[Debatte-Grundeinkommen] [Gr.NetzGE] Mindesteinkommen und Verrechnung

Bodirsky info at bodirsky-systeme.de
Mo Okt 19 11:24:59 CEST 2009


Lieber Winfried,
absolut Deiner Meinung. Aber es gibt seit Jahren grundsätzlich durchgerechnete 
Modelle, gerade auch von uns Grünen, die prinzipiell (!!!!!) aufzeigen,
- das es geht,
- das es finanzierbar ist,
- und das es keinen sozialen Kahlschlag bedeutet.

Die Modelle sind alle nicht reif, um als Gesetzesvorlage eingereicht zu 
werden, aber das ist im Moment nicht unser Thema (da fällt mir ein: Das 
BaWü-Modell war z.B. schon ziemlich "reif").

TROTZDEM rennen noch immer führende GrünInnen und Grüne rum und behaupten 
wahrheitswidrig, "es würde nicht gehen!", und wir ergehen uns in den 
absurdesten Windungen des Steuer- und Sozialrechts und leisten uns 
Diskussionen auf einer Ebene, die absolut kein Mensch mehr versteht und die 
nur den Nachweis führen, das man das ganze Steuerrecht in die Tonne treten 
kann.

Nocheinmal:
Auch Jenseits von Götz Werner gibt es Modelle, die den Nachweis erbringen, das 
es geht. Die Ausrede, dass es nicht geht, zieht schon lange nicht mehr. Und 
wer das behauptet, 
- ist entweder zu faul um sich zu informieren,
- oder hat einfach Angst vor Veränderung (soll ja vorkommen).

Der springende Punkt, bzw. die geistige Hürde um die es geht, ist der 
Paradigmen-Wechsel, dass wir das Zwangswachstum durch Zwangsarbeit aufbrechen 
müssen, und zwar nicht weil wir solche Menschenfreunde sind, sondern weil uns 
ansonsten unser Planet  nicht mehr aushält! Übrigens ein Ur-Grünes Thema.....

Und ich bleibe dabei, auch wenn es polemisch ist: Vollbeschäftigung gibt es 
nur mit Krieg. Wer also Vollbeschäftigung fordert, ist in der Pflicht zu 
erklären, wie das ohne Kriege gehen soll!

Lieben Gruß,
Christopher



Am Montag, 19. Oktober 2009 11:06 schrieb winfried.boehler at t-online.de:
> Lieber Christopher,
>
> Recht hast Du. Aber: da beißt sich die Katze in den Schwanz. Es ist
> richtig, dass unser primäres Problem nicht die Finanzierung ist. Aber ohne
> ein plausibles und für große Teile der Bevölkerung nachvollziehbares
> Stufen-Konzept, aus dem auch hervorgeht, dass ein GE grundsätzlich
> finanzierbar ist und wie das aussehen soll, werden wir die Skeptiker nicht
> überzeugen können. Also bleibt uns nichts anderes übrig, als auf beiden
> Baustellen zu arbeiten, nämlich die Fragen: warum GE und wie GE zu
> beantworten.
>
> Herzliche Grüße
>
> Winfried
>
> -----Original Message-----
> Date: Mon, 19 Oct 2009 10:40:39 +0200
> Subject: Re: [Gr.NetzGE] Mindesteinkommen und Verrechnung
> From: Bodirsky <info at bodirsky-systeme.de>
> To: gruenes_netzwerk_grundeinkommen at gruene-berlin.de
>
> Hallo Anke,
> ich kann Dich nur voll & ganz unterstützen!
> Unser primäres Problem ist nicht, wie wir ein BGE finanzieren - das ist der
> 2. Schritt. Der viel wichtigere und fundamentalere Schritt ist die Trennung
> von Arbeit und Einkommen.
> Wenn wir Menschen immer produktiver werden und die Erde ein begrenzter
> Bereich ist, muss es jedem vernünftigen Menschen klar sein, dass
> Vollbeschäftigung nur möglich ist, wenn ich Krieg als Korrektiv aktiv
> einbeziehe! Ok, das hören jetzt viele nicht gerne, aber dann hätte ich
> gerne erklärt, wie es sonst gehen soll!
>
> Zur Erinnerung: Die letzte große Wirtschaftskrise wurde nicht durch den New
> Deal, sondern durch den 2. Weltkrieg beendet, und die Wirtschaftswunderzeit
> danach ebenfalls die direkte Folge davon, dass vorher alles zerstört wurde.
>
> Sollen doch diejenigen, die weiter auf Modelle der Vollbeschäftigung
> setzen, klar definieren wo die Arbeit für die Milliarden von Menschen
> herkommen soll und wie die Arbeit aussehen kann, OHNE dass dieser Planet
> hopps geht!
>
> Und wenn man sich klar macht, welche tatsächlichen Folgekosten durch diese
> Art "Vollbebschäftigung" entstehen, dann - ja dann ist dagegen die
> Finanzierung eines irgendwie gearteten BGE kein Problem mehr - unabhängig
> davon, dass es bereits heute durchgerechnete Ideen und mögliche Schritte
> dazu gibt.
>
> Aber ich freue mich, dass hier endlich nach Monaten der absoluten Ruhe
> wieder etwas los ist. Weiterhin warte ich darauf, dass eine Partei, die nur
> 1 von 3 Wahlzielen erreicht hat, und von sich gerne glaubt die "Hefe im
> Teig" zu sein, endlich mal wirklich NEUE Ideen entwickelt werden statt
> Hartz IV XXL!!! (und die Personen, die für diese Politik stehen, entweder
> ihre Meinungen überdenken, oder Platz machen...)
>
> Lieben Gruß,
> Christopher
>
> Am Sonntag, 18. Oktober 2009 14:33 schrieb Anke Brehm:
> > Hallo Klaus-Uwe, hallo alle Anderen,
> > erstmal sorry wenn ich mich neulich ein wenig im Ton vergriffen hab, das
> > passiert mir manchmal in meinem Überschwang. Auch sorry, Dr. Klaus-Uwe
> > Gerhardt, dass ich einmal (nicht in der Anrede!) deinen Namen falsch
> > geschrieben habe. Im Bemühen, mir ein gerechtes und einigermaßen
> > fundiertes Urteil zu bilden, habe ich nochmals Einiges auf deiner
> > Webseite gelesen sowie verschiedene andere Publikationen zum Begriff
> > Negative
> > Einkommenssteuer. Ich versuche mich jetzt kurz zu halten. Erstmal: Es ist
> > ja schön, dass du, Klaus-Uwe, seit 30 Jahren für das eintrittst, was du
> > Mindesteinkommen nennst - aber bei meinem Bemühen zu verstehen, was genau
> > du da vertrittst (insbesondere beim sogenannten Hartz plus), konnte ich
> > nicht umhin, fatale Ähnlichkeiten mit dem von der FDP propagierten System
> > zu sehen. Vermutlich hast du diese Ähnlichkeit nicht beabsichtigt und
> > bist über den Vergleich eher empört. Ich kann nur sagen: Dein System
> > (oder zumindest deine Darstellung desselben) ist viel zu kompliziert und
> > abhängig von zu vielen anderen Faktoren in der Steuer- und
> > Sozialgesetzgebung. Ich bin zwar keine studierte Soziologin, habe aber
> > eine kaufmännische Ausbildung und bin auch sonst ganz helle. Wenn ich
> > beim Lesen deiner Texte nicht durchschaue, was du eigentlich meinst (und
> > das, was ich verstehe, nicht überzeugend finde), dann wird es beim weit
> > überwiegenden Teil der restlichen Bevölkerung genauso sein... Du hast
> > also recht, wenn du in deiner Mail behauptest ich hätte das
> > Verrechnungssystem nicht ganz verstanden, aber ich habe genug verstanden,
> > um mich nicht weiter mit der von dir dargestellten Version auseinander
> > setzen zu wollen. Was ich verstanden habe, ist, dass dein System nicht
> > mit dem der BaWü-Grünen übereinstimmt, welches nicht nur viel einfacher,
> > sondern auch wirklich bedingungslos ist. Ich werde mich in Zukunft, wenn
> > ich jemandem die negative Einkommenssteuer erklären soll (was immer
> > wieder vorkommt in letzter Zeit), an jenes Modell halten. In deiner Mail
> > tust du so, als ob deine Version der negativen Einkommenssteuer  d a s
> >  Modell überhaupt sei, alle anderen dagegen Verfälschungen oder falsch
> > verstanden. Bei meinen Recherchen habe ich beim "Institute for Employment
> > Research" Folgendes gefunden: "Es gibt eine nicht unerhebliche Zahl
> > verschiedener Modelle einer negativen Einkommensteuer, welche sehr
> > unterschiedliche
> > wirtschaftspolitische und fiskalische Wirkungen zur Folge haben. Es kommt
> > bei der Konzeption einer solchen Steuer daher sehr auf die genaue
> > Ausgestaltung und die Zielsetzung an. Dabei können insbesondere zwei
> > Modelle unterschieden werden: Zum einen eine Zusammenfassung möglichst
> > aller staatlicher Transferleistungen und Steuern zu einem gemeinsamen
> > Steuer-Transfersystem und zum anderen eine Reduktion jener eigenen
> > Einkommen, die auf staatliche Transfers angerechnet werden müssen und zu
> > einer Minderung der Transferleistungen führen. In dem Projekt werden
> > integrierte Steuer-Transfersysteme dabei auf ihre Fähigkeit untersucht,
> > die Anreizproblematik in der sozialen Grundsicherung zu mildern und dabei
> > zugleich praktikabel und finanzierbar zu sein. Neben der Darstellung und
> > Analyse der konzeptionellen Grundlagen und ihrer Problematik werden
> > verschiedene Modelle für die Bundesrepublik Deutschland untersucht. Es
> > werden die Probleme der Kostenschätzung diskutiert und darauf aufbauend
> > die zu erwartenden Verschiebungen in den finanziellen, administrativen
> > und legislativen Zuständigkeiten dargelegt".  - Kurz: Es gibt nicht  d a
> > s Modell der negativen EKSteuer. Zu deiner Bemerkung, Klaus-Uwe, "es geht
> > doch schlicht um das Problem der Finanzierbarkeit", möchte ich noch
> > anfügen, dass es das in meinen Augen nicht tut. Ich finde, dass dieser
> > Frage - im Verhältnis - viel zu viel Aufmerksamkeit gewidmet wird. Wenn
> > es erst mal so weit ist, dass GE verwirklicht wird, weil eine
> > ausreichende Wählermehrheit dies so will, dann wird sich auch ein
> > geeignetes
> > Finanzierungsmodell finden. Solange jedoch Zahlenjongleure komplizierte,
> > für "normale" Menschen nicht nachvollziehbare Systeme vorstellen, wird
> > keine Mehrheit sich überzeugen lassen, da kann man ihnen gerne noch
> > weitere dreißig Jahre etwas vorrechnen. In Wirklichkeit kommt es darauf
> > an, ob und wie Grundeinkommen sich auf die gesellschaftlichen
> > Verhältnisse auswirkt. Die Bananen-Republik-Deutschland hat eine ganz
> > neue gesellschaftliche Entwicklung dringend nötig und diese könnte durch
> > ein bGE eingeleitet werden. Das dies möglich, nötig und richtig ist,
> > darum geht es eigentlich ! Dein Hartz-plus ist jedenfalls sicherlich
> > nicht geeignet, irgendwelche grundlegenden gesellschaftlichen
> > Veränderungen herbeizuführen. Ackermann soll es doch bekommen ! Da
> > bestehe ich drauf! Bedingungslos ist
> > bedingungslos ist bedingungslos. Man kann es ja, wie schon erwähnt, über
> > die Steuerprogression wieder reinholen, aber das muss dann extra genommen
> > werden. Erstmal kriegt er's. Gebt den Ladies ihre Pralines ! Ich verweise
> > hier auf eine weitere von mir angestoßene Diskussion: "Grundeinkommen
> > geht auch anders". Das wärst für heute,
> > Gruß, Anke
> >
> >
> >
> >
> >
> > ----- Original Nachricht ----
> > Von:     Klaus-Uwe Gerhardt <ger.hardt at t-online.de>
> > An:      'Anke Brehm' <abrehm at arcor.de>,
> > gruenes_netzwerk_grundeinkommen at gruene-berlin.de Datum:   17.10.2009
> > 19:13 Betreff: AW: Mindesteinkommen und Verrechnung
> >
> >  hallo Anke,
> > danke Dir erstmal, dass Du Diskussion losgetreten hast. Eines ist mir
> > unklar. Willst Du ökonomisch-technische Details erfahren und diskutieren,
> > die in Lehrbüchern seit Milton Friedman und im deutschen Sprachraum durch
> > Engels/Mitschke in den 1960ern beantwortet worden sind? Es geht doch
> > schlicht um das Problem der Finanzierbarkeit. Deswegen nehme ich mir
> > etwas Zeit, auf Deine E-Mail einzugehen. So, Anke, zunächst mal dies:
> > Mein Name ist Klaus-Uwe und nicht Kai-Uwe. Die Verwechslung kann zwar mal
> > vorkommen, aber so viel Zeit muss sein, dass Du Deine Mitstreiter mit dem
> > korrekten Namen ansprichst. Bitte verstehe mich nicht falsch, aber ich
> > glaube, Du hast den Verrechnungsmechanismus noch nicht verstanden. Der
> > Unterschied zwischen Negativer Einkommensteuer (NES) und Sozialdividende
> > (SD) ist nicht nur ein technischer, sondern es geht um den Vorwurf
> > unserer Widersacher, das Grundeinkommen sei ja nicht finanzierbar. Das
> > Finanzvolumen ist NETTO bei beiden Modellen gleich, aber eben nicht
> > BRUTTO. Denn um ein
> > Grundeinkommen nach dem Sozialdividende-Modell zu bezahlen, müssen
> > mehrere hundert Millionen EURO bewegt werden. Bei der NES nach unseren
> > Vorstellungen "nur" 50-60. Das ist immerhin 10mal weniger. Aber selbst
> > dieser Betrag lässt sich nicht im Vorübergehen umschichten oder
> > durchdrücken. Winfried, sorry bei Deinem Verrechnungsmodell widersprechen
> > zu müssen. Die Rechnung, die Du aufstellst, ist hinten rum durchs Knie
> > gebohrt. Ich hatte extra die Seite aus "Befreiung von falscher Arbeit"
> > als pdf beigelegt, um das nochmals klar zu machen. Der
> > Transfermechanismus setzt immer am eigenen Einkommen an (egal ob über
> > Arbeit, Zins- oder Mieteinkommen) und bestimmt das verfügbare Einkommen.
> > Das Transfereinkommen ergänzt also Selbstverdientes. Ich verstehe das
> > Mindest-, Grundeinkommen trotzdem nicht als verkapptes Kombilohnmodell,
> > weil es den vier Kriterien genügt, die für ein bedingungsloses
> > Grundeinkommen aufgestellt wurden und so heißen: Das garantierte
> > Mindesteinkommen folgt vier Kriterien: Es ist individuell,
> > existenzsichernd, ohne Bedürftigkeitstest und ohne
> > Arbeitszwang zu gewähren. Deswegen hat Joachim Recht, wenn er schreibt,
> > Ackermann soll es nicht bekommen. (Ackermann ist im Übrigen nicht
> > Finanzminister - so viel Zeit sollte sein, wenn wir schon angeregt, aber
> > fundiert diskutieren.)Es geht nicht um "Pralines für lazy Ladies", wie
> > mir mal Michaele Schreyer, ehemals EU-Kommissarin, unterstellte. Nimm es
> > Joachim ferner nicht so übel, wenn er den Transfermechanismus ausführlich
> > beschreibt. Ich bin mir sicher, er möchte Dir, Anke, nichts Böses
> > unterstellen. Und weil es einerseits bedingungslos, aber andererseits
> > finanzierbar sein muss, bin ich für ein garantiertes Grund-, bzw.
> > Mindesteinkommen seit immerhin schon dreißig Jahren. Eine lange Zeit, die
> > mit meiner Diplomarbeit anfing. Wenn Du den Text auf meiner Homepage
> > genauer gelesen hast, so wirst Du, Anke, erkennen, dass ich für die Trias
> > aus Mindesteinkommen, Mindestlohn und guter Arbeit bin. beschreibe ich
> > übrigens, was in meiner Dissertation steht. Mit den besten Grüßen, Dr.
> > Klaus-Uwe Gerhardt
> >
> >
> >
> > _______________________________________________
> > Gruenes_Netzwerk_Grundeinkommen mailing list
> > Gruenes_Netzwerk_Grundeinkommen at gruene-berlin.de
> > http://gruene-berlin.de/cgi-bin/mailman/listinfo/gruenes_netzwerk_grundei
> >nk ommen

-- 
Christopher Bodirsky
Systemischer Berater und Therapeut
Heilpraktiker beschränkt auf das Gebiet der Psychotherapie
Am Plessenfelde 1
30659 Hannover
Tel.: 0511/90 46 90 90
www.bodirsky-systeme.de



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