[Debatte-Grundeinkommen] Basics

Manfred Bartl sozial at gmail.com
Do Jul 28 13:10:49 CEST 2011


Hallo, Jörg!

Da Du schon ein Sommerloch konstatierst: Deine Mail scheint aber auch
dazuzugehören, denn ich habe wahrhaftig schon viele bessere Ansätze
von Dir vorgelegt bekommen ;-)

1. Ist das überhaupt ein Modell im eigentlichen Sinne? Für mich sieht
diese Kategorisierung aus wie der Versuch einer Abbildung der realen
Verhältnisse - und sonst gar nix.

2. Daraus folgt unmittelbar, dass die Kategorie D nicht einfach
"abgeschafft" werden kann, denn sie ist ja de facto da. Boris' Antwort
war darum sehr passend. Es fehlt noch die Frage: WARUM sollten wir sie
abschaffen? Stellt sie in der Praxis oder für Dein
Schnellschuss-Theoriemodell denn irgendeinen Nachteil oder auch nur
eine unnötige Komplizierung dar?

3. Die "Verteilungsaufgabe" ist ja letztlich die zentrale Aufgabe des
Gemeinwesens. Auch Schulpflicht, Kulturförderung oder Organisation
einer Wirtschaftsdemokratie lassen sich auf Verteilungsaufgaben
zurückführen.

4. Das Entscheidende dieses so bescheidenen Modellierungsversuchs ist
die Richtung der sich daraus ergebenden Fragestellungen. Eine sprichst
Du direkt an: Wer braucht eigentlich Geld als Tauschmittel, wenn sich
die Wirtschaft selbst von indirekten Tauschgelegenheiten immer weiter
wegbewegt? Die aus der Abschaffung des Geldes (und der damit
einhergehenden Abschaffung allen "Tauschens"!!!) resultierende
Schenkökonomie habe ich gerade auf dem OPEN OHR-Festival in Mainz
unter dem Stichwort des "DO UT DES"-Prinzip diskutiert. Kann man hier
nachlesen:
http://linkswärts.de/index.php?menu_id=6&article=33
(PDF-Download klappt leider noch nicht :-(  )

5. Viel entscheidender ist aber die Frage nach dem Eigentum an
Produktionsmitteln und der daraus folgenden künstlichen Unterscheidung
der Menschen in Haves und Have-nots. Ich habe nicht die geringste Lust
mehr auf eine Gesellschaft, in der sich jemand aufgrund meines Inputs
als erfolgreicher Unternehmer feiern lassen und seine Bedürfnisse als
auf nahezu alle Ewigkeit abgesichert betrachten kann (dessen
Unternehmen möglicherweise  noch vom Staat gerettet wird, wenn es
aufgrund seiner persönlichen Fehler oder der durch seine
Wirtschaftsweise angetriebenen Systemkrise versagt, während ich im
Falle einer Exklusion aus dem Arbeitsmarkt mit ein paar Almosen
rechnen kann) oder in der ich selbst ein solches Leben nur "anstreben"
könnte (was ich ja nicht will), indem ich andere Menschen ausbeuten
müsste. Mit einem solchen Intellekt und einer solchen Empathie
ausgestattet, werde ich in dieser Gesellschaft keinen Platz mehr
finden, aber auch nicht einmal mehr suchen. Die in Deiner Modellierung
zum Ausdruck gebrachte Gesellschaftsform ist damit obsolet und kann
weg! Man sollte sie nicht noch in einem progressiven Forum durch ein
doch wohl an der Gestaltung der Zukunft orientiertes Modell
zementieren...

Gruß
Manfred




2011/7/27 Joerg Drescher <iovialis at gmx.de>:
> Hallo zusammen,
>
> vielleicht liegt es am Sommer, daß es relativ ruhig auf der Liste zugeht,
> vielleicht auch an mangelnden Themen, da das meiste ausdiskutiert scheint.
> Deshalb möchte ich mich mal wieder zu Wort melden, um zu sehen, ob wirklich
> schon alles gesagt wurde, was sich zum Grundeinkommen sagen läßt. Dazu
> möchte ich folgende Grundannahmen zur Diskussion stellen:
>
> A) Alle Menschen haben (Grund)bedürfnisse, um Leben zu können (Nahrung,
> Kleidung, Wohnung, soziale Beziehungen)
>
> B) Es gibt Menschen, die diese (Grund)bedürfnisse aus A nicht allein decken
> können. Im Normalfall sind das (gültig für alle Zeiten): Kinder, Behinderte,
> Kranke, Alte, kurz: alle Pflegebedürftigen; im speziellen Fall (bezogen auf
> heute): alle Menschen, die kein Geld, bzw. wenig Geld bekommen, um davon die
> (Grund)bedürfnisse aus A zu finanzieren. Zu dieser Gruppe gehören dann auch
> jene Menschen, die zwar arbeiten, aber wenig bis kein Einkommen durch ihre
> Arbeit erhalten
>
> C) Es gibt Menschen, die ihre (Grund)bedürfnisse aus A allein decken können.
> Im Normalfall alle außer den Pflegebedürftigen; im speziellen: Menschen, die
> über Produktionsmittel verfügen (Maschinen, Grundstücke, Rohstoffe,
> Arbeitskraft, vorhandenes Geld usw.) und genug Geld dafür erhalten, um ihre
> (Grund)bedürfnisse aus A zu finanzieren
> Geht man nun davon aus, daß sich Menschen zu Gruppen zusammenschließen,
> damit alle innerhalb der Gruppe ihre (Grund)bedüfnisse aus A decken können,
> entsteht eine "Institution". Durch die "Institution" (Bsp: die kleinste
> "Institution" kann in der Familie gesehen werden - Vater, Mutter, Kind)
> müssen nur noch wenige Mitglieder über Produktionsmittel verfügen (Bsp: der
> arbeitende Vater mit Einkommen), wobei durch Umverteilung den anderen
> Mit-Mitgliedern eine Deckung der (Grund)bedürfnisse aus A zugesichert
> (garantiert) wird. Der Grund dafür mag unterschiedlich sein (Liebe,
> Vernunft, Zweck, Vertrag...).
>
> Mit steigender Größe der "Institution" entsteht dabei eine neue Kategorie
> (D):
>
> D) Es gibt Menschen, die ihre (Grund)bedürfnisse aus A deshalb decken
> können, weil sie genug Geld dafür erhalten, indem sie die Verteilung der
> produzierten Güter und Dienstleistungen von C nach B regeln, aber selbst
> über keine eigenen Produktionsmittel verfügen (müssen), außer ihrer
> "Arbeitskraft" für die "Institution"
>
> Meine Fragen:
> 1) Gibt es an dieser Modellvorstellung einen Denkfehler?
> 2) Ist die Kategorie (D) tatsächlich notwendig oder wäre es denkbar, diese
> "abzuschaffen"?
> 3) Sollte Kategorie (D) nur die "Verteilungsaufgabe" haben oder auch andere
> Aufgaben erfüllen?
> 4) Geld wird hier als Tauschmittel dargestellt - wie sähe die
> Modellvorstellung ohne Geld aus?
>
> Soweit fürs erste. Viele Grüße aus Kiew,
>
> Jörg Drescher
> Projekt Jovialismus
>




-- 
Manfred Bartl
Rheinallee 19
55118 Mainz
Tel. 06131 / 371 472
Handy 0179 / 11 70 216
E-Mail: sozial at gmail.com
Weblog so-zi-al: http://myblog.de/so-zi-al/
Twitter: http://twitter.com/sozialromantik

Linkswärts e.V.:
http://www.linkswärts.de/
http://www.linkswaerts.de/

Mainzer Initiative gegen HARTZ IV:
http://www.hartz4-muss-weg.de/

NachDenkSeiten-Gesprächskreis Mainz:
http://denknachmainz.wordpress.com/
NachDenkSeiten:
http://www.nachdenkseiten.de/



Mehr Informationen über die Mailingliste Debatte-Grundeinkommen