[Debatte-Grundeinkommen] die drei Säulen des BGE

willi uebelherr wube at gmx.net
Di Apr 29 21:53:37 CEST 2014


Liebe Freunde,

ich bin nicht sicher, ob auf dieser Liste eine weitere Diskussion 
gwuenscht wird. Bisher haben sich nur sehr wenige daran beteiligt. Aber 
vielleicht gibt es LeserInnen, die interessiert folgen.

Wir sitzen quasi an einem grossen Tisch im Biergarten, wo sich auch oft 
Einzelgespraeche ergeben und wir zuhoeren. Bis zu dem Punkt, wo 
ploetzlich scheinbar passive HoererInnen sich einmischen.

Ich will nicht auf die vielen Einzelfacetten in dem Text von Jens 
eingehen, sondern auf bestimmte Denkmuster mit Gegenmustern, durchaus 
provokativ, antworten.


Lieber Jens,

es gibt keine Legitimation fuer Privateigentum an gemeinschaftlichen 
Ressourcen. Kernelemente dieser Ressourcen sind Land, Wasser, Wissen und 
Frequenzen. Es gibt noch andere, die mindestens genauso wichtig sind.

Diese Aussage ruht darauf, dass wir Menschen nur dann einen 
privilegierten Nutzungsanspruch auf etwas erheben koennen, wenn wir es 
selbst hergestellt haben. Aber auch das unterliegt einer grossen 
Einschraenkung, weil wir keine Stofflichkeiten herstellen koennen. Wir 
koennen sie nur umformen.

So betrachtet bleibt nicht viel uebrig. Selbst die Kinder entstehen im 
Koerper der einzelnen Frau und haben eigentlich mit den Maennern sehr 
wenig zu tun. Erst in der sozialen Sphaere loest sich dies auf.

Wenn wir diese unsere Begrenztheit erkennen, werden wir sofort jede Form 
der privaten Aneignung gemeinschaftlicher Ressourcen als Raub 
betrachten. Und fuer geraubte Gueter gibt es keine Entschaedigung.

Informelle Ressourcen wie Wissen koennen wir nicht rauben, sondern nur 
vermehren. Von daher eruebrigt sich auch hierfuer eine Diskussion.

Was machen wir nun mit dem Stuhl, dem Tisch, dem Schrank, dem Haus, der 
Kleidung? Unsere Vorfahren wussten es. Wir agieren gemeinschaftlich, 
kooperativ, solidarisch. So entsteht eine Vielfalt an Faehigkeiten, die 
sich verbinden. Es entstehen lokale Netwerkstrukturen mit dem Ziel, die 
materiellen Lebensgrundlagen der Gemeinschaft herzustellen und zu sichern.

Es sind freiwillige Austauschprozesse im Interesse der Gemeinschaft, die 
keiner Verwaltung beduerfen.

Fuer dich, lieber Jens, existiert das Problem, dass du kein 
Gemeinschaftsgefuehl hast und deswegen real existierende Gemeinschaften 
nur als Anhaeufung, oder Ansammlung, von im Prinzip Einzelwesen 
betrachtest. Deswegen brauchst du dann eine uebergelagerte Ebene, die 
"ideologisch" als Repraesentant der Gemeinschaft agiert. Und deshalb 
musst du die Erfahrungen der Geschichte negieren, weil es diese Ebene im 
Interesse der Gemeinschaft nie gegeben hat.

Ein Austausch kann prinzipiell nur stattfinden, wenn dafuer auch ein 
Bedarf besteht. Hier gibt es 2 Sphaeren:
a) die reale Begrenztheit in der Herstellung der als notwendig 
erachteten Gueter.
b) die konstruierte Begrenztheit, um einen Zwang zum Tausch entstehen zu 
lassen.

zu a) hier fliessen alle als objektiv erkennbaren Begrenztheiten ein, 
wie klimatische, geografische und topologische Bedingtheiten. Aber auch 
temporaere Begrenzungen, weil sie ueber Lernprozesse aufgeloest werden 
koennen.

zu b) das ist der Grossteil unserer heutigen Notwendigkeiten fuer den 
Austausch. Sie ruhen darauf, dass systematisch Strukturen erzeugt 
wurden, die die Eigenstaendigkeit lokaler Lebensgemeinschaften 
aufloesen. Erst damit konnte das Geldsystem in die filigranen sozialen 
Strukturen einfliessen. Und nur so konmnte sich das geldorientierte 
Distributionssystem ausbilden. Und nur so konnte sich der Staat ausbilden.

Damit will ich es erstmal beenden lassen.

mit lieben gruessen, willi
Quetzaltenango, Guatemala



-------- Original-Nachricht --------
Betreff: Re: [Debatte-Grundeinkommen] die drei Säulen des BGE
Datum: 	Tue, 29 Apr 2014 14:56:05 +0200
Von: 	Jens Kasten <jens.kasten at gmx.com>

Hallo Willi,

klar ich hatte ein paar Fragen. Mögen diese Dir als rhetorische Fragen
erscheinen. Vielleicht fühlst Du dich vorgeführt. Ich glaube der Mensch 
ist im Grunde gut. Deswegen würde ich nicht allen Vertretern unserer 
Gattung vertrauen. Denen auch weniger, die Fragen mit Vorurteilen bzw. 
Bewertungen begegnen bzw. Fragen für überflüssig erklären.

Bleiben wir deshalb bei einem gemeinsamen Ziel: die sichere Existenz 
aller Menschen. Eine größere Plattform haben wir beide  - wie es scheint 
- momentan nicht.

Die Generalswitwe steht in meinen Ausführungen als Symbol, als
Repräsentant für die bisher "besitzende" Oberschicht. Wenn ich mir um 
deren Schicksal auch keine emotional aufwühlenden Gedanken mache, so 
sorge ich mich dennoch um den Erhalt gewisser Prinzipien. Wegnehmen oder 
nicht wegnehmen - teilweise oder vollständig, vertreiben oder 
unangetastet lassen, usw.?

Und darauf zielte auch meine ganze penetrante Fragerei ab? Prinzipien 
sind nicht alles, und dennoch stehe ich z.B. zu dem Prinzip, dass man 
auch zwingend Verdächtige nicht foltert, etwa um den Aufenthaltsort 
eines Vermissten zu erfahren. Das ist keine Nebelkerze und soll nicht 
vom Thema weglenken. Ich dachte einfach, dass jemand in der Runde etwas 
mehr zu bieten hat, als 'ja die Bodennutzung muss für alle frei sein und 
ja die Kommunen werden es dann richten.

Wie? Hab Vertauen in die Menschen, das kann man ihnen nicht 
vorschreiben.' Gibt es Prinzipien, gibt es Grundsätze bei der 
Landverteilung? Bisher wurde immer nur über die Höhe und die 
Finanzierbarkeit eines Grundeinkommens diskutiert, bis zu dem Zeitpunkt 
als Du einen "sehr interessanten" Beitrag von Udo Rohner eingestellt 
hast, dessen grundlegendster Satz lautete, dass die freie Verfügbarkeit 
Boden, Wasser und Energie die absolute Grundlage dessen bildet, 
überhaupt ein BGE in Erwägung zu ziehen. (die erste Säule).

Diesem Satz habe ich von Deiner Seite und auch von anderer Seite keine
Widersprüche entnommen. Da ich dieses Thema für allseitig interessant 
fand, habe ich mir erlaubt, es etwas in die eine oder andere Richtung 
aufzubohren. Ich bin keineswegs auf etwas fixiert, nur weil ich die 
Frage nach Grundsätzen bei der künftigen gemeinsamen, gerechteren 
Bodennutzung aufwerfe.

Fixiert bin ich am allermeisten auf Plausibilität, also auf möglichst
wenig offensichtliche Widersprüche, Widersprüche zwischen verschiedenen 
Schritten der gleichen Lösung, oder zwischen erdachten Lösungen und 
gemachten Erfahrungen in Situationen, in denen ähnliche Lösungen die 
Rechtfertigung für echte Umwälzungen bildeten.

Enteignung löst als Lösungsvorschlag bei einer Menge von Leuten - na gut 
mit der Zeit werden es weniger - eine Kaskade von schlechten bis hin zu 
grauenhaften Vorstellungen aus. Wenn es keine Enteignungen geben soll, 
dann hab ich das aus den vielen "Nichtantworten" nicht korrekt 
herauslesen können.

Einen Lösungsvorschlag hatte ich ja bereits eingestellt. Das Land den 
Besitzern abkaufen, die Art der Wertermittlung des Kaufpreises, die 
Selbstregulation von Be- und Entsiedlung die damit gesteigerte Kontrolle 
darüber, was künftig mit privatem Bodenbesitz - oder besser mit privater 
Bodennutzung - statt privatem Eigentum eben nicht mehr geht, ohne bis 
ins Detail festlegen zu wollen, was mit dem Boden geschehen müsse, der 
genutzt werden will und auch muss.

Darüber ließ sich kein rechter Gedankenaustausch entspinnen. Statt 
dessen: Behauptungen darüber, wie lange dann noch jemand arbeiten müsse. 
Woher hast Du solche Zahlen? Darüber, wie die Besiedlung in der fernen 
Zukunft aussehen wird? Städte lösen sich auf oder nicht.

Behauptung, dass es in der Ökonomie kein Geld gibt - du schreibst, 
braucht es kein Geld - nur in der Distribution. Behauptungen, die mich 
den Bezug zu den Fragen vermissen lassen, auch wenn sie für sich wieder 
nicht uninteressant sind.

Zählt der Einkauf von Rohstoffen und Halbfabrikaten (gegen Geld) nicht
zur Ökonomie oder nicht zur Distribution? Finden die meisten 
Austauschvorgängen nicht gerade in den dem Verkauf an den Endverbraucher 
vorgelagerten Prozessen statt? Die Herstellung einer Schachtel 
Reißzwecken soll mehrere hundert Tauschvorgänge erfordern.

Auch Maschinen, Fabriken oder Anlagen, sind in den Händen derer, die sie 
nicht benutzen und verbrauchen wollen nur Waren, die getauscht werden 
wollen. Der gesamte Produktionsmittelsektor arbeitet nach keinen anderen 
Prinzipien als der Sektor der Konsumgüterherstellung bzw. der Handel.

Ob die Bohrmaschine privat distributiv zu Hause verwendet wird, oder
ökonomisch auf der kommerziellen Baustelle, das entscheidet nicht der 
Produzent der Bohrmaschine. Oder sollte er? Wie früher im Osten? Als man 
sich darüber den Kopf zerbrach, wie man noch mehr aus der Produktion und 
vor allem aus den Betrieben herausholen konnte? Wenn jetzt die eine 
Bohrmaschine ohne Geld durch die "Ökonomie" zirkuliert und die andere 
unter Verwendung von Geld in der "Distribution", da hätten wir erst mal 
wieder einen wenigstens scheinbaren Widerspruch.

Wenn ich deine Ausführungen mit meinem schmalen Horizont extrapoliere,
dann ergibt sich bei mir das Bild, dass "echte" Tauschvorgänge, bei 
denen der eine die Rohstoffe abliefert damit Produzenten daraus etwas 
fertigen können und der andere das Geld dafür, damit der 
Rohstoffförderer seine verschlissenen Maschinen dafür reparieren oder 
ersetzen lassen kann und natürlich seine Kollegen und Büroangestellten 
auszahlen, damit diese in der Distrubution nicht nackig dastehen, dass 
echte Tauschvorgänge quasi nicht notwendig sind, weil sie zur - das Geld 
für obsolet haltenden - Ökonomie gehören?

Wenn alle dem finalen Tausch zwischen Einzehlhändler und Konsumenten 
massenhaft vorgelagerten Tauschvorgänge einer geldlosen Ökonomie 
zugeschrieben werden, dann würde mich sofort wieder der bessere Plan 
dafür interessieren. Erkläre bitte den Unterschied zwischen Ökonomie und 
Distributionssphäre. Und warum es in der Ökonomie kein Geld ähnliches 
Tauschmittel benötigt.

Danke und viele Grüße
Jens




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