[Debatte-Grundeinkommen] Kritik am BGE
Werner Schumacher
schumacher.marburg at freenet.de
Di Nov 15 12:47:33 CET 2005
> Das halte ich auch für ökonomischen Unsinn.
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
wer an einem bedingungslosen Grundeinkommen interessiert ist, wer
begriffen hat, dass dies unsere Zukunft ist, wer so etwas wie ein BGE
ernsthaft in Erwägung ziehen will, ist gut beraten, den
Selektionshorizont für ökonomische Argumente und Vorschläge so weit wie
möglich aufzuspannen. Damit soll gesagt sein, dass es in der Sache kaum
weiter hilft, wenn man etwas, das erst in Zukunft erfahrbar gemacht
werden kann, schon in der Gegenwart erfahrungslos als Unsinn verwirft.
Damit soll nicht gesagt sein, dass alle Modelle ungeprüft für brauchbar
erachtet werden sollten, allein, wir täten gut daran, uns auf
unvorhersehbare Möglichkeiten der Lösungsfindung einzulassen, was
bedeutet, sich auch auf die Möglichkeit einzulassen, Unbrauchbares oder
Unsinn auszuprobieren. Denn was weiterhilft und was nicht ist immer nur
das Ergebnis einer rückschauenden Betrachtungsweise; wenn man also
weitergekommen ist, erst dann weiß man auch, wie und womit.
Aus diesem Grunde sind so Projekte wie Joytopia, aber auch der
Westerwaldtauschring oder das Konzept von Günter Koch aus Erlangen
(www.patentrezept.de) interessant, nicht etwa deshalb, weil gewiß ist,
dass irgend jemand von diesen Leuten im Besitz von Gottes letzter
Offenbarung sei, sondern weil diese Projekte etwas ausprobieren und
riskieren - sie riskieren Erfahrungsgewinne, die übrigens auch durch das
Scheitern dieser Projekte möglich sind. Aber ob sie scheitern oder nicht
entscheidet sich nicht durch Meinungsaustausch, so wie Ökonomie
allgemein nicht eine Sache der Meinungsbildung ist. Ökonomie gibt es
nur, wenn sie funktioniert - eine Ökonomie, die nicht funktioniert, die
es also nicht gibt, über die hat man dann auch keine Meinung.
Was alle drei genannten Projekte außerdem interessant macht ist, dass
die Beteiligten begriffen haben, dass die Auszahlung eines Bürgergeldes
nur unter der Bedingung einer veränderten Ökonomie möglich ist. Alles
andere wäre auch illusorisch: Wenn man begriffen hat, dass sich etwas
ändern muss, kann man nicht erwarten, dass dies nur möglich ist, wenn
alles so bleibt, wie es ist.
Statt also diese Konzepte zu zerreden schlage ich vor, sie
auszuprobieren - also mitzumachen. Denn es reicht nicht aus, etwas
Neues, etwas Anderes zu durchdenken; man muss es durcharbeiten - aber
die Komplexität der Zusammenhänge kann man nicht einfach auf den
Unterschied von Sinn und Unsinn reduzieren. Das ist zu schnell.
Stattdessen sollten wir uns Zeit geben.
Liebe Grüße.
Werner Schumacher
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