[Debatte-Grundeinkommen] Antwort an Georg Jaehnig, Band 23, Eintrag 9

Manfred Bartl sozial at gmail.com
Di Feb 6 12:09:21 CET 2007


Es steht zwar in Florian Hoffmanns Mail nicht explizit drin, aber wenn
ich ihn und den Ton seiner Mail richtig verstehe, spricht er
keineswegs von Erwerbsarbeit, sondern durchaus von sinnvoller Arbeit -
wenn auch primär in Erwerbszusammenhängen, aber nicht nur, siehe
Erwähnung der Hausarbeit.

Gruß
Manfred

On 2/6/07, Matthias Dilthey <info at psgd.info> wrote:
> Sehr geehrter Herr Hoffmann,
>
> ist es legitim, Ihr Schreiben als Bekenntnis zum calvinistischen Arbeitszwang
> einzuordnen?
>
> Arbeiten ohne Ziel und Ergebnis. Hauptsache arbeiten, obwohl eine Maschine es
> schneller, billiger und besser könnte?
>
> Es tut mir leid, wenn ich Ihr (falsches) Lebensbild in Frage stellen muß, doch
> was ist falsch am Dilthey-Axiom:
>
> "Der Veredelungswert, also der Mehrwert, entspricht exakt dem zur Veredelung
> notwendigermaßen eingesetzten Energiezufluß."
>
> Sie leben noch immer in der Überzeugung, daß Mensch sich über Erwerbs-Arbeit
> definieren muß.
> Diese Überzeugung können Sie sachlich nicht rechtfertigen, daher gehen Sie auf
> sachliche Argumente nicht ein.
>
> Viel Spaß dabei, nur eine Sache ist sicher: Macht weiter so, der Klimawandel
> holt Euch ein. So sicher wie das Amen in der Kirche.
>
> Nur: Wie soll ich es vor meinen Kindern rechtfertigen, daß ich mich gegen so
> viel Dummheit nicht durchsetzen konnte und meine Kinder unter meinem Versagen
> leiden müssen?
>
>
> Matthias Dilthey
>
> Platenstraße 21
> 91054 Erlangen
>
>
> Am Montag, 5. Februar 2007 23:33 schrieb Florian Hoffmann:
> > Lieber Herr Jaehnig,
> >
> > ich darf Sie einleitend zitieren, der Übersichtlichkeit halber:
> >
> > „Ein existenzsicherndes Grundeinkommen ist nichts anderes als damals ein
> > Acker. Ein Schriftsteller braucht es, damit er Bücher schreiben kann; ein
> > Wissenschaftler, damit er forschen kann. Es soll mich befreien vom Zwang
> > des alltäglichen Broterwerbs und mir den Freiraum geben, mich mit meinen
> > spezielle Fähigkeiten in die Gesellschaft einzubringen."
> >
> > Tendenziell gebe ich Ihnen – wenn ich so an Heinrich Heine denke - recht,
> > nur: Nicht jeder ist ein Schriftsteller oder Wissenschaftler. Der
> > Normalfall ist Dachdecker, Bäcker, Lehrer, Maler, Busfahrer, Bauer,
> > Gastwirt, Bauarbeiter, Koch, Kellner, Krankenpfleger, Verkäufer,
> > Programmierer oder Arzt, Rechtsanwalt, Journalist, Architekt, also ganz
> > normal dabei, uns arbeitsteilig zu versorgen. Und da gibt es keinen Grund,
> > den Mann vom Zwang des täglichen Broterwerbs zu befreien. Viele Leute
> > arbeiten super gerne und werden auch gut dafür bezahlt. Sie gehen in ihrer
> > Arbeit auf. Ich kenne sogar Beamte, nicht nur Lehrer, die gehen in ihrer
> > Arbeit auf. Überwiegend sind doch die Menschen glücklich mit und durch ihre
> > Tätigkeit - meine ich. Das größere Problem ist doch die Arbeitslosigkeit,
> > weil die Aufgabe fehlt, die Erfüllung im Beruf fehlt, die Berufung fehlt,
> > und natürlich das Geld-Einkommen. Deshalb muß ein BGE erst mal nicht
> > existenzsichernd sein, sondern es soll auf den Spaß an der Arbeit ein Spaß
> > an einem
> > Solidar-Einkommen aufgesattelt werden. Ein Wir-Gefühl. Es ist genug da, um
> > verteilt zu werden. Wenn es nicht bedingungslos verteilt wird, wird es
> > unsinnig verteilt – so wie viele Subventionen.
> >
> > Die Forderung nach der Existenzsicherung kommt aus der Ecke derer, die kein
> > Arbeitseinkommen oder kein Arbeitseinkommen mehr haben, weil sie die
> > Idiotie der bürokratischen Bedingungen am eigenen Leib erlebt haben und
> > davon loskommen wollen. Aber das ist nicht der Normalfall, sondern der bei
> > uns überentwickelte Sonderfall.
> >
> > Deshalb argumentiere ich so: Der Acker bei uns ist die Ausbildung und die
> > unersetzliche berufliche Erfahrung. Sie ist es, die den Hauptertrag
> > abwirft. Mit einem BGE wird der Gerechtigkeit Genüge getan und ein
> > Solidargefühl entwickelt. Mit einem BGE wird endlich die Hausfrau
> > solidarisch gewürdigt (bezahlt) und generell ein Stück Freiheit möglich: Es
> > wird möglich etwas zu riskieren, weil man nicht ganz ins Bodenlose fällt –
> > weil es die
> > Solidargemeinschaft gibt, die nicht das Gesicht eines genervten
> > Sachbearbeiters im Sozialamt hat, also Bedingungen stellt.
> >
> > Und was die Wissenschaftler und Schriftsteller anlangt, da bedarf es der
> > Mäzene, weit über das BGE hinaus. Aber das ist ein anderes Thema ...
> >
> > Schönen Abend!
> >
> > Florian Hoffmann
> >
> > > Message: 2
> > > Date: Mon, 5 Feb 2007 18:09:21 +0100
> > > From: "Georg Jaehnig" <georg at jaehnig.org>
> > > Subject: Re: [Debatte-Grundeinkommen] Replik auf Antworten zu Beitrag
> > >     Blaschke über einen Hauptamtlichen , Band 23, Eintrag 7
> > > To: "Florian Hoffmann" <florian at hoffmannlaw.de>,
> > >     debatte-grundeinkommen at listen.grundeinkommen.de
> > > Message-ID:
> > >     <f489347b0702050909g7ca09b71ga8d88b53bc6a5f62 at mail.gmail.com>
> > > Content-Type: text/plain; charset=WINDOWS-1252; format=flowed
> > >
> > > Hallo,
> > >
> > > On 2/5/07, Florian Hoffmann <florian at hoffmannlaw.de> wrote:
> > > > Zwischen Euphrat und Tigris, also im fruchtbaren Zweistromland,
> > >
> > > wurde die
> > >
> > > > Gerechtigkeit alle 50 Jahre durch eine Neuverteilung des Ackerbodens
> > > > hergestellt. Es wurde also die Grundlage für jeden für ein Einkommen
> > > > geschaffen, aber nicht das Einkommen selbst. Nach der
> > >
> > > Verteilung kam es auf
> > >
> > > > den Fleiß, die Geschicklichkeit und das Glück an, was der
> > >
> > > Einzelne daraus
> > >
> > > > gemacht hat. Aber natürlich wurden nicht Häuser, Handwerkszeug,
> > >
> > > Mägde neu
> > >
> > > > verteilt, und schon gar nicht Intelligenz, gesunde familiäre
> > > > Strukturen, persönliche Kraft, etc.. Nur in einem Teilbereich, wenn
> > > > auch einem essentiellen, wurde so etwas wie Gerechtigkeit geschaffen.
> > > >
> > > > Und so würde ich ein Grundeinkommen sehen.
> > >
> > > Aber wäre ein Grundeinkommen von 55,21 EUR (oder jeder anderen
> > > nicht-existenzsichernden Höhe) wirklich eine Lebensgrundlage?
> > >
> > > Der Acker im Zweistromland war eine solche. Wer einen hatte, konnte
> > > (weitgehend) ohne fremde Hilfe für sich sorgen. Heute aber brauche ich
> > > aber immer fremde Hilfe - die ich mir durch Geld erkaufen kann.
> > >
> > > Götz Werner unterscheidet deshalb gern zwischen der damaligen
> > > Selbstversorgungs- und der heutigen Fremdversorgungsgesellschaft:
> > >
> > > "Damals galt: Wer seinen Acker nicht bebaute und sein Feld nicht
> > > bestellte, der war selbst daran schuld, wenn er nichts zu essen hatte.
> > > Jetzt leben wir in der Fremdversorgungsgesellschaft. Ich kann gar
> > > nicht für mich allein arbeiten. Immer wenn ich arbeite, arbeite ich
> > > für jemand anderen. Ich brauche also ein Einkommen, um am
> > > gesellschaftlichen Leben teilnehmen zu können."
> > >
> > > http://www.taz.de/pt/2006/11/27/a0146.1/text
> > >
> > > Ein existenssicherndes Grundeinkommen ist nichts anderes als damals
> > > ein Acker. Ein Schriftsteller braucht es, damit er Bücher schreiben
> > > kann; ein Wissenschaftler, damit er forschen kann. Es soll mich
> > > befreien vom Zwang des alltäglichen Broterwerbs und mir den Freiraum
> > > geben, mich mit meinen spezielle Fähigkeiten in die Gesellschaft
> > > einzubringen.
> > >
> > > > Wie viel das ist, richtet sich nach der demokratisch ermittelten Höhe
> > > > des Steuersatzes, für alle ?Umsätze" gleich, egal ob Mehrwertsteuer
> > > > oder Einkommensteuer (und zwangsläufig nach dem allgemeinen
> > >
> > > Einkommensniveau: In
> > >
> > > > Sambia wären ? 55,21 monatlich sehr, sehr viel, wahrscheinlich zuviel!)
> > >
> > > Damit ich ihre Idee verstehe: Sie wollen ein nicht-existenzsicherndes
> > > Grundeinkommen bei Abschaffung aller bisherigen Transferleistungen?
> > >
> > > > Die Ermittlung und Diskussion der Höhe des
> > >
> > > Gerechtigkeitstransfers sollte
> > >
> > > > also nicht bei der Zahlung beginnen, sondern beim Steuersatz, also dem
> > > > solidarischen Anteil dessen, was in den Pott kommt. Ein solches
> > >
> > > System würde
> > >
> > > > ein allgemeines Gefühl der Gerechtigkeit und Solidarität
> > >
> > > erzeugen, es wäre
> > >
> > > > in vertretbarem Maße auch gerecht.
> > >
> > > Wir sehen es heute als gerecht an, wenn jedes Kind kostenlos zur
> > > Schule gehen, wenn ich die Polizei kostenlos um Schutz bitten, wenn
> > > ich kostenlos Straßen benutzen kann.
> > >
> > > Warum soll es dann ungerecht sein, wenn wir jeden Menschen "kostenlos"
> > > überleben und teilhaben haben lassen?
> > >
> > > --
> > > amike, Georg
> > >
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