[Debatte-Grundeinkommen] Widerspruch zur Erklärung des SprecherInnenkreises

Tobias Crefeld tc-wasg at onlinehome.de
Do Sep 14 19:23:11 CEST 2006


On Wed, 13 Sep 2006 13:58:46 +0200 "Klaus Jaeger"
<jaeger.moers at t-online.de> wrote:

> 4. Die bedingungslose Alimentierung von Millionen Menschen wird
> diese  - wie im Mittelalter - zu Bettlern an den Küchentüren der
> Reichen machen und ihnen - den Almosenempfängern -  den gleichen
> sozialen Status wie den Bettlern gewähren.

Das und vieles andere von dem, was Sie noch in Ihrer Mail schreiben, ist
wenig durchdacht und ihre Wortwahl ist ganz offenbar darauf ausgelegt,
durch nicht sachgerechte Bezeichnungen wie "bedingungslose
Alimentierung" zu diskreditieren. Wenn Sie so einen Begriff erfinden,
sollten Sie auch schreiben, was Sie darunter verstehen.

Ein "Almosen" (wenn Sie den Begriff verwenden, sollten Sie auch seine
Bedeutung kennen: http://de.wikipedia.org/wiki/Almosen ) wird zwar
wie das BGE ohne Erwartungen an den Empfänger gegeben und kann
manchmal durchaus existenzsichernd sein, ist aber ähnlich wie eine
Spende eine freiwillige Leistung, d.h. der Empfänger hat keinen
Rechtsanspruch darauf. Damit erfüllt ein Almosen nicht den Anspruch,
der an ein BGE gestellt wird, sondern stellt vielmehr sogar einen
kulturellen Rückschritt gegenüber der Sozialhilfe dar.

Die Wiedereinführung des Bettlertums strebt derzeit ja wohl eher der
derzeitige politische Mainstream um Müntefering, Merkel und dem
"Sachverständigenrat" an, wenn sie die arbeitsbereitschaftsabhängige
Zahlung eines für viele Bürger nicht-existenzsichernden ALG-2 immer
weiter einschränken.


Das BGE wird allerdings alleine (ich wiederhole mich hier, aber es
ist offenbar nötig) keinesfalls alle politischen und sozialen Probleme
dieser Welt lösen!

Deswegen schlagen WASG und LPDS auch eine gesetzliche
Arbeitszeitverkürzung und einen gesetzlichen Mindestlohn vor. Beides
interferiert zwar mit dem BGE, ist aber grundsätzlich unabhängig davon
und wird deswegen in der Diskussion ums BGE auch meist ausgeklammert -
zumal es eine separate Diskussion ist. 

Sollten Sie sich für diese und ähnliche Konzepte begeistern können,
würde Ihre Unterstützung gerne gesehen - aber mit dem BGE hat es nichts
zu tun. Ihre sonstigen politischen Ansprüche und humanistischen
Forderungen werden sicher von mehr Leuten geteilt, aber für diesen
Kreis hier gilt: Thema verfehlt, sorry!


> Vielleicht wollen Sie ja alle eine Klassengesellschaft, die sich in
> Arbeitsplatzbesitzer und Erwerbslose gliedert? 

Dieser Vorwurf blendet die Realität aus, in der es heute längst eine
solche Klassifizierung gibt. 

Er kommt übrigens besonders häufig von Gewerkschaftern, also gerade von
den Organisationen, die mehrheitlich noch immer ihren Fokus auf die
Erwerbstätigen gerichtet haben und Erwerbslosigkeit nicht als ein
Problem begreifen, dass ihren Aufgabenbereich mittelbar und immer
gravierender tangiert und die dementsprechend wenig gegen
Erwerbslosigkeit unternehmen. 

Aber nochmal: Das hat nichts mit der Diskussion BGE vs. Sozialhilfe /
Arbeitslosengeld zu tun. Beim BGE geht es erstmal nur darum, dass eine
faire Möglichkeit eröffnet wird, ohne Erwerbstätigkeit auch dann sein
Auskommen zu haben, wenn man nicht in der glücklichen Lage ist, über
Erbschaft oder Lottogewinn eine andere Geldquelle zu besitzen.

Insofern finde ich es schon bemerkenswert, dass sich BGE-Befürworter
immer wieder in die "Neiddiskussion" einlassen sollen, die andererseits
die Bezieher von Einkommen aus großem Vermögen und Erbschaft permanent
ausspart.

Aber in dem Punkt haben Sie indirekt schon recht: Da ist sicher noch
einiges an Aufklärung nötig, damit eine Mehrheit der Bürger mal
konsequent zu Ende denkt, was denn die Alternativen wären und von der
spärlichen "die wollen ja nur nicht arbeiten"-Position weiterkommt.


Der Fokus des Sprecher-Papiers ging bislang offenbar eher unter. Es
geht (vermutlich) insbesondere um eine Distanzierung von Varianten, die
sich BGE nennen, es aber nicht sind. Dadurch, dass diese vornehmerweise
nicht genau benannt werden, wirkt das Papier ziemlich unkonkret.


Gruß,
 Tobias.



Mehr Informationen über die Mailingliste Debatte-Grundeinkommen