[Debatte-Grundeinkommen] Katja Kipping in der jungen Welt zum gemeinsam getragenen Kompromiss

Manfred Bartl sozial at gmail.com
Mi Feb 4 23:00:48 CET 2009


Hallo, Mitstreiter!

Katja Kipping hat in einem Interview in der "jungen Welt" (s.u.)
erklärt, "Den Kompromiß vertreten wir jetzt gemeinsam". Thema: die von
der Linksfraktion im Bundestag ins Auge gefasste "bedarfsdeckende
soziale Mindestsicherung", die schon jetzt als "Hartz IV light" eine
traurige Berühmtheit erlangt hat.

Kennzeichen ihrer Äußerungen: Ausweichen und Schönreden!

Besonders traurig: Dass in Zeiten zunehmender gesellschaftlicher
Polarisierung die als soziale Hoffnung angetretene Partei DIE LINKE,
die mittlerweile - schon aufgrund des völligen Versagens der "anderen"
- einen Alleinanspruch auf das Soziale für sich beanspruchen kann, mit
internen, "Kompromisse" genannten Vorentscheidungen die soziale
Programmatik so dermaßen verwässert, dass man den Anspruch faktisch
VORAB aufgibt. Es macht sich offenbar NIEMAND mehr bewusst, dass eine
Partei, BEVOR sie mit möglichen, sich selbst als exklusiv
"politikfähig" gebenden Koalitionspartnern noch weiter verwässerte
Kompromisse eingehen kann, erst einmal den Wähler überzeugen muss,
ausgerechnet sie zu wählen. Die Medaille der Glaubwürdigkeit gewinnt
man nicht bei potenziellen Koalitionspartnern, sondern ausschließlich
bei den Wählern!

Katja, wie Du Dich wohl erinnerst, haben wir bei der
Diskussionsveranstaltung der Mainzer LINKEN eine ausgezeichnete
Darstellung des bedingungslosen Grundeinkommens von Dir erhalten, wir
haben eine gleichermaßen treffliche wie wenig überzeugende Darstellung
der bedarfsorientierten Grundsicherung von Karl Voßkühler erhalten,
UND wir bekamen von Prof. Friedrich Voßkühler eröffnetet, dass für die
Partei des demokratischen Sozialismus das eine wie das andere keine
wirklich transformierende Gestaltungskraft entwickelt. Daraus folgt
für mich, dass, wenn man schon - als Zugeständnis an "reale"
Verhältnisse - nicht auf eines der Modelle verzichten will, doch wohl
das attraktivere wählt, um nicht nur die Bedarfssicherung von
Exkludierten mit einer Mindestsicherung sicherzustellen, sondern auch
gleich noch das Lehrbeispiel der emanzipatorischen Wirkung des
bedingungslosen Grundeinkommens mitzunehmen. Wichtigstes Element
linker Politik ist derzeit nun einmal Symbolpolitik!

Mit solidarischen Grüßen
Manfred Bartl
unabhängiger Mainzer Bundestagskandidat



http://www.jungewelt.de/2009/01-31/056.php

31.01.2009

»Den Kompromiß vertreten wir jetzt gemeinsam«

Die Linksfraktion im Bundestag verzichtet in einem Papier zur
»Mindestsicherung« auf Sanktionen. Ein Gespräch mit Katja Kipping,
stellvertretende Bundesvorsitzende der Partei Die Linke und
sozialpolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion

Interview: Ralf Wurzbacher

Der in dieser Woche von der Linksfraktion im Bundestag gefaßte
Beschluß zum Modell einer »bedarfsdeckenden sozialen Mindestsicherung«
fiel einstimmig aus, erhielt also auch Ihren Segen. Können Sie
nachvollziehen, daß einige Ihrer Genossen das enttäuscht?
Die Fraktion hat sehr deutlich gemacht, daß es sich dabei um
Vorschläge handelt, die nun in der Partei diskutiert werden. Letztlich
entscheidet der Parteitag. Beim vorgelegten Papier handelt es sich um
einen Kompromiß, bei dem sich beide Seiten bewegen mußten – der
stellvertretende Fraktions- und Parteivorsitzende Klaus Ernst ebenso
wie ich.

Dennoch mußten Sie wie auch Ernst in bestimmten Punkten klein
beigeben. Wo trägt das Papier Ihre Handschrift?
Das Papier unterstreicht einerseits den Vorrang der Erwerbsarbeit und
formuliert den moralischen Anspruch, daß zumutbare Arbeitsangebote
auch angenommen werden. Anderseits bekennt es sich klar zum Prinzip
der Sanktionsfreiheit. Es heißt darin wörtlich: »Der Schutz der
Menschenwürde und insbesondere des Kinderwohls verbieten die Kürzung
von Sozialleistungen.« Dieser Satz war entscheidend für meine
Zustimmung. Das heißt, auch im Falle der Ablehnung einer zumutbaren
Arbeit ist von Sanktionen abzusehen.

Ein Grundprinzip von Hartz IV besteht darin, soziale Sicherung als
Ausnahme zur Erwerbsarbeit zu begreifen. Warum brechen Sie nicht mit
dieser Logik?
Der zentrale Mißstand an Hartz IV ist das Prinzip »Fördern und
Fordern« und das daran gekoppelte Sanktionsregime. Vom
Sanktionsprinzip verabschiedet sich der Fraktionskompromiß eindeutig,
indem wir sagen, der Vorrang der Erwerbsarbeit drückt sich in
Angeboten und Beratung, aber eben nicht in Zwangsmaßnahmen aus. Das
ist ein gewaltiger Fortschritt.

Die im Papier formulierte »Verpflichtung«, sich um Erwerbsarbeit zu
»bemühen«, und das Bekenntnis zur »Sanktionsfreiheit« ist demnach nur
ein semantischer Widerspruch?
Es ist doch Ausdruck eines begrenzten pädagogischen Verständnisses,
daß sich ein Anspruch nur durch Sanktionen umsetzen ließe. Gute
Arbeitsangebote und gute Beratung sind doch viel geeigneter beim Kampf
gegen ungewollte Erwerbslosigkeit.

Aber was wird mit denen, die keine Lust auf Lohnarbeit haben, die
ehrenamtlich tätig sind oder Familienarbeit verrichten?
Auch jene, die eine zumutbare Arbeit ablehnen, müssen keine Sanktionen
fürchten. Auch in diesen Fällen wird die Mindestsicherung nicht
gekürzt. So steht es in unserem Beschluß.

Darin steht auch ein Eckregelsatz von 435 Euro. Die
Erwerbslosenbewegung hätte sich mindestens 500 Euro gewünscht.
Die Höhe des Satzes ist ein Streitpunkt. Mildernd kommt aber hinzu,
daß wir für einen Individualanspruch auf soziale Sicherung plädieren,
unabhängig vom Familienstand. Das bedeutet nichts weniger als das Ende
der Bedarfsgemeinschaften. Deren Abschaffung war eine zentrale
Forderung der Erwerbslosenbewegung, die wir aufgegriffen haben.

Die beklagt sich aber, daß man auch mit 435 Euro im Monat arm bleibe.
Der Betrag ist nicht das Ende der Fahnenstange. Die Fraktion hat
schließlich auch betont, daß die Höhe der Mindestsicherung jährlich
angepaßt werden soll. Und in der dafür zuständigen Kommission sollen
auch Erwerbslosenvertreter mitwirken.

Besagte »Bedarfbemessungskommission« soll sich allerdings, wie schon
bei Hartz IV der Fall, am »soziokulturellen Existenzminimum«
orientieren. Sie wollten dagegen die gültige Armutsgrenze als Meßlatte
einziehen. Warum haben Sie sich in diesem Punkt geschlagen gegeben?
Warum denkt man bei den Medien immer in Kategorien von Siegern und
Besiegten? Noch einmal: Es handelt sich um einen Kompromiß, und für
den werben wir nun auch gemeinsam.

Ist Ihr Herzensthema eines bedingungslosen Grundeinkommens jetzt vom Tisch?
Es ging in der Debatte innerhalb der Fraktion nicht ums
Grundeinkommen, sondern um die Ausgestaltung einer linken
Mindestsicherung, mit der wir in den Wahlkampf ziehen. Die Debatten
ums Grundeinkommen sowie um ein erweitertes Verständnis von Arbeit
jenseits der Erwerbsarbeit sind und werden Teil der
Parteiprogrammdebatte sein.





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Manfred Bartl
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