[Debatte-Grundeinkommen] Stellungnahme: halbes Grundeinkommen als sozialpolitische Forderung

Viktor Panic viktor.panic at gmx.de
Mi Dez 17 09:59:38 CET 2008


HALLO, ALLE!
DEN FOLGENDEN KOMMENTAR HABE ICH AM 15.12. ZUM BEITRAG "KATJA KIPPING GEGEN DAS BÜRGERGELD VON DIETER ALTHAUS" ABGEFASST. DA ER (NOCH) NICHT FREIGESCHALTET WURDE, MÖCHTE ICH IHN ZUMINDEST AUF DIESEM WEGE VERÖFFENTLICHEN. POSITIVE REAKTIONEN DÜRFEN AUCH DIREKT AN MICH GESENDET WERDEN ;-)

ZUNÄCHST DER BEITRAG:
> Katja Kipping gegen das Bürgergeld von Dieter Althaus
>
> 15.12.08 | von Herbert Wilkens |
>
> In ihrer Antwort auf eine Frage in „abgeordnetenwatch.de“ schreibt Katja Kipping:
>
> „richtig ist, dass ich mich mit zunehmenden Erfolg sowohl in der Öffentlichkeit als auch in der Partei 
> DIE LINKE. für ein Bedingungsloses Grundeikommen engagiere. Die von mir präferierten Modelle 
> liegen in der Nähe der Vorschläge der Bundesarbeitsgemeinschaft der Erwerbslosen- und 
> Sozialhilfeinitiativen (jetzt BAG Prekäre Lebenslagen) und natürlich der Bundesarbeitsgemeinschaft 
> Grundeinkommen in und bei der Partei DIE LINKE. Diese Konzepte sind eingebettet in eine 
> emanzipatorische und transformatorische gesellschaftspolitische Konzeption. Diesen grundsätzlichen 
> Ansatz verfolgen andere Vorstellungen allerdings nicht.
> 
> Das Bürgergeld-Konzept von Dieter Althaus stellt zwar einen Fortschritt gegenüber repressiven 
> workfare-Modellen, die innerhalb der CDU diskutiert werden, dar. Allerdings liegt das Bürgergeld nach 
> Althaus bezüglich der Höhe bei Alleinstehenden und Alleinerziehenden nicht mal über den 
> durchschnittlichen Hartz IV -Leistungen; verfestigt somit bei diesen Personengruppen Armut. Damit 
> entspricht das Bürgergeld auch nicht den Kriterien eines Grundeinkommens, wie sie z. B. vom 
> Netzwerk Grundeinkommen formuliert worden sind. Es verfehlt schon aufgrund seiner niedrigen 
> Ausgestaltung die mit einem Grundeinkommen verbundenen emanzipatorischen Effekte. Sogar 
> konservative Wirtschaftsinstitute schätzen richtig ein, dass es sich bei dem Althaus-Modell in erster 
> Linie um eine hohe Entlastung der oberen Einkommensschichten handelt. Damit ist auch klar, warum 
> es keine konsequent armutsbekämpfende Wirkung haben kann.
>
> Darüber hinaus wird in den offiziellen Erklärungen zum Bürgergeld strikt ein Mindestlohn abgelehnt. 
> Bei Diskussionen wird allerdings sehr wohl die Gefahr des fortschreitenden Lohndumpings durch das 
> niedrige Bürgergeld ohne Mindestlohn anerkannt (wie jetzt bei Hartz IV). Dann wird auch der 
> Mindestlohn wieder als mögliche Abhilfe genannt.
>
> Neben diesen Inkonsequenzen bestehen weitere Kritiken, u.a. an der völligen Abschaffung der 
> Sozialversicherungen und der Missachtung politischer Maßnahmen zur Durchsetzung der 
> Gleichberechtigung von Frauen in allen Lebensbereichen. Andere Konzepte, über die Sie sich z. B. in 
> der jüngsten vergleichenden Darstellung aktueller Bürgergeld- und Grundeinkommenskonzepte u.a. 
> auf der Homepage der BAG Grundeinkommen in und bei der Partei DIE LINKE. ( 
> www.die-linke-grundeinkommen.de ) informieren können, bieten dagegen gute Ansätze zur Lösung 
> dieser Fragen.
>
> Ich bin der Meinung, dass wir uns nicht noch einmal inkonsequente Konzepte leisten können. Wir 
> sehen, was bei der Grundsicherungsdiskussion dadurch entstanden ist – Hartz IV. Wenn Hartz IV 
> bekämpft werden soll, dann richtig und mit allen Konsequenzen. Es geht um die Befreiung der 
> Menschen von „Furcht und Not“ und darum, die unbedingte und freie Teilhabe aller Menschen am 
> gesellschatlichen Leben tatsächlich zu ermöglichen.“

MEIN KOMMENTAR (vom 15.12.2008):
Bevor ich zu meiner Kritik komme, möchte ich hervorheben, dass ich die Linkspartei unterstütze, weil sie meiner Meinung nach die einzige Partei ist, die derzeit die Kraft hat, den Irrweg Hartz IV zu bekämpfen, weil sie die einzige Arbeitnehmer-(und Arbeitslosen-)Partei ist, die nicht an dessen Zustandekommen beteiligt war. Frau Kipping ist daher, als führende Vertreterin der Grundeinkommensidee in dieser (meiner?) Partei die zweit-wichtigste Persönlichkeit hinter unserer Idee, nach Götz Werner, und vor Dieter Althaus.
Ich finde es bedauerlich, wenn diese drei Personen einander das Konzept madig machen, wenngleich auch ich an jedem Kritik übe.
Hilfreich ist übrigens der hiesige Link
https://www.grundeinkommen.de/content/uploads/2008/04/blaschke_resultate_3transfermod_080421.pdf

Speziell zum aktuellen Statement:
Ein Grundeinkommen, welches höher als Hartz IV (incl. Unterkunfts- und Gesundheits-Kosten) liegt, wird als Einstieg nicht realisierbar sein, da man dies nicht populär-plausibel begründen kann. Spätere Erhöhung halte ich aber für wahrscheinlich, sobald ersichtlich ist, dass die Idee „funktioniert“.
Besonders möchte ich aber darauf hinweisen, dass der „durchschnittliche“ Hartz-IV-Satz deutlich überzeichnet ist, da Menschen mit NIEDRIGEN UNTERKUNFTSKOSTEN bei gleichem(!) eigenem Einkommen nicht erfasst werden. Genaue Zahlen habe ich dazu natürlich nicht, aber berufstätige Singles mit niedrigem Einkommen bemühen sich zumeist um preisgünstigen Wohnraum. Deren tatsächlicher Durchschnitt dürfte unter 250 Euro liegen!
Man bedenke dabei auch, dass Paare und Familien deutlich kostengünstiger wohnen, was durch Hartz IV ausgebeutet wird, wohingegen individualisierte Grundeinkommenskonztepte, auch das von Herrn Althaus, ihnen den vollen Satz zubilligen (bei Althaus also 1200 Euro Gesamtbetrag für ein Paar, verheiratet oder nicht)!
[Ich befürworte Wohngemeinschaften, lebe selber in einer 4er-WG, obwohl ich das nicht müsste.]
Insbesondere behindert Hartz IV viele Menschen, die einen (nach Hartz-IV-Definition) „nicht-bedürftigen“ Partner gefunden haben, mit diesem zusammenzuziehen.
Zur Behauptung, dass ein niedriges Grundeinkommen zur Verfestigung von Armut führt: Wenn damit gemeint ist, dass ein niedriges Grundeinkommen auch niedrige Löhne begünstigt, dann hat sie Recht.
Meiner Auffassung nach wird die Armut in unseren Sozialstaaten jedoch vor allem durch einen Mangel an lohnenswerter Arbeit, bedingt durch horrende Einkommens-Anrechnung, erzeugt. Hinzu kommt natürlich seit Hartz-IV der Zwang zur Arbeit, der auch die Löhne Berufstätiger ausbremst (Deutschland hatte in den letzten 8 Jahren die geringsten Lohnerhöhungen in der EU).
Beides würde aber durch ein bedingunsloses Grundeinkommen beendet! Das gilt auch für das Althaus-Konzept.
Dass das Althaus-Konzept hohe Einkommen entlasten solle, ist unglaubwürdig, da letztlich jedes existenzsichernde Grundeinkommen von den Reichen finanziert werden müsste, bis seine belebende Wirkung sich entfaltet. Richtig ist aber, dass dieses Konzept aufgrund der hohen Zuverdienst-Anrechnung von 50 Prozent „billiger“ wäre als andere Grundeinkommens-Modelle, Reiche also weniger belasten würde.
Das Althaus-Konzept halte ich zum Einstieg für geeignet, anschließend ist es vor allem mit dem Argument zu bekämpfen, dass es ungerecht ist, wenn Arme einen höheren „Steuersatz“ („Transferentzugsrate“) als Reiche zahlen.
Zum Mindestlohn möchte ich nur erwähnen, dass viele Grundeinkommensbefürworter einen Mindestlohn (nach Abschaffung des Arbeitszwangs!!!) für überflüssig halten.
Ich bezeichne das Grundeinkommen auch als „staatlichen Grundlohn“.
Das BAG-Modell, das übrigens in der Linkspartei (noch) nicht mehrheitsfähig ist, hat den Nachteil hoher Abgabensätze: Allein die Grundeinkommensabgabe macht 35% aus, zu denen noch 11,5% Sozialbeiträge und ab 1000 Euro Monatslohn mindestens 7,5% Steuer kommen, also mindestens 54% „Grenzbelastung“, die zu einem Spitzen(steuer)satz von 72,5% führen. Selbst die Grenzbelastung von Geringverdienern ist mit 46,5% nur unwesentlich niedriger als bei Althaus.
[„Grenzbelastung“ meint denjenigen Anteil an jedem zusätzlich verdienten Euro, der nicht in der Tasche des Arbeitnehmers landet.]
Ich hoffe, dass das BAG-Konzept etwas abgespeckt wird, um in „meiner“ Partei mehrheitsfähig zu werden.

-- 
Psssst! Schon vom neuen GMX MultiMessenger gehört? Der kann`s mit allen: http://www.gmx.net/de/go/multimessenger



Mehr Informationen über die Mailingliste Debatte-Grundeinkommen