[Debatte-Grundeinkommen] taz: Grüne Jugend will Partei sozialer machen / Bütikofer gegen Grundeinkommen - Grüne Jugend dafür

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Mo Mai 15 12:50:41 CEST 2006


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Grüne Jugend will Partei sozialer machen

"Nur Öko ist zu wenig", meint der grüne Nachwuchs und fragt: "Wo bleibt
die Gerechtigkeit?" Der Wunsch: ein Umbau des Sozialstaats nach
skandinavischem Vorbild. Parteichef lehnt Forderung nach Grundeinkommen
ab und bittet um Realismus
AUS JENA GESA SCHÖLGENS

Fastfood ist ein Politikum. Zumindest in der Grünen Jugend (GJ). Unter
"McDonald's muss weg!"-Rufen besetzten einige Mitglieder am Samstag
während des Bundeskongresses eine Imbissfiliale in Jena. Anschließend
fragte einer der Besetzer seinen Kumpel: "Warum hast du denn nicht
mitgemacht?" Die spöttische Antwort: "Das war doch eine Pseudoaktion.
Gestern habt ihr euch dort noch Burger gekauft."

Solche Widersprüche wurden aber nur am Rande diskutiert, als sich der
grüne Nachwuchs zu seinem ersten Bundeskongress nach dem Ausscheiden der
Mutterpartei aus der Bundesregierung traf. Im Mittelpunkt der Debatten
stand die Zukunft des Sozialstaats. Das Motto der Veranstaltung hieß:
"Wo bleibt die Gerechtigkeit?" Die 14- bis 28-jährigen Junggrünen
wollten damit kritische Anstöße für den Zukunftskongress der grünen
Partei im September geben.

"Die sozialen Probleme haben in unserer Gesellschaft zugenommen. Der
deutsche Sozialstaat steckt in der Krise", sagte Stephan Schilling,
Sprecher der Grünen Jugend, zur taz. Immer mehr Gruppen wie Migranten
oder Langzeitarbeitslose würden von gesellschaftlicher Teilhabe,
Einkommen und Bildung ausgeschlossen, so der 23-Jährige.

Die Grüne Jugend plädierte langfristig für den Umbau des Sozialstaats
nach skandinavischem Vorbild. Öffentliche Institutionen wie Schulen und
Kindergärten sollen gestärkt und Transferleistungen wie Kindergeld oder
Ehegattensplitting zu Gunsten der Kinderbetreuung eingeschränkt werden.
"Soziale Leistungen müssen stärker durch Steuern finanziert werden",
sagte Schilling. Langfristig bedeute dies eine höhere Einkommen- und
Mehrwertsteuer sowie niedrigere Sozialabgaben. Umstritten war das
bedingungslose Grundeinkommen für alle Bürger - die Befürworter konnten
sich aber knapp durchsetzen. Eine Zahl wurde nicht festgelegt, im
Gespräch war ein Grundeinkommen von etwa 800 Euro.

"Zum Teil ist die Sozialpolitik während der Regierungsbeteiligung der
Grünen zu kurz gekommen", kritisierte Schilling. Wichtig sei deshalb
eine Rückbesinnung auf das Soziale. "Die Grünen als eine reine Ökopartei
- das wäre zu wenig", ergänzte GJ-Geschäftsführer Malte Spitz. Diese
Ansicht teilte Reinhard Bütikofer. Auch der Bundesvorsitzende der Grünen
erklärte auf dem Kongress, das soziale Profil der Partei müsse geschärft
werden. Er lobte die "interessanten" Vorschläge des Nachwuchses und
versicherte: "Ich sehe keine fundamentale Differenz zwischen uns." Er
warnte jedoch: Die Grünen dürften nicht das Image einer
Steuererhöhungspartei bekommen. Es sei falsch, von vornherein höhere
Belastungen der Verbraucher zu fordern.

Für seine Ausführungen erntete Bütikofer nicht nur Applaus. Mitten in
seinem Vortrag stürmten Jugendliche das Podium und entrollten ein
Transparent mit der Aufschrift "back to the roots". Der Anführer entriss
Bütikofer das Mikro und gab die Gründung einer offenen radikalen
Plattform für "Feministinnen, Marxisten und Frutarier" bekannt. Die
Grüne Jugend habe ihre Stacheln verloren. Viele Themen kämen in der
Partei zu kurz, darunter auch die direkte Demokratie.

Bütikofer ließ sich davon nicht beirren. Im Gegenteil. Je länger er
redete, desto deutlicher wurde seine Skepsis gegenüber den Vorschlägen
der Jugend. Von dem geforderten Grundeinkommen etwa hält er nichts. Dies
sei eine "Eierlegende Wollmilchsau" und nicht bezahlbar. Am Ende gab
Bütikofer dem Nachwuchs auf den Weg, sie sie sollten bitte realistische
Vorschläge machen: "Ich halte nichts von einer radikalen Politik, die
keinen Weg beschreibt, wie man von hier nach dort schreiten kann."

taz Nr. 7971 vom 15.5.2006, Seite 7, 121 TAZ-Bericht GESA SCHÖLGENS




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