[Debatte-Grundeinkommen] Benachteiligt ein bedingungsloses Grundeinkommen Stadtmenschen?

mark jordan mark.jordan at gmx.net
Do Mai 17 13:25:06 CEST 2007


Sind die Stadtmenschen mit einem BGE 
gegenüber den Landmenschen im Nachteil? 

Im idealen Falle würde sich die Bevölkerung gleichmäßig auf die Fläche Deutschlands oder Europas oder der ganzen Welt verteilen, je nach dem, wo das Grundeinkommen eingeführt würde. Durch eine langsame Einführung hätten die Bürger dafür natürlich entsprechend viel Zeit. Andererseits gibt es viele Gründe, die für ein Leben in der Stadt sprechen, unabhängig von den Mietpreisen und dem Arbeitsangebot zieht die Stadt wegen ihres Erlebnispotentials vor allem junge Menschen an, was wiederum Mitnahmeeffekte auf Unternehmen, Kultur - und Bildungseinrichtungen hat. Gewachsen sind unsere Städte aber vor allem durch dessen enormen Arbeitskräftebedarf in Verbindung mit einem Arbeitskräfteüberschuss auf dem Lande im Zuge der Industrialisierung und nicht aus Spaß. 
Die im Verhältnis zur Gesamteinwohnerzahl Deutschlands relative Zahl der Menschen, die damals vor allem aufgrund existenzieller Not, auf der Suche nach einem Arbeitsplatz in die Städte strömten, müsste heute eigentlich die Zahl der Menschen sein, die ein Landleben bevorzugen würden, sofern sie dort eine Zukunft für sich sehen könnten. 

Es ist also davon auszugehen, dass ein bedingungsloses Grundeinkommen das Leben in der Stadt in dem Sinne verändern würde, dass dort vor allem die Menschen leben würden, die dies auch wollen. Wogegen die Menschen, die es lieber etwas ruhiger und mit weniger Tohuwabohu haben, von dort wegziehen, bzw. gar nicht erst dort hin. Darüber hinaus wäre es ganzen Freundeskreisen möglich, gemeinsam aufs Land zu ziehen, vielleicht aber auch eine neue Stadt zu gründen.       
Die wirtschaftlich unterentwickelten Gebiete mit wenig Infrastruktur, würden durch ein BGE profitieren, weil sich dort unter anderem auch mehr junge Menschen hinbegeben würden, die es lieber etwas ruhiger haben, die sich aber aufgrund von zeitlich und räumlich eingegrenzter Studienzeit und mit der Aussicht auf eventuelle Karrierechancen im Moment dazu gezwungen sehen, einen bedeutenden Teil ihres Lebens im Moloch der Stadt zu verbringen. Es gilt also auch für die Mobilität und die Verteilung der Bevölkerung im Land, dass ein BGE den Menschen eine völlig neue Freiheit gibt, die sich höchstwahrscheinlich im Sinne der Allgemeinheit auswirken würde. 
Es ist gar nicht mal klar, dass auf dem Lande auf lange Sicht weniger Wertschöpfung stattfinden würde, sofern die Menschen genug Zeit haben, sich eine Werkstatt, einen landwirtschaftlichen Betrieb oder ein  neues Unternehmen aufzubauen. Auf die Einzelperson bezogen, wird heute in den Ballungszentren weniger erwirtschaftet als auf dem Lande, was vor allem an der hohen Zahl von Sozialhilfe- und ALG II-Empfängern liegt, die ein Überbleibsel aus der Zeit der Industrialisierung ist. 
Es gibt mehr Gründe von der Stadt aufs Land zu ziehen, als vom Land in die Stadt, jedenfalls, wenn man dies an der Realität misst, der Aussicht, es in der Stadt zu etwas zu bringen. Woran es auf dem Lande im Moment mangelt und das ist wohl der Hauptbeweggrund, in die Stadt zu ziehen, sind das kulturelle Leben und das Bildungsangebot. Ein bedingungsloses Grundeinkommen, das jeder natürlich auch unabhängig vom Wohnort bekommen würde, würde zum Glück der Menschen, die Masse der verschiedenen Kultur-  und Bildungsangebote, die sich in den Ballungszentren entsprechend konzentriert, auch auf die ländlichen Bereiche verteilen. In der Qualität für den einzelnen, was dieser für sich dem einen oder anderen Angebot abgewinnen kann, ist es sowieso fraglich, ob nicht eine zu große Auswahl an Kulturangeboten und Bildungsmöglichkeiten in den Großstädten längst zu einer Zerstreuung und damit zu einer Verunsicherung des Einzelnen bezüglich seiner Fähigkeiten, Kenntnisse und Zugehörigkeit, geführt hat. Es werden immer mehr und  immer schneller neue Subkulturen von der Werbeindustrie ins Leben gerufen, denen fällt auch schon bald nichts mehr ein, womit sie sich vom jeweils anderen Hype abgrenzen können, zusätzlich, als wäre es nicht schon schlimm genug, werden Subkulturen, die das Zeug zu einer echten kulturellen Identität hätten im Retrostyle vermarktet und verlieren dadurch ihre Unschuld. 
Ich setze mit meinen Hoffnungen weiterhin auf ein bedingungsloses Grundeinkommen, dass jedem Einzelnen mehr Freiheit auf der Grundlage von existenzieller Sicherheit unter der Annahme der Vertrauenswürdigkeit meiner Mitbürger, zugesteht.

Liebe Grüße
Mark Jordan
 
-------- Original-Nachricht --------
Datum: Sun, 13 May 2007 12:38:43 EDT
Von: Rblaschke at aol.com
An: debatte-grundeinkommen at listen.grundeinkommen.de
Betreff: Re: [Debatte-Grundeinkommen] [Gr.NetzGE] Nichtindustrieländer und BGE - Boden...

>  
> Marcuse meinte, nach der Revolution müssen wir die Städte schleifen.
> André  
> Gorz sprach in "Arbeit zwischen Misere und Utopie" von drei Dingen: vom
> BGE, 
> von  der Multiaktivität des Menschen und davon, die die Stadt zu
> verwandeln. 
> Ronald Blaschke  
>  
>  
> In einer eMail vom 13.05.2007 18:08:37 Westeuropäische Sommerzeit
> schreibt  
> sozial at gmail.com:
> 
> Hallo,  Jörg und Ludwig und alle auf der Liste!
> 
> Jörg, Du denkst doch sonst  nicht so durch die Geld-Brille. Städte sind
> heutzutage eigentlich kein  Lebensraum mehr, sondern nur noch
> Ballungsraum. Ein bedingungsloses  Grundeinkommen könnte dazu führen,
> dass Ideen für die Gestaltung eines  menschenwürdigens Lebensraumes
> Stadt wieder gedacht und vielleicht auch  umgesetzt werden können.
> Damit würden Städte dem Land sicher wieder etwas  ähnlicher werden.
> 
> Die Lebenshaltungskosten in der Stadt sind u.a.  deswegen höher, weil
> Wohneigentum weniger verbreitet ist. Weil viele  Menschen in der Stadt
> Miete zahlen, verschaffen sie den Hausbesitzern  leistungsloses
> Einkommen. Zudem vergrößern sie dadurch und durch den mit  den
> Mietzahlungen finanzierten Zinseffekt das Eigentum der  Hausbesitzer.
> Dadurch wird die Situation in der Stadt auch immer schlimmer.  Dabei
> gibt es gar keinen sinnvollen Grund, dass meine Wohnung jemand  anderem
> gehören muss. Eigentlich düfte es diese Form des Menschen  abhängig
> machenden Eigentums überhaupt nicht geben. Neben dem  bedingungslosen
> Grundeinkommen brauchen wir daher auch ein  Wohnrecht/Wohneigentum ODER
> umgekehrt die völlige Abschaffung von  Bodeneigentum. So weise waren
> schon die alten Indianer...
> 
> Ludiwg,  Dein Modell klingt gut und gerecht, ist aber unter
> kapitalistischen  Bedingungen auf lange Sicht undenkbar, da Boden damit
> zum  Spekulationsobjekt werden würde, das nur dann gemeineigen gehalten
> werden  kann, wenn er auch etwas abwirft. Eigentlich ist der
> Kapitalismus insgesamt  auf lange Sicht undenkbar  ;-)
> 
> Gruß
> Manfred
> 
> 
> 
> 
> 
> 
> 
> 
>    

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