[Debatte-Grundeinkommen] Wo sind die Armen und Erwerbslosen?

solaris post solaris.post at web.de
Fr Jan 2 12:02:53 CET 2009



Wo sind die Armen und Erwerbslosen? 



Liebe Mitstreiter, Symphatisanten, Sehr geehrte Volksvertreter.


Für die Erwerbslosen fehlt generell eine Interessenvertretung in Parlament und Öffentlichkeit . Es wurde eine Arbeitslosen(Armen-)gesetzgebung aus dem Boden gestampft, von Menschen die noch nie einen Tag arbeitslos waren, maßgeblich beeinflusst von unternehmensnahen Interessengruppen, wie der Bertelsmann-stiftung, deren angebliche Gemeinwohlorientierung blanke Demagogie ist. Die Hartz – Gesetze entstanden ohne jede Beteiligung von Erwerbslosenverbände oder sozialen Bewegungen.

Die Gestaltung der Hartz-Gesetze war einseitig orientiert auf folgende Ziele:

• Bereinigung der Arbeitslosenstatistik durch Veränderung der Berechnungsgrundlagen. Hunderttausende gelten nicht als arbeitslos , obwohl faktisch kein Unterschied zu Arbeitslosigkeit besteht (z.B. Ein-Euro-Jobber haben keinen Arbeitsvertrag und kein Beschäftigungsverhältnis im arbeitsrechtlichen Sinne und erhalten kein Arbeitsentgelt und werden doch nicht als arbeitssuchend geführt)
• Kürzung der finanziellen Mittel für Langzeitarbeitslosigkeit
• Einschüchterung und Disziplinierung von Abhängig Beschäftigten und Erwerbslosen gleichermaßen mit dem Ziel der flächendeckenden und branchenübergreifenden Reallohnsenkung

Es gibt tatsächlich historische Parallelen, die zeigen, dass seit der Entstehung des Kapitalismus der Umgang mit Armut und Verelendung wesentlich konstitutiv für eine Gesellschaft  war und ist.

In England wurde erst 1834 mit der Reform des Armenrechts ein wettbewerbsbestimmter Arbeitsmarkt geschaffen. Vorher war die Landbevölkerung durch das Speenhamlandsystem an die dörfliche Verwaltung (Sprengel) fest gebunden.
Polanyi schreibt dazu Z. B.:

“Das Speenhamlandsystem sollte die Proletarisierung des einfachen
Volkes verhindern oder wenigstens bremsen. Das Ergebnis war jedoch
bloß die Pauperisierung der Massen
 die Reform des Armenrechts im
Jahre 1834 beseitigte dieses Hinderniss für den Arbeitsmarkt. Die
wohldurchdachte Grausamkeit dieses Gesetzes erschütterte die
öffentliche Meinung in den dreißiger und vierziger Jahren des 19.
Jahrdt. so sehr, daß der Proteststurm der Zeitgenossen das Bild in den
Augen der Nachwelt trübte. Viele der Ärmsten wurden mit der
Abschaffung der öffentlichen Unterstützung tatsächlich sich selbst
überlassen
 In der modernen Geschichte hat es wohl kaum einen
grausameren Akt der Geselllschaftsreform gegeben.”

In der Folge landeten viele Existenzen in Arbeits-und Armenhäusern.

“Die psychologische Folter wurde von milden Philanthropen nüchtern
befürwortet und reibungslos in die Praxis umgesetzt, um
damit die Räder des ARBEITSKRAFTMECHANISMUS zu ölen.”

Und dann nach 1850 rum, griff der Zwang zur Mobilität voll durch:

“Wenn das Speenhamlandsystem das Entstehen einer Arbeiterklasse
verhindert hatte, so wurden nun [nach ca. 1850]
die werktätigen Armen durch den Druck
zusammengeschlossen. Wenn im
Rahmen des Speenhamlandsystems für die Menschen auf eine Art und Weise
gesorgt wurde, die man Tieren nicht zumuten möchte, so wurde nun
erwartet, daß sie für sich selber sorgen sollten, wobei alle Chancen gegen sie
waren. Wenn das Speenhamlandsystem eine Art geschütztes Elends
bewirkte, so war nun der werktätige Mensch in der eigenen
Geselllschaft heimatlos geworden
”

(alle Zitate aus: Karl Polanyi, The Great Transformation, S. 120-122,
Suhrkamp, 1997)

Die Zeit von 1795-1834 war also eine Übergangszeit. Die heutige Hartz IV-Gesellschaft hat einige Aspekte von damals mit der totalen Mobilisierung auf den Arbeitsmärkten und dem Arbeitszwang kombiniert. Es wird garantiert nicht das Ende der Entwicklung sein, in diese Richtung wird es weitergehen! Wir können auf die nächsten “Sozialrechtsreformen” wetten, und die Linke wird nichts aber auch gar nichts dagegen tun können. Das geht nur mit den und durch die betroffenen Menschen selbst. Das einzige was die Linke in dieser Situation tun kann, ist die Massen aufklären und Mitwirkungsmöglichkeiten aufzeigen. Dazu ist eine linke Infrastruktur notwendig: Eine Linke in und außerhalb der Partei arbeitet an einer flächendeckenden Jugendbildung, eigene (Volks-) Hochschulen, feste Tagungs- und Bildungshäuser, engagiert sich für eine emanzipatorische Gegenkultur, arbeitet an eigenen bundesweiten TV/Radiostationen und führt regelmäßige (Diskussions-) Veranstaltungen mit den Bürgern vor Ort durch. Man könnte einiges machen und es gäbe viel zu tun. Das sollte endlich mal am Gestaltungshorizont aller linken Strömungsvertreter auftauchen.


Sehr geehrte Mitglieder des Landesvorstandes und der Slt-Fraktion.

Die Sozialen Bewegungen und DieLinke. müssen auf die SGBII-Betroffenen zugehen, nicht umgekehrt und sollten diese Personen in die aktive Arbeit einbinden. Es reicht nicht, über die Köpfe dieser Menschen hinweg verhandeln oder Konzepte entwickeln zu wollen ohne die Armutsbevölkerung mit einzubinden. Übrigens: es ist sehr aussagekräftig, dass kaum SGBII-Betroffene in den Parlamenten und in den Parteivorständen zu finden sind. Das wäre eine Aufgabe für die Linke, das zu ändern. 

Denn auch ein großer Teil der Konflikte mit den vorm. WASG-Mitgliedern und der linksradikalen innerparteilichen Opposition, rührt daher, dass diese Gruppen eine konstruktive Mitwirkung und Beteiligung an relevanten Meinungsbildungsprozessen in der Ost-PDL versagt blieb/wurde. Aber eben nicht nur an der Meinungsbildung, sondern jede Art von Mitarbeit praktisch/theoretisch war sehr schwierig wenn nicht gar unmöglich, wenn derjenige von außerhalb kommt und nicht auf bestehende Netzwerke/Bekanntschaften in der Partei "zurückgreifen" kann.

Daher -aber nicht nur deswegen- fordere ich eine Quote für SGBII-Betroffene in den Kreis- und Landesvorständen, den Delegiertenversammlungen und auf den Kandidaten-Listen zur Landtagswahl.

Außerdem führt schlicht der parlamentarische Alltag dazu, die Lebenswirklichkeit eines Großteils der Armuts- und Elendsbevölkerung auszublenden. Ich meine das durchaus ganz konkret und kann das jederzeit weiter ausführen und belegen. 


Alles Gute zum neuen Jahr wünscht



Solaris Post
Mitglied KV Nordwestsachsen.DieLinke
(vorm. WASG-Leipzig)


Und stören sie sich bitte nicht an dem Pseudonym, Namen tun hier nichts zur Sache,
einzig der Inhalt sollte Ihnen vermittelt werden. Ich hoffe doch, dass der Ernst der Lage 
und die Bedeutung dieser Angelegenheit klar geworden ist. 
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