[Debatte-Grundeinkommen] Offener Brief an die Ratsvorsitzende der EKD
Wolf Bergelt
klanggeist at gmx.net
Mo Jan 11 16:56:57 CET 2010
Für für alle, die es lesen möchten. Wolf Bergelt
Liebe Frau Käßmann,
angenehm berührt habe ich den Medien entnommen, daß und wie Sie sich in
den letzten Tagen zur Afghanistan-Frage geäußert haben. Aber Afghanistan
ist nur Teil eines globalen Hamsterrades, in dem wir uns alle befinden.
Und Hamsterräder verhindern den aufrechten Gang. Der ist nur möglich,
wenn wir aus diesem Rad aussteigen, ganz eigene, selbst bestimmte Wege
gehen und ein NEIN sagen können, das zugleich ein JA zu uns selbst sein
kann. Das können wir aber nur, wenn das Rad zur Ruhe kommen kann und wir
unbeschadet aussteigen können. Dieser Ruhe- und Ausstiegspunkt zur
Selbstbestimmung kann heute (weltweit) nur ein bedingungsloses
Grundeinkommen sein. Es wäre die Antwort auf unzählige andere Fragen und
würde alle Menschen unabhängig von ihren kulturellen Unterschieden auf
gleiche Augenhöhe bringen.
Stellen Sie sich vor, keiner von uns müßte mehr das Lied dessen singen,
dessen Brot er ißt. Glauben Sie, daß dann noch jemand nach Afghanistan
in den Krieg gehen würde, um Menschen(kinder) zu erschießen und selbst
erschossen zu werden? Glauben Sie, daß noch jemand nach Wachstum
schreien würde, wenn er gesättigt, zufrieden und voller
Selbstbestimmungsfreude wäre? Glauben Sie, daß dann noch jemand bei
einem Waffenproduzenten arbeiten wollte, wenn er sein
Selbstbestimmungsglück ausüben und durch diese tagtägliche Erfahrung
dasselbe allen anderen Menschen wünschen könnte?
Vielleicht fragen Sie sich, woher ich diese Sicherheit nehme? Ganz
einfach: aus der Beobachtung, daß wir alle Bedürfnisse haben, auch wenn
wir "arbeitslos" sind. Zu diesen Bedürfnissen gehören nicht nur essen,
trinken und ruhn, sondern auch denken, fühlen und das (freie) Tun.
Arbeit ist also ein Bedürfnis und nicht etwa eine notwendige
Fremdbestimmung. Und nun stellen Sie sich vor, Sie wollen eine soziale
oder kreative Arbeit machen und es kommt jemand zur Tür herein, um ihnen
zu sagen, daß Sie jetzt für 1 € Fahrräder von Leuten zu bewachen haben,
die das gar nicht wollen ... oder Fenster bei einem Pharmaproduzenten zu
putzen hätten, der sich nur auf und über Kranke freut. Das ist gerade
so, als ob jemand Marzipan will und stattdessen zum Fett gezwungen wird,
wogegen er allergisch ist.
Ein bedingungsloses Grundeinkommen ist die zeitgemäße Form
bedingungslosen Daseinsrechts und - wenn man so will - die eigentliche
christliche Herausforderung der Gegenwart. Aber wir müssen sie
bewußtseinswach ergreifen, wenn wir nicht Opfer anderer Kräfte werden
wollen. Stellen Sie sich vor, diese Idee wäre in der Finanzkrise vor dem
3. Reich genauso stark gewesen wie heute und wäre in Deutschland
rechtzeitig kraftvoll aufgegriffen worden. Dann hätten die anderen
Kräfte keine Chance gehabt. Heute stehen wir wieder an einem solchen
möglichen Abgrund der Geschichte und Sie stehen an einer Stelle, von der
aus Sie fast 25 Millionen deutschen Menschen etwas vermitteln helfen
könnten, was die Kirche vor dem 3. Reich verschlafen hat.
Mehr wollte ich Ihnen nicht sagen. Sie sind ein Mensch und es macht Sie
keineswegs unmenschlicher, wenn Sie alles ganz anders sehen als ich.
Mit herzlichen Grüßen,
Wolf Bergelt
--
Wolf Bergelt
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