[Debatte-Grundeinkommen] Eine Idee der Einführung von BGE ohne ein spezielles Modell

Reimund Acker reimund.acker at t-online.de
Di Mai 6 03:37:51 CEST 2008


Ich halte das andauernde Herummäkeln an der bei Gründung des Netzwerks
vereinbarten Definition des Begriffs "Bedingungsloses Grundeinkommen (BGE)"
für kontraproduktiv. Es geht doch nicht darum, die zur Bezeichnung dieses
Begriffs verwendeten Worte sprachwissenschaftlich zu analysieren! Das
deutsche Netzwerk Grundeinkommen ist, ebenso wie jede andere Organisation
oder Einzelperson, völlig frei sich einen sozialpolitischen Begriff für
seine Öffentlichkeitsarbeit und interne Diskussion zu definieren und ihn mit
einem x-beliebigen Wort oder einer x-beliebigen Wortkombination zu
bezeichnen. Wir hätten das Ding auch "Hugo" nennen können. Entscheidend ist,
ob es gelingt, das damit gemeinte Konzept hinreichend deutlich von ähnlichen
anderen Konzepten abzugrenzen. Das geht mit "Hugo" ebenso gut wie mit "BGE".
"BGE" hat gegenüber "Hugo" den Vorteil, das es ein "sprechender" Name ist,
die darin verwendeten Worte "bedingungslos" und "Grundeinkommen" also
bereits auf Eigenschaften des zu bezeichnenden Begriffs hinweisen. Ein
weiterer Vorteil von "BGE" besteht darin, dass "Grundeinkommen" eine
mögliche Übersetzung des Begriffs "basic income" von BIEN ist. Und das BGE
ist ja ein basic income im Sinne der Definition von BIEN, weil es dessen
Minimalbedingungen erfüllt.  Darüber hinaus ist das BGE existenzsichernd;
dies ist in bei BIEN für ein basic income ausdrücklich zugelassen, und zur
Verdeutlichung wird dort für ein nicht-existenzsicherndes basic income die
Bezeichnung "partial basic income" verwendet (siehe z.B.
http://www.etes.ucl.ac.be/BIEN/BI/Definition_temp.htm).

Natürlich kann man nicht sämtliche Eigenschaften in den sprechenden Namen
packen; wer genau wissen will was gemeint ist, muss sich eben die Definition
angucken. Auch dem Begriff "Coca Cola" sieht man ja nicht unmittelbar an,
was drin ist; Coca ist jedenfalls inzwischen nichtmehr drin, dafür jede
Menge Zucker, der fehlt aber im Namen...

Seit dreieinhalb Jahren arbeitet das Netzwerk daran, seinen Begriff "BGE"
mit der festgelegten Bedeutung als Marke in Deutschland zu etablieren, und
inzwischen lassen sich erste Erfolge verzeichnen. Immer häufiger treffe ich
bei den Infoständen unserer Regionalinitiative auf Menschen, die den Begriff
bereits kennen und wissen was er bedeutet (einschließlich
Existenzsicherung). Auch in der öffentlichen Diskussion lässt sich eine
Vereinheitlichung und Klärung der verwendeten Begriffe Grundeinkommen,
Grundsicherung, Bürgergeld, etc., beobachten. Wir sollten weiterhin
beharrlich an der Etablierung unseres Begriffs "BGE" im deutschsprachigen
Raum arbeiten, ihn auch ohne weiteres mit "Grundeinkommen" abkürzen, und ich
würde sogar vorschlagen, zu versuchen den Begriff irgendwie schützen zu
lassen per (C), (R) oder so.

Ein partielles Grundeinkommen ist, selbst als Übergangslösung, abzulehnen,
da es die wesentlichen Vorteile des BGE nicht bietet und die Gefahr groß
ist, das es eher den Übergang zu einem reinrassig neoliberalen Sozialabbau
bilden würde; ob nämlich ein Grundeinkommen ein neoliberales Konzept ist
oder ein emanzipatorisches, hängt spätestens nach Abschaffung anderer
sozialer Sicherungssysteme bekanntlich ausschließlich von seiner Höhe ab.

Ein partielles Grundeinkommen gar zum BGE zu ernennen wäre wahrlich ein
Schildbürgerstreich oder ein Meisterstück neoliberaler Chuzpe.

Reimund Acker
Initiative Grundeinkommen Amperland



> -----Original Message-----
> From: debatte-grundeinkommen-bounces at listen.grundeinkommen.de 
> [mailto:debatte-grundeinkommen-bounces at listen.grundeinkommen.d
> e] On Behalf Of Agnes Schubert
> Sent: Thursday, March 06, 2008 4:20 AM
> To: debatte-grundeinkommen at listen.grundeinkommen.de
> Subject: Re: [Debatte-Grundeinkommen] Eine Idee der 
> Einführung von BGE ohne ein spezielles Modell
> 
> An Ronald Blaschke,
> Vorab:
> Ich weiß inzwischen um deine immer wiederkehrenden Probleme 
> und die Diskussionen um die BGE-Begrifflichkeit und habe 
> diesbezüglich großes Verständnis. Ich bitte dich jedoch in 
> deiner Liste der wichtigen Begriffe:
> https://www.grundeinkommen.de/die-idee/glossar
> denjenigen des "Bedingungsloses Grundeinkommens" zu überdenken!
> Die direkte wörtliche Bedeutung spiegelt nichts von einer 
> Sicherung wieder und nimmt somit keine Höhe vorweg (auch 
> keine relative Höhe). 
> Bedingungslos heißt, dass es ohne Zwang zur Arbeit ausgezahlt 
> wird, aber eben noch nicht, das es deshalb zum Leben ohne 
> Arbeit reichen muss..
> Ich würde ja gerne dir entgegenkommen, da du die Definition 
> eben als erster gesetzt hast und sie so schon oft in Texten 
> verwendet hast. Aber selbst eine Schöpfung wie" ein nicht 
> Existenz sicherndes bedingungsloses Grundeinkommen" an Stelle 
> meines bisherigen BGE-Begriffes wäre in deiner Definition ja 
> dennoch ein Widerspruch und mir fällt leider nichts anderes 
> diesbezüglich ein.
> Vielleicht solltest du den Satz: "Das BGE ist ein die 
> Existenz sichernder und die gesellschaftliche Teilhabe 
> ermöglichender Transfer." 
> streichen, um dem Begriff BGE mehr Raum zuzugestehen und 
> eventuell dafür einen Begriff neu schaffen, der vielleicht 
> "Bedingungsloses Bedarfsgerechtes Grundeinkommen" heißt: "BBG 
> ist ein Existenz sicherndes und die gesellschaftliche 
> Teilhabe ermöglichendes BGE."
> 
> Solange ich jedenfalls kein brauchbaren Alternativbegriff 
> habe, muss und werde ich in meinen Ausführungen mit "BGE" ein 
> Einkommen ohne Existenzsicherung einschließen. Ich bin aber 
> für einen konkreten Vorschlag sehr offen.
> Zum Thema, oder besser zu deiner Art Kritik:
> 
> Du schreibst:
> "1. Ein BGE auf Null-Niveau ist nicht mal ein Einkommen...."
> Nein ist es nicht. Und dennoch ist es eine brauchbare 
> Beschreibung als Rechengröße.(/Zur wissenschaftlichen 
> Verwendung ist jedoch zu sagen, dass die Null sich in der 
> Mathematik bereits im 17.Jh durchsetzte. 
> vielleicht solltest du das Nachvollziehen)/ Den Begriff 
> Null-niveau muss man hingegen in meinem Beitrag auch gar 
> nicht wörtlich verstehen. BGE auf Null-Niveau ist ein BGE in 
> einer Höhe von vielleicht 0€ oder 100€, bei dem jedenfalls 
> erst einmal keine unvorhersehbaren Veränderungen der 
> Gesellschaft mit unbeherrschten Wirtschaftsfolgen eintreten. 
> Wenn im Gegensatz dazu mit einem BGE in entscheidender Höhe 
> (z.B."BBG") aus dem Zwang zur Arbeit eine Option zu arbeiten 
> wird, sind dagegen große Verwerfungen zu erwarten.
> 
> "2. ..."
> Dessen war ich mir beim Beitritt bewusst.
> 
> "Man kann nun über alle möglichen Einstiegskonzepte zum BGE 
> diskutieren ... "
> Nun genau darum geht es! Und das machst du nun aber gerade 
> nicht, sondern beschränkst dich weitgehend auf eine formale 
> Kritik meines Beitrages. :-(
> 
> "Allerdings sind dann bei diesen Einstiegskonzepten ganz 
> andere Wirkungen zu erwarten als die mit dem BGE verbunden 
> werden. Und diese Wirkungen sind von weiteren 
> Rahmenbedingungen abhängig, daher die vielen Diskussionen um 
> "weitere" Konzepte, denen man natürlich nicht zustimmen muss. "
> Ja genau das war der wesentliche Punkt! Man kann ihnen gar 
> nicht ruhigen Gewissens zustimmen, solange jedes BGE-Konzept 
> sich an jetzigem Verhalten der Menschen orientiert und doch 
> ein künftiges, anderes erreichen will. Es werden 
> Veränderungen auftreten, die das ursprüngliche Konzept ad 
> absurdum führen werden oder zumindest dieses könnten. In 
> welche Richtung sich die Gesellschaft genau entwickelt, 
> bleibt nur abzuwarten, weil es schlicht nicht abschätzbar 
> ist, auch wenn noch so viele "Menschenkenner" dies behaupten 
> (- bezeichnenderweise behauptet ja jeder etwas anderes!). 
> Deshalb ist allen Konzepten gemein: Vorsicht ist geboten! Und 
> dann kann man eben gleich auf ausgearbeitete Konzepte 
> verzichten, wenn man ohnehin einen mäßigen Einstieg braucht. 
> Mit dieser Idee habe ich diesen Thread eröffnet. Und darum 
> sollten sich die Kommentare drehen.
> AgneS
> _______________________________________________
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