieht der aus? Grune oder rote Haare, vielleicht ein Monster, ein Dinosurier aehnliches Gebilde? Das ist ja wie im Christentum. Fuer sie gibt es einen Gott, der da oben irgendwo auf den Wolken herum schwebt. Mit weisem Bart und langen weissen Haaren. Glaubst du wirklich an solche Geschichten? Da ist mir der Islam, obwohl ich Unglaeubiger bin, doch deutlich sympathischer. Allah, die Natur, das Universum, die Wahrheit. Das macht Sinn. Die Moscheen sind alle leer. Raeume des Nachdenkens, des Fragens, der Meditation. Gerne besuche ich Moscheen. Ich verwende den Ausdruck "Pachamama", die Mutter Erde, oder die Mutter Natur. Ich brauche keine Goetter, keine Theologien, keine Dogmatik. Und du auch nicht. Reale Wesen koennen nicht gleichzeitig irreale Wesen sein. Die Logik laesst dies nicht zu. Unsere Logik. Staaten sind Vorstellungen, ideelle Gebilde. Wie alle derartigen Religionskonstrukte sind sie der kritischen Logik hilflos ausgeliefert. Sie zerbroeseln, zerfallen, loesen sich auf. Wir sehen Menschen, die unter bezug auf den Staat maechtig aktiv sind. Viel reden und schreiben. Aber all das hat keine Substanz. Deswegen organisieren sie Abwehr. Die Staatsfeinde. Die gab es nicht nur in Deutschland unter Adolf Hitler, in Italien unter Benito Mussoloni und in Spanien unter Francisco Franco. Schon im imperialen Rom, der Geburtstaette des Staates, wurden die Staatsfeinde konstruiert. Und geschlachtet. Staaten sind parasitaer. Immer. Mit allen ihren Einrichtungen. Und sie erzwingen dies auch, wie wir es in den Laenderverfassungen in Deutschland zu den oekonomischen Aktivitaeten der Gemeinden sehen. Menschen wollen eigentlich kreativ, konstruktiv und produktiv sein. Sie lieben es, zu gestalten. Und, wie soll dies nun "Eines" sein? mit lieben gruessen, willi Popayan, Colombia Am 23/08/2014 um 17:05 schrieb Manfred Bartl: > Hallo, Willi! > > On 8/21/14, willi uebelherr wrote: >> a) Wenn wir ein Geldsystem wollen, dann schaffen wir eines, das wir >> selbst kontrollieren. > > Eigentlich selbstredend. Ist halt eine Frage der Macht, erst einmal zu > erkennen, dass es sich aktuell nicht so verhält und wie man das > ändert. > >> b) Indem wir mehr und mehr die Grundbereiche der "materiellen >> Reproduktionsbedinngungen" aus der Geldsphaere entfernen, also die >> anti-Kapitalisierung des Lebens, reduziert sich die Geldsphaere auf >> Randbereiche. > > Sehr gut! Das ist ja quasi Brodbeck! :-) > >> Und wofuer brauchen WIR einen Staat? >> >> Das musst du mir erklaeren. Strassen bauen, die Wassersysteme >> organisieren, dezentrale Versorgung mit elektrischer und thermischer >> Energie? Dafuer brauchen wir keinen Staat. Dafuer brauchen wir creative, >> konstruktive und produktive Menschen. All das, was die Kinder in sich >> tragen, wenn sie nicht zur Schule gehen. > > Ich bin zwar irgendwo auch (?) Anarchist, aber das musst Du mir mal > erklären, wie sich "der Staat" von sowas wie "kreativen, konstruktiven > und produktiven Menschen" unterscheidet. In meinen Augen ist das - > solange es den Anarchismus noch nicht gibt - ein und dasselbe ;-) > > Mit solidarischen Grüßen > Manfred From kh.stammberger at web.de Tue Aug 26 10:54:07 2014 From: kh.stammberger at web.de (kh.stammberger at web.de) Date: Tue, 26 Aug 2014 10:54:07 +0200 Subject: [Debatte-Grundeinkommen] galoppierende Inflation In-Reply-To: References: <53F4CBFC.1080207@gmx.de> <53F61630.1020305@gmx.net>, Message-ID: Ein Dateianhang mit HTML-Daten wurde abgetrennt... URL: From unversoehnt at gmx.de Tue Aug 26 20:21:33 2014 From: unversoehnt at gmx.de (unversoehnt) Date: Tue, 26 Aug 2014 20:21:33 +0200 Subject: [Debatte-Grundeinkommen] galoppierende Inflation, Inflationsbegriff In-Reply-To: References: <53F4CBFC.1080207@gmx.de> Message-ID: <53FCD02D.5040107@gmx.de> Hallo Manfred, mal abgesehen davon, dass Willi wohl recht hat und es eher darum ginge, die vom bGE nicht überzeugten Menschen davon zu überzeugen, als sich innerhalb der Anhängerschaft einen großen Kopf darüber zu machen, in welcher Form wir das denn am besten umsetzen können, bin ich dann wohl doch zu sehr der von Willi denunzierte Philosoph und mehr an Klärung als an Agitation interessiert. Wenn's klar ist, so ist ja immer mein Gefühl, dann muss man auch nicht mehr lange agitieren. Leider habe ich mein ganzes Leben lang festgestellt, dass das Unfug ist und die Agitation jedes noch so schlechten Werbe-Jingles mehr Wirkung erzielt als ein gutes Argument in meinem Mund. *seufz* Dennoch ... ... habe ich zumindest mal in den Inflationsartikel bei Wikipedia reingeschaut (vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Inflation ), um zu überdenken, ob mein Szenario wirklich so naiv war, wie du es empfunden hast. Mag sein, dass du mit deinen Betrachtungen zum bGE als "Grundumsatz der Wirtschaft" recht hast, aber mein Argument war anders gestrickt: Ich habe einen Verteilungskampf ums BIP zwischen Staat/bGE, Arbeit und Kapital postuliert, der über steigende Preise ausgefochten wird. Die Grunddefinition im Wikipedia-Artikel ist damit per Postulat "steigende Preise" erfüllt: "Minderung der Kaufkraft des Geldes". Der Abschnitt http://de.wikipedia.org/wiki/Inflation#Binnenwert_und_Kaufkraft neigt sich dann eher in deine Richtung, bleibt aber grundsätzlich dabei, große Diskrepanzen festzuhalten: Es kommt bei einer Minderung der Kaufkraft des Geldes zu einer Verschiebung der Rahmenbedingungen, welche die einen im Verhältnis zu früher zu Gewinnern, die anderen zu Verlierern macht. Der Satz "Die größten Verlierer sind Inhaber von Geldvermögen und festverzinslichen Wertpapieren wie Staats- oder Unternehmensanleihen." könnte die Sinnhaftigkeit meines Postulats in Zweifel ziehen, dass die Deutsche Bank stellvertretend für "das" Kapital über eine Minderung der Kaufkraft des Geldes = Inflation die eigene Verfügungsgewalt über den gesellschaftlichen Reichtum zu sichern versuchen könnte. Immerhin würden wesentliche Fraktionen des Kapitals dabei auch verlieren. Aber wir reden hier halt auch nicht über Peanuts, sondern über eine Veränderung der Geschäftsgrundlage des Kapitals, weil, wie du schreibst, mit dem bGE die "Gewerkschaft eine praktisch unschlagbare Streitmacht" werden könnte. Ich will's mal so sagen: Hätten wir die Think Tanks der Deutschen Bank zur Verfügung, um den sozialpolitischen Effekt zu erzielen, um den es uns geht, dann könnten wir uns unser bisschen Gehirnschmalz und Halbwissen in diesen Dingen getrost an die Backe kleben und den Dingen ihren Lauf lassen. Aber wir haben diese Think Tanks ziemlich sicher nicht auf unserer Seite, sondern gegen uns. Obgleich ich mir da durchaus nicht 100%ig sicher bin, weil das Kapital durchaus ein Interesse an guten Gesamtreproduktionsbedingungen hat, die sich mit einem bGE durchaus einstellen könnten. Aber allein die Formulierung "praktisch unschlagbare Streitmacht" in Bezug auf Gewerkschaften dürfte ziemlich abturnend auf die Hochverwalter des Kapitals wirken. Meine und Willis Vorstellungen davon, dass ein bGE einen grundsätzlichen Freiraum für alle ausreichend Interessierten von den Rahmenbedingungen der Wertverwertung erlauben und damit sogar ernsthafte Konkurrenz zur Wertverwertung ermöglichen und fördern würde, vermutlich sogar noch abturnender. Was m. E. der tiefere Hintergrund dafür sein könnte, dass abgesehen von der ja ohnehin als SED-Stasi-Maueropfer-Outsider gebrandmarkten Partei DIE LINKE laut https://www.grundeinkommen.de/content/uploads/2012/08/12-06-modelle-tabelle.pdf keine Partei bei mindestens 1.000 Euro liegt, sondern lieber ein bGE auf Armutsniveau organisieren möchte. Das käme den Interessen des Kapitals anscheinend eher zupass, wäre vermutlich sogar eine ziemlich bequeme Restauration, weil man gleichzeitig die bestehenden Sozialsysteme schleifen könnte. Anders jedenfalls kann ich mir kaum erklären, dass keine Partei sich zu Götz Werners 1.000 Euro vorwagen mag, was nach meinen Konsumerfahrungen definitiv "zum Leben zu wenig, zum Sterben zu viel", also eine gute anreizorientierte bGE-Höhe wäre. Wenn wir uns darüber klar sind, dass wir die Geschäftsgrundlage des Kapitals in Frage stellen, dann sind solche Themen wie faschistischer Putsch oder beinhart über sonstwelche Marktmechanismen geführte Machtkämpfe vollkommen notwendig im Horizont unserer Debatte. Am wahrscheinlichsten dünkt mir, dass "das" Kapital einfach ausreichend viele Charaktermasken-Experten in Talkshows, Zeitungen und Werbekampagnen platziert, die die verdummte Öffentlichkeit so lange bequatschen, bis sie noch ein bisschen mehr verdummt ist. Wenn es eine parlamentarische Mehrheit für ein bGE in relevanter Höhe geben sollte, könnten wir uns vermutlich echt erstmal intensiv für unseren Agitationserfolg auf die Schultern klopfen ... um dann abzuwarten, wie die Reaktion den Spieß wieder drehen wird. Faschistischer Putsch ist dem Kapital hoffentlich heute in Deutschland/Westeuropa einfach zu unsexy, wenn auch überall sonst in der Welt ja ein gerngewähltes Mittel der Wahl. Selbst Westerwelle kann sich ja entspannt als schwul outen. Will man sich wirklich noch einmal mit den verrückten Barbaren den Arsch retten oder nicht lieber erstmal aus der Portokasse ein bGE bezahlen und gucken, ob's sich nicht vielleicht sogar für die oberen Zehntausend charming entwickeln könnte? Falls es aber nicht charming genug ist, halte ich mein Szenario wiederum für denkbar. Mir spukt dabei im Kopf herum, dass ich wiederholt gelesen habe, dass sich mit den Reagonomics das Volumen des Geldvermögens in der Welt drastisch vom Welt-BIP nach oben fortentwickelt hat, die verfügbare Geldmenge also heute schon eigentlich Hyperinflation produzieren müsste. Aber das Kapital spielt mit der Kohle anscheinend recht unverfänglich in der Finanzsphäre herum, die zwar sicherlich tagtäglich Einfluss auf die stoffliche Wertproduktion und -distribution nimmt, wirkliche Durchschlagskraft auf die gesamtgesellschaftlichen Rahmenbedingungen aber nur beim Blasenplatzen à la subprime-Krise entfaltet. Vielleicht ist massive Geldentwertung für die Hauptagenten des Kapitals zwar nicht unbedingt das Lieblingsmittel der Wahl, aber dann doch auch wieder nicht so schlimm, wenn es darum geht, auf mehr oder weniger friedlichem Weg die Kontrolle über die Produktionsmittel der Gesellschaft zu behalten. Was denkst du? Liebe Grüße, Bert Grashoff Am 23.08.2014 23:27, schrieb Manfred Bartl: > Hallo, Bert! > > Ich bin zwar auch kein Ökonom, aber nachdem ich mich nun eine Dekade > auf dem Feld von Politik, Ökonomie und Philosophie tummle, habe ich > wohl eine gewisse Erfahrung im Umgang mit diesen Themenkomplexen. > > Wenn ich es richtig betrachte - korrigiert mich bitte unbedingt, wenn > ich falsch liegen sollte -, ist das bedingungslose Grundeinkommen in > erster Linie ein Inflationsdämpfer! > > Nicht umsonst bezeichnet man das Aufkommen an Grundeinkommen umgekehrt > auch als Grundumsatz der Wirtschaft, weil definitionsgemäß restlos > ALLES, was als Grundeinkommen ausgezahlt wird, in der einen oder > anderen Form unmittelbar im gleichen Monat, in dem es ausbezahlt wird, > über die Wirtschaft wieder umgesetzt wird. > > Dieses Geld zeichnet sich also dadurch aus, dass es aus der Wirtschaft > entnommen wird und noch im gleichen Monat - volkswirtschaftlich also > praktisch unmittelbar - in den Wirtschaftskreislauf zurückfließt. Das > Geld hat in der Zwischenzeit wohl kaum Gelegenheit, auf irgendeine > Weise auf die Geldmenge einzuwirken. Alle damit angeschafften > Sachwerte haben noch ziemlich genau denselben monetären Wert, den sie > mit ihrer Produktion an (Lohn-)Kosten verschlungen haben. > > Du versuchst, Inflation als bloße Verteuerung durch Lohnforderungen > hier und Kostensteigerungen dort abzubilden. Inflation ist aber die > Dynamik der (steigenden) Geldmenge im Vergleich zu den Produktwerten. > Das bedingungslose Grundeinkommen wirkt sich aber auf die Geldmenge > nicht aus. Bei seiner Einführung mögen die Preise von > Grundversorgungsgütern und -dienstleistungen etwas ansteigen, weil die > Nachfrage danach ansteigt, aber da die Höhe des Grundeinkommens an den > Preisindex genau jener Grundversorgungsgütern und -dienstleistungen > gekoppelt ist, zieht das Grundeinkommen volkswirtschaftlich betrachtet > praktisch ebenso schnell nach. > > Auf Arbeitskostenseite verschwinden die volkswirtschaftlichen Kosten > der Arbeitslosigkeit definitionsgemäß vollständig, weil es > Arbeitslosigkeit im heutigen Sinne nicht mehr gibt, sondern nur noch > Sabbaticals. Die Kosten für die Sabbaticals - also schlicht die > Nicht-Produktivität - hingegen werden bei weitem nicht so weit > ansteigen, dass sie denen der heutigen Arbeitslosigkeit entsprechen > könnten, weil zugleich natürlich ein gehöriger Rationalisierungsschub > einsetzt. Wer würde seine Lebenszeit noch verschwenden wollen, indem > man Parkraumbewirtschaftung betriebe (das Berufsbild der "Politesse" > wird vollständig von der Bildfläche verschwinden) oder an der Kasse > einer Lebensmittelverteilstelle säße (auch das Berufsbild der > "KassiererIn" verschwindet - ich betone es - vollständig!)?? > > Problematisch ist in erster Linie der Gewerkschaftseffekt. Heute > glauben viele GewerkschafterInnen, dass das BGE die Gewerkschaften > schächen würde, weil niemand mehr um seine Existenzgrundlage kämpfen > müsste. Das ist natürlich ein hanebüchenes Argument, weil es davon > ausgeht, dass die Gewerkschaften (noch) gar nicht existierten und die > ArbeitnehmerInnen würden sich erst im Moment der Einführung des BGE > organisieren. Das ist offenkundig totaler Quatsch! Tatsächlich ist es > vielmehr so, dass wir Gewerkschaften doch nun wirklich schon sehr > lange haben und dass somit kein/e organisierte/r (!!!) ArbeitnehmerIn > mehr um die Existenzgrundlage kämpfen müsste und mit der - bereits > existierenden und nun aus lauter sorglos jederzeit Streikenden > bestehenden - Gewerkschaft eine praktisch unschlagbare Streitmacht > entstünde! > Wenn die Gewerkschaften das endlich kapieren würden, könnte eine > gewisse Anfangsinflation bei der Einführung des BGE resultieren, aber > die werden wir wohl verschmerzen können, wenn das BGE wiederum an die > Preise gekoppelt ist ;-) > > Mit solidarischen Grüßen > > Manfred > >