[Debatte-Grundeinkommen] Sichere Kiosköffnungszeiten und Golfcaddies ODER Freiheit von Existenzangst?

Björn Lilleike bjoern at lilleike.de
Do Jan 12 20:17:58 CET 2006


>> Das ist ja wie REDEN GEGEN EINE WAND hier....
>> JEDER bekommt das bedingungslose Grundeinkommen. J E D E R ! Auch der 
>> mit dem Kiosk. Der kann dann früher zu oder später aufmachen, 
>> oder????? Wie solle es dann noch zu Sozialneid kommen??? Trotzdem 
>> schöne Grüße auch. L. Walczak

> Lieber Herr Walczak, ich schleppe mich also morgens zur Arbeit und will
meine  taz  
> kaufen, aber geht nix, weil der faule Hund sich auf seinem BG ausruht - d
a s ist die > Wand !!! MfG Wolfgang Schmied 

Wenn also die Kioske später aufmachen oder die Preise an den früher
aufmachenden Kiosken steigen, dann ist das die Wand?!
Mal ganz ehrlich, Rund-um-die-Uhr-Kioskbetreiber, die man Nachts aus dem
Bett klingeln darf, weil sie auf jede verkaufte Zeitung angewiesen sind, und
dass jeder Golfspieler seinen 1-Euro-Jobbenden Caddie haben kann soll die
Zukunft der Erwerbsarbeit sein?
Die Flucht in den Niedriglohnsektor und Arbeit um jeden Preis sind nicht die
Lösung des Problems, sie SIND meiner Meinung nach das Problem.

Im aktuellen Arbeitsmarktklima wäre doch jeder Angestellte schlecht beraten,
wenn er 
  * Wege aufzeigen würde, um seinen Arbeitsaufwand zu reduzieren,
  * den Arbeitsaufwand seines Kollegen und besten Freundes zu reduzieren,
  * Kritik an den Vorgesetzten äußern würde (selbst wenn alle in der Firma
sie teilen), die seine jobsichernden Bewertungen ausfüllen,
  * Ausgefallene Ideen äußern würde, die nicht in das Schema "so machen wir
das immer" fallen 
  * oder sonstwie in einer Weise auffallen, die negativ aufgenommen werden
könnte.

Dass manche es trotzdem tun, zeugt von Mut oder Verzweiflung.

Dennoch ist es doch so, dass es praktisch keinen Berufszweig gibt, in dem
nicht eine latente oder sogar sehr konkrete Angst vor dem
Arbeitsplatzverlust umgeht oder ohnehin von befristetem zu befristetem
Vertrag beschäftigt wird. Selbst wenn es dem eigenen Unternehmen blendend
ginge, könnte der eigene Job bei einer Fusion oder Übernahme ganz leicht
wegfallen. 
Die Angst ist ja nicht nur, jetzt weniger Geld als zuvor zu haben, sondern
auch die, entweder kein Geld zu bekommen oder alternativ womöglich einen Job
annehmen zu müssen, der die Chancen ruiniert, wieder in einen adäquaten Job
zurückkehren zu können (wie macht sich wohl Kioskangestellter oder
Golfcaddie im Lebenslauf).
Diese Angst wird in vielen Fällen als existenzbedrohend erlebt, ist also
keine Kleinigkeit.

Angst ist jedoch ein schlechter Begleiter für Kreativität,
Erfindungsreichtum, Innovation und Unternehmergeist. Wer Angst um seine
unmittelbare Zukunft hat, der wird nicht unternehmungslustig Anpacken á la
"Du bist Deutschland"/"Jetzt erst recht". Wer vor dem Abgrund steht, der
bewegt sich lieber keinen Zentimeter vor noch zurück.

Ein bedingungsloses Grundeinkommen würde diese Angst drastisch mindern, wenn
nicht sogar beseitigen. Denn ein Jobverlust ist dann immer noch ärgerlich -
aber eben nicht existenzbedrohend. 
Mehr Sicherheit und mehr Freiheit bedeuten mehr Platz für Ideen, (sich)
ausprobieren und etwas zu unternehmen. Der Ehrgeiz und der Anreiz wird genug
Leute dazu antreiben, diese gewonnene Freiheit auch wirtschaftlich und
produktiv zu nutzen. Sei es in ehrenamtlicher Tätigkeit, zu attraktivem Lohn
in einem anderen Job oder als Selbständiger.

DAS ist es, was ich mir von einem bedingungslosen und existenzsichernden
Grundeinkommen verspreche. Die Faulheit der Menschen ist nicht die Wand,
sondern deren Angststarre.

Mit freundlichen Grüßen,
Björn Lilleike





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