[Debatte-Grundeinkommen] www.anwaelte-gegen-hartz4.de WG: Debatte-grundeinkommen Nachrichtensammlung, Band 16, Eintrag 3

Ines Eck ines.eck at textlandschaft.de
Di Jul 4 07:23:09 CEST 2006


Die Argumente Heinrichs wirken angesichts dessen, daß Menschen zur Zeit
anerkannt arbeiten, aber in Hart4verhältnissen weitgehend ohne Bürgerrechte
wie im Offenen Strafvollzug leben müssen, menschenverachtend... die
Gesellschaft braucht rasch Problemlösungen, kein privates ProblemsichtBlabla
a la Heinrich.
Ein bedingungsloses Grundeinkommen könnte die Entwicklung faschistischer
Strukturen aufbrechen, eine freiheitlich-demokratische Grundordnung
ermöglichen.

Es wäre ein Anfang, wenn Menschen die respektiert arbeiten, ein Recht auf
ein menschenwürdiges Grundeinkommen hätten; auch wenn es an feudalen
Strukturen, in denen ein Mensch auf Grund seiner Position über den Status
anderer Menschen entscheiden darf, nichts ändern würde.

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Herzlich ines eck
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Von: debatte-grundeinkommen-bounces at listen.grundeinkommen.de
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Auftrag von debatte-grundeinkommen-request at listen.grundeinkommen.de
Gesendet: Montag, 3. Juli 2006 23:34
An: debatte-grundeinkommen at listen.grundeinkommen.de
Betreff: Debatte-grundeinkommen Nachrichtensammlung, Band 16, Eintrag 3


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Debatte-grundeinkommen digest..."


Meldungen des Tages:

   1. kritische Fragen an das Grundeinkommen (Sancho Dieter Federlein)
   2. Veranstaltung in Freiburg zum BGE im Bürgerhaus Freiburg (INGRID)
   3. Grenzen (Hinrich)
   4. Re: Grenzen (rblaschke at aol.com)


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Message: 1
Date: Mon, 3 Jul 2006 16:43:04 +0200
From: Sancho Dieter Federlein <sancho-d.federlein at web.de>
Subject: [Debatte-Grundeinkommen] kritische Fragen an das
	Grundeinkommen
To: debatte-grundeinkommen at listen.grundeinkommen.de
Message-ID: <PM-GA.20060703164304.42788.1.D at smtp.web.de>
Content-Type: text/plain; charset="ISO-8859-15"

Hallo,

weil ich das ganz interessant finde, was Prof. Johannes Heinrichs zum
Grundeinkommen geschrieben hat, setze ich das als Diskussionsbeitrag
hier rein. Siehe auch:
http://forum.netz-vier.de/index.php/topic,103.0.html

Gruesse von Sancho

_____________________

Zum Grundeinkommen ohne Arbeit
Johannes Heinrichs



Die Lösung oder neoliberales Opiums fürs Volk?
Zum Grundeinkommen ohne Arbeit
I. Das Bestechende der Idee
Die schon Jahrzehnte alte, von den Anfängen der grünen Bewegung an
propagierte Idee eines bedingungslosen Grundeinkommens hat neuerdings
durch Gründung eines "Netzwerks Grundeinkommen" sowie zuletzt
besonders durch das öffentliche Engagement des erfolgreichen
Unternehmers Götz Werner (Chef der DM-Drogerienkette) neuen Auftrieb
bekommen. Bestechend ist die Idee, alle sozialen Transferleistungen
mit dem dazu gehörigen komplizierten Verwaltungsapparat zu ersetzen
durch eine einzige und einheitliche Grundsicherung des Bürgers. Der
sozialpolitische Aspekt der Vereinfachung, der sich mit dem der
Gerechtigkeit verbindet: Wer über diese Grundsicherung hinaus seinen
Lebensstandard erhöhen und Geld verdienen will, dem steht diese
Möglichkeit offen.

Bestechend ist ferner der Gedanke, das Paradigma Arbeit als
Voraussetzung für Überleben und Teilhabe am öffentlichen Reichtum
("Wer nicht arbeitet, soll auch nicht essen") abzulösen durch das
Paradigma der bedingungslosen Grundversorgung eines jeden Mitglieds
der Gemeinschaft, und dies als Sockel für alles Weitere. Die
Maschinen machen es möglich, dass ungeheurer Reichtum an Gütern
erzeugt und die meiste Routinearbeit überflüssig wird. Ein schon
lange erträumter und vorhergesehener Zustand:

"Nachdem die Arbeit nicht nur Mittel zum Leben, sondern selbst das
erste Lebensbedürfnis geworden, nachdem mit der allseitigen
Entwicklung der Individuen auch die Produktionskräfte gewachsen sind
und alle Springbrunnen des genossenschaftlichen Reichtums voller
fließen - erst dann kann der enge bürgerliche Rechtshorizont
überschritten werden" (K. Marx, Kritik des Gothaer Programms).

Der "enge bürgerliche Rechtshorizont" spricht sich unter anderem in
eben dem alten, auch neutestamentlichen Satz aus: "Wer nicht arbeiten
will, soll auch nicht essen" (2 Thess 3, 10). Und in dem ganzen,
angeblich kapitalistischen Leistungsprinzip. Hierin liegt der
anthropologische Aspekt, der sich mit dem folgenden psychologischen
eng verbindet:

Arbeit soll dabei künftig gesehen werden als freiwilliger und
freudiger Beitrag zum Gemeinwohl. Es wird vorausgesetzt, dass die
Menschen gern arbeiten, wenn dies ihren Fähigkeiten und Neigungen
entspricht. Dass sie in dem ihre eigene Selbstverwirklichung finden,
was allzu lange und in extremem Maße mit Mühe und Selbstüberwindung,
mit Routine und Selbstentfremdung, mit Kuschen und Selbstverleugnung
verbunden war.

Es wird vorausgesetzt, dass diese freiwillige und freudige neue Art
der Arbeit voll ausreicht, um das zu tun, was die Maschinen allein
noch nicht können. Der volkswirtschaftliche Aspekt. Zu diesem Aspekt
würde auch die Voraussetzung gehören, dass ein wirklich ausreichendes
Grundeinkommen von derzeit 1300-1500 ? durch Wegfall aller anderen
Sozialleistungen bezahlbar wäre, eine immerhin kühne Voraussetzung,
die hier nicht diskutiert werden kann. Sie mag hier dahingestellt
bleiben.

Es wird teilweise auch vorausgesetzt, dass viele Tätigkeiten der
zwischenmenschlichen Fürsorge sowie kreative Kulturleistungen
zusätzlich zum Grundeinkommen vergütet werden können. Doch hier
spätestens beginnen die Unklarheiten: In welchem Maße sollen die
Leistungen der Fürsorge, von der Hausarbeit angefangen, und die
Leistung künstlerischer und kultureller Art, wiederum von der
elementaren Erziehung und Unterrichtung der Kinder angefangen, als
wirtschaftliche Tätigkeiten betrachtet und vergütet werden?

Es kommt neuerdings noch ein Aspekt hinzu, der ökologische: Der Boden
und alle Naturgüter (Luft, Wasser, Öl, Gas und andere Bodenschätze)
sollen - in Fortsetzung einer Idee von Silvio Gesell - konsequent als
Güter der ganzen Rechtsgemeinschaft (des Volkes bzw. Staates oder
einer Staatengemeinschaft) so verwaltet werden, dass sie zwar
privatwirtschaftlich genutzt werden können, jedoch nicht zu
Spekulation und Erpressung dienen können. Die Einkünfte aus den
Pachtverhältnissen werden als Rente für die Familien bzw. die
Bedürftigsten umgelegt (bei Gesell: "Mutterrente"). Doch dieser
spezifisch ökologische und eigentumsrechtliche Sinn eines
Grundeinkommens unterscheidet sich markant von der gängigen
Diskussion um das Grundeinkommen ohne Arbeit. Er soll hier keineswegs
in Frage gestellt werden, kann aber an dieser Stelle nicht näher
diskutiert werden. Ich schlage allerdings vor, diese ganz andere
Richtung einer gezielten Verteilung von Erträgen aus solchen
öffentlichen Gütern, die es ihrem Wesen nach sind, nicht mit
demselben Ausdruck "Grundeinkommen" zu belegen. Dadurch würde die
Gedankenverwirrung ins Unübersichtliche gesteigert, die im Folgenden
aufgezeigt wird. Es würde ein ganz anderes, sehr berechtigtes
Anliegen durch diese sprachliche Gleichschaltung unnötig in den
Strudel der Verwirrung gezogen.

Gerade weil in dieser Utopie des bedingungslosen Grundeinkommens
viele Wahrheitselemente liegen, muss nämlich nun untersucht werden,
wieweit es sich um täuschende Halbwahrheiten handelt. Halbwahrheiten
untergraben die Wahrheit bekanntlich viel wirksamer als offenkundige
und völlige Irrtümer. Es sollen zunächst nicht so sehr fixierte
Einwände als vielmehr kritische Fragen an die Konzeption des
bedingungslosen Grundeinkommens formuliert werden. Wieweit diese uns
schon ein Fazit ermöglichen, wird sich zeigen.


II. Kritische Fragen
1. Würde ein solches Grundeinkommen unter den gegenwärtigen
Wirtschaftsbedingungen nicht zu einer weiteren Verfestigung der
Klassengegensätze führen: zwischen denen, die sich mit dem
Grundeinkommen begnügen wollen oder müssen, und denen, deren Ehrgeiz
und Leistungsantrieb, vielleicht auch Habgier und Lust auf Wohlstand,
sie in die neue schöne Welt der ganz freiwilligen Arbeit hineinführt?

2. "Unter den gegenwärtigen Wirtschaftsbedingungen". Diese aber sind
zutiefst gekennzeichnet vom leistungslosen Mehrwerden des Geldes als
Kapital, also den Rücklagen der hohen Einkommensschichten, welche
bekanntlich allein die Gewinner des Zinseszinssystems sind. (Der Zins
wird hier vor allem als Einkommen aus Renditen, als Kapitallohn,
betrachtet. Als solcher stellt er die Kehrseite derselben Medaille
dar, die in der Produktionssphäre der Mehrwert, das heißt der
unbezahlte Anteil der Arbeit, ist.) Eine Beseitigung dieses
Umverteilungsmechanismus erst würde die Voraussetzungen schaffen für
allgemeineren Wohlstand nach Prinzipien einer zwischenmenschlichen
Gerechtigkeit.

3. Speziell echte Leistungsgerechtigkeit ist in der gegenwärtigen,
durch Selbstvermehrung des Geldes gekennzeichneten, kapitalistischen
Wirtschaftsweise gerade nicht gegeben, allem gegenteiligen Gerede von
unserer angeblichen "Leistungsgesellschaft" zum Trotz.
Leistungsgerechtigkeit wäre also keinesfalls gegeben oberhalb des
Sockels der Grundversorgung. Es drängt sich im Gegenteil der Verdacht
auf, die ganze Idee der Grundversorgung sei eine weitere Finte des
Kapitalismus, die Menschen durch Brot und Spiele zu sedieren, die für
den Verwertungsprozess des Kapitals nicht mehr benötigt werden, es
sei denn als Konsumenten. Die Privilegien Kapital- und Bodenbesitz
sind die Leistungsverfälscher par excellence, werden aber nicht als
solche thematisiert. Der Leistungsgedanke sowie der respektvolle
Umgang mit Leistung und Kreativität anderer ist denn auch einigen
Verfechtern des bedingungslosen Grundeinkommens persönlich fremd.
(Vgl. das Nachwort von F.-T. Gottwald zu meinem Buch "Logik des
Sozialen": Klarstellungen zu M.Opielkas 'Gemeinschaft in
Gesellschaft'", 2005.)

4. Der Verwertungsprozess des Kapitals ist es, der durch die immer
leistungsfähigeren und "intelligenteren" Maschinen ausgeführt wird.
Zwar steckt in ihnen vielfache menschliche Arbeit, nicht zuletzt
Erfindungsreichtum. Doch besteht die Tendenz unvermindert darin, den
Menschen weiszumachen, dass das Geld arbeitet und seinen Lohn
verdient - was man ja am Sachkapital, an den so hervorragend
arbeitenden Maschinen sehe. Demgegenüber kann eine
"humanwirtschaftliche" Position nur lauten, dass einzig und allein
der Mensch arbeitet, dass zwar die in den Maschinen vorgetane Arbeit
ihre volle Entlohnung verdient, dass selbstverständlich auch der
Verschleiß der Maschinen zu vergüten ist, dass jedoch in keiner Weise
die aktuelle "Arbeit" der Maschinen einen Lohn verdient, ebenso wenig
wie die Pseudoarbeit des Kapitals, dessen Lohn Rendite genannt wird.
Um diese dreht sich unser gegenwärtiges Wirtschaftssystem. Würde dies
in irgendeiner Weise gemindert durch "Grundeinkommen ohne Arbeit" -
außer dass, im besten Fall, ein großer Teil der Menschen durch ein
Mindesteinkommen ruhig gestellt würde, ein anderer großer Teil gut
verdienen würde und einige die mächtigen Profiteure des Systems
blieben? Die Menschen mit Grundeinkommen wären die menschlichen
Spiegelbilder des "arbeitenden", in Wahrheit schmarotzenden Kapitals.
Dieses und die Maschinen würden für sie arbeiten. Wie wohltätig!
Würde die große Lüge nicht durch eine neue verschleiert.
"Fortschrittliche Politik muss zum Ziel haben, Teilhabe für alle zu
organisieren. (…) Dies bedeutet Aufhebung des Müßiggangs bei den
VermögensbesitzerInnen und auch bei den Erwerbslosen" (Michael
Schlecht, Bedingungsloses Grundeinkommen, in: Sozialismus3/2006, 22).

5. Die Menschen mit Grundeinkommen ohne Arbeit sind Menschen, die
gesellschaftlich, zumindest wirtschaftlich, nicht gebraucht würden,
es sei denn zum Konsumieren, auch eine Form der Kapitalverwertung.
Ist dieses Menschenbild der Leistungslosigkeit etwa ein solches des
Bewusstseins um den Geschenkcharakter des Daseins (des mehr oder
minder spirituellen Bewusstseins, dass die meisten und wichtigsten
menschlichen Güter Geschenke sind) oder nicht vielmehr ein solches
der Abhängigkeit und Unmündigkeit? Natürlich verschleiert durch die
Verwechselbarkeit beider Arten von Beschenktheitsbewusstsein. Ein
Großteil der Gewerkschaftler bedankt sich denn auch für solch ein
zwiespältiges "Geschenk". "Mit dem bedingungslosen Grundeinkommen
wären die Nichterwerbstätigen elegant entsorgt. Aber ist das das
Reich der Freiheit?" (M. Schlecht, ebd.,21)

6. Arbeit im neuen Sinne müsste eine Art der Teilhabe am Gemeinwesen,
im tiefsten Dienstleistung für die Gemeinschaft darstellen. Doch was
ist mit den vielen Menschen, deren Teilhabe durch Arbeit gar nicht
erwünscht und erfordert ist? Warum wird die Arbeit (auch und gerade
in diesem neuen Sinne) nicht vielmehr verteilt: das Konzept der
radikalen Arbeitszeitverkürzung, das Oskar Lafontaine und seine
Partei mit Recht erneut in die Diskussion einbringen, wenngleich
bisher noch verhalten? Arbeitszeitverkürzung hieße: Verteilung des
Privilegs auf aktive und vergütete Teilhabe am Gemeinwesen - statt
Auseinanderdriften der Gesellschaft in bloße
Sozial-Leistungsempfänger und aktive Teilhaber. Müsste nicht
empfangende Teilhabe durch aktive Teilgabe die Parole sein - statt
des Auseinanderfallens der beiden Seiten? Verlangen die Verfechter
des bedingungslosen Grundeinkommens vielleicht nur deshalb keine
sinnvolle Gegenleistung, weil das eine neue Debatte über Verteilung
der Arbeit und Kapitalinteressen auslösen würde?

7. Die Vertreter des Konzepts Grundeinkommen ohne Arbeit beteuern, es
gäbe nicht genug Arbeit. Muss man hierin nicht eine weitere Lüge
wittern? Richtig ist, es gibt nicht genug verfügbares Geld für
Unmengen von Arbeiten, die getan werden müssten, sollten, könnten.
Denken wir nur an das Sauberhalten und Pflegen unserer Städte und
Landschaften, von dem unermesslichen Bedarf an sozialer Zuwendung zu
schweigen. Doch die "freie Wirtschaft" vergütet sie nicht, während
die öffentlichen Kassen leer sind. Dennoch wird in politischen
Talkshows noch immer behauptet, es gäbe keine Arbeit mehr. Das mag
für die betriebswirtschaftliche Kalkulation gelten.
Volkswirtschaftlich ist es pure Unwahrheit. Wird es vielleicht Zeit,
dessen Befürworter vom Sockel ihrer scheinbar menschheitsbeglückenden
Pseudo-Utopie auf den Boden der Realität zu holen?

8. Viele unangenehme Routinearbeiten werden auch in der schönen neuen
Welt des Grundeinkommens und der angeblich neuen Auffassung von
Arbeit als kreativem Bedürfnis getan werden müssen, z. B.
Reinigungsarbeiten, Packarbeiten, Botendienste, Bedienung in Handel
und Gastronomie. Es ist unglaubwürdig, dass all diese Tätigkeiten als
freudiger Dienst, gar innere Selbstverwirklichung der Arbeitenden
geleistet würden, nur weil ein Grundeinkommen schon da wäre. Ein
Großteil dieser Tätigkeiten wird weiterhin allein um des Geldes
willen geleistet werden - solange der Geist der Gesellschaft der alte
ist. Entweder herrscht der Geist des Kapitalismus oder der des
Dienens. Das Grundeinkommen geht jedoch nicht an diesen alten Geist
heran. Sein angeblich neues Paradigma (dass es um Einkommen, nicht um
Arbeit gehe) ändert an diesem Geist nicht das Geringste. Wird doch
nicht einmal die Arbeit als soziale Dienstleistung, sondern lediglich
als Zusatzverdienst-Leistung angesprochen.

9. Ferner: Welche menschlichen und kulturellen Leistungen sollen
eigentlich in der neuen Arbeitswelt über den Sockel des
Grundeinkommens hinaus vergütet werden und in die eigentliche
wirtschaftliche Warensphäre einfließen? Entweder wird alle Erziehung,
Fürsorge, Kulturtätigkeit vom einfachsten Unterrichten bis zu den
kreativen Höchstleistungen zur Ware - wer anders sollte sie dann
bewerten als der launische, modenabhängige, oberflächliche und daher
ungerechte Markt? - oder sie ist mit dem Grundeinkommen schon
abgegolten, wie vermutlich heute ein Teil der größten künstlerischen
und wissenschaflichen Erfinderleistungen ungerechterweise unvergütet
bleiben. Die Trennlinie zwischen allgemeinmenschlicher Zuwendung und
wirtschaftlich relevanten Sonderleistungen wäre schwer zu bestimmen.
Dabei soll es doch so einfach werden auf dem Sockel eines allgemeinen
Grundeinkommens!

10. Man könnte einwenden, was Arbeit als Dienstleistung im
wirtschaftlichen Sinne (und somit als Ware) ist und was freie
menschliche Zuwendung und Kreativität, diese Frage bleibt in jedem
Wirtschaftssystem schwierig. Wo verläuft die Grenze der Warenwelt,
also der durch Geld geprägten Wirtschaft? Es ist wahr: Hier lägen
tiefere Denk- und Gestaltungsaufgaben: Wie kann der "enge bürgerliche
Rechtshorizont" und damit zugleich der warenwirtschaftliche
Geldhorizont überschritten werden, ohne dass dieser das gesamte
menschliche und gesellschaftliche Leben hinterrücks doch dominiert?
Die Verfechter des Grundeinkommens ohne Arbeit machen es sich aber
einfach: Sie sedieren mit einem Minimaleinkommen die neuen
"Proletarier", die Kindererzieher, wirtschaftlich Genügsamen und
Kreativen, soweit Letztere nicht den Weg auf den offiziellen Markt
finden. Und die es tun, sind selten die Besten!


III. Fazit
Die Frage nach einem Grundeinkommen ohne Arbeit rührt unmittelbar an
die tiefsten Fragen des Menschenbildes und Gesellschaftsbildes,
einschließlich des Verständnisses von Wirtschaft und Geld. Es genügt
nicht, das jetzige gesellschaftliche Minimaleinkommen nach Hartz IV
einfach aufzustocken und seine Gewährung "sozialpolitisch" zu
vereinfachen! Viel mehr aber bieten uns die Befürworter eines
bedingungslosen Grundeinkommens m. W. bisher nicht. Sie meinen, den
Kapitalismus und die mit ihm einhergehenden Mentalitäten im Wesen
ungeschoren lassen zu müssen, indem man vom alten Paradigma
"Lebensunterhalt durch Arbeit" zu einem neuen, etwa "Geldverdienen
aus Spaß, auf der Basis einer umsonst gewährten Grundsicherung"
übergeht. Mir scheint dies in mehrfacher Hinsicht als irreal-utopisch
und zu oberflächlich gedacht. Bekanntlich ist das in der
Menschenrechtserklärung der Vereinten Nationen von 1948 wenigstens
postulierte "Recht auf Arbeit" in dem Entwurf einer Europäischen
Verfassung auf ein "Recht zu arbeiten" reduziert worden: Ein Anspruch
an die Qualität unserer Institutionen und ihrer Politik wird, gut
neoliberal, zu einem subjektiven Recht degradiert. In der Debatte um
bedingungsloses Grundeinkommen wird daraus ein Recht auf
Zusatzeinkommen für die Anspruchsvolleren und Gierigeren, für die im
materialistischen Bewusstsein Tüchtigeren!

Arbeit muss in der Tat als soziale Dienstleistung gedacht werden, sei
es als bewusst materiell unvergüteter Dienst am Mitmenschen wie an
der Gemeinschaft, sei es als Dienstleistung im wirtschaftlichen
Sinne. (In diese Richtung zielt schon das Kapitel "Paradoxien der
Arbeit in Zeiten der Massenarbeitslosigkeit", in "Sprung aus dem
Teufelskreis", 2. Aufl. 2005.) Als wirtschaftliche unterliegt sie dem
Prinzip von Leistung und Gegenleistung. Gerade dieses
Leistungsprinzip aber ist im Kapitalismus in keiner Weise
gewährleistet. Erst wenn wir einmal hier unsere Hausaufgaben gemacht
haben, kann der enge bürgerliche Rechtshorizont und Geldhorizont
verantwortlich in Richtung tieferer Menschlichkeit und Liebe sowie
auf einen Geist des Beschenktwerdens hin überschritten werden. Vorher
wirkt ein bedingungsloses Grundeinkommen als ein einschläferndes
Surrogat größerer Gerechtigkeit und Menschlichkeit, um nicht von
einem wieder einmal einschläfernden "Opium des Volkes" zu sprechen.
Denn kommen wird es ohnehin auf lange Sicht nicht, über Hartz IV
hinaus. Viel eher erleben wir einen grundsätzlicheren Systemeinbruch!

Johannes Heinrichs



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Message: 2
Date: Mon, 3 Jul 2006 21:18:25 +0200
From: "INGRID" <k0871692 at tiscali.de>
Subject: [Debatte-Grundeinkommen] Veranstaltung in Freiburg zum BGE im
	Bürgerhaus Freiburg
To: <debatte-grundeinkommen at listen.grundeinkommen.de>
Cc: strengmann at t-online.de, msoltau at t-online.de
Message-ID: <005801c69eda$d144e450$3e70f63e at computer>
Content-Type: text/plain; format=flowed; charset="iso-8859-1";
	reply-type=original

Liebe MitstreiterInnen!
einem mail das über die Mailingliste des Netzwerks Grundeinkommen ging,
entnahm ich, dass am 17.07. die o.g. Veranstaltung in Freiburg sein
soll. Ich würde mich dafür interessieren, mehr über die Organisatoren
und Veranstalter zu wissen. Ich möchte nämlich seit längerem in Freiburg
eine Initiative zum BGE gründen, was bisher mangels Feedback von Markus
Jensch u.a. nicht passiert ist.
Deshalb bitte ich um nähere Angaben zu den Kontaktpersonen vor Ort.
Mit bestem Dank und Gruss
Ingrid Wagner, Freiburg,   ingrid2005 at tiscali.de

NOCH BÜRGER ODER SCHON KUNDE DER ARBEITSAGENTUR?





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Message: 3
Date: Mon, 03 Jul 2006 23:08:36 +0200
From: Hinrich <hayessen at googlemail.com>
Subject: [Debatte-Grundeinkommen] Grenzen
To: Debatte-grundeinkommen at listen.grundeinkommen.de
Message-ID: <44A98754.7090704 at uni-bremen.de>
Content-Type: text/plain; charset=ISO-8859-15; format=flowed

Liebe Mitmailer,
ich sehe da noch eine ungeklärte Frage beim Bedingungslosen
Grundeinkommen:  In  den meisten Ländern der Welt wäre ein Einkommen von
z.B. 1500 Euro ein fürstliches Salär. Wäre es da nicht zu erwarten,
dass  Menschen  ihr Grundeinkommen  in preiswerteren Ländern verzehren?
Und weitere herziehen, um dann mit dem Grundeinkommen anderswo zu leben?
Oder ist das Grundeinkommen dann doch nicht bedingungslos und setzt
einen festen Wohnsitz (der in Zeiten visafreien Reiseverkehrs ja auch
nicht viel aussagt) in der BRD voraus?
Vielleicht steht dazu ja auch schon irgenwo was und ich hab's überlesen.
MfG


------------------------------

Message: 4
Date: Mon, 03 Jul 2006 17:34:06 -0400
From: rblaschke at aol.com
Subject: Re: [Debatte-Grundeinkommen] Grenzen
To: hayessen at googlemail.com,
	Debatte-grundeinkommen at listen.grundeinkommen.de
Message-ID: <8C86CFF8BF23EB5-84-9D33 at FWM-D25.sysops.aol.com>
Content-Type: text/plain; charset="utf-8"

Ich empfehle zur Thematik Manfred Füllsack (Hrsg.): Globale Sicherheit -
Grundeinkommen weltweit?
Avinus Verlag 2006

-----Ursprüngliche Mitteilung-----
Von: Hinrich <hayessen at googlemail.com>
An: Debatte-grundeinkommen at listen.grundeinkommen.de
Verschickt: Mo, 3 Jul 2006 23:08:36 +0200
Thema: [Debatte-Grundeinkommen] Grenzen


Liebe Mitmailer,
ich sehe da noch eine ungeklärte Frage beim Bedingungslosen
Grundeinkommen:  In  den meisten Ländern der Welt wäre ein Einkommen von
z.B. 1500 Euro ein fürstliches Salär. Wäre es da nicht zu erwarten,
dass  Menschen  ihr Grundeinkommen  in preiswerteren Ländern verzehren?
Und weitere herziehen, um dann mit dem Grundeinkommen anderswo zu leben?
Oder ist das Grundeinkommen dann doch nicht bedingungslos und setzt
einen festen Wohnsitz (der in Zeiten visafreien Reiseverkehrs ja auch
nicht viel aussagt) in der BRD voraus?
Vielleicht steht dazu ja auch schon irgenwo was und ich hab's überlesen.
MfG
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