[Debatte-Grundeinkommen] Debatte zum Grundeinkommen auf der FAZ-Webseite

herbert.schliffka at arcor.de herbert.schliffka at arcor.de
Do Jul 19 19:10:32 CEST 2012


An die Teilnehmer der Mailingliste Debatte Grundeinkommen


Liebe Listenteilnehmer,

gestern, am 18.7.12, erschien der FAZ-Artikel „Diese verflixten tausend Euro“ 
auch auf der Webseite der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ),
dem publizistischen „Flaggschiff“ der eher konservativ ausgerichteten Fraktion der führenden Kreise.

In diesem Artikel polemisiert Rainer Meyer gegen eine „digitale Bohème in Berlin“,
die sich auch für ein bedingungsloses Grundeinkommen engagiert.

Unter anderem greift er Johannes Ponader, den politischen Geschäftsführer der Piratenpartei, an.


„Rainer Meyer ist unter dem Namen Don Alphonso einer der bekanntesten deutschen Blogger.“ - So die FAZ.


Ich habe zuerst einen Lesermeinungsbeitrag (HS-LM)
zum grundlegenden Gedanken in diesem Artikel geschrieben:
„Ja wer kommt für die „verflixten“ tausend Euro - oder jede andere Einkommenszahlung – auf?“
 
Darauf gab es die folgende Reaktion des Lesers „Bryan Hayes“:
„Im Klartext: Sie wollen die Diebsgesindelrepublik, in der das Stehlen der oberste Grundwert ist“ 

Darauf erwiderte ich wie folgt (2. HS-LM):
„Lieber Herr Hayes, Ihre überzogene Reaktion zeigt, dass ich die von ihnen geglaubt Ideologie grundlegend in Frage gestellt habe.“

Außerdem habe ich noch 3 weitere Beiträge (3.-5. HS-LM) geschrieben:
Zwei davon beziehen sich auf Meinungen zweier anderer Leser und eine Dritte auf eine Antwort von Rainer Meyer zu einer Meinungen eines dritten Lesers.


Mit besten Grüßen
Herbert Schliffka


Für Teilnehmer der Mailingliste Debatte GE:
 
Lesermeinungsbeiträge zum FAZ-Artikel „Diese verflixten tausend Euro“

Die Reihenfolge der wiedergegebenen Beiträge entspricht der Folge, die auf der FAZ-Webseite zu finden ist:
http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/debatten/digitale-boheme-in-berlin-diese-verflixten-tausend-euro-11823254.html#comments


Digitale Bohème in Berlin 
Diese verflixten tausend Euro 

18.07.2012 •  Um angstfrei leben zu können, kalkulieren die Vertreter der digitalen Bohème in Berlin mit einem monatlichen Betrag von tausend Euro. Porträt eines unsteten, opportunistischen Milieus. 
Von Rainer Meyer

Lesermeinung zu diesem Artikel:


Werner Schneider (stimmviech) - 19.07.2012 - 09:51 Uhr 
Mit 400 Euro würde es funtionieren 
Das BGE funktioniert meines Erachtens nur mit einem viel geringerem Niveau, so um die 400 Euro pro nichtbehinderte Person. Dann würden Jobs wie Bäcker weiter gemacht. Nur hätten die Leute eben nicht so große Angst vor dem Arbeitsplatzverlust, denn diesbezüglich ist die heutige Situation einzigartig. Und natürlich hätten wir mit dem Verschwinden von Arbeitsagentur und Sozialamt starke Reduzierungen der heute ausufernden Bürokratie. Denn Beantragung und Auszahlung des BGE könnte das Finanzamz online abwickeln, der neue Perso und die lebenslange Steuernummer wären dann sinnvoll eingesetzt. 

Veröffentlicht:
4. HS-LM-Beitrag
 
Herbert Schliffka (Schliffka) - 19.07.2012 - 14:51 Uhr 
Über die Höhe des bedingungslosen Grundeinkommens sollte der Souverän selbst entscheiden. 
In der Schweiz ist seit April 2012 eine Volksinitiative lanciert worden, die eine Volksabstimmung 1. über die Einführung und 2. über die Höhe eines bedingungslosen Grundeinkommens einleitet, wenn sie genügen Unterstützer findet. Anstelle undurchdachte Vorschläge zu machen, sollte man sich über den Diskussionsstand informieren. Dazu eignet sich auch das Informationsmaterial der „Eidgenössischen Volksinitiative - Für ein bedingungsloses Grundeinkommen“. Auch die Informationen des Omnibus für direkte Demokratie zu dem Thema eignen sich. 
Das Grundeinkommen funktioniert nur dann, wenn es eine Akzeptanz bei der Mehrheit der Bevölkerung findet. Eine solche sollte durch eine bundesweite Volksabstimmung festgestellt werden. Gemäß Artikel 20,2 des GG wäre ein Gesetz, das die außerparlamentarisch zu initiierende Volksgesetzgebung in 3 Verfahrenschritten (1. Gesetzesinitiative, 2. Volksbegehren 3. Volksabstimmung nach vorheriger freier und gleichberechtigter Information) ermöglicht, längst fällig 



Karl Schade (J.K.S) - 19.07.2012 - 06:10 Uhr 
Gier und Angst 
...sind die wesentlichen Triebkräfte wirtschaftlichen Handelns. So zumindest brachte es vor zehn Jahren ein Volkswirtschaft-Dozent auf den Punkt, als er uns ökonomisch höchst unterschiedlich vorgebildeten MBA-Studenten in wenigen Tagen die Quintessenz seiner Wissenschaft darlegte. Da begriff ich - studierter Geisteswissenschaftler mit bildungsbürgerlichem DDR-Hintergrund - vollends warum der Sozialismus nicht funktionieren konnte. Er hatte diese Triebkräfte fehlgeleitet. Gier nach Reichtum war verboten worden, denn um sie zu befriedigen hätte man vielleicht andere "ausbeuten" müssen. Jedem stand ein Arbeitsplatz zu. Daher hatte niemand Angst, ihn zu verlieren und entsprechend war die Leistung. Wer einen tollen Job, Lust und/oder Pflichtgefühl hatte, arbeitete gut. Wem es wichtiger war, Baumaterial für seine Datsche zu organisieren, tat eben das. Angst musste man nur haben, wenn man eine eigene Meinung vertrat. Dann kam man nicht weiter oder gar ins Gefängnis. 1989 war der Spuk zu Ende. 

Veröffentlicht:
3. HS-LM-Beitrag

Herbert Schliffka (Schliffka) - 19.07.2012 - 14:10 Uhr 
Angst macht Unfrei. Jede Diktatur benötig sie, sowohl die des Staates als die der Kapitalaneignung 
Der eine Spuk ging 1989 zu Ende – aber nur um den Preis, dass der andere Spuk globalisiert werden konnte. Die Folge: massenhafte Verlagerung von Arbeitsplätzen nach China, Indien oder anderen Ländern, in denen die Menschen ihre Arbeitsleistungen gegen einen noch geringeren Lohn verkaufen müssen.
Dass wir in einer freien Gesellschaft leben, ist ein Irrtum, ein Zukunftstraum. Heute müssen die Menschen ihre Arbeitsleistungen den Eigentümern der Unternehmen verkaufen, so wie sie einst auf dem Sklavenmarkt verkauft wurden. Das macht auch in den hochindustrialisierten Ländern des „Westens, zunehmend mehr Menschen, die nach Freiheit streben, Angst. Angst vor Einkommenslosigkeit durch Entlassungen (Schlecker, Opel, usw.). Ein bedingloses Grundeinkommen ist ein Schritt zur Befreiung. Es mindert die Angst und setzt der Gier der Kapitaleigner Grenzen. Das diese Grenzen notwendig (die Not wendend) sind, zeigt die nichtendenwollende Finanz- und Schuldenkriese. 




Veröffentlicht:
1. HS-Beitrag zur LM

Herbert Schliffka (Schliffka) - 19.07.2012 - 01:36 Uhr 
Ja wer kommt für die „verflixten“ tausend Euro - oder jede andere Einkommenszahlung – auf? 
Ich vermute, Herr Meyer weiß es nicht. 
Das zeigt schon die Verwendung des Wortes „aufkommen“, das ganz sinnlos ist in diesem Gedankenzusammenhang, der nicht nur diesbezüglich die Unwissenheit über die realen Vorgänge im global arbeitsteiligen Wirtschaftsorganismus zeigt, im dem die Menschen sich in aller Regel nicht mehr selbst versorgen, sondern durch die Arbeit in den weltweit zusammenwirkenden Unternehmen fremdversorgt werden. Die erzeugten Waren und Dienstleistungen geben den Einkommen ihren Wert. Und nur derjenige, der berechtigt wird, erhält ein Einkommen, mit dem er einen Anteil des „Weltsozialprodukts“ kaufen kann.
Zu Einkommen gelangt man durch Rechtsakte: entweder durch Gesetz, Tarifvertrag und/oder Arbeitsvertrag. Das bedingungslose Grundeinkommen wird durch Gesetz rechtsverbindlich. Wenn man es versteht, sieht man ein, dass es viele Verteilungsprobleme in der globalen Wirtschaft elegant löst. Es sollte, wie gerade in der Schweiz, durch Volksgesetzgebung eingeführt werden. 

Bryan Hayes (bhayes) - 19.07.2012 - 12:07 Uhr 
Im Klartext: Sie wollen die Diebsgesindelrepublik, in der das Stehlen der oberste Grundwert ist 
Denn ganz genau darauf läuft das hinaus: Es sollen die (dann noch wenigen) Arbeitenden bestohlen werden, um es den nicht oder nicht im Interesse der anderen Arbeitenden zu geben.
In einer Gesellschaft freier Menschen ist es so, dass jede/r voll Arbeitsfähige nur genau dann eine Leistung oder einen Gegenstand etc. von anderen erhält, wenn er/sie im Gegenzug auch etwas abgibt bzw. leistet. Die Austauschverhältnisse (heute meist indirekt via Geld) werden dabei frei ausgehandelt. Nennt sich Marktwirtschaft.
Sie aber wollen diese grundlegende Freiwilligkeit abschaffen, es soll einfach willkürlich denjenigen, die z.B. produktiv etwas produziert haben, etwas weggenommen und anderen gegeben werden.
Sie fordern damit die fundamentale Verletzung der Menschenrechte, die Beseitigung der freiheitlichen Ordnung und der Freiheit (=Abwesenheit von Zwang und Diebstahl), das Brechen des Grundgesetzes und somit im Ergebnis die Abschaffung der Moral.

2. HS-LM-Beitrag
Herbert Schliffka (Schliffka) - 19.07.2012 - 13:27 Uhr 
Lieber Herr Hayes, Ihre überzogene Reaktion zeigt, dass ich die von ihnen geglaubt Ideologie 
grundlegend in Frage gestellt habe. In Frage gestellte Orientierung verunsichert. Das erzürnt. 
Richtig ist, dass in heutigen Tarifverträgen und Arbeitsverträgen den Einkommensvereinbarungen eine andere - ebenso rechtlich verbindliche – Vereinbarung danebengestellt wird, nämlich die der im Unternehmen zu erbringenden Arbeitsleistung. Und Einkommen, die auf Grund von Gesetzen gezahlt werden (Renten, Kinder-, Kranken- und Arbeitslosengeld, sowie Sozialhilfe) werden größtenteils aufgrund dieser Einkommensvereinbarungen in Arbeitsverhältnissen berechnet.
Aber, dass wir „in einer Gesellschaft freier Menschen“ leben, ist ein Irrtum, ein Zukunftstraum. Heute müssen die Menschen ihre Arbeitsleistungen den Eigentümern der Unternehmen verkaufen, so wie sie einst auf dem Sklavenmarkt verkauft wurden. Das macht zunehmend mehr Menschen, die nach Freiheit streben, Angst. Angst vor Einkommenslosigkeit durch Entlassungen (Schlecker, Opel, usw.). Ein bedingl. Grundeink. ist ein Schritt zur Befreiung. 




Michael Radloff (melursus) - 18.07.2012 - 11:56 Uhr 
Danke Herr Meyer, nur Götz Werner fehlte noch 
Ihre Darstellung des Bedingslosen GrundEinkommens trifft die Sache. Anmerken möchte ich, daß vom bösen alten Mann und von der loyalen Opposition jedes Belassen von verdientem Einkommen beim Bürger als Subvention oder staatlich Gnade gewertet wird. Haushaltsfreibetrag, Grundfreibetrag, steuerfreier Aufwand für Krankenversicherung erst durch Karlsruhe, Geschenke an Mitarbeiter limitiert, Sachleistungen an Mitarbeiter auf 44 Euro im Monat gedeckelt. 19% MWst auch auf Zwangsabgaben wie EEG oder auf Porto oder Schuldzinsen! Dieser unser Staat hat ein Ausgabenproblem, kin Einnahmeproblem. Wenn sich ein Herr Ponader pomadig hinstellt, und wie Griechenland Geld von mir will, möchte ich, daß der alte Mann im Rollstuhl mal zu ihm böse ist und nein sagt. 


Alphonso Porcamadonna (donalph...) - 18.07.2012 - 13:37 Uhr 
Gern geschehen 
Götz Werner ist ein anderer Fall, er kann klar etwas vorweisen, und er passt nur so mittelmässig in diese Berliner Runde. Allerdings wären seine Modelle auch mal ein spannendes Thema, zusammen mit der ganzen Freigeldidee, Silvio Gesell - da ist ein theoretischer Unterbau, der bei den Berlinern oft nicht vorhanden ist. Da ist die Argumentationskette wirklich die Angst. 


5. HS-LM-Beitrag

Herbert Schliffka (Schliffka) - 19.07.2012 15:40 Uhr 
Götz Werner hat die Idee der „Dreigliederung des sozialen Organismus“ als ideelle Grundlage. 
Herr Meyer, nicht von Silvio Gesell stamm diese Idee, sondern von Rudolf Steiner (dem Inspirator der Waldorfschulen, der biologisch-dynamischen Landwirtschaft, der Heil- und Pflegemittel von Weleda usw.). Er hat sie aus seiner Philosophie (der Freiheit) und seinem anthroposophischen Menschen- und Weltbild gedanklich klar herausgearbeitet. Sie nimmt in grundlegender Hinsicht die Theorie der funktionalen Differenzierung des Welt-Gesellschaftssystems, wie sie später Talcot Parsons und Niklas Luhmann systemtheoretisch entwickelt haben, voraus.
Das Recht auf ein Grundeinkommen lässt sich in der Ideengeschichte noch viel weiter zurückverfolgen. Im Film-Essay „Grundeinkommen – Ein Kulturimpuls“ wird sie bis auf Thomas Paine, einer der Gründerväter der USA, zurückgeführt.
Gut wäre, wenn „den Berlinern“ diese ideellen Grundlagen bekannt wären. Doch vielleicht hilft die Angst vor dem Verlust ihres geringen Einkommens, um das sie ständig kämpfen müssen, um diese Ideen gründlicher zu durchdenken. 



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